Gedanken zur Woche 249, Dr. Matthias Martin
FEST DER HEILIGEN FAMILIE – SONNTAG IN DER WEIHNACHTSOKTAV (2024)
Wenn der letzte Sonntag im Kalenderjahr nach dem gregorianischen/Gregorianischen Kalender und das kirchliche FEST DER HEILIGEN FAMILIE einmal auf denselben Tag fallen, so trifft sich dies sehr gut. Ein solcher letzter Sonntag im Kalenderjahr lädt ein zum Innehalten, zum Rückblick und Reflektieren. Und da geht es eben gerade auch um Angelegenheiten in Zusammenhang mit dem so weiten und breiten wie tiefen Feld der Familie. Familie ist ein Thema zu allen Jahreszeiten. Ein besonderer Bereich ist hier für sich noch einmal der Bereich der Ehe. Nicht umsonst beschäftigten sich seit den frühen Tagen der Christenheit immer wieder Kirchenlehrer, Päpste und unterschiedliche Theologen mit der Gesamtthematik von Ehe und Familie. Gerade die Ehe im engeren Sinne war Thema für Synoden und Konzilien. Ehe nimmt einen besonders weiten Bereich im Kirchenrecht und in der Tätigkeit von Einrichtungen der römischen Kurie ein. Gerade ein umfangreicher Teil des Kirchenrechts befasst sich mit der Ehe. Dies trifft ja sowohl für den CIC für die Lateinische Kirche wie für den CCEO für die Katholischen Ostkirchen zu (siehe Gedanken zur Woche 246 – HOCHFEST DER OHNE ERBSÜNDE EMPFANGENEN JUNGFRAU UND GOTTESGEBÄRERIN MARIA und 2. ADVENTSONNTAG (2024) und Gedanken zur Woche 246-b – 2. ADVENTWOCHE (2024)).
Auch in mehr kirchenpolitischer Hinsicht kam der Ehe immer wieder besondere Bedeutung zu. Dabei stellt die Auseinandersetzung mit dem besonders berüchtigten Heinrich VIII. so etwas wie die sprichwörtliche Spitze des Eisberges dar. Französische Herrscher bis hin zu Napoleon I. Bonaparte erwiesen sich (auch) in Hinblick auf die Ehe als Gegner der katholischen Kirche (siehe Gedanken zur Woche 42 – SONNTAG DER WEIHNACHTSOKTAV und FEST DER HEILIGEN FAMILIE (2020); Gedanken zur Woche 92-b – WEIHNACHTSOKTAV (2021); Gedanken zur Woche 245 – 1. ADVENTSONNTAG (2024) und besonders zu Heinrich VIII. und englischem Königtum siehe Gedanken zur Woche 65-b – 12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS (2021)). Auch mit der Ehegesetzgebung des italienischen Machthabers und wohlgemerkt jahrzehntelangen Partners westlicher Großmächte, der alliierten Siegerstaaten des Ersten Weltkrieges setzte sich der Apostolische Stuhl ablehnend auseinander (siehe Gedanken zur Woche 95 – 2. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Eheangelegenheiten waren konsequenterweise auch Grund zu Spannungen bis hin zu offenen Konflikten etwa mit deutschen Adeligen wie dem gewalttätigen Philipp von Hessen und seiner sog. Doppelehe.
In der Eheenzyklika „Casti Connubii“ wurde sowohl kantig Stellung bezogen gegen die offizielle anglikanische Kirche als integralem Bestandteil des britischen Empire wie gegen kommunistische Ideologie und Praxis.
Auch eigens im kirchlichen Prozessrecht wird der Ehe weiter Raum gewidmet und eigene Wichtigkeit eingeräumt. Dies lässt sich wieder sowohl im CIC wie dem CCEO sehen. Innerhalb des Gesamtbereichs für kirchliches Prozessrecht ist dort jeweils im CIC ein eigener Titel und im CCEO ein eigenes Kapitel gewidmet.
Dieser Titel I „Eheprozesse“ findet sich innerhalb von Teil III „Besondere Arten von Verfahren“ des Buches VII „Prozesse“ ist seinerseits weiter unterteilt.
Das dortige Kapitel handelt von „Ehenichtigkeitsverfahren“ und ist noch einmal unterteilt in die Artikel 1 bis 7. Das kürzere Kapitel II befasst sich mit „Verfahren zur Trennung der Ehegatten“. Um „Nichtvollzugsverfahren“ geht es Kapitel III. Nur aus einem einzigen Canon/Kanon besteht Kapitel IV zum Thema „Verfahren zur Todeserklärung“. Allerdings besteht dieser CIC-Canon/Kanon 1707 seinerseits aus drei Paragraphen:
„§ 1. Falls der Tod eines Gatten durch eine authentische kirchliche oder weltliche Urkunde nicht bewiesen werden kann, hat der andere Gatte erst dann als vom Eheband gelöst zu gelten, wenn vom Diözesanbischof die Erklärung ergangen ist, dass der Tod zu vermuten ist.
§ 2. Der Diözesanbischof kann die in § 1 erwähnte Erklärung nur dann aussprechen, wenn er geeignete Nachforschungen angestellt und aus Zeugenaussagen, aus der öffentlichen Meinung oder aus Indizien die moralische Gewissheit gewonnen hat, dass der Gatte tot ist. Die bloße, wenn auch lange währende Abwesenheit des Gatten reicht dazu nicht aus.
§ 3. In unsicheren und verwickelten Fällen soll der Bischof den Apostolischen Stuhl um Rat fragen.“
In Paragraph 1 wird deutlich Bezug genommen auf die katholische Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe. Zugleich wird auch hier etwas von der sehr starken Stellung deutlich, welche das Zweite Vatikanische Konzil und das jeweils derzeitige Kirchenrecht dem Diözesanbischof einräumen. Immerhin wird dieser doch in der Gesamtheit von CIC-Canon/Kanon 1707 darauf verpflichtet, seriöse Nachforschungen anzustellen. Das mag an die Regelungen bei Selig- und Heiligsprechungsverfahren erinnern, wie sie durch die Jahrhunderte überliefert wurden. Im größeren geschichtlichen Zusammenhang mag man von hier aus generell auch die vielen Vermisstenfälle in Zusammenhang mit kriegerischen Auseinandersetzungen wie Flucht und Vertreibung denken. Dies zeigte sich auf eigene Weise selbst beim Phänomen derjenigen japanischen Soldaten, welche noch Jahre bis Jahrzehnte nach dem offiziellen Ende des Zweiten Weltkrieges isoliert auf Inseln bzw. in Teilen von Inseln aushielten. Ebenso mag das Schicksal von aus dem Wahrnehmungsbereich ihrer (ursprünglichen) Heimat entschwundenen Auswanderern in den Sinn kommen.
Auf jeden Fall sollte klar sein, dass bei einer eventuellen Todeserklärung bezüglich eines Ehepartners ganz offensichtlich keine Erteilung politischer Gefälligkeiten und irgendwelcher Gunstserweise vor dem Hintergrund finanzieller Gegebenheiten vorgesehen sind. Wiederum wird auch hier von der völligen Gleichberechtigung von Frau und Mann, des weiblichen und des männlichen Ehepartners, ausgegangen. Auch dies verdient ausdrückliche Beachtung.
Vergleichbar sind diese Dinge im CCEO für die Katholischen Ostkirchen geordnet. Hier gehört Kapitel I „Eheprozesse“ dem Titel XXVI „Besondere Arten von Verfahren“ an. Der zu dem Kapitel I gehörende Artikel I „Ehenichtigkeitsverfahren“ ist parallel zur Anordnung im CIC in so etwas wie sieben Abschnitte unterteilt. Als Artikel II folgt dann auch „Verfahren zur Trennung der Eheleute“ wenn man der Lateinisch-Deutschen Ausgabe eben des CCEO folgt. Auch für den Fall des anzunehmenden Todes eines Ehegatten ist im CCEO ein bestimmter Canon/Kanon vorgesehen. Es handelt sich hierbei um den dortigen Canon/Kanon 1383, welcher den gesamten Artikel III „Verfahren zur Vermutung des Todes eines Ehegatten“ ausmacht. Ebenfalls nur einen Canon/Kanon umfasst dann noch Artikel IV „Vorgehensweise zur Erlangung der Auflösung der nicht vollzogenen Ehe oder der Auflösung der Ehe zugunsten des Glaubens“.
Ein Unterschied lässt sich bezüglich des CCEO-Canons/Kanons 1383 gegenüber dem schon aufgeführten CIC-Canon/Kanon 1707 leicht feststellen. Der Canon/Kanon 1383 des CCEO umfasst vier Paragraphen:
„§ 1. Sooft der Tod eines Ehegatten nicht durch eine authentische kirchliche oder weltliche Urkunde bewiesen werden kann, wird der andere Ehegatte nicht als vom Eheband gelöst angesehen, es sei denn nach erfolgter Erklärung des vermuteten Todes seitens des Eparchialbischofs.
§ 2. Diese Erklärung kann der Eparchialbischof nur vornehmen, wenn er nach Durchführung geeigneter Nachforschungen aus Zeugenaussagen, aus Gerüchten oder aus Indizien die moralische Gewißheit über den Tod des Ehegatten erlangt hat; die Abwesenheit des Ehegatten allein, auch wenn sie lange dauert, reicht nicht aus.
§. 3. In unsicheren und verwickelten Fällen soll der Eparchialbischof, der seine Gewalt innerhalb der Grenzen des Territoriums der patriarchalen Kirche ausübt, den Patriarchen zu Rate ziehen; die anderen Eparchialbischöfe aber sollen den Apostolischen Stuhl zu Rate ziehen.
§ 4. Im Verfahren zur Vermutung des Todes eines Ehegatten ist die Beteiligung des Kirchenanwalts erforderlich, nicht aber des Bandverteidigers.“
Gerade dieser Paragraph 3 weist auf die verfassungsrechtliche Ordnung der Katholischen Ostkirchen hin. Dabei ist zu bedenken, dass der Großerzbischof einer großerzbischöflichen Kirche dieselbe Rechte und Pflichten besitzt wie der Patriarch einer patriarchalen Kirche, wenn dies nicht ausdrücklich anders festgehalten ist.
1. Lesung: Sir 3,2-6.12-14 oder 1 Sam 1,20-22.24-28
2. Lesung: 1 Kol 3,12-21 oder 1 Joh 3,1-2.21-24
Evangelium: Lk 2,41-52
Gedanken zur Woche 249-b, Dr. Matthias Martin
WEIHNACHTSOKTAV einschließlich HOCHEFST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA sowie anschließende TAGE DER WEIHNACHTSZEIT (2024-2025)
Auch wenn in diesem Jahr der Gedenktag des heiligen Thomas Becket durch den SONNTAG IN DER WEIHNACHTSOKTAV und das FEST DER HEILIGEN FAMILIE liturgisch verdrängt wird, so besitzt dieser Heiligengedenktag seine fortwährende Aussagekraft. Wie ein anderes berühmtes Opfer der englischen Monarchie mit demselben Vornamen Thomas, nämlich Thomas Morus, so ist auch Thomas Becket „ein Mann zu jeder Jahreszeit“, „ein Mann für alle Jahreszeiten“.
Beide starben wie so viele andere, ungezählte Katholiken einschließlich Katholikinnen wegen ihres Widerstandes gegen eine Unterjochung der katholischen Kirche durch die englische bzw. britische Monarchie. Dabei ging es im Falle des heiligen Thomas Morus gerade um die Grundlagen des Eherechts. Hier wie auch sonst stellte sich die Frage, ob ein englischer Herrscher mit Hilfe seines Machtapparates alle möglichen Kompetenzen willkürlich an sich ziehen und wahrnehmen könne. Dabei hatte derartige Tendenzen die katholische Kirche schon vorher wiederholt verurteilt. In der Auseinandersetzung mit der französischen Monarchie hatte dies erst noch wenige Jahre vor dem Ausbruch des Konfliktes mit dem englischen Gewaltherrscher Heinrich VIII. in sehr grundsätzlicher Weise das Fünfte Laterankonzil getan. Was ebenfalls so gerne verdrängt wird, ist die Tatsache, dass das Konzil von Trient auf dieser Linie folgte und Zeugnis, wie wichtig und richtig es immer wieder ist, sich als Kirche Machthabern zu widersetzen (siehe Gedanken zur Woche 87 – CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2021) und Gedanken zur Woche 237-b - 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Das Erste Vatikanisches Konzil war mit seiner Dogmatischen Konstitution „Pastor Aeternus“ und seiner Betonung des päpstlichen Jurisdiktionsprimates (siehe Gedanken zur Woche 148 – 3. SONNTAG IM JAHRESKREIS und SONNTAG DES WORTES GOTTES (2023)) gegen die französische Ideologie und damit verbundene Politik des Gallikanismus (siehe Gedanken zur Woche 199-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)) gerichtet. Der damals noch amtierende Napoleon III. hatte auch mit seiner Kirchenpolitik Maßnahmen gesetzt, die man sonst als typisch für totalitäre Systeme des 20. Jahrhunderts zu halten geneigt ist. Passte dies zu seiner sich auf verschiedenen Kontinenten auslebenden brutalen Eroberungspolitik (siehe Gedanken zur Woche 174-b - 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)) so ging es wohlgemerkt auch nach Heinrich VIII. etwa bei der Auseinandersetzung mit Napoleon I. Bonaparte (siehe Gedanken zur Woche 67 – 14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)) auch um die Verteidigung kirchlicher Eigenständigkeit in Eheangelegenheiten.
Dabei betont auch das geltende Kirchenrecht, dass der Papst die oberste Stelle auch in kirchlichen Gerichtsangelegenheiten ist.
Die Verbindung zwischen dogmatischer Theologie und Kirchenrecht wird gerade in Hinblick auf den obersten Jurisdiktionsprimat des Papstes deutlich. Gerade Papst Franziskus legt doch auf eine petrinische, also in der systematischen Glaubenslehre verankerten Begründung seiner Zuständigkeiten bis hin zu denen in seiner Eigenschaft als Oberhaupt des Vatikanstaates Wert. Der Jurisdiktionsprimat bezieht sich auch auf die Stellung des Papstes als obersten Richter und enthält diese.
So lautet ganz grundsätzlich Canon/Kanon 1442 des CIC:
„Der Papst ist der oberste Richter für den gesamten katholischen Erdkreis. Er spricht Recht entweder persönlich oder durch die ordentlichen Gerichte des Apostolischen Stuhles oder durch von ihm delegierte Richter.“
Ein Recht auf unkontrollierte Entscheidungsgewalt eines Königs, wie dies das anglikanische Staatskirchentum vertrat und als Anspruch nie widerrufen hat wie auch die etwas verbrämter Form des Gallikanismus ist damit nochmals sehr klar zurückgewiesen. Gerade im Sinne einer Möglichkeit für einfache Gläubige und etwa kirchlichen Mitarbeitern gegenüber ihren mehr oder direkten Vorgesetzten ist Canon/Kanon 1417 zu verstehen. Es ist hier in dem angesprochenen Sinne so etwas wie ein Grundrecht formuliert und das mit einer ausdrücklichen theologischen Begründung:
„§ 1. Aufgrund des Primates des Papstes steht es jedem Gläubigen frei, seine Streit- oder Strafsache in jeder Gerichtsinstanz und in jedem Prozessabschnitt dem Heiligen Stuhl zur Entscheidung zu übergeben oder bei ihm einzubringen.
§ 2. Die Anrufung des Apostolischen Stuhles unterbricht, außer im Fall der Berufung, jedoch nicht die Ausübung der Jurisdiktion des Richters, der die Sache schon in Angriff genommen hat; er kann deshalb das Verfahren bis zum Endurteil fortsetzen, außer der Apostolische Stuhl hat dem Richter zu erkennen gegeben, dass er die Sache an sich gezogen hat.“
Damit ist auch klargestellt, dass diese Art von Berufungsmöglichkeit nicht etwa durch Täter im Bereich des sexuellen Missbrauchs oder so etwas wie wirtschaftskriminelle Elemente im kirchlichen Dienst missbraucht werden darf. Es geht zum ja um Opferschutz. Gerade Papst Benedikt XVI. betonte scharf, dass es nicht um Täterschutz gehen darf. Dazu stellt sexueller Missbrauch wie wirtschaftlich-finanziell böses Verhalten einen Verstoß gegen göttliches Recht dar. Das formale kirchliche Recht und dessen Anwendung stehen nun doch im Dienst am göttlichen Recht, an moralischen bzw. ethischen Inhalten und dürfen nicht willkürlich über sie gestellt werden. Es ist auch am Ende eines Kalenderjahres zu betonen, dass kirchliche Verwaltung wie kirchliches Gerichtswesen und seelsorgliche Strukturen nicht in einem täterfreundlichen Sinne verwendet werden dürfen. Über alle geschriebenen Rechtsnormen und päpstliche Erklärungen und Lehrschreiben hinaus ist hier offensichtlich noch sehr viel zu tun. Gegen Missbräuche anzukämpfen bleibt, auch und das nicht zuletzt in Hinblick auf die oftmalige Verbindung von innerkirchlichen Tätern und politischen bis militärischen Machthabern, eine Daueraufgabe. Die derzeitigen Vorgänge in der dabei schwer erschütterten anglikanischen Staatskirche von England mit dem Rücktritt des Erzbischofs von Canterbury und die sehr offenen Diskussionen gerade in der britischen Öffentlichkeit sind da sehr ermutigend. In eine gute Richtung wies auch schon die zumindest ansatzweise Aufarbeitung des offensichtlich wirklich üblen Verhaltens von Prinz Andrew aus dem britischen Königshaus gegenüber einer wehrlosen jungen Frau und überhaupt seines Verhaltens in Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch und betreffenden Netzwerken. Inzwischen können auch Spitzenvertreter des britischen Königshauses wie der oberste Bischof seiner anglikanischen Staatskirche nicht mehr ganz so leicht davon ausgehen, sich so ziemlich alles leisten zu können, ohne dafür zumindest ansatzweise zur Rechenschaft gezogen zu werden. So etwas sind eben Schritte in die richtige Richtung. Aber die Bekämpfung übler Taten einschließlich von sexuellem Missbrauch in Zusammenhang mit großen und bisher mächtigen Strukturen bleibt eben eine Daueraufgabe.
Dabei verdient gerade in Hinblick auf die katholische Weltkirche natürlich auch der CCEO Beachtung. So stellt der CCEO-Canon/Kanon 1059 insgesamt die parallele Formulierung zu den zitierten CIC-Canon/Kanon 1417 und 1442 dar. Seinerseits lautet Canon/Kanon 1059 des CCEO:
„§ 1. Wegen des Primates des Papstes steht es jedem Christgläubigen frei, seine Sache in jedem Abschnitt und in jeder Stufe des Gerichtsverfahrens beim Papst selbst zur Untersuchung vorzulegen, der für den gesamten katholischen Erdkreis der höchste Richter ist und der entweder persönlich Recht spricht oder durch die Gerichte des Apostolischen Stuhls oder durch von ihm delegierte Richter.
§ 2. Diese beim Papst eingelegte Anrufung unterbricht jedoch nicht, mit Ausnahme des Falls der Berufung, die Ausübung der Gewalt bei dem Richter, der die Sache schon zu untersuchen begonnen hat und der darum das Gerichtsverfahren bis zum Endurteil fortführen kann, wenn nicht feststeht, daß der Papst die Sache an sich gezogen hat.“
Dieser CCEO-Canon/Kanon unterstreicht auch die volle kirchliche Einheit der Katholischen Ostkirchen und der Lateinischen Kirche. Auch die Katholischen Ostkirchen anerkennen den Jurisdiktionsprimat des Papstes allen Desinformationsaktivitäten und blanker Unkenntnis zu Trotze. Umso mehr sollten es etwa katholische Laienvertreter wie örtliche Geistliche unterlassen, sich auf Kosten Katholischer Ostkirchen profilieren zu wollen. Auch im politischen Bereich ist jeder Ausgrenzung und gewalttätigen Bekämpfung eben auch katholischer Ostkirchen durch katholische Vertreter gerade in westlichen Ländern nach Kräften entgegenzuwirken.
Diese unzertrennliche Verbindung des Apostolischen Stuhles und den Katholischen Ostkirchen wird in Hinblick auf das Gerichtswesen noch eigens durch Canon/Kanon 1065 des CCEO verdeutlicht:
„Das Gericht der dritten Instanz ist der Apostolische Suhl, wenn nicht anders im gemeinsamen Recht ausdrücklich vorgesehen ist.“
Gedanken zur Woche 248, Dr. Matthias Martin
4. ADVENTSONNTAG (2024)
Der VIERTE ADVENTSONNTAG steht für den Beginn der letzten, hoffentlich im guten Sinne besonders intensiven Tage der Vorbereitung auf das Hochfest von Weihnachten. Natürlich gehört es auch zur Vorbereitung, etwa Geschenke einzukaufen und sie entweder selber zu verpacken oder verpacken zu lassen. Auch das spezielle Einkaufen von Lebensmitteln und andere Vorbereitungen auf die hochfestlichen Tage von Weihnachten sind wohlbegründet. Aber es soll eben auch und ganz besonders um die im eigentlichen Sinne religiöse Vorbereitung auf das Hochfest, das Fest I. Klasse von Weihnachten, gehen. Gerade Katholikinnen und Katholiken sind eingeladen, in Wort und Tat Zeugnis abzulegen für die christliche Botschaft, welche die Grundlage darstellt für die Adventzeit und eben auch für das Weihnachtsfest. Das stellt natürlich gerade heutzutage eine Herausforderung dar. Volkskirchliches Leben ist gerade in westlichen Ländern über weite Strecken geschwunden oder zusammengebrochen. Umso wichtiger ist eben, dass Katholikinnen und Katholiken mit ihrem persönlichen Zeugnis verdeutlichen, worum es in der Adventzeit und zu Weihnachten eigentlich zu gehen hat. Schon gar nicht soll die Adventzeit als Anlass für verstärkten Alkoholkonsum bis hin enthemmten Verhalten gegenüber Frauen und Minderjährigen missverstanden und missbraucht werden. Natürlich gilt es da stets, dass offizielle Kirchenvertreter gute Vorbilder sein müssen. Wer im kirchlichen Bereich selber ein offizielles Amt oder eine offizielle Funktion innehat, möge auch in dieser Zeit des Jahres für sich bedenken, dass persönliches Fehlverhalten heutzutage sehr leicht mit einem Handy oder durch ein anderes Gerät aufgezeichnet und dann weiterverbreitet werden kann. Auch hier gilt eben, dass derjenige, der bei anderen Menschen besonders intolerant und höchste Maßstäbe aufstellend daherkommt, selber umso schärfer kritisiert wird. Gerade kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sollten Worte zu denken geben und selbstkritische Reflexion anregen, wie wir sie in der Bergpredigt der neuen deutschen Einheitsübersetzung zufolge finden:
„(Mt 7,1) Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet! (2) Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden und nach dem Maß, mit dem ihr messt, werdet ihr gemessen werden. (3) Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? (4) Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! – und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken! (5) Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen!“
Diese Mahnung finden wir grundsätzlich auch im Markusevangelium, wo wir wiederum anhand der neuen deutschen Einheitsübersetzung lesen können:
„(Mk 4,24) Weiter sagte er<, also Jesus,>: Achtet auf das, was ihr hört! Nach dem Maß, mit dem ihr messt und zuteilt, wird euch zugeteilt werden, ja, es wird euch noch mehr gegeben.“
In dem in Bibelausgaben üblicherweise von den drei synoptischen Evangelien an dritter Stelle stehenden Lukasevangelium finden sich dann noch die mahnenden Worte:
„(Lk 6,41) Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem eigenen Auge bemerkst du nicht? (42) Wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Bruder, lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen!, während du selbst den Balken in deinem Auge nicht siehst? Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herausziehen.“
Das sind doch jeweils starke Worte, im matthäischen, im markinischen wie im lukanischen Zusammenhang der Evangelien. Daran ändert wohl auch der Umstand nichts, dass es über die Entstehung der Evangelien und etwaige literarische oder inhaltliche Abhängigkeit zwischen ihnen und anderen Schriften ja recht unterschiedliche Theorien gibt.
Ihrerseits begegnet die Zahl 4 nicht nur in Hinblick auf die Adventzeit, bei der Zahl der Adventwochen und der Adventsonntage. Vielmehr begegnet uns diese Zahl 4 auch sonst im religiösen Leben. So gibt es eben vier und nicht nur drei Evangelien, welche für eine christliche Bibel unverzichtbar sind:
In einer Zeit, in der viele Menschen auch in Mitteleuropa schon gar nicht mehr wissen, dass es sich bei Weihnachten um ein christliches Hochfest handelt und sich erst recht nicht oder nicht mehr bewusst sind, dass es sich um das Hochfest von der Geburt Jesu Christi handelt, liegt es nahe, auch darauf wieder einmal ausdrücklich hinzuweisen.
In früheren Jahrhunderten wurde dazu auch darauf hingewiesen, dass es in der noch eher frühen Kirche vier allgemeine Konzilien gab, welche besondere Bedeutung gewannen:
Gerade das Konzil von Chalcedon stellte heraus, dass es sich bei Jesus von Nazaret um eine wirkliche menschliche, eine historische Person handelt. In diese Richtung hatten schon die drei vorhergehenden allgemeinen Konzilien gewiesen. Bei Ephesus war das Augenmerk eigens stärker auf die (irdische) Mutter Jesu, auf Maria, gerichtet gewesen. Mariologie und Christologie lassen sich eben nicht voneinander trennen und sollten schon gar nicht gegeneinander ausgespielt werden. Gerade in diesem Feld der Theologie sollte jede Schnoddrigkeit und Leichtfertigkeit vermieden werden. Die Folgen können gerade im Bereich der Makroökumene, im Verhältnis zu mehr oder minder nichtchristlichen Religionen verheerend sein. Dies hat sich wohl in der Geschichte schon tatsächlich ereignet. Umso schwerer wiegt die Verantwortung auf in der Kirche tätigen Menschen und sollte nicht verleugnet werden. Verschärft wird die gesamte Situation eben natürlich allein schon durch die rapide Entwicklung im Medienbereich. Was irgendwo an einem abgelegenen Punkt auf Erden geschieht, kann alsbald als Neuigkeit rund um den Planeten verbreitet werden. Das gilt nicht zuletzt auch für das Verhalten oder Fehlverhalten von Religionsvertretern. Auch für autoritäre bis totalitäre Regierungen ist es nicht immer einfach und manchmal gar nicht möglich, die Registrierung eines Vorfalles und eine von dort ausgehende Datenübermittlung zu verhindern.
Dies trifft auch auf Fälle zu, in denen ein betreffendes Regime und eine offizielle religiöse Einrichtung oder verschiedene religiöse Gruppierungen besonders eng miteinander verbunden sind. Mitunter fällt ein vermeintlich stabiles Regime sowieso viel rascher als Freund und Feind gedacht haben. Die jüngsten Vorgänge in dem auf der Grundlage des Geheimabkommens von Sykes-Picot und späteren Vorkommnissen und machtpolitischen Manövern zustande gekommenen staatlichen Gebildes genannt „Syrien“ beweisen dies. Dabei hatte die dort nach dem Ersten Weltkrieg herrschende Mandatsmacht Frankreich eh vorgehabt, anstatt eines Staates „Syrien“ lieber vier kleinere Einzelstaaten zu bilden (siehe Gedanken zur Woche 97 – 4. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). So mancher Religionsvertreter und seine engere Umgebung möchten ganz offensichtlich nicht mehr auf ihre bisherige Nähe zum gestürzten Regime angesprochen werden. Auch hier gibt es jetzt einiges aufzuarbeiten. Nicht zuletzt in Hinblick auf die juristische, einschließlich vermögensrechtliche Aufarbeitung sollte keine Zeit verloren werden.
1. Lesung: Mi 5,1-4a
2. Lesung: Hebr 10,5-10
Evangelium: Lk 1,39-45
Gedanken zur Woche 248-b, Dr. Matthias Martin
4. ADVENTWOCHE und HOCHFEST von WEIHNACHTEN sowie Beginn der WEIHNACHTSOKTAV (2024)
Das HOCHFEST von WEIHNACHTEN wie die Tage unmittelbar davor sind ein sehr guter Anlass, sich mit der Geschichte zu beschäftigen. Insbesondere für Christinnen und Christen gilt in einer solchen Zeit des Jahres ein Satz wie „Nur wer weiß woher er kommt, weiß wohin er geht.“ Nicht umsonst betonte eine so energische Papstpersönlichkeit wie der heilige Papst Pius X. und nicht nur er allein den Wert guter Geschichtskenntnisse (siehe Gedanken zur Woche 78 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 81-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)).
Auch wenn es die veröffentlichte Meinung offensichtlich gerade im deutschen Sprachraum geflissentlich übergangen hat, so hat doch genau in diesem Kalenderjahr 2024 Papst Franziskus seinen Vorgänger Pius X. besonders gewürdigt (siehe Gedanken zur Woche 216-b – 7. OSTERWOCHE (2024) und Gedanken zur Woche 218 – DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2024)). Dabei hatte dies das offizielle Organ des Vatikans, der OSSERVATORE ROMANO bemerkenswert mitgetragen (siehe Gedanken zur Woche 230-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Immerhin ist es inhaltlich konsequent, dass nun Papst Franziskus ausdrücklich zur Erneuerung des Studiums der Kirchengeschichte aufforderte. Sein ganzer und auf Deutsch im OSSERVATORE ROMANO abgedruckter Brief ist es wert, gelesen zu werden (deutsche Ausgabe des L’OSSERVATORE ROMANO, Zum Aufbau der Zukunft gehört die Erinnerung. Brief von Papst Franziskus über die Erneuerung des Studiums der Kirchengeschichte Nummer 48/49 (54. Jahrgang – 29. November 2024) Seite 8-9). Dies gilt bezüglich des im Anschluss gedruckten Beitrages von Andrea Tornielli (Andrea Tornielli, Geschichte studieren, um den Glauben im Heute zu leben. Ein Blick auf den Brief des Papstes. Ebd., Seite 9).
Beachtung verdient dabei auch, wie Papst Franziskus in seinem betreffenden Schreiben auf eigene frühere Stellungnahmen und auf Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils verweist (insbesondere ebd., 9). Er hat also diesen Brief über die Erneuerung des Studiums der Kirchengeschichte in einen wichtigen größeren Zusammenhang eingeordnet.
U. a. schrieb Papst Franziskus:
„Eine korrekte historische Sensibilität hilft uns allen, einen Sinn für Proportionen zu haben, ein Gefühl für das Maß und die Fähigkeit, die Wirklichkeit ohne gefährliche und gegenstandslose Abstraktion zu verstehen, so wie sie ist und nicht wie man sie sich vorstellt oder gerne hätte. Auf diese Weise sind wir in der Lage, eine Beziehung zur Wirklichkeit aufzubauen, die nach ethischer Verantwortung, Teilhabe und Solidarität verlangt.“
Der Papst weist damit in wertvoller und im guten Sinne mahnender Weise auf einen notwendigen empiristischen Grundansatz hin, ganz im Sinne eines christlichen (Neo-)Aristotelismus. Es geht eben um eine möglichst vorurteilsfreie historisch-positive Verankerung anstatt um eine Ideologisierung. Auf diese Gefahr weist der Papst selber hin, wenn er einerseits einräumt, bezüglich eines bestimmten Punktes in geschichtlicher Überlieferung nicht über schriftliche Quellen zu verfügen und dann ausdrücklich vor einem „ekklesiologischen Monophysitismus“ warnt, „also vor einer allzu engelsgleichen Vorstellung von der Kirche, von einer Kirche, die nicht real ist, weil sie keine Flecken und Falten hat.“ Wer vor solchen Einseitigkeiten warnt, ist also kein traditionalistischer Sonderling und sollte nicht als üble oder lächerliche Randfigur einfachhin diskreditiert werden. Diese grundsätzliche Warnung vertritt eben auch Papst Franziskus! So etwas sollte nun wirklich manchem in der menschlichen Gesellschaft und besonders innerhalb der offiziellen kirchlichen Strukturen zu denken geben. Papst Franziskus geht so weit, davor zu warnen, bezüglich der Kirche nur ein „Phantasiegebilde“ zu sehen. Der Papst fährt mit seinen bemerkenswerten Aussagen fort:
„Die Geschichte der Kirche hilft uns, einen Blick auf die wirkliche Kirche zu werfen, um jene Kirche lieben zu können, die tatsächlich existiert und die aus ihren Fehlern gelernt hat und weiter lernt.“
Es geht also grundsätzlich empiristisch weiter. Mancher möchte sogar sagen, dass es etwas ins Postivistische bzw. Neopositivistische geht, also eine wirklich starke Festlegung auf das geboten wird, was empirisch oder positiv wahrnehmbar ist, anstelle sich auf Wunschvorstellungen, Phantasiegebilde und dergleichen zu fixieren. Dabei bestätigt Franziskus in drastischen Worten, dass es in der Kirche wirklich einiges aufzuarbeiten und zu korrigieren gibt. Von der lange Zeit so beliebten Parole, dieser Art von ideologischen Aussagen, mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil oder irgendwann in den darauffolgenden Jahren sei alles ganz toll in der Kirche geworden, ist gar keine Spur. Es wird vielmehr sogar über eine Feststellung von Fehlern und Untaten einzelner kirchlicher Amtsträger hinaus von einem generellen kirchenbezogenen Handlungsbedarf ausgegangen. Vergegenwärtigen wir uns, dass dieses päpstliche Dokument am 21. November 2024 unterzeichnet wurde. Es wird also seitens des Papstes recht deutlich, ja kantig die Meinung zurückgewiesen, dass sich die Dinge zumindest in den letzten Jahrzehnten schon wieder zum Guten gewendet hätten, dass man damit doch ganz zufrieden sein könne. Offensichtlich sieht auch hier wieder Papst Franziskus noch deutlichen Handlungsbedarf. Dabei steht dieses Dokument unter den verschiedenen päpstlichen Verlautbarungen keineswegs allein.
Ganz allgemein gesellschaftlich-politisch und über den engeren kirchlichen Bereich hinaus gehend ist die deutliche Warnung vor Geschichtsvergessenheit, ja Geschichtsfeindlichkeit und einem Streben eigenes kulturelles Erbe mutwillig zu beseitigen:
„Etwas allgemeiner lässt sich sagen, dass wir heute alle – und nicht nur die Priesteramtskandidaten – einer neuen historischen Sensibilität bedürfen. In diesem Sinne habe ich jungen Menschen einmal folgenden Rat gegeben: ›Wenn jemand euch ein Angebot macht und euch sagt, ihr braucht die Geschichte nicht zu beachten, den Erfahrungsschatz der Alten nicht zu beherzigen und ihr könnt all das missachten, was Vergangenheit ist, und sollt nur auf die Zukunft schauen, die er euch bietet, wäre dies nicht eine einfache Art, euch mit seinem Angebot anzuziehen, um euch nur das tun zu lassen, was er euch sagt? Dieser Jemand benötigt euch leer, entwurzelt, gegenüber allem misstrauisch, damit ihr nur seinen Versprechen vertraut und euch seinen Plänen unterwerft. So funktionieren die Ideologien verschiedener Couleur, die all das zerstören (oder abbauen), was anders ist; auf die Weise können sie ohne Widerstände herrschen. Zu diesem Zweck brauchen sie junge Menschen, die die Geschichte verachten, die den geistlichen und menschlichen Reichtum ablehnen, der über die Generationen weitergegeben wurde, und die all das nicht kennen, was ihnen vorausgegangen ist.‹“
Diese sehr deutliche Warnung gewinnt wohl noch mehr Gewicht, da das von Papst Franziskus selber angeführte Zitat aus dem Nachsynodalen Schreiben „Christus vivit“ vom 25. März 2019 genommen ist.
Dabei hat diese von Papst Franziskus angesprochene und so gefährliche Tendenz namentlich ein bestimmter Autor schon früher warnend aufgezeigt. Es war in der Tat George Orwell. Er tat dies gerade mit seinem so berühmten düsteren Zukunftsroman „1984“. Aber auch seine anderen Werke wie „Animal Farm (Farm der Tiere)“ und „Homage to Catalonia (Mein Katalonien)“ sind höchst lesenswert und sollten im Sinne einer ganz grundlegenden Warnung ernstgenommen werden. In diesen Werken wird gerade schonungslose Kritik an der Entwicklung und Praxis des sowjetischen Kommunismus mit seiner Verbindung aus vermeintlichen tollen Versprechungen und brutaler Vernichtung ungezählter Menschen, einschließlich sexuellem Missbrauch bis hin zu systematischen Massenvergewaltigungen. Es ist wohl kein Zufall, dass kirchliche Missbrauchstäter und Missbrauchsunterstützer nicht bloß in Ausnahmefällen eine besondere und hartnäckige Sympathie für kommunistische Regime zeigten. Auch solche Verflechtungen bedürfen einer mutigen wie systematischen Aufarbeitung.
Natürlich gilt dies auch für die wechselseitige Beziehung kirchlicher Missbrauchstäter und Missbrauchsunterstützer und dem offiziellen britischen System. Immerhin wird das fortwährend Lügen verbreitende „Wahrheitsministerium“ in „1984“ mit auffallenden Gemeinsamkeiten mit dem britischen angeblichen Informationsministerium während des Zweiten Weltkrieges durch George Orwell vor Augen gestellt. Überhaupt hatte sich George Orwell auf seinem Lebensweg schon recht früh zu einem klaren Kritiker des britischen imperialistischen Systems entwickelt.
Gedanken zur Woche 247, Dr. Matthias Martin
3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2024)
Wenn man sich dem DRITTEN ADVENTSONNTAG nähert, mag einem spontan die Redensart „Aller guten Dinge sind drei“ in den Sinn kommen. Tatsächlich bedeutet dieser Tag im kirchlichen Jahreskreis, dass Menschen schon weit vorangekommen sind auf dem Weg zum Hochfest von der Geburt Jesu Christi, auf dem Weg durch Adventszeit zum Hochfest von WEIHNACHTEN. Natürlich soll man diese Zeit nicht ungenutzt verstreichen lassen. Die Adventszeit ist ja die vorweihnachtliche Zeit der Buße und Besinnung, so wie die Fastenzeit die Zeit vor Ostern als höchstes Fest der Christenheit eine Zeit der Buße und Besinnung ist. Dass wir uns gerade in dieser Zeit nicht oberflächlichen Vergnügungen mit vielleicht noch nachweislichen Schäden für die Gesundheit hingeben sollen, macht allein schon die ernste Liturgiefarbe des Violett, manchmal auch genannt Lila, deutlich.
Dem DRITTEN ADVENTSONNTAG kommt dabei eine besondere Stellung zu. So trägt er ja eigens den lateinischen Namen GAUDETE, was so viel bedeutet wie „Freuet euch“. Dazu kann an diesem Sonntag wie sonst nur am VIERTEN FASTENSONNTAG das hellere Rosa, manchmal auch Pink genannt, als Farbe für die Kleidung von Diakonen und Priestern verwendet werden (siehe Gedanken zur Woche 40 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2020); Gedanken zur Woche Gedanken zur Woche 90 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2021) und eigens zum linguistischen Aspekt Gedanken zur Woche 195 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2023)).
Dabei stellt dies eigene umfassende Herausforderung oder anders gesagt ein Bündel von Herausforderungen für kirchlich engagierte Menschen, für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dar.
Das kirchliche Leben hat ganz offenkundig in den letzten Jahren einen sehr unerfreulichen Verlauf genommen. Bildhaft gesprochen ließe sich hier auch von einem pastoralen Absturz sprechen. Schwerstens davon betroffen ist natürlich auch die Funktion oder Stellung der katholischen Kirche als einem so wichtigen kulturellen Faktor, als Einrichtung zur Förderung von Kultur und Bildung in einem so weiten wie tiefgreifenden Sinne. Längst wissen viele Menschen im deutschen Sprachraum nicht einmal mehr, dass mit dem Weihnachtsfest doch vom eigentlichen Anlass her die Geburt Jesu von Nazarets gefeiert wird (siehe Gedanken zur Woche 41-b – HOCHFEST von WEIHNACHTEN (2020) und Gedanken zur Woche 140-b – 1. ADVENTWOCHE (2022)). Die besondere Beziehung der Farbe Rosa oder Pink zum DRITTEN ADVENTSONNTAG, dem Sonntag GAUDETE ist auch mancher in einer Pfarrei noch aktiv beteiligten Person längst nicht mehr vertraut. Was da mitunter geäußert wird, könnte man bei viel Humor noch witzig, sonst als peinlich bis Ärgernis erregend bezeichnen.
Immer wieder zeigt sich die Verbindung von dem festzustellenden Kollaps des kirchlichen Lebens und des allgemeineren Kulturbruches, des Verlustes von kulturellem Erbe und überhaupt von Allgemeinbildung.
Die Warnungen unterschiedlicher Persönlichkeiten haben sich leider bewahrheitet. Nicht zuletzt hat sich im Bereich des Kirchenrechts und seiner Anwendung in der katholischen Kirche eine im kirchlichen Sinne sehr unerfreuliche Entwicklung ergeben. Allein schon die zumindest ansatzweise Wiederverschärfung des kirchlichen Strafrechts und die zweifache Neureglung zur Anerkennung neuer Ordens- und ordensähnlicher Gemeinschaften beweisen dies doch. Die weitverbreitete Verwirrung bei kirchenrechtlichen Fragen bis zu sehr grundsätzlichen Punkten hin steht außer Frage.
Dabei hat schon vor Jahrzehnten kein Geringerer als der prominente Kirchenrechtler Georg May hierzu warnend bis vorwurfsvoll die Stimme erhoben. Recht deutliche Formulierungen finden sich da allein schon in seinem in dem von Hubert Jedin schließlich unter Hinzuziehung von Konrad Repgen herausgegebenen Handbuch der Kirchengeschichte enthaltenen Beitrag „Der CIC und die Entwicklung des Kirchenrechts bis 1974“. Dort heißt es im Abschnitt „Seit der Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils“ unter der Teilüberschrift „Allgemeine Charakteristik“:
„Paul VI., den Bischofskonferenzen und Einzelbischöfen ist die Aufgabe gestellt, das Zweite Vatikanische Konzil durchzuführen. Der Umsetzung der Weisungen und Bestrebungen des Konzils in anwendbare Normen stehen indes mehrere Hindernisse entgegen. Einmal sind viele Aussagen des Konzils infolge der „pastoralen“ Sprechweise nicht eindeutig und darum umstritten. Zum anderen hat die Entwicklung in der Kirche das Konzil in vieler Hinsicht bereits faktisch überholt. Schließlich fehlt regelmäßig ein einheitlicher Wille, wie er für eine Gesetzgebung aus einem Guß unerläßlich ist. Die Kirche steht in einer Führungskrise, die die Gesetzgebung in schwerwiegender Weise beeinträchtigt“ (in: herausgegeben von Hubert Jedin und Konrad Repgen, Handbuch zur Kirchengeschichte VII, Seite 165-166. Sonderausgabe Freiburg 1985).
Die betreffende Fußnote bei Georg May lädt zu weiterführender Beschäftigung mit dem Thema ein und bietet interessante Literaturhinweise. Unabhängig davon ist nicht zu bestreiten, dass, wie von Georg May an obiger Stelle zumindest etwas angeschnitten, Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils höchst unterschiedlich gesehen und interpretiert werden. Unter Berufung auf das Zweite Vatikanische Konzil werden fortwährend ganz unterschiedliche bis einander völlig entgegengesetzte Positionen vertreten. Sicherlich ist auch in dieser Stunde manche in der Kirche tätige Person felsenfest davon überzeugt, im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils gäbe es für kirchliche Mitarbeiter so etwas wie ein Grundrecht, straffrei sexuellen Missbrauch zu begehen, und man müsse nur energisch genug gegen deren Kritiker vorangehen und ihre Opfer niederhalten. Längst überführte Missbrauchstäter und Förderer von Missbrauchstätern gehörten nicht bloß in vermeintlichen Ausnahmefällen zu den Stars im offiziellen Kirchengeschehen während des Zweiten Vatikanischen Konzils und in der nachkonziliaren Zeit. Da finden sich doch unbestrittenermaßen ganz illustre Namen wie die von Gründern von ordens- bzw. ordensähnlichen Gemeinschaften, von Kardinälen und Vorsitzenden von Bischofskonferenzen. In der Beurteilung von so unterschiedlichen Themen wie priesterlicher Zölibat, Abtreibung, Zuständigkeiten von geweihten Amtsträgern in Pfarreien, Bistümern/Diözesen bis hin zur Weltkirche und ökumenische Beziehungen berufen sich die Vertreter aller möglichen bis eben entgegengesetzten Meinungen auf dieses Zweite Vatikanische Konzil.
Umso mehr verdienen weitere Ausführungen von Georg May Beachtung. So führt er im Weiteren dieses zitierten Beitrages aus:
„Die Rechtsentwicklung seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist daher von der früheren grundlegend verschieden. Die traditionelle Zurückhaltung und Behutsamkeit der Änderungen ist aufgegeben worden. Einschneidende, ja grundstürzende Wandlungen vollziehen sich rasch und ohne Vorbereitung, oft in unscheinbarem Gewand. Die Eile, mit der in der nachkonzilaren Zeit Normen produziert werden, ist weder ihrer Qualität noch ihrem Bestand günstig. Widersprüche in ein und demselben Gesetz, zu dem Gesetz eines übergeordneten Gesetzgebers oder in kurz aufeinander folgenden Gesetzen sind nicht selten. Fehler und Auslassungen machen Verbesserungen notwendig. Die Rechtsänderungen häufen sich, so daß sich der Kirchenglieder eine wachsende Unsicherheit bemächtigt. Der Rechtsstoff ist ungeheuer gewachsen und selbst für Fachleute nicht immer leicht zu überschauen. Die umfangreiche Normenproduktion ist freilich nicht nur eine Auswirkung des Zweiten Vatikanischen Konzils, sondern ein Anzeichen der auf fast allen Gebieten und in den meisten Ländern auftretenden krisenhaften Erscheinungen in der Kirche“ (siehe ebd., 166).
Das Problem der nachkonziliaren Inflation an Beschlüssen, an vermeintlichen oder tatsächlichen (inner-)kirchlichen Normen wurde in dieser Reihe ja mehr als einmal angesprochen. Erst kürzlich ging es in einem Gespräch darum, dass es seit 1983 in kurzen Abständen zu einer jeweils neuen Ausgabe des CIC gekommen sei und man aufpassen müsse, nicht unabsichtlich eine schon wieder veraltete Ausgabe eben des CICs zu verwenden. Von anderer Stelle war zu hören, dass die Ende 2021 in Kraft getretene teilweise Wiederverschärfung des kirchlichen Strafrechts tatsächlich ungenügend sei und man auf weitere Verschärfungen im kirchlichen Strafrecht hinarbeiten müsse.
1. Lesung: Zef 3,14-17
2. Lesung: Phil 4,4-7
Evangelium: Lk 3,10-18
Gedanken zur Woche 247-b, Dr. Matthias Martin
2. ADVENTWOCHE (2024)
Der Weg durch die vorweihnachtliche Buß- und Besinnungszeit des Advents mag die Sinne und die Gedanken schärfen für das, was gut und richtig ist, und uns im guten Sinne kritischer machen gegenüber falschen Verhaltensweisen und bösen Taten. Natürlich mögen wir während des ganzen Jahres bemüht sein, Gutes zu tun und Böses zu unterlassen. Stets sind wir, als einzelne, in kleineren Gruppen wie in größeren Gemeinschaften aufgefordert, für Gerechtigkeit einzutreten und Nächstenliebe zu verwirklichen. Aber eben gerade die Zeit vor Weihnachten kann dazu doch in intensiverer Weise genutzt werden.
Dabei sind alle Menschen aufgefordert, sich in einem solch guten Sinne einzubringen. Für den innerkirchlichen Bereich richtet sich dieser Anruf dementsprechend an alle Katholikinnen und Katholiken. Alle sind grundsätzlich aufgerufen, möglichst gut mitzuwirken. In Anlehnung an die schon in den synoptischen Evangelien vorhandene Wortwahl kann man auch sagen, dass alle ihre jeweiligen Talente einbringen mögen. Etwas mehr im Sinne richtig verstandenen und nicht verzerrten Kirchenrechts lässt sich auch betonen, dass alle Glieder der Kirche Trägerinnen und Träger von Rechten und Pflichten sind. Menschenwürde und Grundrechte sind natürlich allen Menschen, unabhängig etwa von Hautfarbe, Abstammung, sozialem Stand, konfessioneller Zugehörigkeit und auch unabhängig von tagespolitischen Manövern einer Bischofskonferenz sowie umstrittener bis skandalträchtiger Kardinäle zuzugestehen.
Dies wird auch durch das doch immerhin offiziell in Kraft befindliche Kirchenrecht unterstützt. Dazu ist nicht zuletzt ein Blick in das Prozessrecht des gegenwärtigen CICs interessant. So lautet doch tatsächlich der dortige Canon/Kanon 1476:
„Jeder, ob getauft oder ungetauft, kann vor Gericht als Kläger auftreten; die rechtmäßig belangte Partei ist verpflichtet, sich zu verantworten.“
Genau dieses grundsätzliche Recht wird nicht an einschränkende Bedingungen gebunden. Es wird nicht abhängig gemacht vom Wohlvollen von Bischöfen oder Bischofskonferenzen mit ihren Versammlungen, von irgendwelchen Verbandsgremien oder wem auch immer an kirchlichen Vertretern und mit ihnen vernetzten politischen Akteuren. Parallel zu diesem CIC-Canon/Kanon 1476 heißt es in Canon/Kanon 1134 des CCEO:
„Jeder, sei er getauft, sei er ungetauft, kann vor Gericht klagen; die rechtmäßig belangte Partei aber muß sich verantworten.“
Dies verdient in ganz grundsätzlicher Weise Beachtung im Hinblick etwa auf sexuellen Missbrauch durch kirchliche Mitarbeiter wie in Diskussionen um Stellungnahmen im politischen Bereich seitens kirchlicher Amtsträger bzw. Gremien.
Mag es für manche der letztgenannten Personen auch unangenehm und möglichst zu verschweigen sein, so hat auch jeder Mensch, also auch das Opfer sexuellen Missbrauchs durch einen kirchlichen Amtsträger, und Menschen auf dessen Seite, das Recht auf den Schutz des eigenen guten Rufes wie der eigenen Intimsphäre. CIC-Canon/Kanon 220 verwendet hierzu klare Worte. Eine parallele Stelle dazu finden wir wiederum im CCEO (siehe Gedanken zur Woche 147-b - 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Der dortige Canon/Kanon 23 lautet doch tatsächlich:
„Niemandem ist es erlaubt, den guten Ruf, dessen sich jemand erfreut, rechtswidrig zu schädigen oder das Recht irgendeiner Person auf den Schutz der eigenen Intimsphäre zu verletzen.“
Gerade das Recht, eigene Anliegen auch mit Hilfe des kirchlichen Prozesswesens zu vertreten, steht dabei sowohl natürlichen wie juristischen Personen zu. Nützlich ist hierzu ein Blick auf den Paragraph 2 des CIC-Canons/Kanon 113. Dort wird festgehalten:
„In der Kirche gibt es außer physischen Personen auch juristische Personen, das heißt Träger von ihrer Eigenart entsprechenden Pflichten und Rechten im kanonischen Recht.“
Im CCEO wird dieser so wichtige Grundgedanken in Canon/Kanon 920 klar ausgedrückt (siehe Gedanken zur Woche 188-b – ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN – 30. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Bezüglich des Rechtes einfacher Gläubiger wie etwa kirchlicher Mitarbeiter gegenüber Vorgesetzten ihre Rechte zu verteidigen ist auch CIC-Canon/Kanon 1491 interessant. Dort wird in diesem Sinne bestätigt:
„Jedwedes Recht ist nicht nur durch die Klage, soweit das Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes vorsieht, sondern auch durch die Einrede geschützt.“
Dies wird gerade durch CIC-Canon/Kanon 1493 abgerundet:
„Der Kläger kann jemanden zugleich mit mehreren Klagen, die aber einander nicht widersprechen dürfen, gerichtlich belangen, einerlei ob in der gleichen Sache oder in verschiedenen Sachen, soweit sie die Zuständigkeit des angegangenen Gerichtes nicht überschreiten.“
Auch hier wird wiederum keinerlei Einschränkung des Grundrechtes nach ethnischen, standesmäßigen oder parteipolitischen Kriterien vorgenommen. Offensichtlich wird dieses weitreichende Klagrecht hierbei ebenso Menschen zuerkannt, die man landläufig nicht als Mitglieder der katholischen Kirche betrachtet. Ein Taufnachweis oder gar der Nachweis von Zahlungen einer Kirchensteuer oder eines Kirchenbeitrages wird ganz offensichtlich nicht verlangt. Schon gar nicht wird hier wie an anderer Stelle verlangt, dass Opfer sexuellen oder anderen Missbrauchs sogar Falschaussagen leisten sollten, um kirchliche Missbrauchstäter bei Prozessen oder bei anderen Gelegenheiten zu schützen. Auch diese Grundregel könnte sich so mancher Bischof und Laienfunktionär zu Herzen nehmen.
Grundsätzlich lässt sich die Regelung wie im CIC so im CCEO feststellen. Tatsächlich steht in Canon/Kanon 1149 eben des CCEO für die Katholischen Ostkirchen zu lesen:
„Jedes Recht wird nicht allein durch die Klage geschützt, wenn es nicht anders ausdrücklich vorgesehen ist, sondern auch durch die Einrede, die immer zur Verfügung steht und ihrer Natur nach dauerhaft ist.“
Im CCEO-Canon/Kanon 1155 findet sich dann die Festlegung:
„Der Kläger kann zugleich mit mehreren Klagen, die jedoch einander nicht widerstreiten dürfen, jemanden gerichtlich belangen, sei es über dieselbe Angelegenheit, sei es über verschiedene Angelegenheiten, wenn sie die Zuständigkeit des angegangenen Gerichts nicht überschreiten.“
Ganz allgemein haben in der Kirche die Gläubigen das Recht, ihre Wünsche und Anregungen, Bedenken und Beschwerden vorzubringen, mag dies nun etwa einem Ortsordinarius, einem Vereinsvorsitzenden oder einer Gruppe irgendwelcher Amtsträger genehm sein oder nicht (siehe Gedanken zur Woche 205 – 2. FASTENSONNTAG (2024)). Dieses Grundrecht wird sowohl im CIC für die Lateinische Kirche wie im CCEO für die Katholischen Ostkirchen verbürgt (siehe Gedanken zur Woche 118 – 13. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Über Jahrhunderte hinweg war es dazu ein besonderes kirchliches Anliegen, die möglichst ungehinderte direkte Kommunikation zwischen allen Gläubigen und dem Apostolischen/Heiligen Stuhl zu sichern. Ganz in diesem Sinne hat jede Gläubige und jeder Gläubige das theologisch begründete Recht, sich mit ihren bzw. seinen Anliegen direkt an den Papst zu wenden! In der katholischen Überlieferung wird dieses Recht sogar als dogmatische Position, als so etwas wie ein Teil oder eine logische Ableitung der Glaubenslehre eingestuft. Umso weniger brauchen Gläubige bei ihrem eventuellen Wunsch, sich direkt an den Papst oder an so etwas wie praktisch dessen engere Mitarbeiter zu wenden, irgendeinen Ortsordinarius, eine Bischofskonferenz oder sog. Laiengremium um deren Meinung oder gar Erlaubnis fragen. Dieses Recht aller Gläubigen ist Teil unverfälschter katholischer Tradition und nicht eine neuartige Erfindung der jetzigen Zeit.
Gedanken zur Woche 246, Dr. Matthias Martin
HOCHFEST DER OHNE ERBSÜNDE EMPFANGENEN JUNGFRAU UND GOTTESGEBÄRERIN MARIA und 2. ADVENTSONNTAG (2024)
Wenn ein bestimmtes Hochfest sogar die Feier eines so wichtigen Sonntages wie des Zweiten Adventsonntags gewissermaßen verdrängen kann, dann unterstreicht dies die herausragende Bedeutung eben dieses Hochfestestes. Schon damit wird also verdeutlicht, dass es sich bei dem HOCHFEST DER OHNE ERBSÜNDE EMPFANGENEN JUNGFRAU UND GOTTESGEBÄRERIN MARIA um einen ganz besonders wichtigen Tag im Kirchenjahr handelt. Auch dieses Hochfest ist keine Nebensächlichkeit.
Dabei bedeutet auch dieses marianische Hochfest so wie das HOCHFEST von der AUFNAME MARIENS IN DEN HIMMEL einen Anlass für eine Sisyphusarbeit (siehe Gedanken zur Woche 177-b – 19. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2023)). So wird doch gerade dieses traditionell am 8. Dezember gefeierte HOCHFEST DER OHNE ERBSÜNDE EMPFANGENEN JUNGFRAU und GOTTESGEBÄRERIN MARIA nicht ohne Grund „das missverstandene Dogma“ genannt (siehe Gedanken zur Woche 39-b – 2. ADVENTWOCHE einschließlich HOCHFEST DER OHNE ERBSÜNDE EMPFANGENEN JUNGFRAU UND GOTTESGEBÄRERIN MARIA (2020)). So geht es eben bei diesem Hochfest bzw. dem ihm zugrunde liegenden Dogma wie der betreffenden Titel schon sagt, um die Empfängnis Mariens im Sinne der nicht nur von der katholischen Kirche bekannten besonderen Gnadenerwählung Mariens durch Gott. Es geht eben nicht um die dementsprechend spätere Empfängnis Jesu im Schoße Mariens und auch nicht um eine sich daran anschließende Jungfrauengeburt Jesu. Man muss nicht Professor oder Professorin einer US-Eliteuniversität sein, um den Unterschied wahrzunehmen. Die Empfängnis und sich daran anschließende Geburt Mariens ist natürlich nicht die Empfängnis und sich daran wiederum anschließende Geburt Jesu, welche bekanntlich mit dem HOCHFEST VON WEIHNACHTEN eigens gefeiert wird. Der Umstand, dass in den Jahren seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil selbst im innerkirchlichen Leben von Katholikinnen und Katholiken dieser doch ganz grundsätzliche Unterschiede oft kaum noch wahrgenommen wird, sondern die Angelegenheiten mitunter wild durcheinandergeworfen werden, ist kein gutes Zeichen. Auch dies stellt eine Herausforderung dar. So etwas wie theologische Verwirrung oder Verwilderung wirkt sich doch auch negativ für die ökumenischen Beziehungen aus. Es ist schädlich für die Makroökumene wie für die Mikroökumene.
Dabei kann ein marianisches Hochfest wie das vom 8. Dezember, eben das HOCHFEST DER OHNE ERBSÜNDE EMPFANGENEN JUNGFRAU UND GOTTESGEBÄRERIN MARIA doch vielfältige Anregungen bieten, erst recht, wenn so etwas wie theologisch-pastorale Klarheit gewährleistet ist.
Da ist natürlich zum einen einmal die enorme kulturelle Bedeutung. Die Verehrung Mariens und hierbei eben auch als der Unbefleckten Empfängnis ist bedeutend geworden für das musikalische Schaffen. Zugleich besitzt die Marienverehrung eine beachtliche Stellung im Bereich der bildenden Künste und in den verschiedenen Literaturgattungen bis hin zur Filmkunst.
Dann weist uns natürlich die heilige Maria auf die getreue Bewährung im Alltag hin, das Tun des Guten und Meiden des Bösen auch und gerade dann, wenn man damit nicht spektakulär von sich reden macht. Nicht zuletzt weist uns auch so ein Hochfest auf Ehe und Familie hin. Maria wurde ja als die Tochter ihrer Eltern empfangen. Diese werden sehr alter Überlieferung nach Anna und Joachim genannt. Ihnen wird in der Christenheit eigene Verehrung erwiesen, wiederum auch ausgedrückt in künstlerischem Wirken. Dann war schließlich auch die Mutter Jesu, Maria, verheiratet. Ihr Ehemann Josef fand markantes Interesse gerade bei Päpsten der neueren Zeit (siehe Gedanken zur Woche 133-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 162-b – 4. OSTERRWOCHE (2023) und Gedanken zur Woche 208-b – 5. FASTENWOCHE (2024)).
Der Ehe widmen recht verschiedene christliche Konfessionen besondere Aufmerksamkeit. Dies wird in Hinblick auf die katholische Kirche auch rasch deutlich, wenn man nur einen Blick in das offiziell geltende Kirchenrecht wirft. So sind im jetzigen CIC für die Lateinische Kirche die Canones/Kanones 1055 bis einschließlich 1165 speziell der Ehe gewidmet. Damit nimmt das Ehesakrament unter den Sakramenten gewissermaßen die kanonistische Spitzenposition ein. Die CIC-Canones/Kanones 840 bis einschließlich 848 machen Aussagen allgemein von den sieben Sakramenten.
Dabei handeln die Canones/Kanones 1055 bis 1062 eher generell vom Ehesakrament. In Kapitel I von Titel VII des Buches IV „Heiligungsdienst der Kirche“ des CIC geht es dann mit den Canones/Kanones 1063 bis 1072 eigens um die „Hirtensorge und Vorbereitung zur Eheschließung“. Auch immer wieder als besonders unangenehm empfundene Punkte werden eingehender behandelt. So behandelt Kapitel II mit den Canones/Kanones 1073 bis 1082 bezüglich der Ehe bzw. Eheschließung „Die trennenden Hindernisse im Allgemeinen“. Es folgt Kapitel III dieses Titels VII mit den Canones/Kanones 1083 bis 1094 über „Die trennenden Hindernisse im Einzelnen“. Dem so zentralen Fragenbereich „Ehekonsens“ ist eigens Kapitel IV mit den Canones /Kanones 1095 bis 1107 gewidmet. Auch das, was von manchen eher als Äußerlichkeiten aufgefasst wird, kommt im CIC vielleicht nicht zu kurz. So ist Kapitel V mit seinen Canones/Kanones 1108 bis 1123 mit „Eheschließungsform“ überschrieben.
Als besonders brisant mag man den Inhalt von Kapitel VI „Mischehen“ und den dortigen Canones/Kanones 1124 bis 1129 auffassen. Romantische Vorstellungen mag die Bezeichnung „Geheime Eheschließung“ für Kapitel VII und die dortigen Canones/Kanones 1130 bis 1133 hervorrufen. Nicht zuletzt in Kapitel VIII zu „Wirkungen der Ehe“, Canones/Kanones 1134 bis 1140, finden sich sehr grundsätzliche Formulierungen.
So lautet Canon/Kanon 1134 recht streng:
„Aus einer gültigen Ehe entsteht zwischen den Ehegatten ein Band, das seiner Natur nach lebenslang und ausschließlich ist; in einer christlichen Ehe werden zudem die Ehegatten durch ein besonderes Sakrament gestärkt und gleichsam geweiht für die Pflichten und die Würde ihres Standes.“
Den Blick auf das Familienleben in einem weiteren Sinne richtet gerade Canon/Kanon 1136:
„Die Eltern haben die sehr strenge Pflicht und das erstrangige Recht, nach Kräften sowohl für die leibliche, soziale und kulturelle als auch für die sittliche und religiöse Erziehung der Kinder zu sorgen.“
In diesen knappen Worten wird ganz grundsätzlich ein ganzheitliches Menschenbild ausgesprochen. Gerade auch die geistig-geistlichen Qualitäten bei Kindern sind zu hegen und zu pflegen. Dabei wird deutlich, welch schwere Verantwortung den Eltern obliegt. Diese verdienen umso mehr die gewissenhafte Unterstützung durch Staat und Gesellschaft und eben gerade auch durch die Kirche.
Dass das Eheleben nicht immer leicht, sondern herausfordernd und vielschichtig ist, klingt doch schon im offiziellen Kirchenrecht an. So stehen die Canones/Kanones 1141 bis 1155 unter der Überschrift des Kapitels IX „Trennung der Ehegatten“. Bei Artikel 1 geht es mit den Canones/Kanones 1141 bis 1150 um die eventuelle „Auflösung des Ehebandes“. Es folgt Artikel 2, die Canones/Kanones 1151 bis 1155 zur „Trennung bei bleibendem Eheband.“ Dabei lautet mit Canon/Kanon 1141 schon der erste der Canones/Kanones dieses Kapitels IX von Titel VII eben des Buches IV im gegenwärtigen CIC auch im Sine eingestandener Machtbeschränkung für Kirchenvertreter in dieser Welt scharf:
„Die gültige und vollzogene Ehe kann durch keine menschliche Gewalt und aus keinem Grunde, außer durch den Tod, aufgelöst werden.“
In für Nichttheologen wohl gut und gerne überraschende Gefilde führt mit Kapitel X „Gültigmachung der Ehe“ das Schlusskapitel dieses Teils des CIC. Dabei stehen die Canones/Kanones 1156 bis 1160 als Artikel 1 unter der Teilschrift „Einfache Gültigmachung“. Es folgt schließlich mit den Canones/Kanones 1161 bis 1165 Artikel 2 „Heilung in der Wurzel“.
Ein solcher rascher Durchgang lässt schon etwas von der Komplexität kirchlichen Eherechtes erahnen, egal wie weit man nun selber aus dem Vorbild von Anna und Joachim oder etwa von Maria und Josef Ermutigung schöpfen mag.
1. Lesung: Gen 3,9-15.20
2. Lesung: Phil 1,4-6,8-11
Evangelium: Lk 1,26-38
Gedanken zur Woche 246-b, Dr. Matthias Martin
2. ADVENTWOCHE (2024)
Die ZWEITE ADVENTWOCHE ist auf bemerkenswerte Weise geeignet zu verdeutlichen, dass die katholische Kirche tatsächlich eine Weltkirche ist, dass es sich beim Christentum nicht nur einem Anspruch nach, sondern auch in so etwas wie empirischer, in historisch-positiver Hinsicht um eine Weltreligion handelt.
So wird in diesem Kirchenjahr ja diese ZWEITE ADVENTWOCHE durch das auf den betreffenden Sonntag fallende HOCHFEST DER OHNE ERBSÜNDE EMPFANGENEN JUNGFRAU UND GOTTESGEBÄRERIN MARIA eröffnet. Man muss nun keine Expertin und kein Experte in Geschichte bis Geografie sein, um zu wissen, dass die Mutter Jesu, genannt Maria, aus dem westlichen Asien stammte. Ja diese gerne als Heiliges Land bezeichnete Gegend verfügt über eine direkte Landverbindung zum afrikanischen Kontinent. Diese Stellung als ein Land oder Gebiet zwischen zwei großen Landmassen wird auch dadurch verdeutlicht, dass das Heilige Land oder wie man diese Gegend sonst bezeichnen mag, auch die syro-palästinische/syropalästinische Landbrücke genannt wird. Im Altertum stand es lange unter dem Einfluss bis hin zu direkter Herrschaft der aus dem Nordostteil Afrikas aus operierenden ägyptischen Pharaonen. Wiederholt kam das Gebiet, diese so bemerkenswerte Landbrücke, auch unter die Herrschaft von Reichen, die aus östlicher gelegenen Teilen Asiens vorstießen, wie des Assyrischen Reiches, des Neubabylonischen Reiches, auch etwa Chaldäerreich genannt, und des Perserreiches, auch genannt das Achämenidenreich oder Achaimenidenreich (siehe allgemein Gedanken zur Woche 158-b – HEILIGE WOCHE/KARWOCHE (2023) und Gedanken zur Woche 189 – 31. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023) (2023)).
Maria stammte also ganz offenkundig von außerhalb Europas. Dies gilt der menschlichen Natur nach auch von ihrem Sohn, gewissermaßen dem historischen Jesus. Auch die Apostel waren in dieser Weltgegend beheimatet, bevor sie hinauszogen, das Evangelium zu verbreiten. Alte Überlieferungen betonen bereits, dass die Apostel und andere besonders frühe Verkünder in verschiedene Richtungen hin aufbrachen, dass sie alsbald auf verschiedenen Kontinenten gewirkt hätten.
Die grundsätzlich gerade über die Grenzen Europas hinausweisende Natur des Christentums und der Umstand, dass gerade die katholische Kirche sich fortwährend als Weltkirche zu verwirklichen hat, wird dann auch im Weiteren dieser ZWEITEN ADVENTWOCHE deutlich, gerade, wenn man nach dem bei uns zurzeit üblichen Kalender vorgeht.
Nach Lateinamerika und insbesondere in das heutige mexikanische Staatsgebiet verweist der Gedenktag des heiligen Johannes Didakus/Juan Diego Cuauhtlatoatzin, der ja aus der dortigen indigenen Bevölkerung stammte (siehe Gedanken zur Woche 142-b – 3. ADVENTWOCHE (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 193-b – 1. ADVENTWOCHE einschließlich HOCHFEST DER OHNE ERBSÜNDE EMPFANGENEN JUNGFRAU UND GOTTESGEBÄRERIN MARIA (2023)). Angepasst an heute im deutschen Sprachraum übliche Bezeichnungen wird im Direktorium der Diözese St. Pölten für 2023/2024 u. a. erklärt:
„Der hl. Johannes Didakus (Juan Diego Cuauhtlatoatzin) wurde um das Jahr 1474 geboren und 1524 getauft. Er gehörte zu den Indigenas, den Ureinwohnern Mexikos. Am 9. Dezember 1531 erschien ihm auf dem Hügel Tepeyac am Rande von Mexiko-Stadt die Gottesmutter Maria mit dem Auftrag, dass der Bischof an diesem Ort der Erscheinung eine Kirche bauen sollte. Noch im selben Jahr wurde eine Kapelle errichtet und in dieser das Gnadenbild Unserer Lieben Frau von Guadalupe zur Verehrung aufgestellt.“
Wenig Tage später, am 12. Dezember, wird eigens der GEDENKTAG UNSERER LIEBEN FRAU IN GUADALUPE gefeiert.
Dann wird etwa in der Zwischenzeit am 11. Dezember besonders des als Heiligen verehrten Papstes Damasus I. (Amtszeit 366 bis 386) gedacht. Während seines Wirkens kümmerte er sich auch und gerade um die Zustände und Vorgänge im östlichen Mittelmeerraum, zumindest im westlichen Asien und dem nördlichen Afrika.
Dabei werden ja die Vorgänge bis hin zu blutigen Konflikten außerhalb Europas und Nordamerikas in so etwas wie unseren Breiten sehr gerne übersehen und höchstens mit ganz geringer Aufmerksamkeit berücksichtigt. Dabei haben schwere Auseinandersetzungen durchgehend auch Länder Lateinamerikas erschüttert. In Kolumbien stellt sich die Frage, ob die Bürgerkriegssitutation nicht wieder eskaliert. Das de facto im Nachbarland Venezuela regierende Regime wurde jüngst in einer Resolution des Europäischen Parlaments der EU scharf verurteilt. Dabei herrscht in Venezuela längst ein brutales Faustrecht des Regimes. Der Krieg der Drogenkartelle in Mexiko führte schon zu Überlegungen, ob es denn nicht zu einer regelrechten Auflösung des mexikanischen Staatsverbandes kommen könne. Solche Zustände von Unrecht und ausufernde Gewalt sollte es im katholischen Sinne natürlich nicht geben. Gerade im innerkirchlichen Bereich sollten ganz andere Zustände herrschen. Dafür gibt es ja auch das Kirchenrecht und das kirchliche Gerichtswesen.
So gibt es eben neben dem CIC, CODEX IURIS CANONICI/CODEX DES KANONISCHEN RECHTES für die Lateinische Kirche auch und offiziell gleichberechtigt den CCEO, der CODEX CANONUM ECCLESIARUM ORIENTALIUM/KODEX DER KANONES DER ORIENTALISCHEN KIRCHEN für die Katholischen Ostkirchen, die katholischen orientalischen Kirchen. Wie im CIC finden wir auch dort eine umfangreiche und weitgehend ziemlich gleiche Regelung zu dem so herausfordernden Bereich des kirchlichen Eherechts (siehe Gedanken zur Woche 246 – HOCHFEST DER OHNE ERBSÜNDE EMPFANGENEN JUNGFRAU UND GOTTESGEBÄRERIN MARIA und 2. ADVENTSONNTAG (2024)).
Auch im CCEO nimmt die Ehe unter den Sakramenten etwas wie die kanonistische Spitzenstellung ein. Die dortigen Canones/Kanones 776 bis 866 innerhalb des Titels XVI „Gottesdienst, und vor allem Sakramente“ handeln von ihr. Die Canones/Kanones des CCEO 667 bis 674 einschließlich haben davor allgemein die Sakramente zum Thema. Eher grundsätzlich gehen dann die Canones/Kanones 776 bis 782 über die Ehe samt Verlobung. Artikel I „Seelsorge und was der Eheschließung vorausgehen muß“ umfasst danach die Canones 783 bis 789. Die Canones/Kanones 790 bis einschließlich 799 bilden zusammen Artikel II „Trennende Hindernisse im Allgemeinen“. Nicht überraschend geht es bei Canon/Kanon 800 bis 812 als Artikel III um „Hindernisse im Besonderen“. Mit Artikel IV und den Canones/Kanones 813 bis 816 wird im CCEO das Augenmerk auf das brisante Thema „Mischehen“ gerichtet. Der zentrale Punkt „Ehekonsens“ wird anschließend als Artikel V in den Canones/Kanones 817 bis 827 angesprochen. Gerade in Katholischen Ostkirchen kommt der Eheschließungsform unverzichtbare Bedeutung zu. In den Canones/Kanones 828 einschließlich 842 wird als Artikel VI „Eheschließungsform“ auch der Bereich der Geheimehen abgedeckt.
Wie im CIC, so werden auch im CCEO die Artikel „Gültigmachung der Ehe“ und „Trennung der Ehegatten“ stärker unterteilt. So besteht der Artikel VII „Gültigmachung der Ehe“ aus dem Abschnitt „1. Einfache Gültigmachung“ mit den Canones 843 bis 847 und Abschnitt „2. Heilung in der Wurzel“ von Canon/Kanon 848 bis 852. Innerhalb von Artikel VIII „Trennung der Ehegatten“ erstreckt sich Abschnitt „1. Auflösung des Ehebandes“ von Canon/Kanon 853 bis 862. Mit „2. Trennung bei bleibendem Eheband“ und den Canones/Kanones 863 bis 866 schließt dieses Kapitel VII „Ehe“ innerhalb von Titel XVI „Gottesdienst, und vor allem Sakramente“ im CCEO.
Gedanken zur Woche 245, Dr. Matthias Martin
1. ADVENTSONNTAG (2024)
Dass der ERSTE ADVENTSONNTAG den Beginn eines neuen Kirchenjahres darstellt, ist wohl auch mancher Katholikin und manchem Katholiken nicht (mehr) bewusst. Unbestrittenermaßen wusste doch schon vor einigen Jahren ein ernstzunehmender Prozentsatz der Bundesbevölkerung nicht, was der Grund für das Weihnachtsfest ist, was eigentlich mit Weihnachten von seiner Entstehung her gefeiert werden soll.
Umso mehr sollte der mit dem Ersten ADVENTSSONNTAG gegebene Beginn des neuen Kirchenjahres zum Anlass genommen werden, bei Katholikinnen und Katholiken ernsthaft zu überlegen, gewissermaßen in sich zu gehen, was denn in der kommenden Zeit besser gemacht werden könnte. Diese Herausforderung ergibt sich besonders für kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, alle die, welche ein kirchliches Amt innehaben einschließlich eben der Mitglieder der Institute des geweihten Lebens samt der Säkularinstitute, der Gesellschaften des apostolischen Lebens, einer Personalprälatur und eines eigenständigen Klosters. Eingeschlossen zu denken sind hier grundsätzlich natürlich auch die Mitglieder der Gesellschaften des gemeinsamen Lebens nach Art der Religiosen und anderer Formen des geweihten Lebens, wenn man bewusst die katholischen Ostkirchen und den für sie geltenden CCEO im Blick behält.
Eine grundsätzliche Herausforderung stellt natürlich für sich schon genommen die Adventszeit dar. Wie die Liturgiefarbe des Violetts, auch manchmal hier Lila genannt, verdeutlicht, sollte diese Zeit zu Beginn des Kirchenjahres nicht als Zeichen für Leichtlebigkeit und schon gar nicht als Zeit für Ausschweifungen missverstanden werden. Das ernste Violett weist uns vielmehr eben in die Richtung von Besinnung, Buße und Umkehr. Leider aber ist das Bewusstsein dafür gerade in westlichen Ländern weitgehend bis weitestgehend verschwunden. Hier spiegelt sich wie bei anderen Angelegenheiten der seit den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts zu greifende Kollaps von Volkskirche wider. Verschärft und gefördert wird dieser Kollaps durch die wiederholten Missbrauchsskandale einschließlich kirchlicher Skandale im wirtschaftlich-finanziellen Bereich. Die mit dem Inkrafttreten der zumindest teilweisen (Wieder-)Verschärfung des kirchlichen Strafrechts (siehe Gedanken zur Woche 234 – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024) und Gedanken zur Woche 239 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 227 – 17. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG FÜR GROSSELTERN UND SENIOREN (2024)) von mancher und manchem wohl erhoffte Besserung ist zumindest kurzfristig nicht eingetreten.
Von einer Änderung in der Praxis in den Diözesen, den Bistümern lässt sich, allgemein gesprochen, nichts feststellen. Die kirchliche Gerichtsbarkeit beschäftigt sich weiterhin im Wesentlichen mit Eheangelegenheiten. Eine stärkere Bearbeitung von Missbrauchsfällen einschließlich innerkirchlichen Wirtschaftsvergehen scheint nicht vorzuliegen. Umso schwerer ist und bleibt insgesamt kirchliche Glaubwürdigkeit belastet. Die Kirche hat es schwer, auch nur die Menschen inhaltlich oder allgemein gesehen pastoral anzusprechen, welche sich noch offiziell zu einer Mitgliedschaft in der römisch-katholischen Kirche bekennen, also so etwas wie die noch irgendwie wahrnehmbaren Kirchenmitglieder darstellen.
Dabei ist natürlich auch und gerade das Ehewesen, der Gesamtbereich von Ehe und Familie für die Kirche wie für die weitere Gesellschaft unverzichtbar. Die Beschäftigung damit ist als solches gut und richtig, wenn eben doch auch praktisch-empirisch betrachtet massiv vorbelastet.
Die Kirche vertritt ja ein sehr hohes Ideal von Ehe. Dies verdeutlicht rasch ein Blick in das geltende Kirchenrecht.
Grundsätzlich wird in Canon/Kanon 1060 des CIC im Sinne einer grundlegenden Regelung festgehalten:
„Die Ehe erfreut sich der Rechtsgunst; deshalb ist im Zweifelsfall an der Gültigkeit der Ehe so lange festzuhalten, bis das Gegenteil bewiesen wird.“
Parallel dazu kann man in Canon/Kanon 779 des eben für die Katholischen Ostkirchen längst in Kraft getretenen CCEO lesen:
„Die Ehe erfreut sich der Rechtsgunst; deshalb muß im Zweifel an der Gültigkeit der Ehe festgehalten werden, bis das Gegenteil bewiesen ist.“
Dies stellt einen nicht zu unterschätzenden Rechtsschutz gerade für Menschen dar, die miteinander verheiratet sind und an dieser Ehe festhalten wollen. Leichtfertiges Gerede, böswillige Unterstellungen wie auch gerade in den letzten Jahrzehnten wirkmächtige Ideologien und politische Apparate heben Ehen als solche nach katholischem Verständnis nicht auf. Natürlich ist da immer wieder die Aufgabe insbesondere der kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und insbesondere etwa von Ortsordinarien, klar und mutig Position zu beziehen. Eheenzykliken wie „Casti Connubii“ und „Humanae Vitae“ wie einschlägige Schreiben des seinerzeitigen Heiligen Offiziums, der späteren Glaubenskongregation und des jetzigen Dikasteriums für die Glaubenslehre mögen darin bestärken. Zum aufrechten Gang bis direkten Widerstand möge natürlich auch die offene kritische Haltung des Friedenspapstes Benedikt XV. gegen die Siegermächte des Ersten Weltkrieges, fortgeführt durch seinen direkten Nachfolger Pius XI. und auch hierzu passende Handlungen Pius XII. ermutigen.
Grundsätzlich geht es eben immer wieder darum, sich als Kirche weltlichen Machthabern zu widersetzen. Dies gilt eben auch für den Bereich der Ehe bzw. des Eherechts. Die Auseinandersetzung mit dem englischen Massenmörder Heinrich VIII. wie mit französischen Gewaltherrschern seit den Tagen des Mittelalters sind da nur einige wohl bekanntere Beispiele. Heutzutage gilt es nicht zuletzt, „Gefälligkeiten“ gegenüber politisch einflussreichen Personen in mehr oder minder demokratischen Systemen zu vermeiden. Von daher legen sich auch in diesem Bereich ähnlich wie im Bereich des sexuellen Missbrauchs eingehendere Untersuchungen nahe. Eine ehrliche kirchliche Vergangenheitsbewältigung ist das Gebot der Stunde.
In Hinblick auf die Ehe gilt eben unverrückbar deren Einheit, ihre Unauflöslichkeit und ihre Sakramentalität (siehe Gedanken zur 243 – 33. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER ARMEN (2024)). Verbunden damit ist die grundsätzliche Hinordnung auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommenschaft sowie das Wohl der Ehegatten (siehe Gedanken zur Woche 241-b – 31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Nicht zuletzt gilt es, sich kirchlicherseits konsequent allen Formen von Zwangsverheiratungen konsequent zu widersetzen. Die Sympathiebekundungen von Kirchenvertretungen in Richtung für Zwangsverheiratungen Verantwortliche samt mit ihnen verbundenen politischen Akteuren und Strukturen stellen ein eigenes Problem dar. Auch hier verdienen nicht die Täter, sondern die Opfer Sympathie und Unterstützung. Dies ist innerkirchliche wie allgemeingesellschaftliche Gewissenserforschung eine Erfordernis.
In diese Richtung weist nicht zuletzt das aktuelle Kirchenrecht. So hält Canon/Kanon 1103 des CIC klar und deutlich fest:
„Ungültig ist eine Ehe, die geschlossen wurde aufgrund von Zwang oder infolge von außen, wenn auch ohne Absicht, eingeflößter schwerer Furcht, die jemandem, um sich davon zu befreien, die Wahl der Ehe aufzwingt.“
Im CCEO-Canon/Kanon 825 wird parallel dazu festgehalten:
„Ungültig ist die Ehe, die geschlossen wurde wegen Zwangs oder von außen, wenn auch unüberlegt, eingeflößter schwerer Furcht, die jemanden, um sich davon zu befreien, dazu zwingt, die Ehe zu wählen.“
Das sind ja doch deutliche Worte, die in kirchlicher Alltagstätigkeit nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollten.
1. Lesung: Jer 33,14-16
2. Lesung: 1 Thess 3,12-4,2
Evangelium: Lk 21,25-28.34-36
Gedanken zur Woche 245-b, Dr. Matthias Martin
1. ADVENTWOCHE (2024)
Wenn die erste Woche des Advents voranschreitet, mögen gerade Katholikinnen und Katholiken in sich gehen und eifrig danach streben, ihr Leben im Sinne von Glauben, Hoffnung und Liebe zu erneuern. Von daher ergibt sich ob bewusst oder unbewusst eine Orientierung am positiven göttlichen Recht, dem ius divinum positivum, wie am Naturrecht, dem ius divinum naturale. Bei ersterem, mitunter auch genannt die positive Offenbarung oder positive göttliche Offenbarung, mag gar manche und mancher spontan an die Zehn Gebote und das ebenfalls von den Fünf Büchern Mose herkommende doppelte Liebesgebot denken. Dabei finden sich schon in diesen Fünf Büchern Mose, dem Pentateuch auch viele andere Stellen, die als Wegweisung für unser Leben nützlich sind. Dies setzt sich in den weiteren Schriften des Alten/Ersten Testamentes fort und dann auch im Neuen/Zweiten Testament.
In der Zeit des Advents mit den gerade in Mitteleuropa so mannigfaltigen Versuchungen zum Alkoholkonsum bis hin zu echten Besäufnissen verdienten da eigens jene Stellen Beachtung, die sich bereits in alttestamentlichen Schriften finden, und in denen vor den Gefahren des Alkoholkonsums gewarnt wird. Das beginnt tatsächlich schon ganz vorne im Alten/Ersten Testament mit dessen allerersten Buch, eben dem Buch Genesis. Selbst der gerechte Noah geriet infolge seines Weintrinkens in eine sehr peinliche Situation, an der im Buche Genesis nichts beschönigt wird (siehe Gen 9,20-27 und Gedanken zur Woche 105-b - 4. FASTENWOCHE (2022)). Auch das unter Einwirken seiner Töchter zustande gekommene Betrunkensein des ebenfalls als ein guter Mensch dargestellten Lot kann als abschreckendes Beispiel dienen (siehe ebd. und Gen 19,30-38). Die deutlichen Worte in Hinblick auf Alkoholkonsum setzten sich im Alten/Ersten Testament fort. Dies geschieht interessanterweise gerade in Weisheitsbüchern wie dem Buch der Sprichwörter und dem Buch Jesus Sirach. Eigene Beachtung verdient dazu auch eine alttestamentliche Schrift wie das Buch Judit, das eher im Sinne einer geschichtlichen oder historisierenden Lehrerzählung gehalten ist (siehe generell Gedanken zur Woche 105-b – 4. FASTENWOCHE (2022)). Der die Warnungen des Ammoniters Achior missachtende assyrische Heerführer Holofernes (Jdt 5,5-6,13) spielt sich gegenüber Judit als großer Herr auf. Man ist geneigt zu sagen, dass er der Erzählung zufolge gegenüber der schönen Frau einen auf Aufreißer gemacht hat (Jdt 10,23-12,20). Er verstieß also sehr deutlich gegen die traditionellen im Judentum und dann im Christentum überlieferten Ideale von Zurückhaltung im sexuellen Bereich gegenüber mit jemandem selber unverheirateten Menschen und ehelicher Treue gegenüber der eigenen Ehefrau. Dazu sprach er laut Buch Judit heftig dem Alkohol zu. So kann man der neuen deutschen Einheitsübersetzung zufolge im Buch Judit u. a. lesen:
„(Jdt 12,20) Holofernes wurde ihretwegen<, also Judits wegen,> immer fröhlicher und trank so viel Wein, wie er noch nie zuvor in seinem Leben an einem einzigen Tag getrunken hatte.“
Wenig später heißt es, dass Oberbefehlshaber Holofernes (Jdt 13,2) „vom Wein übermannt“ war. Längst nachdem Judit dem betrunkenen führendem Feind ihres Volkes den Kopf abgeschlagen und dessen solchermaßen getrenntes Haupt an sich genommen hatte (Jdt 13,6-10), dachte dessen Vertrauter noch, Holofernes vergnüge sich in betreffender Weise mit Judit (Jdt 14,14). Anschließend wird ein Kollaps des bisher von Holofernes angeführten assyrischen Heeres und der Sieg seiner Feinde erzählt (Jdt 15,1-7). Die Kombination von Alkohol und Lüsternheit hat also für den bisher Angst und Schrecken verbreitenden Holofernes wie auch sein Heer verheerende Folgen.
Dazu passen warnende Worte an anderen Stellen der Bibel wie etwa im Buch der Sprichwörter:
„(Spr 23,27) denn die Dirne ist eine tiefe Grube, die fremde Frau ist ein enger Brunnen,
(28) Ja, wie ein Räuber lauert sie auf und mehrt die Verräter unter den Menschen.“
Geht es hier um Selbstdisziplin im erotischen Bereich, so schließt sich eine deutliche Warnung in Hinblick auf den Wein- bzw. Alkoholkonsum unmittelbar an:
„(Spr 23,29) Wer hat Ach? Wer hat Weh? Wer Gezänk? Wer Klage? Wer hat Wunden wegen nichts? Wer trübe Augen?
(30) Jene, die bis in die Nacht beim Wein sitzen, die kommen, um den Mischwein zu probieren.
(31) Schau nicht nach dem Wein, wie er rötlich schimmert, wie er funkelt im Becher: Er trinkt sich so leicht!
(32) Zuletzt beißt er wie eine Schlange, verspritzt Gift gleich einer Viper.“
Gerade in einer Zeit wie der Adventszeit möge man sich solche Mahnungen zu Herzen nehmen. Dazu gibt es bekanntlich eh die Überlieferung in verschiedenen Konfessionen bis Religionen nicht nur zu ehelicher Treue und strikter Selbstdisziplin im erotischen Bereich, sondern auch zum Alkoholverzicht.
Ein eigenes Kapitel sind schon die negativen Folgen, die starker Alkoholkonsum auf das Familienleben haben kann. Unbedachte Worte können herausrutschen und die Situation zwischen Familienmitgliedern zum Eskalieren bringen. Offensichtlich fördert unkontrollierter Alkoholkonsum gerade die Gewalt zwischen Eheleuten und Lebensgefährten. Ein betrunkener Vater ist natürlich eigens eine Gefahr für die Partnerin und die Kinder in der Familie. Die jährlich in die Abertausende gehenden Todesfälle als Folgen alkokolverbundener Gewalt bei zusammenlebenden Paaren galten schon vor Jahren als einer der Gründe für die deutlich negative Bevölkerungsentwicklung im russischen Bereich.
Die kirchliche Überlieferung nimmt auf solche negativen Zustände Rücksicht. Sie anerkennt die mögliche Trennung im Alltagsleben zwischen den Eheleuten ohne Aufhebung des Ehebandes, ohne eine Eheannulierung. So steht dem bedrohten Ehepartner nach geltendem Kirchenrecht das Recht auf eine solche Trennung zu. Eigens lautet Canon/Kanon 1153 Paragraph 1 des CICs von 1983:
„Wenn einer der Gatten eine schwere Gefahr für Seele oder Leib des anderen Gatten oder der Kinder herbeiführt oder auf andere Weise das gemeinschaftliche Leben unerträglich macht, gibt er dem anderen einen rechtmäßigen Grund, sich zu trennen, und zwar aufgrund eines Dekretes des Ortsordinarius und, wenn Gefahr im Verzug ist, auch kraft eigener Entscheidung.“
Auch hier wird also deutlich die Gleichrangigkeit beider Ehepartner, von Mann und Frau in der Ehe, betont. Niemand hat das Recht, etwa unter Alkoholeinfluss beleidigend bis körperlich gewalttätig gegen Familienangehörige einschließlich dem Ehepartner bzw. der Ehepartnerin zu werden. Gewalt in Ehe und Familie ist keine Bagatelle und schon gar nicht lustig. Es sollte auch nicht als Verteidigung von Mannesehre und dergleichen beschönigt werden. Im Falle einer dann erfolgten Trennung ist dann gerade das Wohl der Kinder besonders im Blick zu halten. Dementsprechend wird in Canon/Kanon 1154 festgehalten:
„Nach erfolgter Trennung der Ehegatten muss immer in geeigneter Weise für den nötigen Unterhalt und die Erziehung der Kinder gesorgt werden.“
Denselben Herausforderungen sieht man sich natürlich auch im Bereich der Katholischen Ostkirchen gegenüber. Das wird in Canon/Kanon 864 Paragraph 1 des CCEO deutlich:
„Wenn einer der Eheleute das gemeinsame Leben für den Ehegatten oder die Kinder gefährlich oder unerträglich macht, bietet er dem anderen einen rechtmäßigen Trennungsgrund durch Dekret des Ortshierarchen und, wenn Gefahr im Verzug ist, auch in eigener Autorität.“
Es wird also auch in Hinblick auf die Ehefrau, den weiblichen Ehegatten, von deren „Autorität“ gesprochen bzw. geschrieben! Zugleich kommt wie in anderen Themenbereichen bei der Trennung von Ehegatten bei bleibendem Eheband für die Katholischen Ostkirchen die stärkere Stellung kirchlichen Partikularrechts zum Tragen. Paragraph 2 dieses CCEO-Canons/Kanons 864 hält nämlich im Sinne des Verfassungsrechts der Katholischen Ostkirchen fest:
„Im Partikularrecht der Kirche eigenen Rechts können andere Gründe gemäß den Sitten der Völker und den Verhältnissen der Orte festgesetzt werden.“
Natürlich werden auch im CCEO hierzu die Rechte der betroffenen Kinder verteidigt. So hält CCEO-Canon/Kanon 865 parallel zur zitierten Regelung im CIC fest:
„Nach erfolgter Trennung der Eheleute ist immer in geeigneter Weise zu sorgen für erforderlichen Unterhalt und Erziehung der Kinder.“
Gedanken zur Woche 244, Dr. Matthias Martin
CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2024)
Im Leben einer einzelnen Pfarrei wie auch einer größeren kirchlichen Einheit spielen praktische Gegebenheiten immer wieder jenseits offizieller Festlegungen kirchenrechtlicher, liturgischer, moraltheologischer und dogmatischer Art eine ausschlaggebende Rolle. So ist es halt nun einmal die vorherrschende empirisch-pastorale Gegebenheit, dass das Hochfest/Fest I. Klasse vom CHRISTKÖNIGSSONNTAG von den meisten Katholikinnen und Katholiken, wenn überhaupt, am letzten Sonntag im Kirchenjahr begangen wird. Verlegt auf diesen letztmöglichen Termin wurde es im Rahmen der sog. Liturgiereform Pauls VI. (siehe Gedanken zur Woche 139 – CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2022)). Über deren Zustandekommen und ihre Auswirkungen wurde bereits viel diskutiert, ja gestritten. Gerade in den letzten Jahren haben Auseinandersetzungen bis feinsinnigere Diskussionen um die Stellung der verschiedenen Messformen einschließlich der Tridentinischen Messe, auch etwa genannt die Messe Don Camillos oder die Messe Pius V. (siehe Gedanken zur Woche 114-b - 7. OSTERWOCHE (2022) und Gedanken zur Woche 138-b – 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)), das kirchliche Leben erfüllt.
Aber einstweilen besitzen die praktischen Auswirkungen der unter Paul VI. eingeführten Messliturgie vor Ort doch eine ziemliche Bedeutung. Ohne im Einzelnen eine theologische Wertung vornehmen zu wollen, mag hier die Formulierung von „der normativen Kraft des Faktischen“ in den Sinn kommen. Auch an die amerikanische Formulierung von den „facts on the ground“ mag man denken.
Tatsächlich sollte doch durch aktuelle innerkirchliche Auseinandersetzungen nicht der Blick auf die Aussageabsicht von Papst Pius XI., der im Jahre 1925 ja dieses Hochfest/Fest I. Klasse von CHRISTKÖNIG für die katholische Weltkirche einführte, nicht verstellt werden. Es ging darum, den Blick wieder verstärkt auf den Herrn Jesus Christus zu richten und sich hierbei auch um die praktischen Auswirkungen im täglichen einschließlich gesellschaftlichen Leben zu bemühen. Dabei kommt dem Sitz im Leben dieser weitreichenden päpstlichen Initiative sehr große Aussagekraft zu. Der Erste Weltkrieg war zu Ende gegangen. Die Kaiserhäuser der Habsburger und Hohenzollern, mit denen die katholische Kirche immerhin hatte zusammenarbeiten können, waren gestürzt worden. In Elsass-Lothringen hatte das siegreiche Frankreich umgehend mit Massenvertreibungen begonnen, die auch vor Ordensleuten, Priestern und Bischöfen nicht Halt machten. Dabei verdienen es natürlich auch alle die nichtkatholischen Opfer und geschädigten Einrichtungen im Sinne von Respekt und Solidarität dem Vergessen entrissen zu werden, verbunden mit etwaigen endlich zu leistenden Entschädigungsleistungen von offizieller französischer Seite (siehe Gedanken zur Woche 37 – CHRISTKÖNIGSSONNTAG (2020)). Immerhin hat inzwischen das in traditionell freundlichem Verhältnis zur katholischen Kirche stehende Montenegro seine Unabhängigkeit wiedererlangt.
Nicht umsonst hatte der damalige Papst Benedikt XV. die Diktatverträge der alliierten Siegermächte deutlich kritisiert und deren schlimme Folgen vorhergesehen. Sein so wichtiger Mitarbeiter, Achille Ratti, und anschließender Nachfolger hat ihn dabei loyal unterstützt und die Bedrängnisse in den bisher unbestrittenermaßen deutschen Gebieten von Oberschlesien, West- und Ostpreußen am eigenen Leib erfahren.
Es war ja das auch darin insbesondere von Frankreich unterstützte Polen gewesen, welches das Ergebnis der im Friedensvertrag von Versailles festgelegten Volksabstimmung über die Zukunft von Oberschlesien mit Gewalt missachtete und damit gegen die Bestimmungen von Versailles die Teilung Oberschlesiens durchsetzte. Polen wurde damit zum ersten Staat, der selbst die von alliierten Hauptsiegermächten getroffenen territorialen Festlegungen missachtete. Später erfolgte nicht zuletzt der Überfall auf das litauische Wilnagebiet und dessen langandauernde Besetzung. Ein eigenes und gerne verdrängtes Kapitel stellt die polnische Konfrontationspolitik gegenüber der damaligen Tschechoslowakei dar. Um sich auf deren Kosten das Olsagebiet unter den Nagel reißen zu können, machte die polnische Führung im Jahre 1938 auch mit der nationalsozialistischen Reichsregierung in Berlin gemeinsame Sache! Man muss oder musste kein sowjetischer Historiker und schon gar kein sowjetischer Spitzenpolitiker gewesen sein, um so etwas zu kritisieren.
Schon vorher hatte man polnischerseits allerdings auch mit den sowjetkommunistischen Machthabern die Ukraine und Weißrussland, auch genannt Belarus, aufgeteilt. Die völlige Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts für Ukrainer und Weißrussen wie in Südosteuropa etwa für die Makedonier war äußerst deutlich und ließ weitere Konflikte erwarten.
Interessanterweise hatte auch Lenin beizeiten vor den Siegermächten des Ersten Weltkrieges gewarnt. Er prognostizierte, dass es insbesondere zwischen den wichtigsten von ihnen in ihrer Eigenschaft eben als imperialistische Mächte zum großen Konflikt kommen werde. Offensichtlich stimmten seine Prognosen sogar bis in geografische Einzelheiten hinein. Auseinandersetzungen zwischen den alliierten Hauptsiegermächten Großbritannien, Frankreich, USA, Japan und Italien zeichneten sich dabei schon 1919/20 ab. Ein hochintelligenter Mensch wie Lenin etwa zog daraus seine bemerkenswerten Schlüsse. Rivalitäten zwischen Großbritannien und Frankreich wurden deutlich. Das Verhältnis zwischen den us-amerikanischen Interventionstruppen im Osten des einstigen Zarenreiches und ihren japanischen Verbündeten war spannungsgeladen und es fehlte scheinbar nicht viel, und es wäre zwischen ihnen schon damals zum offenen bewaffneten Konflikt gekommen.
Mitunter wurde die ausdrückliche Verweigerung einer gegen Rassismus gerichteten Erklärung oder Festlegung in den sog. Pariser Vorortverträgen wegen des mit dieser Blockade verbundenen offenen Affronts gegen Japan sogar als Beginn des Weges in den Zweiten Weltkrieg gesehen. Laut dem bis heute am längsten amtierenden US-Außenminister, Cordell Hull, begann mit dem japanischen Sprung in die Mandschurei letztlich der Zweite Weltkrieg. Dabei waren die USA und Japan ja bekanntlich im Ersten Weltkrieg noch Verbündete gewesen.
Das Ende des Ersten Weltkrieges leitete gerade im Nahen Osten über zu neuen Konflikten. Die britische Unterwerfungskampagne gegen den Irak sah den Einsatz von Giftgas wie von Luftterror gegen die dortige Bevölkerung. Das ist offensichtlich gerade in der muslimischen Welt nicht vergessen worden. Man sollte sich auch an den 1919 ausgebrochenen Dritten Afghanistankrieg erinnern. Dieser endete mit einem afghanischen Sieg unter Aman Ullah/Amanullah Khan und der Anerkennung der Unabhängigkeit Afghanistans durch Großbritannien. Die afghanische Führung zeigte sich demonstrativ offen für eine Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche (siehe allgemein Gedanken zur Woche 65-b – 12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS (2021)).
Auch an anderer Stelle stand das britische Empire unter Druck. Der 1919 beginnende Irische Unabhängigkeitskrieg führte zum Abzug der britischen Besatzung aus einem Großteil Irlands und der Gründung des Irischen Freistaates. Darauf konnte der katholische Staatsmann Èamon de Valera etwa in Hinblick auf die zunächst noch britisch besetzen Vertragshäfen wie die Abschaffung des verhassten Treueeides auf die britische Monarchie aufbauen. Selbst in den mit Großbritannien verbündeten USA gab es große Sympathien für die irische Unabhängigkeitsbewegung.
Der Apostolische Stuhl war also umso mehr gehalten, die Unabhängigkeit der katholischen Kirche im Allgemeinen und des Apostolischen Stuhles, auch genannt Heiliger Stuhl, im Besonderen zu betonen. Er tat dies tatsächlich auf vielfältige Weise. So kritisierte etwa der auch noch in unserer Zeit als Friedenspapst gewürdigte Benedikt XV. offen die Diktatverträge der Siegermächte des Ersten Weltkrieges. Sein Nachfolger Pius XI. ließ sich von seiner vergleichsweise kritischen Haltung gegenüber dem doch recht bedeutenden Mittsieger des Ersten Weltkrieges Italien auch nicht durch das noch Jahre fortdauernde Bündnis Frankreichs mit diesem und dem britischen Entgegenkommen gerade während des Abessinienkrieges nicht abbringen (siehe Gedanken zur Woche (siehe Gedanken zur Woche 60-b – 7. OSTERWOCHE (2021)). Obwohl es natürlich in den Reihen von Kirchenvertretern auch abschreckende Beispiele für Mitwirkung auf der Täterseite gab, so wurde etwa doch grundsätzlich eine deutliche Distanz auf offizieller Ebene gegenüber dem britischen Empire wie dem französischen Machtapparat durchgehalten. Natürlich hätte auch da manches intensiver und besser getan werden können. Die grundsätzliche Distanzierung aber war doch zu erkennen.
Auf ihre Eigenständigkeit gegenüber betreffenden Kolonialmächten und Siegerstaaten legte die katholische Kirche bis in das eigene Ordensrecht und auch das kirchliche Eherecht hinein Wert. Zur Betonung ihrer Eigenständigkeit gehörte dann eben auch die Einführung des Hochfestes von CHRISTKÖNIG durch Papst Pius XI.
1. Lesung: Dan 7,2a.13b-14
2. Lesung: Offb 1,5b-8
Evangelium: Joh 18,33b-37
Gedanken zur Woche 244-b, Dr. Matthias Martin
34. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Wenn in einer Woche des Kirchenjahres sowohl der heiligen Katharina von Alexandrien wie des heiligen deutschen Bischofs Konrad und dazu noch des heiligen Apostels Andreas gedacht wird, so bietet das unabhängig von eigenen theologischen Ansichten und eventueller ethnischer und konfessioneller Zugehörigkeit doch verschiedene Anregungen.
So können solche Heiligen natürlich, besonders wenn man sich bewusster mit ihnen befasst, Vorbilder, gewissermaßen Ermutiger auf dem eigenen Lebensweg sein. Texte der Überlieferung zu Seligen und Heiligen stellen eigene sprachwissenschaftliche und gerade auch sprachgeschichtliche Quellen dar. In der bildenden Kunst kommt Seligen und Heiligen eine ganz besondere Bedeutung zu. Dies trifft sowohl für den gewaltigen Bereich der zweidimensionalen Darstellungen wie Gemälden und Mosaiken wie auf figürliche Darstellungen zu. Dann ist auch das direkt Selige und Heilige betreffende musikalische Erbe im guten Sinne gewaltig.
Dann mag diese 34. Woche im Jahreskreis, wenn man einmal dem jetzt in der Katholischen Kirche wohl am meisten verwendeten liturgischen Kalender folgt, helfen, sich nicht zuletzt der Gefahr von Verwechslungen und eines Durcheinanderbringens eben auch in Hinblick auf Selige und Heilige bewusst zu machen.
Dies beginnt schon mit der heiligen Katharina von Alexandrien. Diese frühchristliche Märtyrerin kommt ebenso als Namenspatronin für eine Frau mit dem Namen Katharina in Frage wie die heilige Katharina von Siena. Dabei trennen den uns vorliegenden Überlieferungen bis hin zu sicherem Quellenmaterial zufolge beide berühmte Heilige über 1000 Jahre. So soll die heilige Katharina von Alexandrien in der großen römischen Christenverfolgung zu Beginn des vierten Jahrhunderts den Märtyrertod erlitten haben. Ihre Verehrung und die damit verbundene auch kulturelle Überlieferung gewann enorme Verbreitung. Sie erfreut sich auch in der nicht in vollere Einheit mit der katholischen Kirche stehenden orthodoxen und in altorientalischen Kirchen offizieller Verehrung. Dies gilt selbst in Hinblick auf das derzeit wieder von schweren Krisen erschütterte Anglikanertum, obwohl dieses doch selber auf das blutige Wüten eines Gewaltherrschers wie Heinrich VIII. und seiner Nachahmer zurückgeht. In Hinblick auf die Verehrung der heiligen Katharina von Alexandrien bei protestantischen Gemeinschaften sind diese im Einzelnen zu betrachten. Es sollte doch realisiert werden, wie sehr sich die verschiedenen „protestantischen“ Richtungen und Einzelgruppierungen oder Denominationen unterscheiden. Dies erstreckt sich von eher Äußerlichkeiten bis hin zu Grundsatzfragen der Glaubens- und Sittenlehre einschließlich der Frage nach einer Lehre von der Gemeinschaft der Heiligen.
Dabei ist es schwierig, mancher meint unmöglich, geschichtlich Sicheres über das Leben und Sterben der heiligen Katharina von Alexandrien zu fassen. Immerhin ist das altehrwürdige Katharinen-Kloster am Berg Sinai nach ihr benannt. Sie gehört sogar zu den Vierzehn Nothelfern. Für das grundsätzliche Verständnis des Verhältnisses von Glauben und Vernunft, Kirche und Wissenschaften ist sehr bemerkenswert, dass diese heilige Katharina als Patronin u. a. der Bibliotheken, Hochschulen, von Schülern und Studenten, wie von Philosophen und generell von Lehrern und Wissenschaftlern verehrt wird. Natürlich ist sie damit auch die Patronin von Schülerinnen und Studentinnen, von Philosophinnen, Lehrerinnen und Wissenschaftlerinnen. Die mit ihr verbundenen Patrozinien verdeutlichen den grundsätzlich als positiv und förderungswürdig zu betrachtenden Zusammenhang von Glauben und Kirche auf der einen und Bildung und Wissenschaften auf der anderen Seite. Zugleich macht es eben deutlich, wie sehr auch Mädchen und Frauen ihr guter Platz in Bildung und Wissenschaften zusteht und es gut und richtig war, wenn sich im Laufe der Geschichte etwa Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften für die Bildung von Mädchen und Frauen engagierten. Es starben ja auch schon seit ganz früher Zeit auch Mädchen und Frauen als christliche Märtyrerinnen. Auch dafür steht die heilige Katharina von Alexandrien, und der Römische Messkanon verdeutlicht es auf seine Weise mit der ausdrücklichen Nennung verschiedener frühchristlicher Märtyrerinnen.
Wie sehr Frauen auch in späteren Jahrhunderten Mut und Tatkraft bewiesen, verdeutlicht die heilige Katharina von Siena. Sie wurde um das Jahr 1347 geboren und verstarb am 29. April 1380. Ihr Leben und Wirken sind sehr gut greifbar. Zahlreiche Schriften einschließlich Gebete von ihr sind überliefert. Sie focht furchtlos für die Befreiung des Papsttums aus der als „babylonische Gefangenschaft“ bezeichneten französischen Unterdrückung und Ausnutzung in Avignon. Auch sonst war ihr theologischer wie mehr praktischer Einfluss enorm. Ihre Stellung als zweite Patronin Roms und als Mitpatronin Europas verdeutlichen dies. Ebenso ist sie längst als Kirchenlehrerin anerkannt. Umso interessanter ist eben, wenn man mit einer heute lebenden Person namens Katharina zu tun hat, welche heilige Katharina denn nun die Namenspatronin ist.
Dazu gibt es dann auch die Katharina von Vadstena. Mit ihrer Geburt um 1331/1132 und ihrem Sterbedatum am 24. März 1381 überscheidet sich ihre irdische Lebenszeit sehr mit der der heiligen Katharina von Siena. Die heilige Katharina von Vadstena ist die Tochter der heiligen Birgitta von Schweden, deren Schülerin und getreue Gefolgsfrau sie wurde. Gleich der heiligen Katharina von Siena focht die durch ihre heilige Tochter unterstützte heilige Birgitta von Schweden für die Rückkehr des Papsttums nach Rom und damit für dessen Befreiung von französischer Unterjochung. Gleich ihrer Mitstreiterin aus Siena ist sie längst als Mitpatronin Europas anerkannt.
Nicht so sehr als Kämpferin in den Auseinandersetzungen ihrer Zeit ging eine weitere heilige Katharina in die Geschichte ein. Natürlich kann auch das Wirken der am 2. Mai 1806 geborenen und am 31. Dezember 1876 verstorbenen Katharina Labourè interessante Anregungen bieten, gerade in Hinblick auf praktische Nächstenliebe und marianische Spiritualität. Die mit ihrem Wirken verbundene „Wunderbare Medaille“ entwickelte ihre eigene Wirkungsgeschichte. Seinerseits hatte der sie 1947 heiligsprechende Papst Pius XII. auch so manche Auseinandersetzung auch mit französischen Machthabern auszufechten.
Wie bei einer Katharina, so ist auch eine Verwechslung möglichst zu vermeiden, wenn man es mit einem Konrad zu tun hat, besonders, wenn es sich um einen heiligen Konrad handelt.
So wirkte der von in etwa dem Jahre 900 bis zum 26. November 975 lebende heilige Konrad als Bischof des im Ersten Deutschen Reich so wichtigen Bistums Konstanz. Gleich dem wenige Jahre nach ihm als Bischof eben von Konstanz wirkendenden heiligen Gebhard steht dieser heilige Konrad für die Blüte des ottonischen-salischen Reichskirchenwesens. Beide heiligen Bischöfe standen treu in einem engen Verhältnis zum ottonischen Kaiserhaus ihrer Zeit.
Auch bei dessen führenden kaiserlichen Vertretern hat man sich vor Verwechslungen zu hüten. So wurde der letzte Kaiser aus dem ottonischen Herrscherhaus, Heinrich II., tatsächlich heiliggesprochen. Demgegenüber ist der um die Kirchenreform seiner Zeit einschließlich der Berufung eines allgemein anerkannten Papstes so verdiente Kaiser Heinrich III. ein Angehöriger des salischen Kaiserhauses. Ihm wurde anders als Heinrich II. zumindest bisher nicht die Ehre der (offiziellen) Heiligsprechung zuerkannt.
Diese wurde dafür längst einem anderen, auch sehr mit den deutschen Landen verbundenen Konrad zuerkannt. Dieser heilige Konrad, genannt von Parzham, war weder ein Reichsbischof noch ein Kaiser. Geboren am 22. Dezember 1818 als Johann/Johannes Evangelist Birndorfer trat er in den Kapuzinerorden ein. Sein hingebungsvoller Dienst als Pförtner des Kapuzinerklosters zu Altötting gewann eine eigene, man möchte sagen, gewaltige Ausstrahlung. Am 21. April 1894 ging der irdische Weg dieses ganz eigenen heiligen Konrads zu Ende.
Wenn man etwa in der eigenen Verwandtschaft und im Freundeskreis einen Konrad hat, so ist es interessant, ob denn nun der Bischof der Reichskirche oder aber der mehrere Jahrhunderte später wirkende Kapuzinermönch sein Namenspatron ist.
Wer nun den heiligen Apostel Andreas als Namenspatron hat, darf sich besonders mit Schottland verbunden fühlen. Von Schottland ist ja der heilige Bruder und Mitapostel des heiligen Petrus der Nationalpatron. Der 30. November ist damit sowohl der Festtag des heiligen Apostels Andreas wie auch der offizielle Nationalfeiertag von Schottland.
Demgegenüber weisen der heilige Andreas Dung-Lac/Dũng-Lac (um 1785 – 21. Dezember 1839) und seine Gefährten im Martyrium den Interessierten nach Indochina mit all den dortigen Spannungen und Konflikten (siehe Gedanken zur Woche 87-b – 34. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 191-b - 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Gedanken zur Woche 243, Dr. Matthias Martin
33. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER ARMEN (2024)
Wie bei anderen Texten ist es bekanntlich auch bei den Texten, welche zusammen von mehr oder minder vielen Menschen als „Bibel“ oder „Heilige Schrift“ anerkannt und oftmals besonders in Ehren gehalten werden. Selbst wenn man sich auf genau denselben Textumfang und dieselbe Ausgabe geeinigt hat, so können die Auslegungen doch sehr unterschiedlich und sogar einander direkt widersprechend sein. Es gibt ja auch die Meinung, wonach, wenn man zwei Menschen denselben Text gäbe und sie mit diesem ein und demselben Text in demselben Raum sitzen ließe, man anschließend drei unterschiedliche Interpretationen geboten bekäme, wie denn nun dieser Text zu verstehen sei. Besonders brisant wird dies eben, wenn dem betreffenden Text ein besonders autoritativer Status zugebilligt wird. Als Beispiele dafür werden gerne die US-amerikanische Verfassung, die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und eben die Bibel genannt. Gerade aufmerksamen Leserinnen und Lesern dieser Artikelreihe mag hier spontan in den Sinn kommen, dass es bei der Bibel eigens besonders schwer ist, sich überhaupt auf einen gemeinsamen Text oder Textbestand zu einigen. Je nach Zweig oder Konfession von Christentum können die Meinungen erheblich auseinander gehen, welche Bücher oder Einzelschriften denn nun überhaupt als „biblisch“ zu betrachten sind. Gerade in Hinblick auf die alttestamentlichen Bücher Daniel und Ester kommt die Frage hinzu, welche Verse oder Worte im Einzelnen zu diesen von so vielen Denominationen und diversen Gruppierungen als Teil der Bibel anerkannten Büchern denn nun im Einzelnen dazugehören. Da ließe sich in etwa sagen „Mein Buch Daniel ist nicht unbedingt dein Buch Daniel“ oder „Das Buch Ester des Einen ist oft nicht das Buch Ester des Anderen“. In Hinblick auf die Fünf Bücher Mose, Genesis, Exodus, Levitikus, Numeri und Deuteronomium, stellt sich schon sehr grundsätzlich die Frage, ob man der samaritanischen oder lieber einer jüdischen oder gar dezidiert jüdisch-rabbinischen Überlieferung folgen sollte. Welche Bedeutung sollte eigens dem erst recht spät entstandenen masoretischen Text der hebräischen Bibel zuerkannt werden? In welcher Reihenfolge sollten hier dann die jeweiligen Einzelbücher angeordnet werden?
In Hinblick auf neutestamentliche Schriften mag spontan die Diskussion um das Comma Johanneum im größeren Zusammenhang des ersten Johannesbriefes in den Sinn kommen. Je nach deutschsprachiger Bibelausgabe kann man da Verschiedenes geboten bekommen. In der neuen deutschen Einheitsübersetzung, die im Auftrag der (Bundes-)Deutschen Bischofskonferenz, der Österreichischen Bischofskonferenz, der Schweizer Bischofskonferenz, des Erzbischofs von Luxemburg, des Erzbischofs von Vaduz, des Erzbischofs von Straßburg/Strassburg, des Bischofs von Bozen-Brixen und des Bischofs von Lüttich herausgegeben wurde, findet sich (lediglich) im Anmerkungsapparat bezüglich dem Ersten Johannesbrief, Kapitel Fünf, Verse Sieben und Acht die Formulierung:
„Späte Textzeugen fügen nach die Zeugnis ablegen ein: im Himmel: der Vater, das Wort und der Heilige Geist und diese drei sind eins. Und drei sind es, die Zeugnis geben auf Erden. Dieser Einschub wird als Comma Johanneum bezeichnet.“
In der vorhergehenden Ausgabe der deutschen Einheitsübersetzung heißt es im Anmerkungsapparat zu 1 Joh 5,7-8:
„Hier ist bei vielen Textzeugen das sog. Comma Johanneum eingefügt, das nicht zum ursprünglichen Text gehört: (… die Zeugnis ablegen) im Himmel: der Vater, das Wort und der Heilige Geist, und diese drei sind eins. (8) Und drei sind es, die Zeugnis geben auf Erden: (der Geist …)“.
In „Die heilige Schrift des Neuen Bundes“, 2. Auflage Wien – Linz 1961, übersetzt und erklärt von Alexander Zwettler wird in Zusammenhang mit dem Comma Johanneum in einer Fußnote deutlich in die trinitarische Richtung gewiesen. Eine abwägende Haltung nahm das Heilige Offizium als Vorgängerin des jetzigen Dikasteriums für die Glaubenslehre in seiner Erklärung vom 2. Juni 1927, also unter Papst Pius XI., ein. Offensichtlich wollte man hier etwas deeskalieren.
Meinungsverschiedenheiten über vermeintliche oder tatsächliche Teile der Bibel führten und führen ja immer wieder zu Auseinandersetzungen. Sie sind ein Motor für fortwährende Spaltungen in dem ja so vielfältigen Gesamtbereich des „Protestantismus“ mit seinen in die Zehntausenden gehenden unterschiedlichen Denominationen. Dabei wurde bereits im 16. Jahrhundert deutlich, dass nicht zuletzt bezüglich der Grundfrage, was denn überhaupt als Teil der Bibel zu verstehen sei, auch unter „Protestanten“ und ihren untereinander konkurrierenden Gruppierungen die Meinungen sehr deutlich auseinander gingen. Hinzu kamen auch Meinungsverschiedenheiten, welche Übersetzungen zu bevorzugen oder überhaupt zu erlauben seien, wenn man sich zumindest teilweise auf einen gemeinsamen biblischen Kanon einigen konnte.
Dabei stellt die Frage nach der „richtigen“ Übersetzung überhaupt einen eigenen und nicht zu unterschätzenden Problembereich dar.
Generell gehen gerade bei in das Apokalyptische weisenden Teilen der Bibel die Meinungen oft auseinander. Vorhersagen, welche das vermeintliche Ende der Welt betrafen, wurden schon oft in der Geschichte des Christentums gemacht und dementsprechend durch die offenkundige empirische Wirklichkeit widerlegt. Betreffende Stellen in der Bibel werden gerne auch von religions- oder zumindest christentumskritischer Seite verwendet, um eine vermeintliche bloße Zeitbedingtheit des Neuen/Zweiten Testamentes und jesuanischen Anspruches zu vertreten. Ja, dies kann bis zu einer völligen Verwerfung des Christentums und von dort aus zu einer Art Generalangriff auf Religion in der Menschheit gehen.
Auf jeden Fall aber lässt sich doch feststellen, dass etwa in den (eher) apokalyptischen Aussagen des Markusevangeliums kein Unterschied zwischen Männern und Frauen gemacht wird. Auch eine Diskriminierung oder religiöse Herabwürdigung von Armen oder von unterprivilegierten Menschen lässt sich von dort her nicht rechtfertigen. Schon gar nicht wird eine Unterdrückung von Frauen propagiert, und frauenfeindliche Gewalt wird schon gar nicht gerechtfertigt. Dies fügt sich ein in die Ausrichtung des katholischen Eherechts.
So hält Canon/Kanon des CIC 1135 ganz grundsätzlich fest:
„Beide Ehegatten haben gleiche Pflicht und gleiches Recht bezüglich der Gemeinschaft des ehelichen Lebens.“
Parallel dazu lautet Canon/Kanon 777 des CCEO:
„Aus der Ehe entstehen zwischen den Ehegatten gleiche Rechte und Pflichten hinsichtlich dessen, was die Gemeinschaft des ehelichen Lebens betrifft.“
Nicht zuletzt wird eben jede soziale oder rassische Diskriminierung in Hinblick auf die Sakramente durch das Recht der katholischen Kirche ausgeschlossen. Dis gilt auch in Hinblick auf das Eherecht bzw. das Ehesakrament.
Dies verdeutlicht sehr grundsätzlich Canon/Kanon 1058 im CIC:
„Alle können die Ehe schließen, die rechtlich nicht daran gehindert werden.“
Nicht zuletzt auch CIC-Canon/Kanon 1057 verdient hierzu Beachtung (siehe Gedanken zur Woche 241-b – 31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). Ausgeschlossen werden so etwas wie rassistische oder sozialdiskriminierende Abstufungen auch in dem seinerseits so grundsätzlichen CIC-Canon/Kanon 1056:
„Die Wesenseigenschaften der Ehe sind die Einheit und die Unauflöslichkeit, die in der christlichen Ehe im Hinblick auf das Sakrament eine besondere Festigkeit erlangen.“
Dazu muss man sich daran erinnern, dass bereits der in Auseinandersetzung mit Hippolyt stehende Papst Kalixtus/Kallistus/Callistus/Callixtus I. (Amtszeit in etwa 217/218-222) feststellte und verteidigte, dass die Ehe über alle Standesunterschiede hinweg gültig geschlossen werden könne (siehe Gedanken zur Woche 72-b - 19. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 83 – 30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)).
Dazu wird im CCEO für die katholischen Ostkirchen dieselbe inhaltliche Position wie im CIC für die Lateinische Kirche eingenommen. So hält CCEO-Canon/Kanon 778 fest:
„Alle können die Ehe eingehen, denen es vom Recht nicht verboten ist.“
Bereits in Paragraph 3 von CCEO-Canon/Kanon 776 kann man lesen:
„Die Wesenseigenschaften der Ehe sind die Einheit und die Unauflöslichkeit, die in der Ehe unter Getauften eine besondere Festigkeit erlangen durch das Sakrament.“
1. Lesung: Dan 12,1-3
2. Lesung: Hebr 10,11-14.18
Evangelium: Mk 13,24-32
Gedanken zur Woche 243-b, Dr. Matthias Martin
33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Durch die liturgische Überlieferung und Praxis der Kirche erhalten Menschen vielerlei Hinweise zum kirchlichen Selbstverständnis und einer christlichen Lebensgestaltung in den verschiedenen möglichen Ausformungen. Zu kirchlichem Leben und damit untrennbar zu Lebensentscheidungen konkreter Menschen in der Kirche gehört es, sich für eine Tätigkeit als geweihter Geistlicher zu entscheiden, das Weihesakrament anzustreben und von dort her seinen eigenen Lebensweg zu gestalten. Nicht identisch aber bezüglich der hier engagierten Menschen eine Schnittmenge aufweisend ist der Gesamtbereich der Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften. Ein Teil, aber eben nur ein Teil, der zusammenfassend Ordensleute genannten Personen empfängt das Ordosakrament, namentlich die Diakonen-, die Priester- und die Bischofsweihe. Hinzu kommt im Rahmen jeweiligen Partikularrechts und Eigenrechts gegebenenfalls die Möglichkeit, die Subdkiakonenweihe und die Niederen Weihen zu empfangen. Wer im Einzelnen etwa zur Diakonenweihe zuzulassen ist und wer nicht, ist gerade in diesen Tagen wieder einmal ein Diskussionsthema. Auch geweihte Jungfrauen, Eremiten und gerade im Sinne des Rechtes der Katholischen Ostkirchen gibt es den Witwenstand. Im Sinne des CIC für die Lateinische Kirche kann es auch Personalprälaturen geben (siehe allgemein Gedanken zur Woche 148-b - 3. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023); Gedanken zur Woche 168-b – 10. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2023) und Gedanken zur Woche 169 – 11. SONNTAG IM JAHRESRKEIS (2023)).
Dann gibt es natürlich den Lebensweg als verheiratete Person in und mit der Kirche. Auch zwischen verheirateten Gliedern der Kirche und Klerikern gibt es so etwas wie eine Schnittmenge oder gewisse Schnittmengen. Zum einen gibt es geregelt durch das Kirchenrecht die verheirateten ständige Diakone. So lautet Paragraph 2 von 1031 des geltenden CIC:
„Ein unverheirateter Kandidat für den ständigen Diakonat darf zu diesem Diakonat frühestens nach Vollendung des fünfundzwanzigsten Lebensjahres zugelassen werden, ein verheirateter Kandidat frühestens nach Vollendung des fünfunddreißigsten Lebensjahres und mit Zustimmung der Ehefrau.“
In Paragraph 3 dieses CIC-Canons/Kanons 1031 wird auch den Bischofskonferenzen eine gewisse ortskirchliche Regelungskompetenz zugewiesen:
„Die Bischofskonferenzen können rechtlich festlegen, dass ein höheres Alter für Presbyterat und ständigen Diakonat verlangt ist.“
Dann gibt es auch ganz offiziell verheiratete Priester im kirchlichen Amt. Diese setzen sich im Wesentlichen aus zwei Teilbereichen zusammen. Da gibt es zum einen Priester in den meisten Katholischen Ostkirchen, welche vor dem Empfang der (höheren)/Höheren) Weihen geheiratet haben (siehe Gedanken zur Woche 242-b - 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). Andere verheiratete katholische Priester sind aus getrennten konfessionellen Gemeinschaften nach ihrer dort empfangenen Weihe oder zumindest irgendwie vorhandenen Ordination zur katholischen Kirche übergetreten mit der Erlaubnis, ihr eheliches Leben fortzuführen. Bei Geistlichen aus orthodoxen und altorientalischen (Teil-)Kirchen wird die Weihe ja grundsätzlich anerkannt. Dies gilt auch für männliche Geistliche aus den angeseheneren Zweigen oder Gruppen des ja seinerseits gespaltenen Altkatholismus. Sog. anglikanische Weihen werden nicht anerkannt. Es gibt aber Fälle, dass ein bisher anglikanischer Geistlicher eine von der (römisch-)katholischen Kirche anerkannte Weihe im Rahmen einer altorientalischen, altkatholischen oder orthodoxen Weihelinie empfangen hat. Ansonsten können unter Umständen bisherige anglikanische wie im engeren Sinne protestantische Geistliche nach ihrem Übertritt in die katholische Kirche dort noch eigens eine Weihe gespendet bekommen. Dies ist bis in Einzelheiten hinein dann jeweils eigens zu klären. So nahm in westlichen Ländern die Zahl verheirateter katholischer Priester zu, als es unter Benedikt XVI. zu einer eigenen Übertrittswelle anglikanischer Geistlicher kam. Auch während des Pontifikates von Papst Franziskus kam es zu Übertritten anglikanischer Geistlicher, auch hier wieder nicht zuletzt von Bischöfen.
Dann ist natürlich die Berufung zum Ehestand ganz generell etwas Natürliches und keine Ausnahmeerscheinung oder besondere Angelegenheit. Ehe und Familie wird große Aufmerksamkeit in der kirchlichen Verkündigung und in theologischen Diskussionen gewidmet. Dies führt dann immer wieder zu Auseinandersetzungen bis hin zu Spaltungen konfessioneller Gemeinschaften.
Auch auf das Leben als verheiratete Frau und als verheirateter Mann wird man durch den liturgischen Kalender während des Kirchenjahres immer wieder hingewiesen.
So mag man am Weihetag der Basiliken St. Peter und St. Paul zu Rom daran denken, dass auch Petrus verheiratet war.
Hierzu können wir laut neuer deutscher Einheitsübersetzung im Markusevangelium lesen:
„(Mk 1,30) Die Schwiegermutter des Simon lag mit Fieber im Bett. Sie sprachen sogleich mit Jesus über sie (31) und er ging zu ihr, fasste sie an der Hand und richtete sie auf. Da wich das Fieber von ihr und sie diente ihnen.“
Ja es werden uns hier Elemente einer Traditio Triplex/Triplex Traditio bei den Synoptikern geboten. So finden sich im Matthäusevangelium die Verse:
„(Mt 8,14) Jesus ging in das Haus des Petrus und sah dessen Schwiegermutter mit Fieber daniederliegen. (15) Da berührte er ihre Hand und das Fieber wich von ihr, sie stand auf und diente ihm.“
Im Lukasevangelium heißt es, wiederum nach der neuen deutschen Einheitsübersetzung:
„(Lk 4,38) Jesus stand auf, verließ die Synagoge und ging in das Haus des Simon. Die Schwiegermutter des Simon aber hatte hohes Fieber und sie baten ihn für sie. (39) Er beugte sich über sie und gebot dem Fieber. Da wich es von ihr und sie stand sofort auf und diente ihnen.“
Dann ist da natürlich die heilige Elisabeth von Thüringen. Auch ihr Ehemann Ludwig IV. von Thüringen verdient sowohl in einem theologischen wie einem historischen Sinne Beachtung (siehe Gedanken zur Woche 36 – 33. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020) und Gedanken zur Woche 86 – 33. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER ARMEN (2021)). Ihre Tätigkeit als Witwe weist uns eigens auf den Witwenstand in der kirchlichen Überlieferung hin (siehe Gedanken zur Woche 148-b – 3. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 151-b – 6. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Am Gedenktag Unserer Lieben Frau in Jerusalem werden wir auf Maria, die (irdische) Mutter Jesu, Verlobte und dann Ehefrau des heiligen Josefs hingewiesen. Gerade Päpste der neueren bis neuesten Zeit einschließlich Papst Franziskus haben sich mit dem heiligen Joseph beschäftigt und die Gläubigen auf ihn hingewiesen (siehe Gedanken zur Woche 53-b – 4. FASTENWOCHE (2021); Gedanken zur Woche 57 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG bis 4. OSTERWOCHE (2021) und Gedanken zur Woche 110 – 3. SONNTAG DER OSTERZEIT (2022)).
Ganz eigene Beachtung verdient die heilige Cäcilia. Gerade auch sie gewann eine starke Stellung im kulturellen Wirken, in der künstlerischen Überlieferung. Dann ist doch eigens interessant, dass sie der Überlieferung nach zusammen ihrem Verlobten Valerian/Valerianus und dessen Bruder Tiburtius während römischer Christenverfolgungen hingerichtet wurde. Gerade auch ihr Verlobter und dessen Bruder werden in der Überlieferung als mutige wie sympathische Persönlichkeiten dargestellt. Eigens werden wir hierbei auf das Verlobungswesen hingewiesen. Dieses wird im geltenden Kirchenrecht zumindest knapp berücksichtigt. Dabei wird zum einen anerkennend auf örtliche und nationale Gewohnheiten hingewiesen wie auch weltlicher Gesetzgebung grundsätzlich Respekt gezollt. Ebenso wird in diesem speziellen Zusammenhang die Unverzichtbarkeit der freien Willensentscheidung für eine gültige Eheschließung betont. So lautet Canon/Kanon 1062 des CIC:
„§ 1. Das Eheversprechen, sei es einseitig oder zweiseitig, das man Verlöbnis nennt, richtet sich nach dem Partikularrecht, das von der Bischofskonferenz unter Berücksichtigung von Gewohnheiten und weltlichen Gesetzen, soweit es welche gibt, erlassen worden ist.
§ 2. Aufgrund eines Eheversprechens kann nicht auf Eheschließung, wohl aber auf Wiedergutmachung etwa entstandener Schäden geklagt werden.“
Grundsätzlich in dieselbe Richtung weist der CCEO unter Berücksichtigung der legitimen Vielfalt katholischer Ostkirchen in seinem Canon/Kanon 782:
„§ 1. Die Verlobung, die lobenswerterweise nach ältester Tradition der orientalischen Kirchen der Ehe vorausgeht, wird durch das Partikularrecht der eigenen Kirche eigenen Rechts geregelt.
§ 2. Aus einem Eheversprechen gibt es keine Klage auf die Eheschließung, es gibt sie jedoch auf Schadensersatz, wenn ein solcher zusteht.“
Gedanken zur Woche 242, Dr. Matthias Martin
32. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Immer wieder können Aussagen aus der Bibel, von einzelnen Worten bis hin zu Gruppen von Versen zu übereilten und völlig einseitigen Reaktionen führen. Ja es kann zu so etwas wie Hüftschusshandlungen oder Hüftschussreaktionen kommen. Diese Gefahr ist insbesondere gegeben, wenn sich in der betreffenden Bibelstelle das eine oder andere Reizwort findet. Verstärkt wird diese Gefahr, wenn sich daraus die (vermeintliche) Möglichkeit ergibt, sich an jemandem, dem man eh nicht wohlgesinnt wäre, zumindest gedanklich bis verbal abzureagieren.
Solche Stellen liegen gerade da vor, wo es im Neuen Testament, dem Zweiten Testament der Bibel, um „Pharisäer“ und „Schriftgelehrte“ geht.
Dies gilt wohl gerade auch für die Stelle im zwölften Kapitel des Markusevangeliums mit den warnenden Worten Jesu von Nazarets eben im Hinblick auf „Schriftgelehrte“. Gar manche Kirchgängerin und mancher Kirchgänger der unterschiedlichen sich „christlich“ nennenden Konfessionen mag sich bei so einer Stelle spontan denken „Da haben wir sie also!“. Mit dem „sie“ sind dann natürlich die erwähnten Schriftgelehrten gemeint. Wie man es aus der Geschichte in schlimmem Wort und schlimmer Untat kennt, mag manche und mancher eigens erfreut meinen, da könne man über innerchristliche Konfessionsgrenzen hinweg gewissermaßen doch so „ökumenisch“ gemeinsam Front gegen diese Anderen machen. Die Geschichte eines „ökumenischen“ vermeintlich christlichen Antisemitismus und überhaupt Rassismus sollte da als grelles Warnsignal wahrgenommen werden.
Überhaupt sollte sich ja ein Christenmensch erst einmal selber an der Nase fassen, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen. Die katholische Kirche vertritt da ein recht anspruchsvolles Programm. Dabei ist die katholische oder römisch-katholische Kirche keineswegs eine im theologisch-kirchengeschichtlichen Sinne Rigoristengemeinschaft. Um zur Volkskirche werden zu können, hat die katholische, frühkatholische, orthodox-katholische Kirche oder frühchristliche Großkirche allerlei Lockerungen akzeptiert und namentlich gegenüber gefallenen Sündern entgegenkommendere Interpretationen und Regelungen rezipiert.
Da ist man einen anderen Weg gegangen als mit ihrer umfassenden Zölibatsforderung für die eigenen Mitglieder die Marcioniten/Markioniten und ähnlich Enkratiten wie auch wohl so manche gnostische Gruppierung. Gerade gegenüber in römischen Verfolgungszeiten schwach gewordenen und Handlungen des römischen Staatskultes mitvollziehenden oder die ausdrückliche Abschwörung vom Christentum vollziehenden Christen, die später in die Kirche zurückkehrende wollten, war man wesentlich verzeihender als die rigorosen Novatianer. Dieser Unterschied weitete sich dann auf die Vergebung anderer schwerer Sünden aus, namentlich Mord und Unzucht. Die rasche Verbreitung des Montanismus wird mitunter überhaupt als Gegenbewegung bei überzeugten Christinnen und Christen gegen die allmähliche Mäßigung in der Praxis der Großkirche gesehen (siehe Gedanken zur Woche 170-b – 12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST PETRUS UND PAULUS (2023)).
Eine eigene rigoristische Dissidentenbewegung des vierten bis fünften Jahrhunderts waren dann die nach dem Nationalpatron von Sardinien, Lucifer von Calaris, benannten Luciferianer (siehe ebd. und allgemein Gedanken zur Woche 44-b – 1. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Ein eigens vielschichtiges Phänomen waren die sich untereinander aufspaltenden Donatisten (siehe Gedanken zur Woche 214 – 5. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024)).
Auch später gab es immer wieder rigoristische Oppositionsgruppen und Abspaltungen. Besonders heftiger Kritik sahen sich eigens protestantische Landes- bzw. Staatskirchen und das offizielle Anglikanertum mit ihrem Ausgang von der englischen Staatskirche ausgesetzt.
Der Idee nach aber vertritt die katholische Kirche immer noch und immer wieder hohe Ideale und formulierte klare Ansprüche. Dies führt gerade im Bereich der Sexualmoral und dem Gesamtbereich des Eheverständnisses zu heftigen Debatten. Man denke hier auch an die Auseinandersetzungen um die katholische Soziallehre. Auch hier wird sehr oft der Vorwurf erhoben, dass katholische Amtsträger gerne Wasser predigten und selber Wein tränken, ja dass eine ausgeprägte Doppelmoral gang und gäbe sei. Die kirchliche Glaubwürdigkeitskrise gerade in westlichen Ländern einschließlich Lateinamerika und die Karibik ist längst kein Geheimnis.
Dabei sollen laut CIC und insbesondere dessen Canon/Kanon 210 alle Gläubigen danach streben, ein heiliges Leben zu führen. Ja laut Canon/Kanon 211 sollen alle Gläubigen auch beitragen, „dass die göttliche Heilsbotschaft immer mehr zu allen Menschen aller Zeiten auf der ganzen Welt gelangt“. Nach CIC-Canon/Kanon 276 Paragraph 1 „sind die Kleriker in besonderer Weise zum Streben nach Heiligkeit verpflichtet“ (siehe Gedanken zur Woche 240-b – ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN – 30. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Von der Erlaubnis zu sexuellem Missbrauch und zu zweifelhafter bis krimineller finanzieller Selbstbedienung oder etwa Schädigung von Mitmenschen ist da nirgends die Rede! Solches findet sich auch nicht im CCEO für die Katholischen Ostkirchen und in Enzykliken zur katholischen Soziallehre samt Lehrschreiben zu Familienfragen.
Gerade im Hinblick auf Ehe und Familie gilt es Gutes zu verwirklichen und dem Bösen zu wehren. Die Familie wird nicht umsonst etwa im christlichen Bereich als Keimzelle von Kirche und Gesellschaft bezeichnet. Auf der anderen Seite geschieht gerade im Bereich von Familien leider gar nicht selten sexueller Missbrauch und anderes Schlimmes. Wenn dies geschieht mit zumindest einem Elternteil bzw. Ehepartner als Katholikin oder Katholiken, so widerspricht dies umso mehr den Idealen, wie sie in zahllosen kirchlichen Dokumenten einschließlich dem Kirchenrecht und natürlich in Predigten und Ansprachen kirchlicher Vertreter geäußert wurden und werden. Jedem Fehlverhalten sollte nach Kräften entgegengesteuert werden. Das bedingt wiederum die so ernste Verpflichtung für alle Arten kirchlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, selber möglichst glaubwürdige Vorbilder zu sein.
Ein eigener ernstzunehmender Bereich ist sicher der der Ehevorbereitung. Auch dieser Bereich wird im Kirchenrecht berücksichtigt. So stellt das Kirchenrecht auch in diesem Punkt, man möchte sagen, wieder einmal einen ganz hohen Anspruch. CIC-Canon/Kanon 1063 etwa lautet:
„Die Seelsorger sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die eigene kirchliche Gemeinde den Gläubigen die Hilfe bietet, durch die der Ehestand im christlichen Geist bewahrt wird und in der Vollkommenheit vorankommt. Dieser Beistand ist besonders zu leisten:
1° durch Predigt, durch Katechese, die den Kindern, den Jugendlichen und den Erwachsenen angepasst ist, sogar durch den Einsatz von sozialen Kommunikationsmitteln, durch die die Gläubigen über die Bedeutung der christlichen Ehe und über die Aufgabe der christlichen Ehegatten und Eltern unterwiesen werden;
2° durch persönliche Vorbereitung auf die Eheschließung, durch welche die Brautleute in die Heiligkeit und in die Pflichten ihres neuen Standes eingeführt werden;
3° durch eine fruchtbringende liturgische Feier der Eheschließung, durch die zum Ausdruck kommen soll, dass die Ehegatten das Geheimnis der Einheit und der fruchtbareren Liebe zwischen Christus und der Kirche darstellen und daran teilnehmen;
4° durch eine den Ehegatten gewährte Hilfe, damit sie den Ehebund treu halten und schützen und so zu einer von Tag zu Tag heiligeren und vollkommeneren Lebensführung in der Familie gelangen.“
Schon hier finden wir einen eigenen interessanten Hinweis auf das Wohl von Minderjährigen. Es wird ja in Punkt 1 eigens aufgefordert, auf Kinder und Jugendliche Rücksicht zu nehmen. Auf der anderen Seite findet sich auch hier wirklich keinerlei Hinweis, dass Mädchen und Frauen schlechter zu behandeln seien oder schlechter behandelt werden dürften als männliche Zeitgenossen. Ja es ist sogar von „Vollkommenheit“ und von „Heiligkeit“ die Rede! Eigens wird an die Seelsorger ein hoher Anspruch gerichtet. Beachtung verdient dazu der ausdrückliche Hinweis auf die „sozialen Kommunikationsmittel“. Nicht umsonst hat der heilige Papst Pius X. auf die unverzichtbare Bedeutung der Medien hingewiesen und das Zweite Vatikanische Konzil mit „Inter mirifica“ ein eigenes „Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel“ verabschiedet.
1. Lesung: 1 Kön 17,10-16
2. Lesung: Hebr 9,24-28
Evangelium: Mk 12,38-44 (oder 12,41-44)
Gedanken zur Woche 242-b, Dr. Matthias Martin
32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Wenn in einer Woche namentlich des heiligen Märtyrers und Bischofs Josaphat, des heiligen Leopold und der heiligen Maragreta von Schottland gedacht wird, so ist dies ein ganz starker, gewissermaßen ein dreifacher Fingerzeig in Richtung Familie.
Alle diese drei wurden in einer Zeit zur Ehre der Altäre erhoben, als Selig- und Heiligsprechungen noch weit seltener stattfanden als insbesondere seit dem Pontifikat Johannes Pauls II. Mitunter kam da ja kritisch die Rede von einer „Inflation“ an Selig- und Heiligsprechungen auf. Selbst ein Kardinal konnte sich dazu offensichtlich kritisch äußern.
Ich erinnere mich an ein Gespräch in dem sich der Gesprächspartner und praktizierende Katholik zunächst etwas unterkühlt über die heilige Margareta von Schottland äußerte. Als ich ihm versicherte, dass diese Heilige schon vor Jahrhunderten heiliggesprochen wurde, brach mein katholischer Gesprächspartner in Begeisterung für diese Heilige aus. Da diese heilige Margareta also schon vor dieser „Inflation“ an Selig- und Heiligsprechungen heiliggesprochen worden sei, sei das noch eine richtige Heiligsprechung gewesen.
Tatsächlich würdigte Papst Leo XIII. in seiner so inhaltreichen Enzyklika „Caritatis Studium“ ausdrücklich diese Heilige. Dies geschah im Rahmen einer Gesamtwürdigung der schottischen Nation und ihrer Bedeutung für die Christenheit (siehe Gedanken zur Woche 86-b – 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Im größeren Zusammenhang fügt sich das ein in die Bereitschaft Leos XIII. sich gegenüber dem britischen Machtsystem immer wieder kritisch zu äußern. Hierzu verdient gerade seine Enzyklika „Affari vos“ aus dem Jahre 1897 zum Schulstreit in Manitoba als wichtigem Teil des damals britisch beherrschten Kanadas starke Beachtung. Ausdrücklich wird darin von einem kanadischen Volk und von einem kanadischen Bundesstaat gesprochen. Nicht zuletzt wird die Bedeutung von Menschen aus Irland für die Entwicklung Kanadas gewürdigt. Dabei wurde auch in diesem Schreiben die Bedeutung guter katholischer Familien betont. Die demonstrative Distanzierung von der britischen Monarchie und ganz generell von britischer Herrschaft war für die damalige Zeit regelrecht undiplomatisch gewesen.
Eine vorbildliche Ehefrau und Mutter war dabei schon vorher die heilige Margareta gewesen.
Bemerkenswert ist natürlich auch der heilige Leopold III. Ähnlich wie die heilige Margareta für Schottland wirkte er vielfältig für den ihm anvertrauten Bereich des Ersten Deutschen Reiches, auch genannt Heilig Römisches Reich deutscher Nation, oder kurz Altes Reich oder auch einfach Deutsches Reich.
Bezeichnenderweise kommt seiner Ehe mit der Tochter des salischen Kaisers Heinrich IV. und Schwester von dessen Nachfolger Kaiser Heinrich V. Agnes sehr große Bedeutung zu. Damit stand eben Leopold III. aus dem Geschlecht der Babenberger in enger Beziehung zum Kaisergeschlecht der Salier. Dazu wurde er Stiefvater zweier so bedeutender Angehöriger des Geschlechtes der Hohenstaufen. Sein Stiefsohn Konrad wurde später als Konrad III. (römisch-)deutscher König. Sein anderer Stiefsohn wurde als Friedrich II. Herzog von Schwaben. Einer von dessen Söhnen erlangte als Kaiser Friedrich I. Barbarossa besonderen Ruhm. Die Kyffhäusersage ist weit bekannt. Manche und mancher mag sich auch noch an ein Gedicht zu Ehren dieses Enkels von Agnes, der Ehefrau des heiligen Leopolds III. erinnern.
Auf seine Weise führt uns auch der heilige Märtyrerbischof Josaphat bzw. Josaphat Kunzewitsch zur Bedeutung von Ehe und Familie hin. Er engagierte sich eifrig für die Union von Christinnen und Christen byzantinischer Tradition mit der katholischen Kirche, wofür er schließlich den Märtyrertod erlitt. Zum einen ging es da natürlich um die gedeihliche und gerade die respektvolle Integration von ganzen Familien in die volle Einheit der katholischen Kirche. Zum anderen können Priesteramtskandidaten dieser kirchlichen Überlieferung in voller Einheit mit dem Papst vor dem Empfang der ersten (höheren) Weihe heiraten und nachher noch zu Priestern geweiht werden. Oft sind solche Väter zahlreicher Kinder. Von nicht wenigen werden solche Priesterfamilien sogar als Vorbilder für ein christliches Familienleben in unserer Zeit gepriesen.
In Canon/Kanon 374 des CCEO eben für die Katholischen Ostkirchen ist ausdrücklich davon die Rede, dass es“ „unverheiratete und verheiratete Kleriker“ gibt. Im unmittelbar vorhergehenden CCEO-Canon/Kanon 373 wird eindringlich gemahnt: „ebenso ist der Stand der verheirateten Kleriker, der durch die Praxis der frühen Kirche und der orientalischen Kirchen durch die Jahrhunderte anerkannt ist, in Ehren zu halten.“ Canon/Kanon 375 lautet dann in seiner Gesamtheit:
„In der Führung des Familienlebens und in der Kindererziehung sollen die verheirateten Kleriker den anderen Christgläubigen ein hervorragendes Beispiel bieten.“
Natürlich wird wie im CIC für die Lateinische Kirche im katholisch-ostkirchlichen CCEO der Ehe einschließlich der Ehevorbereitung große Aufmerksamkeit geschenkt.
So wird mit erkennbaren Gemeinsamkeiten mit Canon/Kanon 1063 des CIC (siehe Gedanken zur Woche 242 – 32. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)) in Canon/Kanon 783 des CCEO festgehalten:
„§ 1. Die Seelsorger sind verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die Christgläubigen auf den ehelichen Stand vorbereitet werden.
1° durch die Jugendlichen und Erwachsenen angepaßte Predigt und Katechese, durch welche die Christgläubigen unterwiesen werden über die Bedeutung der christlichen Ehe, die gegenseitigen Verpflichtungen der Eheleute und auch über das erstrangige Recht und die Pflicht, welche die Eltern haben, für die physische, religiöse, sittliche, soziale und kulturelle Erziehung der Kinder nach Kräften zu sorgen;
2° durch die persönliche Unterweisung der Brautleute zur Ehe, durch welche die Brautleute auf den neuen Stand vorbereitet werden.
§ 2. Eindringlich wird den katholischen Brautleuten empfohlen, bei der Eheschließung die Göttliche Eucharistie zu empfangen.
§ 3. Nach der Feier der Eheschließung aber sollen die Seelsorger den Eheleuten Hilfe bieten, damit sie, indem sie den ehelichen Bund zuverlässig wahren und schützen, zu einer von Tag zu Tag heiligeren und besseren Lebensführung in der Familie gelangen.“
Es werden also auch hier wie im CIC schwere Pflichten angemahnt und insgesamt ein hoher Anspruch erhoben. Gerade die Seelsorger werden auch hier ernsthaft in die Pflicht genommen.
Ein eigener Bezug zwischen dem Ehesakrament und der (Göttlichen) Eucharistie wird dabei auch im CIC betont. So wird in Paragraph 2 des CIC-Canons/Kanon 1065 formuliert:
„Damit die Brautleute das Sakrament der Ehe fruchtbringend empfangen, wird ihnen dringend empfohlen, zur Beichte und zur Kommunion zu gehen.“
Die verschiedenen Kirchen eigenen Rechts innerhalb der katholischen Weltkirche feiern ja dieselben Sakramente. Sie stehen in voller Gemeinschaft untereinander und bekennen dieselbe Glaubens- und Sittenlehre. Oberster gemeinsamer Hirte auf Erden ist der Papst. Umso deutlicher und konsequenter sind die immer wieder festzustellenden Versuche, die Angehörigen der verschiedenen liturgischen und kanonischen Überlieferungen und jeweiligen Kirchen eigenen Rechts gegeneinander auszuspielen und auseinanderzureißen, zurückzuweisen. Diese verschiedenen Überlieferungen, partikularrechtlichen Regelungen und Kirchen eigenen Rechts bilden eben die eine große katholische Weltkirche. Diese ganz grundsätzliche Einheit zeigt sich eben auch in Hinblick auf das Ehesakrament, die Vorbereitung auf die Eheschließung und ein möglichst gutes christliches Ehe- und Familienleben. Wie ja wiederholt frühere Päpste und Kirchenlehrer betonten, darf man die verschiedenen Akzentsetzungen etwa in Liturgie, Kanonistik einschließlich Kirchenverwaltung sowie in der Spiritualität als Bereicherung würdigen und pflegen. Dies gilt auch in Hinblick auf die verschiedenen, oft besonders alten, Sprachen, die in solchen katholischen Kirchen eigenen Rechts beheimatet sind. Dies wiederum betonte eigens Papst Leo XIII. Auch damit steht er in der Geschichte der Kirche nicht allein.
Gedanken zur Woche 241, Dr. Matthias Martin
31. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Wenn dem Evangeliumstext zufolge Jesus von Nazaret, der Herr Jesus Christus, auf die Frage eines Schriftgelehrten, was denn das erste oder wichtigste Gebot sei, mit dem doppelten Liebesgebot antwortet, so ist dies doch ganz bemerkenswert. Diese Antwort ist umso beachtenswerter, da wir es hier nicht einfach mit einer Traditio Simplex/Simplex Traditio in einem der drei synoptischen Evangelien zu tun haben. Vielmehr wird uns diese Antwort in jeweils eigener matthäischer, markinischer und lukanischer Gestalt eben in allen drei synoptischen Evangelien geboten (Mt 22,34-40; Mk 12,28-34; Lk 10,25-28). Gerade die für die Antwort auf die Frage des Schriftgelehrten so zentralen Zitate aus den natürlich alttestamentlichen Büchern Deuteronomium und Levitikus liegen parallel zueinander vor. Wir können hier also von Traditio Triplex/Triplex Traditio sprechen.
Umso mehr sollen wir es uns zu Herzen nehmen, dass es hier um die Liebe geht, die Liebe zu Gott und den Menschen.
Dazu mag natürlich spontan das Hohelied der Liebe in den Sinn kommen, welches wir im Ersten Korintherbrief finden. Da heißt es doch mahnend und zugleich anspornend:
„(1 Kor 13,8) Die Liebe hört niemals auf. Prophetisches Reden hat ein Ende, Zungenrede verstummt, Erkenntnis vergeht.
(9) Denn Stückwerk ist unser Erkennen, Stückwerk ist unser prophetisches Reden;
(10) wenn aber das Vollendete kommt, vergeht alles Stückwerk.
(11) Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind und urteilte wie ein Kind. Als ich ein Mann wurde, legte ich ab, was Kind an mir war.
(12) Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.“
(13) Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe.“
Auch an die Worte aus dem Ersten Johannesbrief können wir denken:
„(1 Joh 3,16) Daran haben wir die Liebe erkannt, dass er sein Leben für uns hingegeben hat. So müssen auch wir für die Brüder und das Leben hingeben. (17) Wenn jemand die Güter dieser Welt hat und sein Herz vor dem Bruder <,der Schwester,> verschließt, den er in Not sieht, wie kann die Liebe Gottes in ihm bleiben? (18) Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit. (19) Und daran werden wir erkennen, dass wir aus der Wahrheit sind …“.
Etwas später steht ebenfalls in Ersten Johannesbrief zu lesen:
(1 Joh 4,16) Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen.
Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.
(17) Darin ist unter uns die Liebe vollendet, dass wir am Tag des Gerichts Zuversicht haben. …
(19 Wir wollen lieben, weil er uns zuerst geliebt hat. (20) Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder hasst, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht. (21) Und dieses Gebot haben wir von ihm: Wer Gott liebt, soll auch seinen Bruder lieben.“
Es wird hier schon deutlich, dass Liebe nicht einfach eine abstrakte Angelegenheit und eine nette Formulierung ist. Wir sollen vielmehr dieses Wort mit Leben erfüllen. Wie die Antwort Jesu von Nazarets auf die Frage des Schriftgelehrten verdeutlicht, können wir dazu aus der Bibel aus Altem und Neuem, Erstem und Zweiten Testament gute Anregungen gewinnen.
Auch wenn es dann bei der Auslegung von Bibelstellen Meinungsverschiedenheiten geben sollte, so soll das nicht zur Verletzung der Liebe führen. Aus Texten kann ja immer wieder Verschiedenes herausgelesen und in sie hineingelesen werden. Das sollte aber eben auch nicht bei Bibelstellen, Texten der kirchlichen Überlieferung einschließlich Texten von Konzilien und Zusammenstellungen des Kirchenrechts zu Hass und Streit führen. Das gleiche gilt in Hinblick auf diesen und jenen philosophischen Text, die Werke von Dichterinnen und Dichtern wie die Überlieferung etwa ganzer philosophischer Schulen.
Man kann ja auch erst einmal Blick auf so kurze und leicht zu lesende Übersichten wie die Auflistung der sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit und der sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit werfen. Bei all unseren eigenen Beschränktheiten wie Möglichkeiten mag sich da immer wieder manch gute Anregung für unsere eigene Lebensgestaltung finden.
Dies gilt auch für die Auflistung der sogenannten zwölf Früchte des Heiligen Geistes und von dieser her:
Die Bereitschaft, Mitmenschen Gutes zu tun, soll doch in den ersten Jahrhunderten so etwas wie ein Markenzeichen des jungen Christentums gewesen sein. Die damaligen und ja schon im Neuen/Zweiten Testament wiederholt angesprochenen gewissermaßen inneren Schwierigkeiten in der sich entwickelnden Christenheit kann man sogar als Ermutigung sehen. Wenn die damaligen Jüngerinnen und Jünger als immer wieder so unvollkommene Menschen auf ihre Weise so Großes vollbracht haben, dann brauchen auch wir uns in unserer Zeit nicht gleich entmutigen lassen.
Es gibt eben die Arbeiterinnen und Arbeiter des Herrn, die mehr oder auch weniger Talente haben. Es gibt welche, die in ihrer Lebenszeit schon früher als andere begonnen haben, auf dem Weinberg des Herrn zu arbeiten und solche, die erst später dazugekommen sind. Aber es gilt eben, dass alle eingeladen sind, Gutes zu tun und die Liebe zu verwirklichen.
Eine umso ernstere Verantwortung liegt da auf denen, die in der Kirche irgendein Amt, eine offizielle Aufgabe, eine Funktion innehaben. Gerade sie sollen durch ihr Beispiel wirken. Auch darauf werden wir ausgehend von der ganzen Bibel in der christlichen Überlieferung und alltäglicher Erfahrung immer wieder aufmerksam gemacht. Gerade solche etwas kirchenamtlichen Menschen mögen so etwas wie lebende Visitenkarten authentischen Christseins sein, sozusagen christliche Visitenkarten aus Fleisch und Blut.
Mögen Christinnen und Christen in den Anfechtungen unserer Zeit nicht verzagen und immer wieder das Feuer der Liebe auflodern lassen. Mögen sie glaubwürdige Trägerinnen und Träger der Liebe zu Gott und den Menschen sein.
Allein schon das doppelte Liebesgebot ist dazu doch sehr bemerkenswert.
1. Lesung: Dtn 6,2-6
2. Lesung: Hebr 7,23-28
Evangelium: Mk 12,28b-34
Gedanken zur Woche 241-b, Dr. Matthias Martin
31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Wenn in einer Woche des Kirchenjahres so durchaus unterschiedlicher Heiliger wie des Erzbischofs und Kirchenreformers Karl Borromäus, des Einsiedlers Leonhard und des Bischofs und Missionars Willibrord gedacht wird. So hat dies schon seine eigene Aussagekraft. Natürlich verdient es jeder dieser Heiligen eigens im Einzelnen genauer betrachtet zu werden. Jeder von ihnen kann jeweils eigene Anregungen für eine christliche Lebensgestaltung vermitteln. Dann mag natürlich jeder einzelne dieser Heiligen für sich als Persönlichkeit der Menschheitsgeschichte anregen zu historischer Beschäftigung wie pädagogischem Bemühen. Untrennbar verbunden mit historischer Forschung und Aufarbeitung etwa des Wirkens und der Nachwirkung sind dabei immer wieder nicht zuletzt eigene philologische Fragen, archäologische Tätigkeiten und auch so etwas wie soziologische und kirchenrechtlich-kanonistische Betrachtungen. Jeder solcher Heiligen hat nicht zuletzt seinen Platz in der Kunstgeschichte.
Dann haben diese Heiligen auch und gerade gemeinsam ihre Aussagekraft. Es ist dies allein schon die Verdeutlichung, dass wir alle gerufen sind, im richtigen Sinne nach Heiligkeit zu streben. Dieser Ruf ergeht über die Jahrhunderte grundsätzlich an alle Menschen, jung und alt, allein oder in einer größeren gesellschaftlichen Struktur lebend und dergleichen. Niemand soll sich da ausgegrenzt fühlen. Ihrerseits haben sich ja etwa der heilige Karl Borromäus wie der heilige Willibrord bemüht, Menschen über gesellschaftliche Grenzen hinweg für die Botschaft des Evangeliums, ein aktives Leben in der Kirche im Sinne des doppelten Liebesgebotes anzusprechen. Obwohl er als Einsiedler bezeichnet wird, nahm sich auch der heilige Leonhard seiner Mitmenschen an. Er kümmerte sich besonders um die Gefangenen. Er war also schon in seiner irdischen Lebenszeit, wohl im sechsten Jahrhundert, bereit, ganz an die Ränder der Gesellschaft zu gehen. Wohl wegen seiner Bemühungen um die Gefangenen wurde später er mit einer Kette abgebildet. Zunächst wurde er insbesondere als Schutzpatron der Gefangenen verehrt. Auf mancher in Verbindung mit ihm dargestellten Kette ist noch zu sehen, dass es sich um ein Ausrüstungsstück für Menschen mit üblichen Armen handelte. Wegen der Darstellung mit einer Kette entwickelte sich dann im Laufe der Zeit die Verehrung des heiligen Leonhard in Richtung eines Schutzpatrons für das Vieh. Dass auch der heilige Leonhard jemand war, der eine persönliche Ausstrahlung auf Menschen hatte, wird schon dadurch verdeutlich, dass er als Patron so großer Bevölkerungs- oder Berufsgruppen wie der Bauern und der Bergleute gilt. Auch von weiteren Gruppen gilt er als Patron, so etwa der Böttcher, der Fuhrleute, der Schlosser und Schmiede, der Stallknechte und selbst von Kohlenschleppern. Dann ist er eben auch der Schutzpatron für Gefangene und im außermenschlichen Bereich für Pferde und das Vieh.
Dies verdeutlicht wieder einmal, wie Menschen in der Kirche für das Wohlergehen aller Menschen besorgt sein mögen und ihrerseits Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft zur Heiligkeit berufen sind.
So sind eben auch und gerade Eheleute aufgerufen, ihr Leben im christlichen Sinne zu gestalten. Dass Ehe keine nebensächliche Angelegenheit ist, wird schon dadurch verdeutlicht, dass die Ehe nach Auffassung der katholischen Kirche wie einer Reihe anderer Konfessionen eines der sieben Sakramente ist. Die Ehe gehört also einem ziemlich exklusiven Bereich an, wenn es um christliche Theologie und Lebenspraxis geht.
Schon seit der frühen Zeit haben sich dementsprechend Synoden und Konzilien mit Eheangelegenheiten befasst. Mancher könnte überrascht sein, wie intensiv mitunter solche Diskussionen waren.
In neuer Zeit war dann die Ehelehre Gegenstand so bedeutender Enzykliken wie „Casti Connubii“ aus dem Jahre 1930 und „Humanum Vitae“ von 1968. Mit eigenen Akzentsetzungen hat sich dann etwa Johannes Paul II. mit der Ehe und der Berufung zu ihr beschäftigt. Auch im aktuellen Kirchenrecht wird der Ehe breiter Raum eingeräumt, und kirchliche Gerichtseinrichtungen beschäftigen sich meist mit Ehefällen.
Dabei trat die Kirche seit jeher strikt für die Einehe zwischen je einer Frau und einem Mann ein. Diese Einheit der Ehe ist nach katholischer Überzeugung eben nicht zu trennen von der Gleichrangigkeit und Gleichwertigkeit von Mann und Frau eben in der Ehe. Daran ändern auch abfällige Bemerkungen aus dem Munde so manches „katholischen“ Mannes ob mit oder ohne sakramentale Weihe nichts. Gerade kirchliche Obere sollten es als ihre Aufgabe sehen, solchen Entgleisungen nach Kräften entgegenzuwirken.
So werden im katholischen Eherecht tatsächlich beide Ehegatten als völlig gleichberechtigt gesehen und so dargestellt. So lautet Paragraph 1 Canon/Kanon 1055 des gegenwärtigen CICs ganz grundsätzlich:
„Der Ehebund, durch den Mann und Frau unter sich die Gemeinschaft des ganzen Lebens gründen, welche durch ihre natürliche Eigenart auf das Wohl der Ehegatten und auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet ist, wurde zwischen Getauften von Christus dem Herrn zur Würde eines Sakramentes erhoben.“
Zum einen wird hier jede Schlechterstellung der (Ehe-)Frau zurückgewiesen. Zum anderen wird leicht erkennbar jeder Unterschied zwischen männlichem und weiblichem Nachwuchs vermieden. Eine Schlechterstellung von Mädchen bei der Nachkommenschaft wird allein schon damit im Rahmen des Kirchenrechts zurückgewiesen. Abgerundet unter Betonung der Sakramentalität von Ehe wird dieser Paragraph 1 durch den anschließenden Paragraphen 2 dieses Canon/Kanons:
„Deshalb kann es zwischen Getauften keinen gültigen Ehevertrag geben, ohne dass er zugleich Sakrament ist.“
Der idealerweise freie Wille der Frau beim Eheschluss ist genauso wichtig wie der idealerweise freie Wille des Mannes. Nicht zuletzt in diesem Punkt darf es keiner Abstufung, namentlich keine Diskriminierung der Frau, geben. In diesem Sinne wird in CIC-Canon/Kanon 1057 Paragraph 1 festgehalten:
„Die Ehe kommt durch den Konsens der Partner zustande, der zwischen rechtlich dazu befähigten Personen in rechtmäßiger Weise kundgetan wird; der Konsens kann durch keine menschliche Macht ersetzt werden.“
Also kann auch kein Bischof, kein Vorsitzender einer Bischofskonferenz und selbst kein Papst namentlich den fehlenden Konsens einer in Frage kommenden Frau ersetzen, um vielleicht dieser oder jener gesellschaftlichen Gruppierung oder einer international relevanten Entität gefällig zu sein. Paragraph 2 dieses Canons/Kanons 1057 fährt ganz im Sinne der Gleichberechtigung von Mann und Frau fort:
„Der Ehekonsens ist der Willensakt, durch den Mann und Frau sich in einem unwiderruflichen Bund gegenseitig schenken und annehmen, um eine Ehe zu gründen.“
Die Gleichrangigkeit von Mann und Frau in der Ehe wird in etwas eigenen Worten auch im CCEO für die Katholischen Ostkirchen formuliert. Auch hier wird eine klare Position bezogen gegen Zwang bei der Eheschließung im Allgemeinen und Dingen wie Brautraub und Brautkauf samt etwaigen Männerfantasien im Besonderen.
So lautet mit Canon/Kanon 776 der erste der sich speziell mit der Ehe beschäftigenden CCEO-Canones/Kanones:
„§ 1. Der Ehebund, vom Schöpfer gestiftet und mit seinen Gesetzen ausgestattet, in dem Mann und Frau durch ein unwiderrufliches personales Einverständnis eine Gemeinschaft des ganzen Lebens unter sich bilden, ist durch seine natürliche Art auf das Wohl der Ehegatten und auf die Zeugung und Erziehung von Kindern hingeordnet.
§ 2. Aufgrund der Einsetzung durch Christus ist die gültige Ehe unter Getauften von selbst Sakrament, durch das die Ehegatten nach dem Bild der unverbrüchlichen Einheit Christi mit der Kirche von Gott vereinigt und mit der sakramentalen Gnade gleichsam geweiht und gestärkt werden.“
Gedanken zur Woche 240, Dr. Matthias Martin
30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Jesus von Nazaret stand auf der Seite der gesellschaftlich Schwachen, der unterprivilegierten bis völlig an den Rand gedrängten Menschen. Er selber wurde ja nicht in einem Königspalast oder Adelssitz geboren. Seine Familie gehörte nicht zu denjenigen, welche es sich mit dem dominierenden Römischen Reich und seiner Angst und Schrecken verbreitenden Macht eingerichtet hatten. Der in der christlichen Überlieferung als sein Wegbereiter gesehene Johannes der Täufer starb als Opfer eines prominenten örtlichen Handlangers der römischen Politik. Auch im außerchristlichen Bereich wird dies deutlich überliefert.
Auf dieser Linie bewegte sich dann auch die Glaubensbewegung der Jesusanhänger, ist die frühe Kirche einordenbar. Das Christentum stand für die Schlechtergestellten, die Benachteiligten bis hin zu den Sklaven. Bei allen schon sehr früh auftretenden innerchristlichen Spannungen und Spaltungen war dies so etwas wie die Grundlinie. Früh entwickelte sich dazu eine aktive christliche Caritas. Ja, Werke der Nächstenliebe für Notleidende, praktische Hilfsbereitschaft wurde so etwas wie ein zentrales Markenzeichen des jungen Christentums.
Dazu wurde eine bemerkenswerte Abgrenzung gegenüber der römischen Staatsmacht gerade in den Stunden der Bedrängnis, ja der offenen Verfolgung durchgehalten.
Petrus als erster der Apostel und gerade nach katholischer Auffassung ja erster Papst diente sich nicht als Handlanger der römischen Hegemonial- und Besatzungspolitik an. Die Apostel versuchten ganz offensichtlich eben nicht, Harkis des Römischen Reiches oder IMs für einen römischen Überwachungsapparat zu werden. Gleich dem ebenfalls besonders berühmten Paulus starb Petrus den Märtyrertod. Die ungekürzte Fassung des Römischen Messkanons, des Ersten Hochgebetes, ist weitgehend eine Auflistung frühchristlicher Märtyrerinnen und Märtyrer. Der einzige nicht direkt den Märtyrertod sterbende der Apostel soll der heilige Johannes gewesen sein. An ihm sei einer Überlieferung zufolge der Hinrichtungsversuch schlicht gescheitert. Er sei dann erst in hohem Alter in der Verbannung gestorben (siehe Gedanken zur Woche 110-b - 3. OSTERWOCHE (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 114-b – 7. OSTERWOCHE (2022)).
Den Weg hatte Jesus von Nazaret selber vorgezeichnet. In diesem Sinne verdient die Begegnung Jesu mit dem blinden Bartimäus bei Jericho, wie sie im Markusevangelium erzählt wird, Beachtung. Dazu finden wir interessante Parallelstellen in den beiden anderen synoptischen Evangelien nach Matthäus und Lukas (Mt 20,29-34; Mk 10, 46-52; Lk 18,35-43). Auch wenn hierzu das Markusevangelium und diese beiden Seitenreferenten oder Großevangelien im Wortlaut nicht bis ins Letzte völlig übereinstimmen, so finden wir doch dementsprechend einiges an Traditio Triplex/Triplex Traditio.
Jesus hat sich dem blinden Außenseiter zugewandt. Er war offen für ihn und seine Bitte um Hilfe. Offensichtlich haben sich Menschen um Jesus herum nicht so freundlich ihm gegenüber, oder den zwei Blinden, wenn wir dem Matthäusevangelium folgen, verhalten. Jesus hat sich davon nicht irritieren lassen. Er ließ nicht so etwas wie eine unsichtbare Trennwand zwischen ihm und solchen Menschen in einer schlimmen Situation aufrichten. Er wurde im guten Sinne aktiv. Er war umgehend bereit zu handeln für den Blinden bzw. die beiden Blinden. Er beließ es eben nicht mit einem netten Gefühl oder schönen Worten.
In diesem Sinne steht die Überlieferung vom Handeln Jesu in Zusammenhang mit der Blindenheilung von Jericho nicht isoliert in der Bibel aus Altem und Neuen oder Erstem und Zweiten Testament. Immer wieder werden wir aufgefordert, nicht die Hände in den Schoß zu legen, sondern selber aktiv zu werden. Glauben sollte eben nicht reduziert werden auf schöne Worte und nette Gefühle, die gerade die hegen könnten, welchen es besser als anderen ginge.
Christentum ist eine dauernde Herausforderung, bereit zu sein, Gutes zu wirken, so weit man es eben kann. Das Desinteresse am Anderen ist in diesem Sinne wirklich von Übel.
So heißt es kantig in der Geheimen Offenbarung (des Johannes), dem Buch der Apokalypse als dem Buch am Ende des Neuen/Zweiten Testaments:
„(Offb/Apk 3,15) Ich kenne deine Taten. Du bist weder kalt noch heiß. Wärest du doch kalt oder heiß! (16) Daher, weil du lau bist, weder heiß noch kalt, will ich dich aus meinem Mund ausspeien.“
Später ist dann im Rahmen einer Vision im selben immer wieder diskutierten neutestamentlichen Buch zu lesen:
„(Offb/Apk 20,13) … Sie wurden gerichtet, jeder nach seinen Taten.“
Zwischen beiden Stellen findet man die wohl auf eigene Weise anspornende Stelle, die der neuen deutschen Einheitsübersetzung zufolge lautet:
„(Offb/Apk 14,12) Hier muss sich die Standhaftigkeit der Heiligen bewähren, die an den Geboten Gottes und an der Treue zu Jesus festhalten.“
Zu diesen Stellen können weitere Bibelstellen aus dem Alten/Ersten wie aus dem Neuen/Zweiten Testament in den Sinn kommen. Mag das bei einer Person etwa gerade etwas aus dem Pentateuch, den Fünf Büchern Mose, sein, so kann es bei jemand anderem etwa so mancher Vers aus dem Buch Jesus Sirach oder einem Prophetenbuch Amos sein. Bei anderen mögen es Stellen aus den synoptischen Evangelien oder vielleicht einer neutestamentlichen Schrift wie dem Galaterbrief sein. Und natürlich kann immer wieder der markante Jakobusbrief in den Sinn kommen. Mit seinem Aufruf zum Tun guter Werke und dem Zurückweisen schlechter Neigungen kann gerade diese neutestamentliche Schrift Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft und auch verschiedener etwa konfessioneller Zugehörigkeit ansprechen.
Im Sinne unverfälschter katholischer Tradition, sind die Menschen natürlich eingeladen, sich mit der ganzen Bibel zu beschäftigen und sich von daher zu gutem Tun anregen zu lassen.
Ja es geht eben immer wieder darum, sich selber einzusetzen, etwas im Rahmen eigener Möglichkeiten zu unternehmen. Nach den trübsinnigen bis katastrophalen innerkirchlichen Erfahrungen in den letzten Jahrzehnten fand dies zumindest etwas auch Eingang in das reformierte Strafrecht des jetzigen CIC.
So wird Unterlassen gleich mehr als einmal allein schon im dortigen Canon 1371 unter Strafe gestellt. So lautet der dortige Paragraph 5:
„Wer der Pflicht, ein rechtskräftiges Urteil oder ein rechtskräftiges Strafdekret auszuführen, nicht nachkommt, soll mit einer gerechten Strafe, eine Beugestrafe nicht ausgenommen, belegt werden.“
Im anschließenden Paragraph 6 wird festgelegt:
„Wer die Mitteilung der Kenntnisnahme von einer möglichen Straftat versäumt, zu der er vom kirchlichen Recht verpflichtet ist, soll nach Maßgabe des can. 1336, §§ 2-4 bestraft werden; je nach Schwere der Straftat werden andere Strafen hinzugefügt.“
Geht es in dem auch an dieser Stelle angeführten Canon/Kanon 1336 doch um so etwas wie die typischen Sühnestrafen, so stellen Exkommunikation, Interdikt und Suspension die im CIC behandelten Beugestrafen oder Besserungsstrafen dar.
Auch in den vorhergehenden Paragraphen des Canons/Kanons 1371 geht es darum, dass das Richtige auch wirklich getan wird:
„§ 2. Wer die ihm aus einer Strafe auferlegten Verpflichtungen verletzt, soll mit einer der Strafen des can. 1336, §§ 2-4 belegt werden.
§ 3. Wenn jemand etwas vor einer kirchlichen Autorität versichert oder verspricht, und dabei einen Meineid leistet, soll er mit einer gerechten Strafe belegt werden.“
Ausdrücklich wird strafbare Unterlassung in einer grundsätzlichen Weise in Canon/Kanon 1378 thematisiert:
„§ 1. Wer über die im Recht schon vorgesehenen Fälle kirchliche Gewalt, ein kirchliches Amt oder eine kirchliche Aufgabe missbraucht, soll je nach Schwere der Tat oder Unterlassung bestraft werden, die Amtsenthebung nicht ausgenommen und bei bestehender Verpflichtung den Schaden wiedergutzumachen.
§ 2. Wer aber aus schuldhafter Nachlässigkeit eine Handlung kirchlicher Gewalt oder eines kirchlichen Amtes oder einer kirchlichen Aufgabe unrechtmäßig zu fremdem Schaden setzt oder unterlässt, soll, bei bestehender Verpflichtung, den Schaden wiedergutzumachen, nach Maßgabe des 1336, §§ 2-4 bestraft werden.“
Es gibt ja auch in der christlichen Überlieferung den Begriff der „Unterlassungssünde“. Im weltlichen Recht wird nicht zuletzt von „unterlassener Hilfeleistung“ gesprochen.
1. Lesung: Jer 31,7-9
2. Lesung: Hebr 5,1-6
Evangelium: Mk 10,46-52
Gedanken zur Woche 240-b, Dr. Matthias Martin
ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN - 30. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Das Hochfest von ALLERHEILIGEN stellt ein besonderes Hochfest der christlichen Hoffnung dar. Die Bedeutung dieses Umstandes wird umso deutlicher, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Hoffnung zusammen mit Glauben und Liebe ja eine der drei christlichen Grundtugenden, einer dieser drei göttlichen oder theologischen Tugenden ist.
Das liturgische Weiß verdeutlicht, dass es sich beim HOCHFEST von ALLERHEILIGEN nicht so sehr um einen Trauertag oder einen eher in diese Richtung gehenden Gedenktag handelt. Die Liturgiefarbe Weiß, wie sie ja auch beispielsweise zu den Hochfesten von WEIHNACHTEN, ERSCHEINUNG DES HERRN, OSTERN, CHRISTI HIMMELFAHRT und FRONLEICHNAM zum Einsatz kommt, steht für den festlich-freudigen Charakter, der dem Hochfest von ALLERHEILIGEN zugrunde liegen sollte.
Da feiern wir ja alle Heiligen, die bekannten und die unbekannten, die von der Kirche anerkannten und die anderen.
Nun hoffen gläubige Menschen zum einen auf die Heiligen als ihre Fürsprecher bei Gott. Diese Hoffnung findet sich nicht nur bei Angehörigen der (römisch-)katholischen Kirche, sondern auch bei anderen christlichen Konfessionen oder Denominationen. Dies gilt gerade in Hinblick auf orthodoxe und altorientalische Kirchen bzw. ihre Angehörigen. Auf eine in diese Richtung weisende Lehre oder Spiritualität von der Gemeinschaft der Heiligen und auch gelebte Heiligenverehrung stößt man auch zumindest in Teilen der allerdings vielfältig aufgesplitterten anglikanischen Überlieferung. Bei den ja in die Zehntausenden gehenden unterschiedlichen bis einander feindselig gegenüberstehenden „protestantischen“ Denominationen ist natürlich auch in dieser Frage die jeweilige Einzelüberlieferung oder Denomination zu betrachten.
Dann können Heilige, gewissermaßen offizielle wie inoffizielle, auch recht handfest als Vorbilder dienen. Es ist ja die sehr weit verbreitete Auffassung, dass das Vorbild frühchristlicher Märtyrerinnen und Märtyrer dem jungen Christentum besondere bis entscheidende Schubkraft verlieh. Früh schon kam während der römischen Verfolgungen der Satz auf, „Das Blut der Christen ist der Same der Kirche“. Es kann in der Überlieferung auch lauten „Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche“.
Aber auch jenseits des Martyriums können Heilige oder besonders geschätzte christliche Persönlichkeiten einen Anstoß vermitteln und eine Motivation darstellen, sich besonders im christlichen Sinne einzusetzen, möglichst Gutes zu tun und Böses zu unterlassen.
Umso mehr sollten sich natürlich auch alle getauften und gefirmten Christinnen und Christen bemühen, gute Vorbilder zu sein. Dies gilt erst recht in Hinblick auf alle, die in der Kirche ein Amt, eine Funktion innehaben, eine Aufgabe, eine Funktion wahrnehmen.
So stellt Canon/Kanon 210 des jetzt geltenden CIC einen generell geltenden hohen Anspruch an alle Glieder der Kirche in dieser Welt:
„Alle Gläubigen müssen je nach ihrer eigenen Stellung ihre Kräfte einsetzen, ein heiliges Leben zu führen sowie das Wachstum der Kirche und ihre ständige Heiligung zu fördern.“
Dass es darum geht, gerade auch bisher aus kirchlicher Sicht außenstehende Menschen anzusprechen, unterstreicht dann der unmittelbar nachfolgende Canon/Kanon 211:
„Alle Gläubigen haben die Pflicht und das Recht, dazu beizutragen, dass die göttliche Heilsbotschaft immer mehr zu allen Menschen aller Zeiten auf der ganzen Welt gelangt.“
Die Wichtigkeit der persönlichen Ausstrahlung bedeutet gerade in unserer Zeit mit den verschiedenen Arten von Medien einschließlich schon älteren Massenmedien und neueren sozialen Medien eine sehr ernste Verantwortung für Christinnen und Christen. Ein persönlicher Ausrutscher kann da sehr rasch mehr als nur in der örtlichen Umgebung die Runde machen.
Unter Betonung der Wichtigkeit der beiden Sakramente Taufe und Firmung wird eigens in Hinblick auf die Laien in der Kirche in Canon/Kanon 225 formuliert:
„§ 1. Da die Laien wie alle Gläubigen zum Apostolat von Gott durch die Taufe und die Firmung bestimmt sind, haben sie die allgemeine Pflicht und das Recht, sei es als Einzelne oder in Vereinigungen, mitzuhelfen, dass die göttliche Heilsbotschaft von allen Menschen überall auf der Welt erkannt und angenommen wird; diese Verpflichtung ist umso dringlicher unter solchen Umständen, in denen die Menschen nur durch sie das Evangelium hören und Christus kennenlernen können.
§ 2. Sie haben auch die besondere Pflicht, und zwar jeder gemäß seiner eigenen Stellung, die Ordnung der zeitlichen Dinge im Geiste des Evangeliums zu gestalten und zur Vollendung zu bringen und so in besonderer Weise bei der Besorgung dieser Dinge und bei der Ausübung weltlicher Aufgaben Zeugnis für Christus abzulegen.“
Ganz besonders sind natürlich die Kleriker und andere kirchliche Amts- bzw. Funktionsträger gefordert. Egal, welche theologischen Positionen man in dieser oder jener Frage vertritt, welche spirituelle Überlieferung man vielleicht persönlich mitträgt, so ist doch klar, dass insbesondere Versagen von Klerikern wie auch von anderen kirchlichen Amts- oder Funktionsträgern einen besonders schlechten Eindruck macht. Noch bevor es zu einem gewissen Dammbruch in Hinblick auf die Berichterstattung über kirchliche Skandale oder Missbräuche kam, hatte sich doch immer wieder etwas herumgesprochen. Zwar wurde bis vor wenigen Jahren hier und dort vieles kaum oder gar nicht in Medien thematisiert, aber manches war halt ein offenes Geheimnis, ein eigenes Gesprächsthema unter Zeitgenossen. Selbstdarbietungen und politisch-gesellschaftliche Ansprüche offizieller Kirchenvertreter stießen da schon längst bei vielen Menschen auf innere Vorbehalte bis hin zu Sarkasmus und eine zumindest innerliche Wut.
Umso ernster sind die unter der Überschrift PFLICHTEN UND RECHTE DER KLERIKER in CIC-Canon/Kanon 276 Paragraph 1 zu findenden Worte zu nehmen:
„In ihrer Lebensführung sind die Kleriker in besonderer Weise zum Streben nach Heiligkeit verpflichtet, da sie, durch den Empfang der Weihe in neuer Weise Gott geweiht, Verwalter der Geheimnisse Gottes zum Dienst an seinem Volk sind.“
Hier ist wohlgemerkt die Rede vom „Dienst an seinem Volk“ die Rede. Dabei ist natürlich das Volk Gottes gemeint und nicht ein Volk kirchlicher Amtsträger und vielleicht mit ihnen besonders verbundener politischer Strippenzieher bzw. Machthaber. Auch ist hier wie an anderer Stelle im Kirchenrecht und sonst in kirchlichen Dokumenten nicht die Rede von „Herrschaft“ über Menschen und schon gar nicht von einem vermeintlichen „Recht“ auf finanzielle und sexuelle Ausbeutung durch kirchliche Amtsträger.
Grundsätzlich alle in der Kirche ein Amt, eine Aufgabe, einen Dienst oder eine Funktion wahrnehmende Personen sollten sich dann nicht zuletzt Punkt 1 im nachfolgenden Paragraphen 2 dieses Canons/Kanons 276 zu Herzen nehmen:
„Damit sie diese Vollkommenheit erreichen können:
haben sie vor allem die Pflichten ihres Hirtendienstes treu und unermüdlich zu erfüllen.“
In Canon/Kanon 1311 Paragraph 2 werden ausdrücklich die besonders in die Pflicht genommen, denen „in der Kirche die Leitung zukommt“. Sie müssten „das Wohl der Gemeinschaft und der einzelnen Gläubigen“ gerade „durch die pastorale Liebe“ und „das Beispiel des eigenen Lebens“ eben schützen und fördern (siehe Gedanken zur Woche 232-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Die Aufgabe, gegebenenfalls im Sinne des Kirchenrechts Strafmaßnahmen zu verhängen oder festzustellen, bezieht sich logischerweise gerade auf kirchliche Amtsträger. Gerade durch ihr Fehlverhalten wird ja starker bis weltweiter Anlass zum Ärgernis gegeben.
So finden sich im reformierten Strafrecht des CIC verschiedene Bestimmungen, die sich speziell auf kirchliche Mitarbeiter beziehen. Betroffene können diesbezüglich solche sein, welche in der kirchlichen (Vermögens-)Verwaltung tätig sind. Es gibt nicht umsonst auch Strafbestimmungen, welche sich eigens auf Kleriker und insbesondere auf Priester beziehen. Ja es gibt ja auch solche, mit denen eigens Bischöfe anvisiert werden.
Natürlich gilt es, dass die Regelungen, welche das Fehlverhalten kirchlicher Mitarbeiter zum Thema haben, auch im richtigen Sinne mit Leben erfüllt bzw. umgesetzt werden. Papier ist bekanntlich geduldig. Auch muss zumindest eine offene Diskussion in Hinblick auf weitere Verschärfungen des kirchlichen Strafrechts gerade bezüglich kirchlicher Amtsträger geführt werden können.
Gedanken zur Woche 239, Dr. Matthias Martin
29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Wenn im jeweiligen Sonntagsevangelium die spannungsreiche Problematik vom Dienen und vom Herrschen angesprochen wird, dann hat dies gerade heutzutage seine besondere und allein schon innerkirchlich-pastorale Brisanz.
Der Missbrauch von Vorgesetztenverhältnissen, von Herrschaftsverhältnissen, nicht zuletzt auch von sozio-ökonomischen Abhängigkeiten ist eine furchtbare Gegebenheit im kirchlichen Leben. Unbestritten ist doch längst, was der Kardinal Joseph Ratzinger und anschließende Papst Benedikt XVI. bitter feststellte, nämlich diese seit Ende der fünfziger Jahre in der Kirche sich wie ein wucherndes Krebsgeschwür verbreitende Sympathie für Täter und Geringachtung von Opfern. Im umfangreicheren Sinne und mit einem weiten Blickwinkel hat vor solchen Fehlentwicklungen nicht zuletzt der berühmte Kirchenrechtler Georg May gewarnt. Dass gerade sexueller Missbrauch nicht zu entschuldigen, auch und gerade nicht, wenn es sich bei den Tätern und Täterinnen um kirchliche Mitarbeiter handelt, betonte dann wiederholt auch Papst Franziskus.
So manches ist in Bewegung geraten. Man erinnere sich, dass im Dezember 2021 die Reform und eine in ihr enthaltene, zumindest ansatzweise, Verschärfung des kirchlichen Strafrechts namentlich in Gestalt des CIC in Kraft getreten ist (siehe Gedanken zur Woche 232-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024) und Gedanken zur Woche 235-b – 25. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 130 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Umgehend wurden Zweifel und mitunter deutliche Kritik angemeldet, ob denn diese Reform weitreichend genug sei (siehe Gedanken zur Woche 234-b – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024) und Gedanken zur Woche 236 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)). Ja immer wieder kann man auch den Vorwurf vernehmen, das Ganze sei nur eine für die Realitäten in der Weltkirche gar nicht ernstgemeinte Beruhigungsaktion.
Tatsächlich hätte diese Reform des Kirchenrechts doch schärfer ausfallen können. Offensichtlich will man nicht wirklich etwa gegenüber klerikalen und anderen Missbrauchstätern einen wirklichen Trennungsstrich, genannt Exkommunikation, ziehen. Das Problem der Täter begünstigenden Oberen, nicht zuletzt solcher im Bischofsrang ist bestenfalls, wenn überhaupt, bisher nur in bruchstückhaften Ansätzen angegangen worden. So stieß innerhalb des Bereichs geweihter Kleriker wie Laientheologen die Tatsache, dass in dem von der Erzdiözese Köln in Auftrag gegebenen Untersuchungsbericht noch schwerer als Kardinal Rainer Maria Woelki belastete (Weih-)Bischöfe weiter in Amt und Würden sind, auf heftige Kritik bis regelrechte Verbitterung. Auch die Erlaubnis weiterer Amtstätigkeit etwa des Erzbischofs von München und Kardinals Reinhard Marx wie des Bischofs von Trier und langjährigen sog. Missbrauchsbeauftragten der bundesdeutschen Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, stieß intern wie im weiteren Rahmen der Zivilgesellschaft auf deutliche Kritik.
Dabei sind ja gerade solche Bischöfe sehr schnell bei der Hand, ihrerseits ihnen missliebige Menschen herunterzumachen, ja zu verdammen.
Auf weltkirchlicher Ebene ist es nicht nichts Außergewöhnliches, dass die Strafe der Exkommunikation zumindest vorgesehen wird. Dies zeigt sich rasch, wenn man einen Blick in den CIC eben nach der erwähnten Strafrechtsreform wirft. Offensichtlich ist man da recht scharf, wenn es um die Spendung und den Empfang von Sakramenten geht. Da wird, wenn man sich den Gesetzestext ansieht, sozusagen kein Spaß verstanden.
So wurde mit der Reform eigens eine Exkommunikationsdrohung für den Fall einer versuchten Weihe von Frauen in den CIC-Text eingefügt. So lautet doch jetzt Paragraph 3 von CIC-Canon/Kanon 1379 (siehe auch Gedanken zur Woche 230 – 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)):
„Jeder, der einer Frau die heilige Weihe zu spenden versucht, wie auch die Frau, welche die heilige Weihe zu empfangen versucht, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu; ein Kleriker kann darüber hinaus mit der Entlassung aus dem Klerikerstand bestraft werden.“
Mit Interdikt und Kleriker auch mit Suspension wird zuvor in Paragraph 1 desselben Canon/Kanons bedroht, wer versucht ohne Priesterweihe das eucharistische Opfer zu feiern und wer es ohne gültige Autorisierung unternimmt, die sakramentale Absolution zu spenden oder Beichte zu hören. Auch hier kann dann laut Paragraph 2 dazu die Exkommunikation verhängt werden (siehe ebd.).
Zwar soll es Tatstrafen eher als Ausnahmen geben, aber in Canon/Kanon 1382 Paragraph 1 ist von Tatstrafe ausdrücklich die Rede, wenn es um Fehlverhalten gegenüber eucharistischen Gestalten geht:
„Wer eucharistische Gestalten wegwirft oder in sakrilegischer Absicht entwendet oder zurückbehält, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu; ein Kleriker kann außerdem mit einer weiteren Strafe belegt werden, die Entlassung aus dem Klerikerstand nicht ausgenommen.“
Mit der Androhung der Exkommunikation wird umfassend das Beichtgeheimnis unter kirchenrechtlichen Schutz gestellt. In diesem Sinne ist Canon/Kanon 1386 des CIC formuliert:
„§ 1. Ein Beichtvater, der das Beichtgeheimnis direkt verletzt, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltenen Exkommunikation als Tatstrafe zu; verletzt er es aber nur indirekt, so soll er je nach Schwere der Straftat bestraft werden.
§ 2. Dolmetscher oder andere in can. 983, § 2 genannte Personen, die das Geheimnis verletzen, sollen mit einer gerechten Strafe belegt werden, die Exkommunikation nicht ausgenommen.
§ 3. Unbeschadet der Vorschriften der §§ 1 und 2, soll derjenige, der mit irgendeinem technischen Hilfsmittel, das, was vom Beichtvater oder vom Pönitenten in einer echten oder vorgetäuschten Beichte gesagt wurde, aufnimmt, oder in übler Weise durch die sozialen Kommunikationsmittel verbreitet, je nach Schwere des Verbrechens bestraft werden, wenn es sich um einen Kleriker handelt, die Entlassung aus dem Klerikerstand nicht ausgeschlossen.“
Es fällt auf, dass hier wiederum von „Tatstrafe“ und dazu noch von „Verbrechen“ die Rede ist. Hinzu kommt eben die Ausweitung und Anwendung im Rahmen des ausdrücklich angeführten Canons/Kanons 983 Paragraph 2:
„Zur Wahrung des Geheimnisses sind auch, falls beteiligt, der Dolmetscher und alle anderen verpflichtet, die auf irgendeine Weise aus der Beichte zur Kenntnis von Sünden gelangt sind.“
Auch eine doch eher seltene oder gar exotische Handlung wie die Bischofsweihe ohne päpstlichen Auftrag wird, und zwar ausdrücklich mit Exkommunikation, als Tatstrafe bedroht. Dem ist der ganze Canon/Kanon 1387 gewidmet:
„Ein Bischof, der jemanden ohne päpstlichen Auftrag zum Bischof weiht, und ebenso, wer von ihm die Weihe empfängt, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu.“
Wenn es also um den sakramentalen Bereich, sogenannte STRAFTATEN GEGEN DIE SAKRAMENTE, geht, ist man also von ganz offizieller Kirchenseite auch mit der Exkommunikation recht schnell bei der Hand. Warum gibt es dann eine solche Zurückhaltung gegenüber der Verhängung einer derartigen Kirchenstrafe bei sexuellem Missbrauch? Sollten nicht etwa auch alle anderen Opfer sexuellen Missbrauchs automatisch unter denselben Schutz des Kirchenrechts gestellt werden wie Minderjährige und Personen, deren Vernunftgebrauch habituell eingeschränkt ist. Sollte denn nicht der betreffende jetzige Canon/Kanon 1398 (siehe Gedanken zur Woche 236 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)) diesbezüglich bereinigt werden? Opfer sexuellen Missbrauchs in all seinen abscheulichen Formen sind doch alle Opfer! Wem dient diese Aufspaltung außer Tätern und ihren Förderern? Dazu fragt man sich weiterhin, warum denn nicht hier wie an anderen Stellen des Kirchenrechts ausdrücklich die Exkommunikation angedroht wird. Bei anderen Verstößen gegen offizielle Normen, auch gegen solche, die in der Menschheit bei weitem nicht solches Ärgernis erregen, ist das ja auch möglich.
1. Lesung: Jes 53,10-11
2. Lesung: Hebr 4,14-16
Evangelium: Mk 10,35-45 (oder 10,42-45)
Gedanken zur Woche 239-b, Dr. Matthias Martin
29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Wenn in einer Woche eigens des während des Pontifikates von Papst Johannes Pauls II. (1978-2005) seliggesprochenen Kaiser Karls I. von Österreich aus dem Hause Habsburg wie des unter Papst Franziskus offiziell in das Heiligenverzeichnis aufgenommenen Johannes Pauls II. selber gedacht wird, wird der Blick zwangsläufig auf die katholischen Ostkirchen hingelenkt.
Dabei waren Herrscher aus dem Hause Habsburg seit den Tagen des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, des Ersten Deutschen Reiches, eng und über Tagesschwankungen hinaus mit katholischen Ostkirchen verbunden gewesen. Dies setzte sich nach Auflösung des Ersten Deutschen Reiches in der Zeit des Deutschen Bundes und überhaupt bis zum Ende der Donaumonarchie im Jahre 1918 am Ende des Ersten Weltkrieges hin fort. Hierbei sollte auch nicht die Geschichte der Armenisch-Katholischen Kirche im einstigen habsburgischen Macht- und Einflussbereich vergessen werden. Vielmehr verdient auch dieser Aspekt eigene Beachtung. Zu nennen ist hier nicht zuletzt der armenisch-katholische Orden der Mechitaristen, lateinisch Ordo Mechitaristarum. Dieser erlangte gerade im Bereich von Wissenschaft und Bildung seine eigene beachtliche Bedeutung.
Sogar sonst gegenüber habsburgischer Politik kritisch eingestellte Menschen können deren Verdienste um die Ukrainisch-Katholische Kirche würdigen. Einst hatte sich deren Wirkungsbereich in den Jahren nach der erfolgreichen Union von Brest von 1595-1596 bis ans Schwarze Meer erstreckt. Russische Verfolgungsmaßnahmen drängten diese katholische Ostkirche immer weiter zurück. Hand in Hand gingen russische Verfolgungsmaßnahmen, die überhaupt eine gegen katholische Kirchenstrukturen des byzantinischen Ritus gerichtete Vernichtungspolitik darstellten, mit der russischen Westexpansion einschließlich der Ausdehnungspolitik nach Süden. Eine Reihe von Bistümern ging unter. Der Katholizismus byzantinischer Tradition in Weißrussland beispielsweise wurde fast vollständig vernichtet.
Bezeichnenderweise konnte die Ukrainisch-Katholische Kirche sich in Habsburgergebieten ungestört behaupten und dort positiv entwickeln. Dabei wurde von der offiziellen habsburgischen Politik auch ausdrücklich Rücksicht auf die ukrainische Sprache genommen und diese wohlwollend berücksichtigt.
Der am 3. März 1918 noch in der Regierungszeit Kaiser Karls I. zwischen den Mittelmächten einschließlich Bulgarien und dem Osmanischen Reich und der Sowjetunion geschlossene Frieden von Brest-Litowsk erkannte ausdrücklich die Unabhängigkeit der Ukraine an. Überhaupt sollten in den laut Friedensvertrag auf Dauer von russischer Herrschaft befreiten Gebieten Katholiken völlige Gleichberechtigung frei von Unterdrückung zustehen. In der päpstlichen Kurie rief die Friedensordnung von Brest-Litowsk regelrechte Euphorie hervor. Man sah enorme Möglichkeiten im östlichen Europa voraus einschließlich der Herstellung kirchlicher Einheit mit getrennten Ostkirchen. Man hatte zudem eh sehr schlechte Erfahrungen mit dem nun gestürzten russischen Zarentum gemacht. Noch an dem auch gegen den Heiligen/Apostolischen Stuhl gerichteten Geheimabkommen von London vom April 1915 zum Kriegseintritt Italiens gegen Österreich-Ungarn war das Zarenreich direkt beteiligt gewesen.
Dazu fügte sich der Friedensvertrag von Brest-Litowsk ein in eine Reihe weiterer Friedensverträge, die noch unter Mitwirkung Kaiser Karls I. und seiner Minister geschlossen werden konnten. So hatten bereits im sogenannten Brotfrieden vom 9. Februar 1918 die Teilnehmer ihres Viererbündnisses Deutschland, Österreich-Ungarn, Bulgarien und Osmanisches Reich mit der Ukraine deren volle Unabhängigkeit mit gegenseitiger Anerkennung und enger Zusammenarbeit vereinbart. Am 7. Mai 1918 kam es zum Frieden von Bukarest. Darin wurden die Verhältnisse namentlich zwischen den Mittelmächten und ihrem Verbündeten Bulgarien mit Rumänien neu geregelt.
Eher außerhalb des Wirkungsbereiches Kaiser Karls I. mit der Donaumonarchie von Österreich-Ungarn wurde am 4. Juni 1918 der Frieden von Batumi zwischen dem Osmanischen Reich und den transkaukasischen Republiken von Armenien, Aserbaidschan und Georgien geschlossen.
Auf seine Weise und sehr nachhaltig hat dann in seiner Zeit Papst Johannes Paul II. die Ukrainisch-Katholische Kirche gefördert. Die durch Paul VI. betriebene Aufopferung dieser so wichtigen katholischen Ostkirche wurde beendet. Auch und gerade gegen den Willen der durch den auch sonst so umstrittenen Kardinal Jósef Glemp angeführten polnischen Bischofskonferenz wurden betreffende ukrainisch-katholische Bischofssitze und Apostolische Administraturen durch das päpstliche Rom anerkannt bis neu errichtet. Auch öffentlich sprach Johannes Paul II. Ukrainisch und verwendete diese Sprache ebenso zu offiziellen Anlässen. Ebenso wurde unter ihm die volle staatliche Unabhängigkeit der Ukraine und anderer betreffender Staaten ausdrücklich anerkannt. Nicht zuletzt mit der Seligsprechung ukrainischer Märtyrer wies er auf den sowjetischen Massenmord an der ukrainischen Bevölkerung hin (siehe Gedanken zur Woche 134-b – 29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)), der auch während des Zweiten Weltkrieges fortdauerte.
Die Bedeutung der Ukrainisch-Katholischen Kirche wie der anderen katholischen/Katholischen Ostkirchen unterstrich er nicht zuletzt durch die Einführung des CODEX CANONUM ECCLESIARUM ORIENTALIUM, abgekürzt CCEO. Dieser ist der eben für die Katholischen Ostkirchen, die katholischen orientalischen Kirchen eigenen Rechts der eigene Kirchenrechtskodex. In ihm wird stärker als im CIC für die Lateinische Kirche Rücksicht auf jeweiliges Eigenrecht, auf Partikularrecht genommen.
Auch das dortige kirchliche Strafrecht weist eigene Akzente auf. So gibt es im CCEO keine Tatstrafen! Der Besserung des im kirchlichen Sinne Straftaten beschuldigten Kirchenmitgliedes wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Anders gesagt steht im Vergleich zum CIC im CCEO stärker der medizinale-pastorale Aspekt im Blickpunkt. Heilung und nicht Vergeltung ist hier das große Ziel. So gibt es in diesem CCEO auch keine eigenen Sühnestrafen.
Vor allem vor dem Hintergrund der schwerwiegenden Diskussion um die Veränderung des Strafrechts gerade in der Lateinischen Kirche und eine damit verbundene weitergehende Reform und letztlich Verschärfung des Strafrechts verdient der Umstand Beachtung, dass im CCEO zwei unterschiedliche Formen der Exkommunikation vorgesehen sind. Es gibt so etwas wie eine kleinere und eine größere Exkommunikation.
So lautet Canon/Kanon 1431 des CCEO:
„§ 1. Denjenigen, die mit der kleinen Exkommunikation bestraft sind, wird der Empfang der Göttlichen Eucharistie verwehrt; darüber hinaus können sie von der Teilnahme an der Göttlichen Liturgie ausgeschlossen werden, ja sogar auch vom Betreten einer Kirche, wenn in ihr öffentlich Gottesdienst gefeiert wird.
§ 2. Im Urteil selbst bzw. im Dekret, durch das diese Strafe auferlegt wird, muß der Umfang der betreffenden Strafe festgelegt werden und gegebenenfalls die Dauer.“
Bezüglich der großen Exkommunikation gilt gemäß CCEO-Canon/Kanon 1434:
„§ 1. Die große Exkommunikation untersagt außer all dem, worüber in can. 1431 § 1 gehandelt wird, auch die anderen Sakramente zu empfangen, Sakramente und Sakramentalien zu spenden, irgendwelche Ämter, Dienste oder Aufgaben auszuüben, Akte der Leitung auszuüben, die, wenn sie dennoch ausgeübt werden, von Rechts wegen nichtig sind.
§ 2. Wer mit der großen Exkommunikation bestraft ist, ist von der Teilnahme an der Göttlichen Liturgie und an allen anderen öffentlichen Gottesdienstfeiern fernzuhalten.
§ 3. Demjenigen, der mit der großen Exkommunikation bestraft ist, ist der Gebrauch ihm vorher gewährter Privilegien untersagt; er kann nicht gültig eine Würde, ein Amt, einen Dienst oder eine andere Aufgabe in der Kirche oder eine Pension erlangen, und erwirbt die mit ihnen verbundenen Früchte nicht zu eigen; er hat auch weder aktives noch passives Stimmrecht.“
Gedanken zur Woche 238, Dr. Matthias Martin
28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Doch einigen an Religionen und kulturellen Überlieferungen interessierten Menschen ist wohl bekannt, dass es im Alten/Ersten Testament verschiedene Regelungen, mehr oder minder gesetzesartige Regelungen gibt. Die jeweils im Buch Exodus (Ex 19,25/20,1/2-17) wie im ebenfalls zum Pentateuch gehörenden Buch Deuteronomium überlieferten (Dtn 5,6/7-21) sowie dort auch sonst erwähnten (Dtn 4,13 und 10,4-5) Zehn Gebote sind bei allem gerade in den letzten Jahrzehnten vorgefallenen Überlieferungsverlust doch noch einigermaßen bekannt. In der Pfarrkirche zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau sind sie symbolisch an der Kanzel abgebildet. Immer wieder wird am dortigen Volksaltar noch eine Altardecke mit einer ganz ähnlichen Abbildung verwendet. Solches lässt sich auch in anderen Kirchen finden. In so manchem Haushalt wie an anderen Stellen oder Gebäuden findet sich ihr Text an einer Wand. Dies kann in unterschiedlicher Ausgestaltung und unter Einsatz unterschiedlicher Materialien geschehen. Ebenso können uns die Zehn Gebote etwa in Schulbüchern und anderen gebundenen Druckwerken begegnen. Überhaupt haben die Zehn Gebote vielfältig Eingang in die bildenden Künste gefunden. Dies kann zum einen mit besonderem Blick auf die Offenbarung, die Anvertrauung der Zehn Gebote an Moses oder deren Übermittlung an das Bundesvolk geschehen. Eine künstlerische Darstellung der Zehn Gebote kann aber auch deren Inhalt bzw. Inhalte im Blick haben. Auch figürliche Darstellungen mit Moses, der eine oder zwei Tafeln mit den Zehn Geboten haltend dargestellt wird, wurden geschaffen. Allein die Zehn Gebote in der Kunstgeschichte sind schon ein so umfangreiches wie anregendes Thema. Leicht kommt man da auch in den Bereich der Ästhetik und Kunstphilosophie.
In neuer Zeit wurden die Zehn Gebote dann auch im Bereich des filmischen Schaffens berücksichtigt.
Dabei finden sich, wenn es um Regelungen und Gebote geht, in den Fünf Büchern Mose nicht nur die Zehn Gebote. Vielmehr wird eine ganze Fülle an wie auch immer zu interpretierenden und anzuwendenden Regelungsstoffes, wird viel mehr Material geboten. Da geht es um Bereiche wie Arbeitnehmerrechte und den Schutz von Armen, Fremden, Witwen und Waisen. So kann man im Buch Deuteronomium, wenn man der neuen deutschen Einheitsübersetzung folgt, recht drastisch lesen:
„(Dtn 27,19) Verflucht, wer das Recht der Fremden, die Waisen sind, und das der Witwen beugt. Und das ganze Volk soll rufen: Amen“.
Dem Gottesdienst und Fragen kultischer Reinheit wird eigens Aufmerksamkeit geschenkt. Überhaupt werden Fragen des menschlichen Zusammenlebens und gerade auch der Bereich von Ehe, Familie und Sexualmoral umfassender thematisiert. Beispielsweise ist direkt im Anschluss an den soeben zitierten Vers im Buch Deuteronomium weiter zu lesen:
„(Dtn 27,20) Verflucht, wer sich mit der Frau seines Vaters hinlegt, denn er deckt das Bett seines Vaters auf. Und das ganze Volk soll rufen: Amen. (21) Verflucht, wer sich mit irgendeinem Tier hinlegt. Und das ganze Volk soll rufen: Amen. (22) Verflucht, wer sich mit seiner Schwester hinlegt, mit der Tochter seines Vaters oder mit der Tochter seiner Mutter. Und das ganze Volk soll rufen: Amen. (23) Verflucht, wer sich mit seiner Schwiegermutter hinlegt. Und das ganze Volk soll rufen: Amen. (24) Verflucht, wer einen andern heimlich erschlägt. Und das ganze Volk soll rufen: Amen. (25) Verflucht, wer sich bestechen lässt, einen unschuldigen Menschen zu töten. Und das ganze Volk soll rufen: Amen. (26) Verflucht, wer nicht die Worte dieser Weisung stützt, indem er sie hält. Und das ganze Volk soll rufen: Amen.“
Entgegen aller Versuche, das Alte/Erste Testament und das Neue/Zweite Testament auseinander zu reißen, ja sogar gegeneinander auszuspielen, mögen da rasch solche Punkte ansprechende Stellen aus dem Neuen/Zweiten Testament in den Sinn kommen.
So ist heißt es in einer die menschlichen Unzulänglichkeiten im sogenannten Urchristentum scharf ansprechenden Stelle des Ersten Korintherbriefes:
„(1 Kor 5,1) Allgemein hört man von Unzucht unter euch, und zwar von Unzucht, wie sie nicht einmal unter den Heiden vorkommt, dass nämlich einer mit der Frau seines Vaters lebt. (2) Und da macht ihr euch noch wichtig, statt traurig zu werden und den aus eurer Mitte zu stoßen, der so etwas getan hat. (3) Was mich angeht, so habe ich – leiblich zwar abwesend, geistig aber anwesend – mein Urteil über den, der sich so vergangen hat, schon jetzt gefällt, als ob ich persönlich anwesend wäre.“
Auch sonst werden wir in den neutestamentlichen Schriften offenherzig auf Probleme unter den sich zu Jesus von Nazaret bekennenden Gläubigen aufmerksam gemacht, bis hin zu einem bemerkenswerten Betrugsfall in der Urgemeinde von Jerusalem (siehe Gedanken zur Woche 82 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 85 – 32. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 151 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 234 – 24. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)). Genauso wurden ja schon in vielfältiger Weise Missstände und Fehlentwicklungen im Bundesvolk des Alten/Ersten Testamentes in den dortigen Schriften angesprochen. Da wurde auch schon mitunter heftige Kritik an „eigenen“ Priestern und Königen sowie an monarchistischen Tendenzen geäußert.
Generell wurde sowohl im Alten/Ersten Testament wie im Neuen/Zweiten Testament immer wieder Regelungsbedarf gesehen und zum Vorgehen gegen Fehlverhalten und Missstände gemahnt, anstelle zur großen Vertuschungsoffensive aufzurufen.
Gerade die matthäische Gemeinderegel mag da in den Sinn kommen (Mt 18,15-17/18; siehe Gedanken zur Woche 78-b – 25. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)).
Dass vom Alten/Ersten Testament herkommend Gesetze und Gebote im Neuen/Zweiten Testament keineswegs für ungültig, wertlos oder gar verwerflich erklärt werden, wird komprimiert in der großen matthäischen Bergpredigt angesprochen (siehe Gedanken zur Woche 27 – 24. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 61 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2021) und Gedanken zur Woche 78-b – 25. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)):
„(Mt 5,17) Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben! Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen. (18) Amen ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird kein Jota und kein Häkchen des Gesetzes vergehen, bevor nicht alles geschehen ist. (19) Wer auch nur eines von den kleinsten Geboten aufhebt und die Menschen entsprechend lehrt, der wird im Himmelreich der Kleinste sein. Wer sie aber hält und halten lehrt, der wird groß sein im Himmelreich.“
Es fügt sich in diese Linie ein, wenn Jesus im betreffenden markinischen Sonntagsevangelium auf die Frage, was man tun müsse, um das ewige Leben zu erben, mit einem Zitat eben aus den alttestamentlich-mosaischen Zehn Geboten antwortet. Dazu wird uns dies in aller leichten Ausdifferenzierung in einer synoptischen Traditio Triplex/Triplex Traditio (Mt 19,16-19; Mk 10,17-19; Lk 18,18-20) geboten.
Immer wieder werden also, beginnend mit den Fünf Büchern Mose in der biblischen Überlieferung Gebote angesprochen und wird falsches Verhalten kritisiert. Dass es gerade gegenüber den eigenen Reihen oder Gläubigen Handlungsbedarf gibt, wurde dann auch in der nachösterlichen Anhängerschaft Jesu, dem sich bildenden Christentum erkannt. Es wurde deutlich, dass bei allem hohen Anspruch, der von Jesus von Nazaret her abgeleitet wurde, es bei Christinnen und Christen immer wieder zu ernstem Versagen, ja regelrechten Verbrechen kam. Handlungsbedarf wurde erkannt und menschliche Schwächen bis hin zu schweren Verfehlungen wurden als Herausforderung ernst genommen und nicht theologisch-spirituell oder eben charismatisch weginterpretiert. Schon gar nicht wurde Vertuschung und Unterstützung kirchlicher Täterinnen und Täter in der apostolischen und dann gewissermaßen frühkirchlichen Überlieferung zur Maxime erhoben.
1. Lesung: Weish 7,7-11
2. Lesung: Hebr 4,12-13
Evangelium: Mk 10,17-30 (oder 10,17-27)
Gedanken zur Woche 238-b, Dr. Matthias Martin
28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Wie sehr es in der Kirche immer wieder so etwas wie hausgemachte Probleme gibt und da gerade Kleriker und ihr engerer Anhang eine sehr ungute Rolle spielen können, wird in der Kirchengeschichte deutlich.
Eigentlich beginnt es doch schon in der Bibel, und da bereits in den Schriften des Alten/Ersten Testaments. Denken wir nur daran, dass es der Hohepriester Aaron war, welcher das berüchtigte Goldene Kalb machte (Ex 32,1-29 und siehe Gedanken zur Woche 235 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)). Nicht zuletzt das schwere Fehlverhalten der Söhne Elis als Priester und die deutliche Verurteilung ihres ganzen Hauses mag in den Sinn kommen (1 Sam 2,12-36). Auch in den Makkabäerbüchern sind Priester bis Hohepriester fragwürdige bis üble Gestalten. Bereits im Prophetenbuch Amos richtet sich die deutliche Kritik an Teilnehmer des offiziellen religiösen Lebens im Nordreich Israel und nicht an Unterstützer etwa ausländischer polytheistischer Kulte.
Im Neuen/Zweiten Testament geht es weiter. Interne Auseinandersetzungen sind ja wiederholt Thema neutestamentlicher Schriften. Dazu braucht man nur zu denken an die dort erzählte Pöstchenjägerei der Zebedäussöhne und die Veruntreuung der Einkünfte der Kasse Jesu und der Apostel durch einen aus diesem Apostelkreis, Judas Iskariot. Dieser erlangte dann einen besonders schlechten Ruf als derjenige, welcher Jesus verriet und überlieferte. Besonders bekannt oder berüchtigt ist natürlich auch die dreifache Verleugnung Jesu durch Simon Petrus.
Geht man weiter in den Schriften des Neuen/Zweiten Testaments und so etwas wie der apostolischen und generell einer frühkirchlichen Zeit weiter, so setzt es sich mit menschlichen Unzulänglichkeiten und der Auseinandersetzung mit diesen fort. Anstatt, dass sie ein Herz und eine Seele gewesen wären, gab es unter den Christinnen und Christen immer wieder Streit und Spaltungen.
Ein bemerkenswerter Fall sind da die Schwierigkeiten, denen sich der römische Bischof oder Papst Kallistus/Kallistos/Calixtus I. ausgesetzt sah. Gegen ihn ließ sich Hippolyt zum Gegenbischof oder Gegenpapst wählen (siehe Gedanken zur Woche 72-b – 19. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 177 – 19. SONNTAG IM JAHRESKREIS – Bistum/Diözese St. Pölten: HOCHFEST von ST. HIPPOLYT (2023)).
Die heilige Theresia von Avila, auch genannt Theresia/Teresia von Avila oder die große Theresia/Teresia hatte in ihrer Zeit Unbillen und Bedrängnisse zu erdulden. Diese rührten ganz stark von den internen Gegnern ihrer Erneuerung des karmelitischen Ordenslebens her. Auch hier kam der Gegner oder Hauptgegner kirchlich gesehen wiederum nicht von außen.
Welchen Schaden Missbrauchstäter der Kirche zufügen, wird wohl längst von vielen eingesehen, die dies lange verdrängt haben. Der jüngste Papstbesuch im Belgien wurde durch dieses Krebsgeschwür des sexuellen Missbrauchs überschattet. Die Kirche in dem seinerseits von offenem Zerfall bedrohten Belgien ist umso schlimmer betroffen, da längst ans Licht kam, welche widerwärtige und weiteres Leid und Unrecht hervorbringende Rolle der einst so mächtige Erzbischof von Mechelen-Brüssel, Kardinal Godfried Danneels, auch im Bereich des innerkirchlichen sexuellen Missbrauchs spielte. Genau dieser Kardinal Danneels hatte sich gebrüstet, Mitglied einer Mafia-Organisation gewesen zu sein. Da dies gerade in Hinblick auf die Papstwahl des Jahres 2013 geschah, muss man sich daran erinnern, dass bundesdeutsche Kardinäle lautstark gegen die strenge Verpflichtung zur Wahrung des Wahlgeheimnisses sowohl bei der Wahl Benedikts XVI. im Jahre 2005 wie bei der Wahl von Franziskus im Jahre 2013 verstießen. Nun muss man keine Expertin für Kirchenrecht und kein Fachmann für Theologie sein, um zu wissen, dass nach katholischer Überlieferung die mutwillige Verletzung des Wahlgeheimnisses bei einer Papstwahl die Strafe der Exkommunikation nach sich ziehen soll. Auf jeden Fall waren derartige Handlungen als schwer verantwortungslos gerade gegenüber Kardinälen und deren engsten Mitarbeitern aus Ländern einzustufen, die von autoritären oder totalitären Regimen beherrscht wurden bzw. beherrscht werden. Der Rückzug solcher Kardinäle und ihrer engsten Mitarbeiter hinter so etwas wie die Schutzmauer des strikten Geheimnisses bei Papstwahlen wurde völlig unnötig erschwert bis völlig ad absurdum geführt.
Ganz offensichtlich hat es auch besagter Kardinal Godfried Danneels mit dem eigentlich unverrückbar streng zu wahrendem Geheimnis bei der Papstwahl nicht so genau genommen. Sein Verhalten in Hinblick auf sexuellen Missbrauch durch Kirchenmitarbeiter drängt sowieso den Eindruck auf, dass es sich bei ihm um so etwas wie den belgischen Bernard Alfrink, Karl Lehmann oder Joachim Meisner handelte.
Immerhin hat undementierten Medienberichten zufolge Papst Franziskus sogar den sehr kritischen Ansprachen des belgischen Königs, Philippe, und des in diesem Moment amtierenden Ministerpräsidenten, Alexander De Croo, applaudiert. Er bestätigte, wie beschämend die Missbrauchsfälle für die Kirche als sichtbare Gemeinschaft sind. Dabei ist natürlich nicht nur der Missbrauch an Minderjährigen ein furchtbares Problem. Das Ende 2021 in Kraft getretene neue Strafrecht des CIC anerkennt dies immerhin ansatzweise. Da ist ja nun immerhin schon einmal in Canon/Kanon 1398 Paragraph 1 Punkt 1 davon die Rede, dass eine Missbrauchsuntat begangen werde an „einem Minderjährigen oder einer Person …, deren Vernunftgebrauch habituell eingeschränkt ist oder der das Recht einen gleichen Schutz zuerkennt“ (siehe Gedanken zur Woche 236 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)).
In Canon/Kanon 1395 Paragraph 3 wird jetzt ohne Beschränkung auf Menschen bestimmten Alters oder eines bestimmten persönlichen Zustandes festgehalten:
„Mit gleicher Strafe, die im § 2 erwähnt wird, soll der Kleriker bestraft werden, der mit Gewalt oder durch Drohung oder Missbrauch seiner Autorität eine Straftat gegen das sechste Gebot des Dekalogs begangen oder jemand gezwungen hat, sexuelle Handlungen vorzunehmen oder zu ertragen.“
Tatsächlich sind etwa Bewerberinnen und Bewerber, Praktikantinnen und Praktikanten wie bereits angestellte Personen bei einem zudringlichen Chef oder wie man es auszudrücken versucht, in einer schlimmen und wirklich gefährdeten Situation. Die katholische Kirche ist nun gerade in der Bundesrepublik Deutschland ein riesiger Arbeitgeber. Hier ist auch der umsatzmäßig wie im Hinblick auf die Zahl der Arbeitsplätze so umfangreiche caritative Bereich mit all seiner staatlich verbürgten und großzügig gewährleisteten finanziellen Ausstattung im Blick zu halten.
Nicht umsonst gibt es doch über Ländergrenzen hinweg im weltlichen Recht Straftatbestände wie „Missbrauch eines Abhängigkeitsverhältnisses“ oder „Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses“. Das beschränkt sich dann eben grundsätzlich nicht auf übles Verhalten gegenüber Minderjährigen. Es stellt ein ganz allgemein schlimmes menschliches Problem dar. Eingeräumt wird dies zumindest ansatzweise in dem erwähnten Paragraph 2 von CIC-Canon/Kanon 1395:
„Ein Kleriker, der sich auf andere Weise gegen das sechste Gebot des Dekalogs verfehlt hat, soll, wenn die Straftat öffentlich begangen wurde, mit gerechten Strafen belegt werden, wenn erforderlich, die Entlassung aus dem Klerikerstand nicht ausgeschlossen.“
Immerhin wird in Canon 1398 Paragraph 2 auch die Verhängung von Strafen gegen Mitglieder von Instituten des geweihten Lebens, Mitglieder von Gesellschaften des apostolischen Lebens sowie die anderen Gläubigen vorgesehen, welche in der Kirche eine Würde bekleiden, ein Amt oder eine Funktion ausüben, vorgesehen (siehe Gedanken zur Woche 236 – 26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)). Ganz praktisch-empirisch ist hier die gesamte Kirche herausgefordert, als sakramentale Gemeinschaft wie auch als Struktur verschiedenartiger Beschäftigungsverhältnisse, vielfältiger Bereiche von ehrenamtlichen und bezahlten Tätigkeiten. Dazu passt dann auch die Bezeichnung der katholischen Kirche in Canon/Kanon 113 Paragraph 1 des gegenwärtigen CIC als „einer moralischen Person“.
Gedanken zur Woche 237, Dr. Matthias Martin
27. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Es passt gut zusammen, wenn in einer häufig verwendeten Leseordnung eine Stelle aus dem neutestamentlichen Evangelium nach Markus, in der es um die Frage der Ehescheidung geht, und als Erste Lesung Verse aus dem Buch Genesis für denselben Sonntag im Jahreskreis vorgesehen sind. Es ist völlig offenkundig, dass bei Angelegenheiten wie Unauflöslichkeit der Ehe, mögliche Ehehindernisse, Ehescheidung und Eheannullierung die Meinungen auch unter mehr oder weniger christlichen Konfessionen und einzelnen Gemeinden deutlich auseinandergehen. Dabei beruft man sich sehr oft auf die Bibel und mitunter bei ganz unterschiedlichen Auslegungen auf dieselbe Bibelstelle.
Für die (römisch-)katholische Kirche ist dieses Themenfeld umso schwerwiegender, da nach katholischer wie nicht zuletzt auch nach Lehre altorientalischer und orthodoxer Kirchen(-gemeinschaften) die Ehe ein Sakrament darstellt. Umso ernsthafter sind betreffende Diskussionen zu führen, Überlegungen zu entwickeln und Standpunkte zu begründen. Man befindet sich auf einer ganz anderen Ebene, als auf der Ebene von so etwas wie Tagespolitik oder alltäglicher Kirchenpolitik. Die Angelegenheit ist grundsätzlicherer, inhaltlich tiefgehenderer Natur, als wenn es einfach um Angelegenheiten des bloßen Kirchenrechts geht, also lediglich das ius mere ecclesiasticum betroffen ist (siehe Gedanken zur Woche 63 – 10. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)).
Dabei wird eben schon im Buch Genesis als erstem Buch der Bibel deutlich, dass es in Ehe und Familienleben offensichtlich starke Entwicklungen gegeben hat und Spannungen auftreten können. Abraham bzw. Abram etwa wurde auf Initiative seiner Ehefrau Sara bzw. Sarai die Magd Hagar zur Zeugung von Nachwuchs beigegeben (Gen 16,1-14). Aus diesem Verhältnis ging dem Buch Genesis zufolge Ismael hervor (Gen 16,15-16). Ganz eigenwillig benahmen sich die Töchter des Lot, um zu Nachwuchs zu kommen (Gen 19,30-38). Beachtung verdient auch, was zu Beginn des 25. Kapitels des Buches Genesis zu lesen ist, auch wenn diese Verse wohl wenig bekannt sind. Folgt man der neuen deutschen Einheitsübersetzung, so lässt sich nämlich dort lesen:
„(Gen 25,1) Abraham nahm sich noch eine andere Frau, namens Ketura. (2) Sie gebar ihm Simran, Jokschan, Medan, Midian, Jischbak und Schuach.“
Es geht hierbei noch bemerkenswert weiter:
„(Gen 25,3) Jokschan zeugte Saba und Dedan. Die Söhne Dedans waren die Aschuriter, die Letuschiter und die Lёummiter. (4) Die Söhne Midians waren Efa, Efer, Henoch, Abida und Eldaga. Sie alle waren Söhne Keturas. (6) Abraham gab Isaak alles, was ihm gehörte. (6) Den Söhnen der Nebenfrauen, die Abraham hatte, gab Abraham Geschenke und schickte sie noch zu seinen Lebzeiten weit weg von seinem Sohn Isaak nach Osten, ins Morgenland.“
Auch sonst werden in Zusammenhang mit Abraham im Buche Genesis auf die Einrichtung oder die Existenz einer Nebenfrau hingewiesen (Gen 11, 27-29 und 22,24).
Der Stammvater Jakob heiratete nach der Erzählung des Buches Genesis die beiden Schwestern Lea und Rahel, mit denen er selber verwandt war (Gen 29,1-30). Derartige Verhaltensweisen und sozialen Gegebenheiten sind heutzutage doch recht ungewöhnlich bei sich als christlich verstehenden Denominationen, welche das Buch Genesis als Teil der Bibel anerkennen. Die Interpretation und Anwendung solchen Überlieferungsgutes stellt umso mehr eine Herausforderung und einen immer wieder auftretenden Anlass für Konflikte dar.
Dabei stellt sich auch insbesondere für eine jüdische wie eine christliche Glaubensgemeinschaft die Frage, wie denn eine Stelle über David im Zweiten Buch Samuel zu verstehen und einzuordnen ist:
„(2 Sam 3,2) In Hebron wurden David folgende Söhne geboren: Sein Erstgeborener Amnon stammte von Abinoam aus Jesreel, (3) sein zweiter, Kilab, von Abigajil, der Frau Nabals aus Karmel; der dritte war Abschalom, der Sohn der Maacha, der Tochter des Königs Talmai von Geschur, (4) der vierte Adonija, der Sohn der Haggit, der fünfte Schefatja, der Sohn der Abital, (5) der sechste Jitream von Davids Frau Egla. Diese Söhne wurden David in Hebron geboren.“
Dazu heißt es etwas später im selben Zweiten Buch Samuel:
„(2 Sam 5,13) Als David von Hebron gekommen war, nahm er sich noch Nebenfrauen, auch Frauen aus Jerusalem. So wurden ihm noch mehr Söhne und Töchter geboren. (14) Das sind die Namen der Söhne, die ihm in Jerusalem geboren wurden: Schima, Schobab, Natan, Salomo, (15) Jibhar, Elischua, Nefeg, Jafia, (16) Elischama, Eljada und Elifelet.“
In der Regel sind solche Bibelstellen in den breiteren Bevölkerungskreisen und auch vielen praktizierenden Mitgliedern christliche Konfessionen ziemlich bis völlig unbekannt. Etwas bekannt ist vielleicht noch die eigens im Zweiten Buch Samuel überlieferte Geschichte mit David und der Frau des Urija Batseba. Diese Geschichte, in welcher Urija das Opfer des heimtückisch agierenden David wird, stellt diesen in ein betont schlechtes Licht (2 Sam 11,1/2-27 und im Anschluss daran 12,1-15). Auch sonst kommen immer wieder prominente Gestalten des Alten/Ersten Testaments eben gar nicht so gut weg.
Das Alte/Erste und dann auch das Neue/Zweite Testament präsentieren solche Personen immer wieder recht kritisch. Dies sollte durchaus zum kritischen Nachdenken über in unserer Zeit wirkende Religionsvertreter anregen. Eine kritiklose Verherrlichung von kirchlichen Oberen kann zu schweren Fehlentwicklungen führen und zu üblem Tun ermutigen. Menschen meinen dann eben, wenn schlechtes bis schwerkriminelles Verhalten solcher Personen unter den Teppich gekehrt und Opfer möglichst mundtot gemacht werden, so sei dies eine gute Leistung. Vom Gegenteil muss vielmehr ausgegangen werden!
Nicht umsonst trat im Dezember 2021 ja die von Papst Franziskus verfügte Reform des Kirchenrechts in Kraft. In der dabei veröffentlichten Apostolischen Konstitution „Pascite Gregem Dei“ vom 23. Mai 2021 ( https://www.vatican.va/content/francesco/de/apost_constitutions/documents/papa-francesco_costituzione-ap_20210523_pascite-gregem-dei.html ) betont der Papst, dass die Hirten der Kirche das Strafrecht auch anwenden müssten. Ganz offensichtlich mit Blick auf kirchliche Mitarbeiter, und da gerade solche mit einer Weihe räumt der Papst ein, dass in der Vergangenheit deutliche Fehlentwicklungen stattfanden. Die Beachtung und Respektierung der kirchlichen Strafdisziplin sei insbesondere die Aufgabe der offiziellen Hirten und der Oberen der einzelnen innerkirchlichen Gemeinschaften. Papst Franziskus geht noch weiter und mahnt, dass dies darüber hinaus überhaupt die Aufgabe des ganzen Volkes Gottes, also aller Kirchenmitglieder, sei. Es geht hier wohlgemerkt um die Bekämpfung und Ahndung des Fehlverhaltens von Kirchenangehörigen, und zwar gerade solchen mit einer sakramentalen Weihe. Es wird hier also wohlgemerkt nicht mit dem Finger auf Außenstehende gezeigt. Eine betreffende Selbstrechtfertigung kirchlicher Mitarbeiter wäre ein eigener schwerer Missbrauch dieser Apostolischen Konstitution und anderer päpstlicher Stellungnahmen. In Hinblick auf innerkirchliches Fehlverhalten und da gerade auf schwere Verfehlungen von Amtsträgern in den Bereichen des sexuellen Missbrauchs, wie wirtschaftlich-finanzieller Vergehen sind dann eben die Worte von Papst Franziskus aus „Pascite Gregem Dei“ zu versehen:
„Es ist tatsächlich die Liebe, die es erforderlich macht, dass die Hirten das Strafsystem immer dann anwenden, wenn es erforderlich ist, und dabei die drei Ziele beachten, die es notwendig machen, nämlich die Wiederherstellung der Erfordernisse der Gerechtigkeit, die Besserung des Straftäters und die Beseitigung von Ärgernissen.“
Wie richtig es sein kann, auch und gerade Höhergestellte zurechtzuweisen, verdeutlicht, was an wenig Schmeichelhaftem schon das Alte/Erste Testament auch über König Salomo überliefert (1 Kön 11,1-13) (siehe Gedanken zur Woche 20 – 17. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020) und Gedanken zur Woche 68 – 15. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)).
1. Lesung: Gen 2,18-24
2. Lesung: Hebr 2,9-11
Evangelium: Mk 10,2-16 (oder 10,2-12)
Gedanken zur Woche 237-b, Dr. Matthias Martin
27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Wenn im jetzt zumeist verwendeten liturgischen Kalender an den zwei aufeinanderfolgenden Tagen der Woche zunächst des heiligen Dionysius mit seinen Gefährten und dann Papst Johannes XXIII. gedacht wird, so hat dies seine eigene, wohl sehr oft übersehene, aber umso bemerkenswertere Bewandtnis.
Es war schließlich mit dem heutigen Paris die allgemein bekannte französische Hauptstadt, in welcher der Dionysius zusammen mit seinen beiden Gefährten Rusticus und Eleutherius das Martyrium erlitt. Dass der Ort dieses Martyriums mit dem damaligen Lutetia oder Lutetia Parisiorum oder auch Lucotetia eine Stadt im Römischen Reich war, verwundert nicht. Ergaben sich im römischen Machtbereich doch bekanntlich immer wieder Verfolgungen und einzelne Ausschreitungen gegen Christinnen und Christen.
Mit dem Zerfall volkskirchlicher Strukturen und der damit verbundenen kulturellen Überlieferungen in den zurückliegenden Jahrzehnten sind wohl auch der heilige Dionysius und seine Gefährten im Martyrium eher aus dem Blickfeld geraten. Dabei zählt der heilige Dionysius zu den Vierzehn Nothelfern. In der bildenden Kunst gewann er einen festen Platz sowohl im Rahmen von Gesamtdarstellungen eben der Vierzehn Nothelfer wie als einzelner Heiliger. Gefördert wurde diese Berücksichtigung des heiligen Dionysius in Werken der Kunst durch die Legende, dieser sei nach seiner Enthauptung, seinen eigenen Kopf tragend, noch einige Kilometer weit gelaufen. Der Legende zufolge soll er auf diesem außergewöhnlichen Weg sogar noch gepredigt haben. Auf jeden Fall wird dieses berühmte Opfer römischer Christenverfolgung in der späteren französischen Hauptstadt sowohl auf Gemälden als auch bei figürlichen Darstellungen gerne seinen eigenen Kopf haltend dargestellt.
Der Ort des Martyriums der heiligen Dionysius, Rusticus und Eleutherius wurde dann überhaupt als Zentrum des sich entwickelnden französischen Staates zum besonderen Ausgangspunkt für vielfältige Bedrängnisse und auch direkte Verfolgungen der Kirche. Gab es schon vorher Spannungen bis hin zur Exkommunikation eines jeweils amtierenden französischen Königs, so eskalierte die Situation unter Philipp dem Schönen, Philipp IV. von Frankreich. Die unter ihm durchgeführte Vernichtungskampagne gegen den so wohlhabenden Templerorden ging unter der verharmlosenden Bezeichnung „Templerprozess“ als erster großangelegter und einigermaßen dokumentierter Schauprozess in die Geschichte ein. Entgegen aller Gerüchte und wuchernden Entschuldigungen für das französische Königtum und generell die französische Staatsmacht ist klar erwiesen und wurde auch durch französische Geschichtsschreibung bestätigt, dass den gefolterten Templern ihre Aussagen, ihre angeblichen „Geständnisse“, bis in den Wortlaut hinein in den Mund gelegt wurden. Die angeblichen „Geständnisse“, etwa welcher Dämon, unter welchem Namen von Templern angebetet worden sei, und welche angeblichen sexuellen Perversitäten von örtlichen Templern begangen worden seien, richtete sich nämlich in den Einzelheiten bis in namensmäßige Bezeichnungen hinein nicht nach dem Konvent oder der regionalen Gliederung, in welcher dann gefangene Templer gewirkt hatten. Vielmehr richteten sich die Aussagen wörtlich nach den Richtern und anderen (französischen) Staatsvertretern, welche die mitunter aus verschiedenen Niederlassungen des Templerordens kommenden Opfer des französischen Königtums „verhörten“. Hinzu kommt, dass bis hin zum letzten Großmeister des Templerordens, Jacques des Molay, und dem gerade auch bei bekennenden Katholiken so umstrittenen Papst Clemens/Klemens V. (Pontifikat 1305 bis 1314) kirchliche Obere inhaftierte Templer angewiesen hatten, gefällige Geständnisse abzulegen. Der für seine einseitigen Gefälligkeiten gegenüber französischen Interessen wie bis dahin noch nicht dagewesenen Nepotismus so umstrittene Clemens/Klemens V. wurde von Dante im Rahmen in seiner „Göttlichen Komödie“ (siehe allgemein Gedanken zur Woche 48-b – 5. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)) ausdrücklich in die Hölle geschickt. Mit ihm begann der als „babylonische Gefangenschaft der Kirche“ bezeichnete Aufenthalt der Päpste im noch bis Ende des 18. Jahrhunderts offiziell gar nicht zu Frankreich gehörenden Avignon. Bezeichnenderweise hatte der den Templerorden zumindest in seinem eigenen Machtbereich vernichtende Philipp IV. auch die Juden verfolgt und gerade jüdische Kaufleute ausgeplündert. Weitere Opfer seiner Politik mit Ausweisungen und Enteignung waren die lombardischen Kaufleute. Allein dies belegt schon mehr als zur Genüge, dass es bei der Vernichtungskampagne gegen die Templer in keinster Weise um die Bekämpfung irgendwelcher Missstände bei den Templern gegangen wäre. Genauso ging es bei der Ausplünderung der jüdischen Kaufleute nicht um vielleicht missverstandene oder wie immer zu sehende religiöse Inhalte. Vielmehr ging es dem französischen König und seinen Handlangern immer um Raub und Machtausdehnung.
Dieser zutage tretende Missbrauch von Kirche samt zeitweiliger Kirchenspaltung verdeutlicht, wie belastend sich über Jahrhunderte hinweg und schon lange vor der Französischen Revolution die französische Staatsmacht auf Kosten der katholischen Kirche auswirkte.
Der Missbrauch des Konfliktes zwischen der katholischen Kirche und dem Katharertum samt örtlicher Spannungen in Okzitanien für einen brutalen französischen Kolonialkrieg hatte bereits unzählige Menschen ins Unglück gestürzt. Zugleich wurde damit die Basis für weitere französische Übergriffe nicht zuletzt auch gegen das Papsttum im Rom geschaffen (siehe Gedanken zur Woche 135 – 30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Die eigentlich kaum als Theologie bezeichenbare Ideologie des Gallikanismus entwickelte sich zu einem regelrechten Krebsgeschwür im kirchlichen Leben und den internationalen Beziehungen. Man möge sich erinnern, dass das von 1512 bis 1517 tagende Fünfte Laterankonzil eigens einberufen wurde, um sich mit französischer Machtpolitik und Ideologie kritisch auseinanderzusetzen (siehe Gedanken zur Woche 223-b – 13. WOCHE IM JAHRESRKEIS (2024)). Auch das Konzil von Trient (1545-1563) widersetzte sich französisch-gallikanischen Ansprüchen (siehe Gedanken zur Woche 95 – 2. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Die französische Gewaltpolitik gegen die Einberufung, Durchführung und anschließende Umsetzung des Konzils von Trient ist ein eigenes Kapitel politischer und kirchlich-religiöser Geschichte. Auch sonst dauerten die Spannungen bis offene Konflikte zwischen Kirche und französischen Staat an. Einen Höhepunkt und die konsequente Fortsetzung französischer Machtpolitik mit ihren Kirchenenteignungen, Deportationen, umfassenden Verboten und Massenhinrichtungen stellte dann die Französische Revolution dar. Die französische Kolonialpolitik bildete ein weiteres Konfliktfeld (siehe Gedanken zur Woche 230-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Das hat dann offensichtlich auch Papst Johannes XXIII. (Pontifikat von 1958 bis 1963) so gesehen. Schon als päpstlicher Diplomat setzte er sich für die Verwendung nichtfranzösischer Sprachen im kirchlichen Leben wie auf dem Feld der Diplomatie ein. Auch trat er mutig für Menschen ein, welche den französischen Machthabern im Wege standen, wie dann als Papst, auch für die Pflege und Verteidigung von nichtfranzösischen Sprachen im jeweiligen französischen Machtbereich (siehe Gedanken zur Woche 185-b - 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Nicht zuletzt ergriff er während seiner Zeit als päpstlicher Nuntius in Paris Partei für deutsche Kriegsgefangene.
Während seines Pontifikates als Papst übte die katholische Hierarchie eigens offen Kritik an der brutalen französischen Kriegsführung in Algerien (siehe ebd.).
Bis heute hat das Papsttum nicht zuletzt den Weg von durch Frankreich unterworfener Gebiete in eine möglichst kompakte Unabhängigkeit unterstützt. Seinerseits profitierte ja auch der Heilige/Apostolische Stuhl von solchen Vorgängen (siehe Gedanken zur Woche 95-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 109 – 2. OSTERWOCHE (2022) und Gedanken zur Woche 174-b - 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
In einem solchen Sinne unterstreicht auch Papst Franziskus die Unabhängigkeit des Heiligen/Apostolischen Stuhles. Seine jüngste Reise in die Republiken von Singapur, Indonesien, Papua-Neuguinea und Ost-Timor/Timor-Leste steht dafür. Auch seine Personalpolitik bei Kardinalsernennungen weist in diese Richtung, egal ob man nun im Besonderen in Richtung der Republik Kap Verde/der Kap Verden, des Königreiches Tonga, der Mongolei, der Republik Südkorea und nicht zuletzt in Richtung der Republik Singapur und der Republik Ost-Timor/Timor-Leste blickt (siehe auch Gedanken zur Woche 115-b – PFINGSTMONTAG und 10. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Nicht zuletzt die in bewusster Abgrenzung gegen die früheren traditionellen Besatzungsmächte des Nahen Ostens, Frankreich und Großbritannien, verwirklichten vollen diplomatischen Beziehungen des Heiligen/Apostolischen Stuhles mit dem Staat Palästina weisen in diese Richtung.
So etwas findet dann auch in der christlichen Ökumene Anklang. So kamen in diesem Jahre 2024 die Texte für den ÖKUMENISCHEN WELTGEBETSTAG (DER FRAUEN) ausdrücklich aus Palästina. 2023 kamen sie aus der Republik Taiwan (siehe Gedanken zur Woche 155-b – 3. FASTENWOCHE (2023)). Schon 2021 kamen diese Texte aus der Republik Vanuatu, welche einst unter dem Namen Neue Hebriden von Frankreich und Großbritannien gemeinsam beherrscht und ausgebeutet wurde.
Gedanken zur Woche 236, Dr. Matthias Martin
26. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Dass gerade Mitglieder der Kirche und hier ganz besonders Amtsträger sich nicht überheben sollen, nicht zu selbstsicher sein sollen, wird deutlich, wenn man der Bibel beginnend mit dem Buch Genesis als erstem Buch des Alten/Ersten Testaments bis hin zum Buch der (geheimen) Offenbarung (des Johannes)/der Apokalypse am Ende des Neuen/Zweiten Testaments folgt. Religiöse Vertreter des auserwählten Volkes und dann der sich auf Jesus von Nazaret beziehenden Glaubensbewegung werden hier keineswegs als die Aneinanderreihung makelloser Lichtgestalten präsentiert. Dass es im israelitischen/hebräischen Bundesvolk Spannungen bis hin zu handfesten Konflikten gab, wird etwa im Buch Numeri, also einem der Fünf Bücher Mose, des Pentateuch, recht deutlich angesprochen. Manche und mancher, der sich einmal die Mühe machen möge, dieses Werk durchzulesen, könnte irritiert bis schockiert sein. Die Bibel ist eben keine Sammlung netter Geschichtchen oder ein harmloses Vorlesebuch für Kleinkinder. Das wird eben schon in den Fünf Büchern Mose überdeutlich. Etwas umgangssprachlich könnte man sagen, dass sich da einiges auch an „Sex and Crime“ findet.
Dabei setzt sich dieses Vorhandensein von so etwas wie sperrigen bis anstößigen Texten durch das Alte/Erste Testament und dann eben im Neuen/Zweiten Testament mit den dortigen so unterschiedlichen Einzelbüchern oder Schriften hindurch fort. So gehört sicher der neutestamentliche Jakobusbrief zu den Schriften der Bibel, welche schon so manchen in seinem Streben nach einem angepasst netten, einem irgendwie beschaulichen Christentum in Harmonie gerade mit weltlichen Machthabern gestört haben. Umso lesenswerter ist eben gerade eine Schrift wie dieser so „anstößige“ oder „freche“ Jakobusbrief. Dieser ist sicher nicht zuletzt ein bemerkenswertes Mittel gegen so etwas wie ekklesiale Arroganz und falsche Selbstsicherheit. Gerade dort wird in einer unverblümten und handfesten Sprache so etwas wie innerkirchliches Fehlverhalten thematisiert. Man könnte auch sagen, dass gerade der Jakobusbrief eine biblische Schrift gegen das Vertuschen und Abstreiten von innerkirchlichen Missständen und falschen Verhaltensweisen ist.
Dass auch Jüngerinnen und Jünger ständig in der Versuchung sind, spricht auch nach der derzeit gerade im deutschen Sprachraum üblichen Leseordnung das Evangelium nach Markus für diesen Sonntag im Jahreskreis an. Dort stößt man dann wiederum auf Aussagen, die irritieren bis schockieren oder vielleicht empören können. Bemerkenswert ist dabei eigens, dass es eine Parallelstelle dazu im Matthäusevangelium gibt (Mt 18,6-9). Eigens in der angeblich ach so netten und Harmonie fördernden mattheischen Bergpredigt sind dazu schon so heftige Worte zu lesen, wenn man eben der deutschen Einheitsübersetzung folgt:
„(Mt 5,29) Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird. (30) Und wenn dich deine rechte Hand zum Bösen verführt, dann hau sie ab und wirf sie weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle kommt.“
Zu bedenken ist hier, dass Jesus von Nazaret der Anordnung des Matthäusevangeliums zufolge sich an seine Jünger und so etwas wie ein weiteres Sympathisanten- oder Interessentenumfeld wandte, also nicht typischen Außenstehenden die Meinung sagte. So heißt es in der mattheischen Einleitung zur Bergpredigt:
„(Mt 5,1) Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf den Berg. Er setzte sich und seine Jünger traten zu ihm. (2) Und er öffnete seinen Mund, er lehrte sie und sprach“.
Im angesprochenen Sonntagevangelium nach Markus wie in der im 18. Kapitel des Matthäusevangeliums zu findenden Parallelstelle ist die heftige Mahnung an den innersten Kreis der Jünger, also wohl nicht zuletzt, wenn nicht überhaupt an die Apostel gerichtet. Also auch hier werden nicht erst einmal Außenstehende abgemahnt bis ausgeschimpft.
Das Ankämpfen gegen Fehlverhalten und die Abwehr von Versuchungen ist also gerade eine innerkirchliche Herausforderung. Für kirchliche Amtsträger ist es im ganz besonderen Maße eine Angelegenheit in eigener Sache. Das dürfte ein Blick in die Bibel aus Altem/Erstem und Neuem/Zweiten Testament wie in frühchristliche außerbiblische Schriften rasch verdeutlichen. Dessen hätte man besser in der Kirche stets bewusst bleiben sollen, anstelle es gerade seit den Tagen des Zweiten Vatikanischen Konzils zu verdrängen oder gar im Sinne einer ideologischen Selbsterhöhung zu verdrehen.
Immerhin ist es mit offizieller Wirkung vom Dezember 2021 zu einer gewissen Erneuerung des kirchlichen Strafrechts gekommen. Diese Reform oder vielleicht doch nur dieses Reförmchen soll das Vorgehen gegen innerkirchliches Fehlverhalten bis hin zu schwerkriminellen Handlungen erleichtern. Kirchliches Strafrecht soll in einem solchen richtig verstandenen Sinne wieder einigermaßen effizient anwendbar sein. Tatsächlich wurde aber alsbald der Vorwurf erhoben, dass die Änderung des kirchlichen Strafrechts nicht energisch und tiefgreifend genug sei. Gerade bei sexuellem Missbrauch an Minderjährigen und ihnen in einem tragischen Sinne vergleichbaren Menschen hätten sich viele in Analogie zum konsequenten Ausschluss in weltlichen Rechtsordnungen wie etwa Parteiausschlüssen härtere und irgendwie klarere Regelungen gegen Missbrauchstäter gewünscht. Zwar lassen sich einmal gespendete Sakramente wie Taufe, Firmung und Weihe nicht zurücknehmen, sollten sie einmal gültig gespendet bzw. empfangen worden sein. Nach katholischer Lehre verleihen sie eben einen charakter indelebilis/Charakter Indelebilis (siehe Gedanken zur Woche 104 – 3. FASTENSONNTAG (2022); Gedanken zur Woche 111 - 4. SONNTAG DER OSTERZEIT (2022) und Gedanken zur Woche 216 – 7. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024)). Aber die Verhängung der Exkommunikation bei gewissen Untaten wäre doch möglich. Es würde wohl auf große Zustimmung stoßen, etwa sexuellen Missbrauch mit der Exkommunikation als Tatstrafe zu ahnden.
Tatsächlich wird die Exkommunikation im gegenwärtigen CIC weder als Spruchstrafe noch als Tatstrafe, weder als eine Strafe, die auf dem Verwaltungsweg noch als Strafe, die auf dem Gerichtsweg verhängbar wäre, in Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch erwähnt. Bei sexuellem Missbrauch an Minderjährigen geschweige denn bei sexuellem Missbrauch im Allgemeinen ist die Verhängung einer Exkommunikation als solche derzeit weder (ausdrücklich) vorgesehen noch angeordnet. So lautet etwa Canon/Kanon 1398 in seiner gegenwärtigen Form lediglich:
„§ 1. Mit dem Amtsentzug und anderen gerechten Strafen, wenn es die Schwere des Falles nahelegt, die Entlassung aus dem Klerikerstand nicht ausgeschlossen, soll ein Kleriker bestraft werden:
1° der eine Straftat gegen das sechste Gebot des Dekalogs mit einem Minderjährigen oder einer Person begeht, deren Vernunftgebrauch habituell eingeschränkt ist oder der das Recht einen gleichen Schutz zuerkennt;
2° der einen Minderjährigen oder eine Person, deren Vernunftgebrauch habituell eingeschränkt ist oder der das Recht einen gleichen Schutz zuerkennt, dazu hinführt oder verleitet, sich pornografisch zu zeigen oder an echten oder simulierten pornografischen Darstellungen teilzunehmen;
3° der für sich gegen die guten Sitten in jedweder Form und mit jedwedem Mittel pornografische Bilder von Minderjährigen oder Personen, deren Vernunftgebrauch habituell eingeschränkt ist, erwirbt, aufbewahrt, zeigt oder verbreitet.“
Immerhin wird in Paragraph 2 dieses CIC-Canons/Kanons festgelegt, dass grundsätzlich alle kirchlichen Mitarbeiter einschließlich Mitglieder von Instituten des geweihten/Geweihten Lebens und von Gesellschaften des apostolischen/Apostolischen Lebens belangt werden können:
„Wenn ein Mitglied eines Instituts des Geweihten Lebens oder einer Gesellschaft des Apostolischen Lebens oder sonst ein Gläubiger, der in der Kirche eine Würde bekleidet oder ein Amt oder eine Funktion ausübt, eine der Straftaten des § 1 oder des can. 1395, § 3 begeht, soll er nach Maßgabe des can. 1336, §§ 2-4 bestraft werden; wobei je nach Schwere der Straftat andere Strafen hinzugefügt werden können.“
In den besagten Paragraphen von Canon/Kanon 1336 ist nirgends die Exkommunikation als mögliche Strafe erwähnt (siehe Gedanken zur Woche 234-b – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). Auch in Canon/Kanon 1395 Paragraph 3 wird die Exkommunikation als solche nicht erwähnt.
Es bleibt abzuwarten, ob etwa auf öffentlichen Druck hin in Zukunft irgendwann als „andere Strafen“ auch Exkommunikationen bei sexuellem Missbrauch zumindest in Fällen von Minderjährigen und ihnen kirchenrechtlich gleichgestellten Personen als Opfern ausgesprochen werden oder eben nicht.
1. Lesung: Num 11,25-29
2. Lesung: Jak 5,1-6
Evangelium: Mk 9,38-43.45.47-48
Gedanken zur Woche 236-b, Dr. Matthias Martin
26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Gerade vor dem Hintergrund aktueller und oftmals empörender bis erschütternder Ereignisse besitzt der liturgische Kalender für eine Woche im Jahreskreis seine eigene Aussagekraft. Er mag im Kleinen wie im Großen Denkanstöße und Handlungsanregungen vermitteln.
Erst jüngst bestätigte ja Papst Franziskus, dass es gut ist, dass Fälle sexuellen Missbrauchs durch Kirchenvertreter bekannt werden. Wurde nun erst der sogenannte französische Armenpriester Abbe Pierre oder wie immer man ihn nennen will im Rahmen betreffender Enthüllungen vom Sockel gestürzt, so geschah derartiges in den letzten Jahren wiederholt in verschiedenen Teilen der Weltkirche. Solche Enthüllungen erstreckten sich von einfachen Lehrkräften, Kaplänen und Pfarrern bis hin zu Kardinälen und (einstigen) Vorsitzenden von Bischofskonferenzen. Auch Gründer von Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften bekamen da in nicht wenigen Fällen die Maske vom Gesicht gerissen, sei es zu Lebzeiten oder sei es posthum. Im Rahmen dieser Artikelreihe wurde derartiges wiederholt offen und einigermaßen ungeschminkt angesprochen (siehe z. B. Gedanken zur Woche 64-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 189 – 31. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023); Gedanken zur Woche 194-b – 2. ADVENTWOCHE (2023); Gedanken zur Woche 199-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024) und Gedanken zur Woche 232-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Vor dem Hintergrund von Fehlentwicklungen in den letzten Jahrzehnten ist es umso wichtiger, sich immer wieder zu verdeutlichen, dass es sich bei der Missbrauchsproblematik um eine äußerst schwerwiegende Angelegenheit handelt. Unbestritten ist, dass es sich hierbei um ein im sehr schlimmen Sinne so breites wie tiefes Feld handelt. Es betrifft in westlichen Gesellschaften so unterschiedliche Bereiche wie das Bildungswesen, Sportvereine, die Kultur- einschließlich die Filmszene und eben leider auch religiöse Gemeinschaften. Das britische Königshaus wurde ebenso erschüttert, wie die Spitzengarnitur der französischen Politik. In Ungarn musste sogar die Staatspräsidentin zurücktreten. In Nordirland kam der führende probritische Politiker der Region samt Ehefrau erst einmal in Untersuchungshaft, und es wurde Anklage erhoben. Das Innere und die Spitze des belgischen Staates hatte es schon vor Jahren erwischt. Als Stichwort sei hier nur der Dutroux-Skandal genannt. Bereits in den achtziger Jahren machten berühmte US-Fernsehprediger in Zusammenhang mit Sexskandalen unrühmlich von sich reden.
In deutschen oder deutschsprachigen Medien Mitteluropas wurde inzwischen eigens der Begriff „Sexlehrerinnen“ für betreffende Lehrkräfte in den USA verwendet. Schon vor Jahren warfen US-Medien vor dem Hintergrund allmählich ans Licht kommender Missbrauchsfälle offen und ehrlich die Frage auf, was denn falsch sei mit Schulen in den USA.
Nimmt man die deutsche Schreibweise für die Bezeichnungen oder Eigennamen konfessioneller Gemeinschaften, so sind auf internationaler Ebene konfessionelle Gemeinschaften buchstäblich von A bis Z dem Anfangsbuchstaben ihres üblicherweise verwendeten Namens nach betroffen. Unabhängig, welche Sakramentenlehre und Rechtfertigungslehre etwa eine sich als „christlich“ bezeichnende Gemeinschaft vertritt, so waren häufig Meldungen über sexuellen Missbrauch zu vernehmen. Dabei wurde klar, dass sexueller Missbrauch offensichtlich unabhängig von Einzelheiten bei so etwas wie Kirchenverfassung und einem anerkannten biblischen Kanon in konfessionellen Gruppierungen vorfiel.
Ganz offensichtlich wurden und werden wohl leider gerne Strukturen aller Art in menschlichen Gesellschaften, nicht zuletzt politische und religiöse Überlieferungen und vermeintliche oder tatsächliche Ideale immer wieder in Richtung sexuellen Missbrauchs wie wirtschaftlich-finanzieller Selbstbereicherung missbraucht.
Innerhalb der katholischen Kirchen hat es bei Enthüllungen sowohl (Spitzen-)Vertreter des „konservativen“ wie des „progressiven“ Lagers erwischt. Dies betraf eben nicht zuletzt Gründer von ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften, die seit den Tagen des Zweiten Vatikanischen Konzils als Hoffnungsträger galten. Eigene Beachtung und noch intensivere Nachforschung verdient die Frage nach einem bewussten Zusammenspiel religiöser und politischer Vertreter samt Persönlichkeiten des Kultur- und Bildungsbereichs wie anderer gesellschaftlicher Bereiche bei der ja regelrechten Missbrauchsunkultur mit so etwas wie eigenen Cliquen und Seilschaften. Wer kennt nicht Sprüche wie „Eine Hand wäscht die andere“, lateinisch „Manus manum lavat“, und „Ich gebe, damit du gibst“, lateinisch „Do ut des“. Auch eine Redensart wie „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“ mag da rasch in den Sinn kommen. Das betrifft dann eben nicht zuletzt die Gebiete des deutschsprachigen Mitteleuropas.
Man muss sich dabei nicht eingehender mit Theologie beschäftig haben, um rasch zu erkennen, wie verheerend sich betreffendes Fehlverhalten von Kirchenvertretern auswirken muss. Eigens eine eher soziologische bis politikwissenschaftliche Betrachtungsweise kann hier sehr nützlich sein. Nicht umsonst wird in unterschiedlichen politischen Systemen und kulturell-politischen Überlieferungen Wert auf einen ausformulierten Verhaltenskodex und ein ernstzunehmendes Dienstrecht für den eigenen Kaderbereich gelegt. Offensichtlich hat die konziliare bis nachkonziliare Aufbruchsstimmung in der katholischen Kirche nicht wenigen und vor allem Entscheidungsträgern die Sinne vernebelt. Generell dürfte so etwas eine gesellschaftlich-politische Vernetzung langandauerndem sexuellem Missbrauch Vorschub geleistet und Straflosigkeit gefördert haben.
Dabei zeigt eine historische Betrachtung, dass so etwas wie ein moralischer Zersetzungsprozess etwa im Klerus einer konfessionellen Gemeinschaft negative bis verheerende Folgen hat. Wie wichtig kirchliche Amtsträger und da eigens der Klerus und so etwas wie ein Ordensstand ist, verdeutlicht eigens die Geschichte der katholischen Kirche. In römischen Christenverfolgungen wurde mitunter bewusst Jagd auf Kleriker gemacht. Noch der zeitweilige Bündnispartner und dann Feind Konstantins, Licinius, trieb in diese Richtung, als es ihm opportun erschien, die Eskalation voran. Propagandistisch wie in Gestalt direkter Verfolgung und nicht zuletzt bei Korrumpierungsbemühungen hatten immer wieder kommunistische Regime gerade den Klerus im Visier. Unter den Opfern des sowjetischen Massenmordes von Katyn waren bezeichnenderweise auch katholische Priester. Kommunistischer Massenmord konnte nicht zuletzt auch Klerus und Ordensleute orthodoxer Autokephalien treffen.
Folgt man dem jetzt üblichen liturgischen Kalender für den nachkonziliaren Ritus in der 26. Woche im Jahreskreis, so stößt man auf bemerkenswerte Persönlichkeiten aus Klerus und Ordensleben. Da ist zum einen der heilige Hieronymus, der offensichtlich Priester war. Der zu den lateinischen Kirchenvätern gezählte Vertraute von Papst Damasus I. und erfolgreiche Bibelübersetzer wird manchmal als Ausdruck einer Art historischen Rückprojektion wie ein Kardinal dargestellt. Nicht zuletzt förderte er die Entwicklung von klösterlichen Gemeinschaften von Frauen. Später dann gewann die heilige Theresia vom Kinde Jesu, auch genannt Theresia von Lisieux oder auch die kleine Theresia/Thérèse für die Kirche enorme Bedeutung. Die Unbeschuhte Karmelitin wurde neben dem Jesuiten Franz Xaver zur Patronin der Weltmission erklärt. Inzwischen ist sie auch als Kirchenlehrerin anerkannt. Dass der heilige Franz von Assisi eine eigene Ordensbewegung anstieß, die sehr rasch weit über engere Ordensstrukturen und die katholische Kirche hinaus enormen Einfluss gewann, ist recht bekannt. Demgegenüber verbreitete sich mehr innerkirchlich die Botschaft der Ordensfrau Maria Faustina/Faustyna Kowalska von der göttlichen Barmherzigkeit.
In diesem Oktober 2024 fällt nach dem meist verwendeten liturgischen Kalender ihr Gedenktag am 5. September mit dem auch als PRIESTERSAMSTAG bezeichenbaren samstäglichen MONATLICHEN GEBETSTAG UM GEISTLICHE BERUFE zusammen. Zwei Tage vorher kann der MONATLICHE GEBETSTAG UM GEISTLICHE BERUFE am betreffenden Donnerstag begangen werden (siehe allgemein Gedanken zur Woche 232-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Die Wichtigkeit geistlicher Berufungen wird immer wieder deutlich. Umso wichtiger ist es eigens, jedem Missbrauch kirchlicher Ämter energisch entgegenzuwirken. Dies betrifft auch und gerade den so furchtbaren Bereich des sexuellen Missbrauchs durch kirchliche Amtsträger.
Gedanken zur Woche 235, Dr. Matthias Martin
25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Es ist immer wieder der so bemerkenswerte Jakobusbrief, der gegen alles Schönreden und Vertuschen verdeutlicht, dass auch in jener so frühen Entwicklungsphase, welche gerne Urchristentum und seltener in etwa Jesus-Glaubensbewegung genannt wird, innerchristlich eben nicht alles zum Besten stand. Vielmehr gab es da auch interne Auseinandersetzungen, mitunter flogen regelrecht die Fetzen. Menschliche Schwächen bis regelrecht kriminelle Energie konnte offensichtlich zutage treten. Solche Feststellungen beziehen sich hier nun bewusst auf die irgendwie im Neuen/Zweiten Testament aufscheinenden bzw. angesprochenen Anhänger eines Glaubens an Jesus von Nazaret. Schweres Fehlverhalten in so etwas wie den eigenen Reihen gab es dazu auch schon im Alten Testament, dem Ersten Testament der Bibel. Die Schriften der Bibel haben dies eben ganz und gar nicht unter den Teppich gekehrt. Grundsätzlich wurde dies in betreffenden Fällen nicht vertuscht oder zurechtgebogen, um damit andere Akteure oder Personengruppen beschuldigen zu können. Diesbezüglich gab es für die Zusammenstellung in Frage kommender Texte in der Frühzeit der Kirche und bei der Verteidigung dieser Zusammenstellung in späteren Zeiten, gerne Mittelalter und Neuzeit genannt, kein kirchliches „Wahrheitsministerium“ um mit George Orwell und das gerade im Sinne seines so genialen wie warnenden und düsteren Zukunftsromans „1984“ zu sprechen.
Vielmehr wurden auch und gerade solche Schriften und Teile von Schriften als Teil der Bibel in der katholischen Überlieferung anerkannt und dann gegen alle möglichen Angriffe verteidigt, welche ganz und gar nicht „nett“ geschrieben waren und der Neigung zu Geschichtsklitterung deutlich bis heftig widersprachen. Frühchristliche Synoden wie die Synode zu Rom des Jahres 382 wie auch mehr oder minder mittelalterliche und neuzeitliche Konzilien haben hier Kurs gehalten.
So stoßen wir schon im ersten Buch der Bibel, Genesis, eben auf die Geschichte vom Brudermord des Kain an Abel (Gen 4,8-15/16), an die Peinlichkeit, in die Noah im Zustand schwerer Trunkenheit geriet (Gen 9,20-27) wie auf die schwer inzestöse Geschichte der Töchter des Loth mit ihrem Vater (Gen 19,30-38). Auch sonst bekommt man bereits in diesem Buch Genesis in Hinblick auf menschliche Schwächen bis schweres Fehlverhalten auch sogenannter „biblischer Gestalten“ einiges geboten. In diesen Fünf Büchern Mose, dem Pentateuch, mit den im Anschluss an Genesis zu findenden Büchern Exodus, Levitikus, Numeri und Deuteronomium, wird betont, dass bei den aus dem Sklavenhaus Ägypten befreiten Hebräern oder Israeliten nun eben nicht alles im Reinen gewesen sei. So wird deutlich vor falschem Verhalten gewarnt, und es werden dazu abschreckende Beispiele geboten, wie das vom Goldenen Kalb und dem Hohepriester Aaron, der es verfertigte (Ex 32,1-29). Es wird herausgestellt, dass auch die Israeliten/Hebräer Regeln brauchten und sich natürlich auch an diese zu halten hatten. Ja, es finden sich in diesen Teilen der Bibel wie in späteren Schriften recht heftige Worte. Nicht umsonst werden die Fünf Bücher Mose eben hebräisch Thora/Tora/Torah genannt. Ins Deutsche übersetzt bedeutet dies eben bezeichnenderweise so viel wie „Gesetz“ oder auch „Weisung“ oder „Wegweisung“.
Es geht also offensichtlich um verlässliche, möglichst klare Richtlinien. Auch in diesem Sinne ist die Bibel eben kein nettes Erbauungsbuch, keine süße Lektüre zum Vorlesen für kleinere Kinder.
Dass es recht scharf bis heftig in der Bibel aus Altem/Ersten und Neuem/Zweiten Testament weitergeht, verdeutlicht schon die (Erste) Lesung aus dem alttestamentlichen Buch der Weisheit, wenn man der derzeit üblichen Leseordnung für den 25. Sonntag im Jahreskreis im Jahre 2024 nach dem gregorianischen/Gregorianischen Kalender folgt. Da wird eben gar nichts „Nettes“ gesprochen. Vielmehr geht es hier, wie mancher schon amüsiert feststellte, eher um so etwas wie die Gründung einer kriminellen Vereinigung und das Betreiben überhaupt ziemlich übler Absichten durch die betreffenden Handelnden. Klarerweise geht es hier nicht um die Aufforderung, solch üblem Tun nachzueifern. Vielmehr ist diese Gruppe von Versen als eine deutliche Warnung zu verstehen. Es ist auch eine Verdeutlichung der Notwendigkeit, gegenüber bösen Taten erkennbare Regelungen zur Hand zu haben.
Recht deutlich geht es nach der genannten Leseordnung in der (Zweiten) Lesung aus dem bekanntlich neutestamentlichen Jakobusbrief weiter. Hier wird herausgestellt, dass interne Auseinandersetzungen eben keine seltene Ausnahmeerscheinung in dieser ganz frühen Zeit in so etwas wie christlichem Gemeindeleben waren. Die Angelegenheit wird noch deutlicher, ja irgendwie dramatisch, wenn man sich vergegenwärtigt, dass hier sogar von „Krieg“ und „Kriege“ (Jak 4,1 und 2) zwischen den Gläubigen die Rede ist. Auch wird den gewissermaßen eigenen Gläubigen vorgeworfen, dass sie mordeten (Jak 4,2). Ganz offensichtlich gab es bereits für Leitungspersönlichkeiten in so etwas wie dem Urchristentum Handlungsbedarf bis hin zu einem enormen Handlungsbedarf.
Also auch hier finden sich wieder keine netten Kindergeschichtchen, keine rosaroten erbaulichen Erzählungen.
In diese ernüchternde Richtung weist auch das Sonntagsevangelium der betreffenden Leseordnung nach.
Hier begegnet dem Leser, der Leserin ein Rangstreit zwischen wohl engsten Jüngern Jesu von Nazarets. Was die Angelegenheit für die an diesem Streit Beteiligten umso peinlicher macht, ist der Umstand, dass dem Markusevangelium zufolge dieser Streit stattfand, nachdem Jesus ihnen sein Leiden und Sterben vorgesagt habe. Ein solches Aufeinanderfolgen findet sich auch im Lukasevangelium (Lk 9,43b-48) und ähnlich im Matthäusevangelium (Mt 17,22-23 und 18,1-5).
Immer wieder wird die Notwendigkeit von Regeln und einer verlässlichen Ordnung deutlich. Sich auf gute Gefühle und vielleicht vorhandene individuelle Begabungen zu verlassen ,reicht offensichtlich nicht. Umso mehr ist in einem richtigen Sinne gerade das Verhalten kirchlicher Amtsträger kritisch im Auge zu behalten. So sind ja für offizielle kirchliche Mitarbeiter und nicht zuletzt Kleriker in allgemeinerer Weise eine Reihe von Strafen vorgesehen (siehe Gedanken zur Woche Gedanken zur Woche 234-b – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Wenn man auch nur ein wenig mit katholischer Sakramentenlehre und liturgischer Überlieferung vertraut ist, so erkennt man rasch, dass Canon/Kanon 1331 des gegenwärtigen CIC gerade kirchliche Amtsträger und da eben eigens auch Kleriker (zumindest theoretisch) betrifft:
„§ 1. Dem Exkommunizierten ist verboten:
1° das eucharistische Opfer and andere Sakramente zu feiern;
2° Sakramente zu empfangen;
3° Sakramentalien zu spenden und andere Zeremonien des liturgischen Kultes zu feiern;
4° irgendeinen aktiven Anteil an den vorgenannten Zelebrationen zu haben;
5° kirchliche Ämter, Aufgaben, Dienste und Funktionen auszuüben;
6° Akte der Leitungsgewalt zu setzen.“
Eher verschärfend kommt Paragraph 2 dieses CIC-Canon/Kanons 1331 hinzu:
„Wenn aber die Exkommunikation als Spruchstrafe verhängt oder als Tatstrafe festgestellt ist:
1° ist der Täter, wenn er der Vorschrift von § 1, n. 1-4 zuwiderhandeln will, fernzuhalten oder muss von der liturgischen Handlung abgesehen werden, es sei denn, es steht ein schwerwiegender Grund dagegen;
2° setzt der Täter ungültige Akte der Leitungsgewalt, die gemäß § 1, n. 6 unerlaubt sind;
3° ist dem Täter der Gebrauch vorher gewährter Privilegien verboten;
4° erwirbt der Täter die Einkünfte aufgrund eines rein kirchlichen Titels nicht zu eigen;
5° ist der Täter unfähig, Ämter, Aufgaben, Dienste, Funktionen, Rechte, Privilegien und Ehrentitel zu erwerben.“
Es geht also bei einer etwaigen Exkommunikation gerade um die Träger kirchlicher Ämter, Aufgaben, Dienste, Funktionen und so weiter und was damit an Handlungen, Rechten und gerade auch an Einkünften verbunden sein kann. Eigens sind die ausdrücklichen Hinweise auf die Spendung von Sakramentalien und auf andere liturgische Handlungen zu beachten. Neben den Sakramenten wird diesen also auch hier ihre eigene gewichtige Bedeutung zugemessen.
1. Lesung: Weish 2,1a.12.17-20
2. Lesung: Jak 3,16-4,3
Evangelium: Mk 9,30-37
Gedanken zur Woche 235-b, Dr. Matthias Martin
25. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Die Vielschichtigkeit kirchlichen Lebens und die damit verbundenen Herausforderungen werden deutlich, wenn man nur einmal kurz die nach dem derzeit üblichen liturgischen Kalender für die 25. Woche im Jahreskreis des Jahres 2024 hervorgehobenen Heiligen betrachtet.
Das beginnt dann mit dem heiligen Mauritius und seinen Gefährten, wenn diese auch zu Beginn dieser liturgischen Woche vom Sonntag als dem ursprünglichen Feiertag der Auferstehung Jesu Christi liturgisch verdrängt werden. Der Überlieferung nach waren der heilige Mauritius und seine Gefährten, im Rahmen der Thebäischen/Thebaischen Legion römische Soldaten, welche gegen Ende des dritten Jahrhunderts im Rahmen einer erneuten römischen Christenverfolgung das Martyrium erlitten (siehe Gedanken zur Woche 130-b - 25. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Gerade der heilige Mauritius wurde in der Zeit der Ottonen und Salier Patron des Ersten Deutschen Reiches.
Wohl in unserer Zeit besonders bekannt ist der heilige Pius von Pietrelcina, sehr gerne Padre Pio genannt. Geboren am 25. Mai 1887 und am 23. September 1968 aus dieser Welt abberufen, weist er uns nachdrücklich auf das katholische Ordenswesen hin. Er trat nämlich bereits im Alter von 16 Jahren dem Kapuzinerorden bei und verband sich damit für seinen weiteren Lebensweg mit diesem so wichtigen Zweig franziskanischer Ordenstradition. Auch sozial engagiert verbindet sich mit ihm besonders der Aufstieg des im Gebiet des alten Königreichs Neapel gelegenen San Giovanni Rotondo zum internationalen Wallfahrtsort. Damit werden wir hier mit der Herausforderung konfrontiert, dass Wallfahrtswesen nicht für (weltliche) Geschäftemacherei missbraucht wird. Gerade auch Ordensleute sollen sich in kommerziellen Angelegenheiten zurückhalten. Mahnungen und Verbote gelten generell auch für Kleriker, also auch solche, die keiner Ordens- oder ordensähnlichen Gemeinschaft angehören.
So lautet gemäß der im Dezember 2021 in Kraft getretenen Reform des kirchlichen Strafrechts der in Buch VI – TEIL II EINZELNE STRAFTATEN UND DIE FÜR SIE VORGESEHENEN STRAFEN: Titel V STRAFTATEN GEGEN BESONDERE VERPFLICHTUNGEN des CIC enthaltene Canon/Kanon 1393:
„§ 1. Ein Kleriker oder Ordensangehöriger, der entgegen den kanonischen Vorschriften Handel oder Gewerbe betreibt, soll je nach der Schwere des Vergehens mit Strafen des can. 1336, §§ 2-4 bestraft werden.
§ 2. Ein Kleriker oder ein Ordensangehöriger, der über das, was im Recht schon vorgesehen ist, eine Straftat im wirtschaftlichen Bereich begeht oder die Vorschriften des can. 285, § 4 schwer verletzt, muss, bei bestehender Verpflichtung, den Schaden wiedergutzumachen, mit den Strafen des can. 1336, §§ 2-4 bestraft werden.“
Gleich zweimal werden wir also allein in diesem einen CIC-Canon/Kanon auf den Canon/Kanon 1336 und dabei gezielt auf dessen Paragraphen 2 bis 4 hingewiesen. In dem angeführten Paragraph 4 von Canon/Kanon 285 wird festgehalten:
„Ohne Erlaubnis ihres Ordinarius dürfen die Kleriker die Verwaltung von Vermögen, das Laien gehört, oder weltliche Ämter nicht übernehmen, mit denen die Pflicht zur Rechenschaftsablage verbunden ist; die Übernahme von Bürgschaften, auch wenn sie nur das Privatvermögen belasten, ist den Klerikern ohne Befragen des eigenen Ordinarius verboten; auch dürfen sie keine Wechsel unterschreiben, in denen sie die Verpflichtung zu einer Geldzahlung ohne festgelegten Grund übernehmen.“
Es werden also gerade in Hinblick auf Kleriker und Ordensleute weltlich-wirtschaftliche Aktivitäten distanziert betrachtet und eine unnötige Verstrickung in diese abgelehnt. Eigens verdient es nachgerade starke Beachtung, dass die leichtfertige Übernahme schuldrechtlicher Verpflichtungen, ein mehr oder minder bedenkenloses Schuldenmachen, abgelehnt wird. Dies liegt auf einer Linie mit dem Hirtenwort der bundesdeutschen Bischofskonferenz bzw. der in ihr tätigen Bischöfe zur Bundestagswahl von 1980 (siehe Gedanken zur Woche 190 – 32. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Sowohl in spezifisch inhaltlicher Hinsicht wie allgemeiner in Hinblick auf die damals ausgedrückte regierungskritische Haltung dieser vom Apostolischen/Heiligen Stuhl gestützten Bischofskonferenz verdient diese fortgeführte Kritik an Schuldenmacherei Beachtung. Gerade heutzutage mag sie zu ernstem Nachdenken anregen.
Dabei wird die Zurückweisung bedenklicher wirtschaftlicher Aktivitäten bei Klerikern im CIC fortgeführt. Es ist zu bedenken, dass sowohl Canon/Kanon 285 wie Canon/Kanon 286 schon im CIC enthalten waren, bevor es eben zu der im Dezember 2021 in Kraft getretenen Reform des kirchlichen Strafrechts kam. In Canon/Kanon 286 ist nämlich recht straff zu lesen:
„Gewerbe oder Handel dürfen Kleriker nicht ausüben, gleichgültig, ob in eigener Person oder durch andere, zu ihrem eigenen oder zu anderer Nutzen, außer mit Erlaubnis der rechtmäßigen kirchlichen Autorität.“
In diese Richtung gehend kann auch Canon/Kanon 382 des CCEO für die Katholischen Ostkirchen verstanden werden:
„Die Kleriker müssen sich völlig von all dem fernhalten, was sich für ihren Stand gemäß den im Partikularrecht genauer festgelegten Normen nicht geziemt, und sollen auch das vermeiden, was ihm fremd ist.“
Hinzu kommt, dass im sich anschließenden Canon/Kanon 383 Punkt 3 die Kleriker direkt aufgefordert werden, „sich der Ausnahmen von der Ausübung öffentlicher Aufgaben und Ämter, die dem Klerikerstand fremd sind … bedienen, welche weltliche Gesetze oder Verträge bzw. das Gewohnheitsrecht zu ihren Gunsten gewähren.“
Zu beachten ist die hier vorgenommene Betonung der Wichtigkeit des Partikularrechts der Katholischen Ostkirchen und der starke Hinweis auf etwaiges Gewohnheitsrecht. Dies mag den Umstand ins Gedächtnis rufen, dass das Partikularrecht in den unter sich ja gerade in kanonistischer, spiritueller und liturgischer wie geschichtlicher Hinsicht so ausdifferenzierten Katholischen Ostkirchen eine starke Rolle spielt. Immer wieder wird auf solches Partikularrecht der Katholischen Ostkirchen hingewiesen. Dies geschieht eben auch im CCEO, dem als Codex für die Katholischen Ostkirchen stärker die Funktion eines Rahmengesetzeswerkes zukommt. Auch ist es gut, die Bedeutung von Gewohnheitsrecht in den Katholischen Ostkirchen ins Gedächtnis zu rufen.
Grundsätzlich gilt es eben auch, die hohen ethischen oder wie auch immer zu nennenden Standards für wirtschaftliches und finanzielles Verhalten, das Kirchenvertreter doch so gerne bei anderen oft mit erregter Stimme oder erhobenem Zeigefinger einfordern, bei sich selber zu verwirklichen. Die Reform des kirchlichen Strafrechts mag hierzu einen Beitrag leisten. Natürlich geht es darum, solchermaßen bedrucktes oder beschriebenes Papier in die Wirklichkeit zu übersetzen. Papier ist ja geduldig, wie eine bekannte Redensart festhält.
Anregungen für einen glaubwürdigen eigenen Lebensstil mögen da eben mit je eigenen Akzenten der heilige Mauritius und Gefährten wie auch der heilige Pius von Pietrelcina/Padre Pio geben. Dies gilt offensichtlich auch für die Heiligen Rupert und Virgil, den heiligen Nikolaus von Flüe und die beiden Heiligen Kosmas und Damian. Geht man in dieser Woche des Kirchenjahres weiter, so kommt man zum heiligen Vinzenz von Paul. Dieser heiliggesprochene Ordensgründer mag gerade vor der nicht zu leugnenden schweren Krise des Ordenslebens in unseren Tagen Beachtung finden. Leider wurden ja auch Ordensleute selber zu Tätern, nicht zuletzt in dem so furchtbaren Feld des sexuellen Missbrauchs wie auch als gewalttätige Handlanger von Unrechtsregimen wie der britischen Kolonialherrschaft in Nordamerika (siehe Gedanken zur Woche 76-b – 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 169-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS (2023)). Da ist dann eben ein Heiliger wie Vinzenz von Paul ein umso wertvolleres Vorbild zum Guten und gegen vielfältige Versuchungen zum Bösen hin. Dies gilt auch für eine heilige Äbtissin wie die heilige Lioba. Eigene Denkanstöße und Handlungsanregungen mag der heilige Wenzel von Böhmen vermitteln. Auch und gerade in unserer Zeit sollten die Glieder der Kirche sich dem Bösen widersetzen, auch wenn dieses übermächtig scheint.
So handelten in ihrer Zeit ja auch der heilige Laurentius/Lorenzo Ruiz und Gefährten als Märtyrer in der damaligen japanischen Christenverfolgung (siehe allgemein Gedanken zur Woche 47-b – 4. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich FEST DARSTELLUNG DES HERRN/LICHTMESS (2021); Gedanken zur Woche 60-b – 7. OSTERWOCHE (2021) und Gedanken zur Woche 136-b – ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN – 31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Gedanken zur Woche 234, Dr. Matthias Martin
24. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Entgegen diverser Gerüchte und Verschwörungstheorien ist das Neue Testament ganz und gar nicht dahingehend konzipiert, etwa Apostel und andere Personen des sich entwickelnden Christentums in einem makellos guten Licht erscheinen und für sie peinliche Angelegenheiten möglichst unter den Tisch fallen zu lassen. Ein gutes Beispiel ist die scharfe Zurechtweisung des Simon Petrus im Anschluss an das Christus- oder Messiasbekenntnis, wie es uns eben durch das Markusevangelium überliefert wird. Dazu handelt es sich hier keineswegs einfach um markinisches Sondergut. Vielmehr bietet sich bei der Betrachtung der synoptischen Evangelien einiges Material einer Traditio Duplex/Duplex Traditio. Wir finden diese scharfe Zurechtweisung des Simon Petrus durch Jesus auch im Matthäusevangelium. Im Aufbau dieses synoptischen Großevangeliums befindet es sich an so etwas wie einer parallelen Stelle zum Ablauf dieser Angelegenheit im Markusevangelium im Anschluss an die matthäische Primatsstelle (Mt 16,17/18-19) (siehe Gedanken zur Woche 117 – 12. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Auch sonst werden Fehlverhalten oder Peinlichkeiten immer wieder berichtet. Man denke hier nur an die wiederholte Verleugnung Jesu durch Petrus (siehe Gedanken zur Woche 231 – 21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)) und den Verrat eben durch einen Apostel, Judas Iskariot. Weniger bekannt ist die gewissermaßen Pöstchenjägerei der Zebedäussöhne im Apostelkreis. Auch hier liegt wieder eine matthäisch-markinische Traditio Duplex/Duplex Traditio vor (Mt 20,20-28 und Mk 10,35-45). Spontan mag hier natürlich auch in Hinblick auf die gerade im deutschen Sprachraum so beliebte Zweiquellentheorie die Frage aufkommen, wieso hier wie bei der Zurechtweisung des Simon Petrus durch Jesus nichts davon beim dritten Synoptiker, Lukas, zu finden ist.
Auf jeden Fall ist es interessant genug, wenn man sich für die Darstellung menschlicher Schwächen von Aposteln und anderen Personen des sich entwickelnden Christentums, der Jesusgefolgschaft, interessiert.
Blick man in die Apostelgeschichte, so wird sehr klar, dass hier abgesehen von einer einzelnen Formulierung keineswegs das Bild von idealer Harmonie in so etwas wie einem dargestellten Urchristentum präsentiert wird. Auch sonst werden Konflikte und menschliche Unzulänglichkeiten in den sich im Anschluss an die kanonischen vier Evangelien zu findenden biblischen Schriften offen bis heftig thematisiert. Dies geschieht natürlich besonders in den neutestamentlichen Briefen.
Dabei lohnt sich wiederholt ein Blick vielleicht gerade in jene ganz kurzen neutestamentlichen Briefe, welche oft in so etwas wie christlichem Alltagsleben übersehen werden und ziemlich unbekannt sind. Dabei enthalten für interne Auseinandersetzungen in der Jesusgefolgschaft gerade der Zweite und Dritte Johannesbrief sowie der Judasbrief so etwas wie „zünftige“ Aussagen. Die Aussagen im Judasbrief sind so heftig, dass man sie in unseren Breiten heutzutage nicht so leicht zitieren kann, wenn man den Vorwurf, so etwas wie ein aggressiver Fundamentalist zu sein, vermeiden will (siehe Gedanken zur Woche 60 – 7. SONNTAG DER OSTERZEIT (2021)). Dabei sollten sich man ja ganz im Sinne früher christlicher Synoden, des Konzils von (Basel – Ferrara -) Florenz, des Konzils von Trient sowie des Ersten und Zweiten Vatikanischen Konzils ermutigt sehen, sich offenherzig mit der ganzen Bibel zu befassen.
Da mag dann eben ein aufmerksamer Blick etwa in den so kurzen Dritten Johannesbrief schon aufschlussreich sein, wenn man sich für die Problematik von so etwas wie innerkirchlichen Konflikten im Neuen/Zweiten Testament interessiert. So kann man in dieser Schrift ohne Kapitelunterteilung lesen:
„(9) Ich habe der Gemeinde geschrieben. Aber Diotrephes, der unter ihnen der Erste sein will, nimmt uns nicht auf. (10) Deshalb werde ich, wenn ich komme, an sein Tun und Treiben erinnern. Mit bösen Worten verleumdet er uns und gibt sich damit noch nicht zufrieden; sondern er selbst nimmt die Brüder nicht auf und hindert alle daran, die es tun wollen, und schließt diese aus der Gemeinde aus. (11) Geliebter, ahme nicht das Böse nach, sondern das Gute! Wer das Gute tut, ist aus Gott; wer aber das Böse tut, hat Gott nicht gesehen.“
Ein christlicher Gemeindevorsteher namens Diotrephes und nicht ein heidnischer Funktionär oder Priester wird hier also als abschreckendes Beispiel kritisiert und warnend vor Augen gestellt. In der Theologie wird dieser so heftig kritisierte Diotrephes mitunter ausdrücklich als Bischof bezeichnet! In der Kirche miteinander zurecht zu kommen, ist also keine Selbstverständlichkeit, sondern eine wirklich schwierige Daueraufgabe.
Dabei geht es sehr heftig schon im Zweiten Johannesbrief zu, wo eine heftige Abgrenzung bei wohlgemerkt zu so etwas wie innerchristlichem Fehlverhalten und damit verbundenen Auseinandersetzungen propagiert wird:
„(7) Denn viele Verführer sind in die Welt hinausgegangen, die nicht den im Fleisch gekommenen Jesus Christus bekennen. Das ist der Verführer und der Antichrist. (8) Achtet auf euch, damit ihr nicht preisgebt, was wir erarbeitet haben, sondern damit ihr den vollen Lohn empfangt! (9) Jeder, der darüber hinausgeht und nicht in der Lehre Christi bleibt, hat Gott nicht. Wer aber in der Lehre bleibt, hat den Vater und den Sohn. (10) Wenn jemand zu euch kommt und nicht diese Lehre mitbringt, dann nehmt ihn nicht in euer Haus auf, sondern verweigert ihm den Gruß! (11) Denn wer ihm den Gruß bietet, macht sich mitschuldig an seinen bösen Taten.“
Im Vergleich klingen Worte des gegenwärtigen Kirchenrechts einschließlich des kirchlichen Strafrechts schon eher sanft. Aber auch hier geht es ja darum, eine glaubwürdige Antwort auf das Fehlverhalten von Kirchengliedern und einen Ansporn für möglichst gutes, ja tadelloses Verhalten zu bieten. Hierbei sind immer eigens angestellte Kirchenmitarbeiter im Blick zu behalten. Natürlich gilt dies weltweit betrachtet gerade für Kleriker, Träger eines Weiheamtes und Angehörige von Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften, von, um mit dem gegenwärtigen CIC zu sprechen, Mitgliedern von Instituten des geweihten Lebens einschließlich Säkularinstituten, von Gesellschaften des apostolischen Lebens und soweit vorhanden einer Personalprälatur. Folgen wir dem CCEO für die Katholischen Ostkirchen, so geht es hier gerade um Mönche mit Nonnen, andere Religiosen und die Mitglieder sonstiger Institute des geweihten Lebens, um Mitglieder von Gesellschaften gemeinsamen Lebens nach Art der Religiosen und Mitglieder von Säkularinstituten. Auch ist hier ausdrücklich vorgesehen, dass sich entsprechend Menschen einer anderen Form des geweihten Lebens widmen und auch Mitglieder von Gesellschaften des apostolischen Lebens sein können. Das Vorhandensein von Personalprälaturen ist wohlgemerkt im CCEO nicht vorgesehen. Demgegenüber wird in beiden katholischen Codices auf Eremiten und geweihte Jungfrauen im kirchenrechtlichen Sinne hingewiesen. Nicht zuletzt mit der ausdrücklichen Berücksichtigung des kirchlichen Witwenstandes weist der CCEO eigene Elemente auf (siehe generell Gedanken zur Woche 168-b – 10. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2023) und eigens zum Witwenstand Gedanken zur Woche 151-b – 6. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Dass durchaus verschiedene Funktionen oder Positionen unter einem „Kirchenamt“ verstanden werden können, wird in Canon/Kanon 145 des jetzigen CIC angedeutet:
„§ 1. Kirchenamt ist jedweder Dienst, der durch göttliche oder kirchliche Anordnung auf Dauer eingerichtet ist und der Wahrnehmung eines geistlichen Zweckes dient.
§ 2. Pflichten und Rechte, die den einzelnen Kirchenämtern eigen sind, werden bestimmt entweder durch das Recht selbst, durch das ein Amt eingerichtet wird, oder durch Dekret der zuständigen Autorität, durch das es eingerichtet und zugleich übertragen wird.“
Dass in diesem Sinne mit einem Amt in der Kirche nicht unbedingt eine Weihe verbunden sein muss, verdeutlicht CIC-Canon/Kanon 148:
„Der Autorität, der es zukommt, Ämter zu errichten, zu verändern und aufzuheben, steht auch deren Übertragung zu, wenn nicht etwas anderes im Recht bestimmt ist.“
1. Lesung: Jes 50,5-9a
2. Lesung: Jak 2,14-18
Evangelium: Mk 8,27-35
Gedanken zur Woche 234-b, Dr. Matthias Martin
24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Es ist doch bemerkenswert, welche Heiligen in den Blickpunkt gerückt werden, wenn man den heutzutage gerade im deutschen Sprachraum üblichen liturgischen Kalender für die 24. Woche im Jahreskreis in den Blick nimmt .
Da werden zuerst einmal insbesondere der heilige Kornelius/Cornelius und der heilige Cyprian von Karthago geehrt. Der heilige Kornelius/Cornelius wirkte als Bischof von Rom, anders gesagt eben als Papst. Dieser heilige Cyprian war Bischof bzw. Erzbischof eben von Karthago. Am nächsten Tag stehen die heilige Hildegard von Bingen und der heilige Robert Bellarmin im Blickpunkt. Damit werden zum einen eine Äbtissin und zum anderen ein Bischof geehrt, der auch als Kirchenlehrer kirchenamtlich anerkannt ist. Es folgt in dieser Woche des Kirchenjahres der heilige Lambert. Auch bei ihm handelt es sich um einen Bischof. Dies gilt auch für den heiligen Januarius. Der heilige Priester Andreas Kim Taegon führt etwas die als eine Art Gruppe verehrten koreanischen Märtyrer an. Der heilige Matthäus seinerseits war ein Apostel. Auf ihn gemeinsam mit den anderen Aposteln geht nach Auffassung der katholischen Kirche wie auch anderer bedeutender konfessioneller Gemeinschaften die Apostolische Sukzession zurück. Diese stellt nach betreffender Überzeugung die unterunterbrochene Weitergabe eines autorisierten Bischofsamtes samt der Möglichkeit sicher, weitere Weihen von Klerikern zu spenden.
Ganz stark wird also der Blick auf geweihte kirchliche Amtsträger einschließlich auf eine Äbtissin gerichtet und in diese Richtung Ehre erwiesen. Zwar handelt es sich bei der Benediktion oder Weihe einer Äbtissin nicht um eine Weihe von Diakonen, Priestern und Bischöfen im Sinne des Weihesakramentes. Aber die Benediktion einer Äbtissin ist doch schon eine bemerkenswerte kirchlich-liturgische Handlung. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde sehr stark der Unterschied zur Diakonen-, Priester- und Bischofsweihe betont, aber über viele Jahrhunderte konnten einige Äbtissinnen eine Bischöfen vergleichbare Jurisdiktionsgewalt ausüben. Man denke hier nur an die Reichsäbtissinnen im Ersten Deutschen Reich (siehe Gedanken zur Woche 12-b – PFINGSTMONTAG und 9. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 19-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 155-b – 3. FASTENWOCHE (2023) und allgemein Gedanken zur Woche Gedanken zur Woche 29-b – 26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020); 68-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 223-b – 13. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). Umgangssprachlich und im Empfinden weiter Bevölkerungskreise werden geweihte Kleriker und Ordensleute ohne Weihen etwa zum Diakonat, Presbyterat und Episkopat sehr gerne als ein größeres Ganzes gesehen, anstatt hier Unterschiede zu betonen.
Wenn nun betreffende Geistliche samt einer Äbtissin so im Blickpunkt der Aufmerksamkeit stehen, so ist umso mehr gerade bei solchen kirchlichen Amtsträgern darauf zu achten, dass eben Kleriker und Ordensleute keinen Grund für Skandal geben, dass sie möglichst einen vorbildlichen Lebenswandel an den Tag legen. Dies gilt mit der zunehmenden Verbreitung gerade in westlichen Ländern von festen und bezahlten Positionen für laikale Mitarbeiter wie Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten, von Religionslehrerinnen und Religionslehrern sowie Mitarbeitern im caritativen und im kirchlichen Verwaltungsbereich auch für solche Vertreterinnen und Vertreter kirchlichen Lebens (siehe Gedanken zur Woche 234 – 24. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)). Kommt es hier zu so etwas wie Fehlverhalten oder verbrecherischen Untaten, so fügt dies der Kirche immer wieder besonderen Schaden zu. Wie gerade alle möglichen Generalvikare, Bischöfe, Kardinäle und auch Laienfunktionäre erfahren mussten, lässt sich halt nicht alles vertuschen, vor allem nicht auf Dauer.
Kirchliches Strafrecht ist also folgerichtig gerade an Kleriker, Ordensleute und überhaupt an Hauptamtliche gerichtet.
In diese Richtung geht der des Öfteren auch im jetzigen CIC erwähnten Canon/Kanon 1336, dem in Hinblick auf (kirchliche) Sühnestrafen eine zentrale Bedeutung zukommt. Dort wird festgelegt:
„§ 1. Sühnestrafen, die den Täter entweder auf Dauer oder für eine bestimmte oder unbestimmte Zeit treffen können, sind außer anderen, die etwa ein Gesetz festgelegt hat, diejenigen, die in den §§ 2-5 aufgelistet sind.
§ 3: Das Verbot:
1° sich in einem bestimmten Ort oder Gebiet aufzuhalten;
2° überall oder in einem bestimmten Ort oder Gebiet oder aber außerhalb dessen alle oder einige Ämter, Aufgaben, Dienste oder Funktionen oder aber auch nur einige Tätigkeiten auszuüben, die mit den Ämtern oder Aufgaben verbunden sind;
3° alle oder einige Akte der Weihgewalt zu setzen;
4° alle oder einige Akte der Leitungsgewalt zu setzen;
5° ein bestimmtes Recht oder Privileg auszuüben oder Insignien oder Titel zu gebrauchen;
6° in einer kanonischen Wahl das aktive oder passive Stimmrecht auszuüben oder in kirchlichen Räten oder Kollegien mit Stimmrecht teilzunehmen;
7° kirchliche oder Ordenskleidung zu tragen.
§ 4: Der Entzug:
1° aller oder einiger Ämter, Aufgaben, Dienste oder Funktionen oder nur einiger Dienste, welche mit Ämtern und Aufgaben verbunden sind;
2° die Vollmacht, Beichten entgegenzunehmen oder zu predigen;
3° der delegierten Leitungsgewalt;
4° einiger Rechte oder Privilegien oder Insignien oder Titel;
5° der ganzen kirchlichen Vergütung oder eines Teiles davon, nach einer von der Bischofskonferenz festgelegten Ordnung, wobei aber die Vorschrift des can. 1350, § 1 zu beachten ist.“
Dieser ganze angesprochene CIC-Canon/Kanon 1350, also auch sein Paragraph 2, handelt von Angehörigen des Klerus:
„§ 1. Bei den über einen Kleriker zu verhängenden Strafen ist immer darauf zu achten, dass er nicht dessen entbehrt, was zu seinem angemessenen Unterhalt notwendig ist, es sei denn, es handelt sich um die Entlassung aus dem Klerikerstand.
§ 2. Bei einem aus dem Klerikerstand Entlassenen aber, der wegen der Strafe wirklich in Not geraten ist, soll der Ordinarius so weit als mögliche Vorsorge treffen; ausgeschlossen ist jedoch die Übertragung eines Amtes, eines Dienstes oder einer Aufgabe.“
Paragraph 5 des weitgehend ja schon direkt zitierten Canons/Kanons 1336 handelt seinerseits exklusiv vom Klerikerstand bzw. der Entlassung aus diesem. Der Text dieses Paragraphen 5 lautet nämlich lapidar:
„Die Entlassung aus dem Klerikerstand.“
Dabei ist zu bedenken, dass gerade der Vorwurf finanzieller Großzügigkeit gegenüber klerikalen Missbrauchstätern immer wieder erhoben wurde. Betreffender Verdacht und in diese Richtung gehende Vorwürfe stehen weiter im Raum. Die im Dezember 2021 mit dem erklärten Vorsatz eines besseren Vorgehens in der Kirche gegen sexuellen Missbrauch wie auch vermögensrechtliche oder wirtschaftskriminelle Verfehlungen in Kraft getretene Reform und zumindest teilweise Verschärfung des kirchlichen Strafrechts konnte dies nicht ausräumen. Auch weiterhin wird nicht zuletzt von Kirchenrechtlern und anderen Menschen im Bereich der Kirche Zweifel geäußert, wie denn nun betreffende Verbesserungen der Prävention und Ahndung überhaupt umgesetzt werden sollten. Neues, kirchenrechtlich bedruckte Papier als solches sei doch nicht ausreichend. Es müsse sich wirklich etwas in der Praxis verändern, etwa im kirchlichen Gerichtswesen, das bisher weitgehend auf die Behandlung von Eheangelegenheiten beschränkt war. Auch wird immer wieder der Vorwurf erhoben, dass das Verbleiben im Amt gerade kompromittierter bundesdeutscher Bischöfe verheerend sei. Es hemme einen wirklichen innerkirchlichen Neuanfang und schädige weiterhin das Ansehen der Kirche nach außen.
Gedanken zur Woche 233, Dr. Matthias Martin
23. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Für die Gleichheit aller Menschen unabhängig von ihrer Herkunft, Hautfarbe, gesellschaftlicher Stellung oder Standeszugehörigkeit, Geschlecht oder eigenem Bekenntnisstand einzutreten, wird immer wieder als ein typisch christliches Anliegen aufgefasst. Das mag sogar mancher und manchem als ganz selbstverständlich vorkommen. Aber es ist auch hier, wie es so oft ist. Was dem einen oder der einen als ganz selbstverständlich erscheint, mag jemand anderem als fragwürdig oder gar als verwerflich erscheinen.
Um so interessanter ist es da gerade in einem zumindest formal christlich geprägten Umfeld, einen Blick in den so aussagekräftigen wie straff formulierten Jakobusbrief zu werfen. Gerade in den ersten Versen von dessen zweitem Kapitel wird heftig gegen Standesdünkel und Liebedienerei gegenüber Reichen, ja überhaupt gegenüber gewissermaßen gesellschaftlich besser gestellten Kreisen Stellung bezogen. Bemerkenswerter ist dem eine in diese Richtung weisende und regelrecht provakante Aussage bereits im Aufbau des Jakobusbriefes vorangestellt. Folgen wir der neuen deutschen Einheitsübersetzung, so können wir bereits im Ersten Kapitel lesen:
„(Jak 1,9) Der Bruder, der in niederem Stand lebt, rühme sich seiner hohen Würde, (10) der Reiche aber seiner Niedrigkeit; denn er wird dahinschwinden wie die Blume im Gras.“
Die Aussage wird umso provokativer und kann als sehr wagemutig wahrgenommen werden, wenn man sich auch ein wenig die Zeitumstände vergegenwärtigt, in denen sich das formierende Christentum befand. Das Römische Reich war eine extreme Klassengesellschaft. Führenden adeligen Familien senatorischen Standes gehörten gewaltige Vermögen. Anders als mancher offensichtlich in unserer Zeit meint, wurde der römische Senat niemals vom Volk, auch nicht von einem römischen Staatsvolk oberhalb in der gesellschaftlichen Rangordnung über minderberechtigten Bevölkerungsgruppen einschließlich der Sklaven gewählt. Der römische Senat war offensichtlich ziemlich bruchlos aus einem Adelsrat der frühen Königszeit hervorgegangen. Das war eine ganz andere Welt, als das, was heutzutage gerne als „Demokratie“ bezeichnet wird. Innerhalb der römischen Gesellschaftsordnung war das Schicksal der Sklaven besonders grausam. Sklaven und Sklavinnen konnten namentlich als Sexobjekte schamlos missbraucht werden. Wurden an einfachere römische Bürger Wohltaten verteilt, so geschah dies auf Kosten anderer Völker und tributpflichtiger Staaten. Das römische Staatswesen schreckte auch nicht vor einer Politik offener und gar nicht kaschierter Massenvernichtung zurück. Man denke hier nur an das furchtbare Schicksal des punischen Karthago, von Korinth als Zentrum des Achäischen/Achaiischen Bundes und des etruskische Veji/Veii. Auch die brutale Behandlung germanischer Stämme mag da in den Sinn kommen (siehe Gedanken zur Woche 102-b – 1. FASTENWOCHE (2022)). Auch die römische Vernichtungspolitik auf der Apenninenhalbinsel gegen Völker wie die Samniten und die Lukaner/Lukanier ist hier zumindest ganz kurz zu nennen (siehe Gedanken zur Woche 92-b – WEIHNACHTSOKTAV (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 103 – 2. FASTENWOCHE (2022) und Gedanken zur Woche 111-b – 4. OSTERWOCHE (2022)).
Gegen solch eine ausgedehnte strukturelle Gewalt und menschenverachtende Ungleichbehandlung hatte das Christentum ein Gegenprogramm zu entwickeln. Ein besonderes und deutliches Dokument ist da sicher der Jakobusbrief des Neuen/Zweiten Testaments.
Dabei ist zu bedenken, wie brutal römische Akteure auch gegen innenpolitische Gegner einschließlich bisherige Verbündete aus den Reihen römischer Politiker sein konnten. Allein schon ein kurzer Blick auf die Teilnehmer des Ersten und des Zweiten Triumvirates verdeutlicht dies. Caesar und Pompeius ließen erst einmal ihren offiziellen Bundesgenossen aus dem Ersten Triumvirat, Crassus, in sein Verderben marschieren. Dabei war Crassus selber beizeiten durch seine brutale Gewissenlosigkeit aufgefallen. Nach der entscheidenden Niederlage des aufständischen Sklavenheeres unter dem legendären Spartakus ließ er tausende, vielleicht 6000, gefangene Sklaven zwischen Capua und Rom kreuzigen. Diese auf ihre Weise so brutale wie typische römische Massenkreuzigung fand über die Jahrhunderte auch in der Malerei ihren Niederschlag. Teilnehmer des von Spartakus so spektakulär angeführten Sklavenaufstandes, die Crassus noch entkommen waren, vernichtete im nördlicheren Teil des heutigen Italiens dann der seinerseits alles andere als zartbesaitete Pompeius. Dieser hatte sich bereits vorher als energischer Unterstützer Sullas einen Namen gemacht. Dieser hatte mit den berüchtigten Proskriptionslisten die Verfolgung innenpolitischer Gegner auf ein neues Niveau gehoben und eine eigene Vernichtungspolitik gegen die Völker der Samniten und Lukaner/Lukanier durchgeführt (siehe Gedanken zur Woche 92-b – WEIHNACHTSOKTAV (2021) und Gedanken zur Woche 103 – 2. FASTENSONNTAG (2022)). Caesar zerstörte dann in seinem Bürgerkrieg genau diesen selber so rücksichtslosen Pompeius. Es wurde hier schon angedeutet, wie wenig betreffende römische Anführer dem oft so gerne überlieferten romantischen Bild von edlen Kämpfern entsprachen. Versklavung und Massaker waren für die römische Politik Selbstverständlichkeiten. Verbunden war dies mit einer erbarmungslosen Eroberungspolitik, für die nicht zuletzt der erwähnte Pompeius wie Octavian/Augustus standen. Die Sklaverei stellte die Basis für den Wohlstand römischer Kreise dar. Dies galt auch in Hinblick für jene senatorischen Kreise, welche so gerne in manchem historisierenden Spielfilm als Kritiker des sich entwickelnden römischen Kaisertums sympathisch dargestellt werden.
Der später zum Alleinherrscher aufgestiegene und Augustus genannte Octavian hatte mit Verschlagenheit und Brutalität gepaarten Sadismus gezeigt. Sein einstiger Partner im Zweiten Triumvirat, Marcus Antonius, und Ägyptens letzte Königin, Cleopatra, wurden seine berühmtesten Opfer und stellen geschichtlich diesbezüglich so etwas wie die Spitze eines schaurigen Eisberges dar (siehe Gedanken zur Woche 103 – 2. FASTENSONNTAG (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 127 – 22. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
inzwischen wird zumindest manchem bewusst, dass auch unterlegene Gegner Caesars in seinem Bürgerkrieg wie etwa mancher mutmaßliche innenpolitische Kritiker eines römischen Kaisers selber keine menschenfreundlichen und in einem landläufigen Sinne demokratischen Lichtgestalten waren.
Mit einem solch brutalen System eben hatte sich das entwickelnde Christentum auseinanderzusetzen. Dass es hier zu blutigen Christenverfolgungen kam, war irgendwie folgerichtig. Eine Frontstellung christlicherseits war eben gerade schon im Jakobusbrief formuliert worden. Dabei wird uns im Markusevangelium ganz generell eine drastische Sicht der antiken Welt und zugleich eine ernste Mahnung in Hinblick auf innerkirchliche Verhältnisse geboten:
„(Mk 10,42) Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen ihre Machtgegen sie gebrauchen. (43) Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, (44) und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein.“
Gerade auch im Matthäusevangelium (Mt 20,25-27) und daneben im Lukasevangelium (Lk 22,25-27) bekommen wir solche Mahnungen geboten.
Innerkirchlicher Machtmissbrauch ist um so verwerflicher. Dem sollte nicht zuletzt das kirchliche Strafrecht einschließlich dem kirchlichen Prozessrecht umso mehr entgegenwirken.
So wird in Paragraph 1 von Canon/Kanon 1326 des CIC nach Reform des dortigen Strafrechts eigens festgehalten:
„Der Richter muss härter als Gesetz oder Strafgebot es bestimmen, bestrafen:
2° denjenigen, der sich in einer Ehrenstellung befindet oder seine Autorität oder sein Amt zum Begehen einer Straftat missbraucht hat“.
In den beiden folgenden Paragraphen 2 und 3 wird darüber hinaus betont:
„§ 2. In den in § 1 vorgesehenen Fällen kann, wenn eine Tatstrafe festgesetzt wird, eine andere Strafe oder Buße hinzugefügt werden.
§ 3. In den gleichen Fällen, wenn die Strafe fakultativ ist, wird sie verpflichtend.“
Von einem betonten Wohlwollen gegenüber amtlichen Straftätern ist hier also ganz und gar nicht die Rede. Dass man ein Amt in der Kirche missbraucht, um Menschen in einer schwächeren Position Schaden zuzufügen ist also ganz und gar nicht als akzeptabel zu betrachten. Es ist dem CIC zufolge sogar besonders zu bestrafen. So etwas passt im guten Sinne hervorragend zum Jakobusbrief.
1. Lesung: Jes 35,4-7a
2. Lesung: Jak 2,1-5
Evangelium: Mk 7,31-37
Gedanken zur Woche 233-b, Dr. Matthias Martin
23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Immer wieder waren im Laufe der Geschichte mit erfolgten Umstürzen oder großen militärischen Siegen und etwaigen politischen Neuordnungen Hoffnungen verbunden, nun werde alles besser. Ja, es gibt die warnende Theorie, wonach mit dem Sieg einer revolutionären Bewegung gewissermaßen strukturell naive Hoffnungen verbunden seien, nun brächen paradiesische Zustände an.
Sollte es solche Hoffnungen bei der nominellen Durchsetzung des Christentums im Römischen Reich gegeben haben, so wurden diese bitter enttäuscht. Bekanntlich nutzte der oft „der Große“ genannte Konstantin seine gewonnene Machtposition aus, um grundsätzlich überall im Römischen Reich auch in kirchliche Belange hineinzuregieren. Dabei zeigte sich unleugbar im Laufe seines Lebens eine zunehmende Neigung, den Arianismus zu begünstigen. So war er der erste römische Herrscher, der Athanasius von Alexandrien in die Verbannung schickte. Ebenso spektakulär ist der Umstand einzustufen, dass dieser Konstantin sich auf dem Sterbebett durch einen arianischen und nicht durch einen nizänischen Geistlichen taufen ließ (siehe Gedanken zur Woche 85-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 127-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Sein nach innerdynastischen Auseinandersetzungen als Alleinherrscher hervorgehender Sohn Konstantius II. ging als besonders effizienter Bekämpfer von am trinitarischen Glaubensbekenntnis von Nicäa festhaltenden Gläubigen und da insbesondere betreffender Geistlicher in die Geschichte ein (siehe Gedanken zur Woche 44-b – 1. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 71-b – 18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 127-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Der letzte aus der konstantinischen Dynastie, Julian, oft mit dem Beinamen Apostata/der Abtrünnige versehen, versuchte dann überhaupt wieder das Heidentum durchzusetzen (siehe Gedanken zur Woche 145-b – TAGE DER WEIHNACHTSZEIT einschließlich ERSCHEINUNG DES HERRN (2023)). Dabei war er als Teil des offiziellen Reichskirchensystems aufgewachsen. Möglicherweise hatte die Brutalität der Mitglieder seiner Dynastie gegen andere Menschen einschließlich Familienangehörigen und Intrigen damals so wichtiger arianischer Bischöfe bei ihm Empörung aufkommen lassen, wofür dieses Christentum denn wirklich stünde.
Die Erfahrungen für Christen und gerade für die Anhänger des Glaubensbekenntnisses von Nicäa mit den Angehörigen des Konstantinischen Kaiserhauses waren also Warnung genug.
Möglicherweise hat dies mitgeholfen, dass das Buch der Apokalypse, die Geheime Offenbarung auf dauernd als biblische Schrift anerkannt wurde. Gerade in dieser Schrift wird ja vor Naivität in Hinblick auf weltliche Machthaber gewarnt. Letztlich wird deutlich, dass auch und gerade ein christlicher Kaiser kein Paradies auf Erden schafft. Derartiges war doch so etwas wie konstantinische Reichstheologie oder Reichsideologie gewesen.
Längst wird ja auch das erste zum Alleinherrscher im Römischen Reich aufgestiegene Mitglied dieser Dynastie, eben Konstantin „der Große“ recht kritisch betrachtet. Gerade in betont am trinitarischen Glauben, wie er im Glaubensbekenntnis von Nizäa formuliert wurde, festhaltenden Kreisen wird betont, wie wenig Konstantin dazu etwas zu verdanken wäre. Seine deutliche Hinneigung zum Arianismus wird im Sinne eigener Abgrenzung betont und darauf bestanden, dass man diesem gewissermaßen erfolgreichen Bürgerkriegsgeneral eben auch in Hinblick auf das nizänische Glaubensbekenntnis nichts zu verdanken habe. Dies wird immer wieder auch in Hinblick auf die Erstellung und Sicherung des Kanons der biblischen Bücher betont. Unterstützt wird man dabei von betont konfessionsunabhängiger Seite im so weiten Feld von Geschichtswissenschaft und Religionswissenschaft. Das bedeutet natürlich nicht, dass bestimmte Bereiche des Wirkens auch eines Herrschers wie Konstantin „des Großen“ nicht aufgeschlossenes Interesse verdienten. Man denke da nur an seine durchaus erfolgreiche Währungsreform. Natürlich kann hier auch seine breiter aufgestellte Reichsreform genannt werden, die gleichermaßen die westlichen wie die östlichen Gebiete des Reiches umfasste und eine Fortführung der diocletianischen Reichsreform bedeutete. Wegen der hierbei feststellbaren Kontinuität wird mitunter von so etwas wie diocletianisch-konstantinischen Reform bzw. Reformen gesprochen oder geschrieben. Dabei war dieser Diocletian bekanntlich ein offener Christenverfolger.
Aber eben auch nach so etwas wie der offiziellen Christianisierung des Römischen Reiches hörten die Probleme für Christen nicht auf. Dies verdeutlicht gerade das Leben und Leiden des auch als Kirchenlehrer anerkannten heiligen Johannes Chrysostomus. Ja sogar zu den Kirchenvätern und besonders zu den griechischen Kirchenvätern gezählt war dieser das Opfer führender Kreise des Oströmischen Reiches. Dabei waren diese doch offiziell längst „christlich“ geworden. Dabei ist der heilige Johannes Chrysostomus nur ein besonders prominentes Beispiel für ein christliches Opfer des angeblich doch so christlichen Oströmischen oder Byzantinischen Reiches. Ganze christliche Völkerschaften konnten Opfer oströmisch-byzantinischer Vernichtungspolitik werden. Das Schicksal von Ostgoten und der außerhalb Schlesiens lebenden allermeisten Vandalen (zu den Vandalen siehe eigens Gedanken zur Woche 189-b – 31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)) beweist dies (siehe Gedanken zur Woche 106 – 5. FASTENSONNTAG (2022)). Dabei ist eben zu bedenken, dass die Taufe, welche diese Menschen empfangen hatten, von der katholischen Kirche angeführt durch die Päpste ausdrücklich anerkannt wurde. Solche arianischen Christen anerkannten ja ausdrücklich Christus als göttliches Wesen an und stuften ihn keineswegs zu einem bloß sehr wichtigen Menschen herab. Dies wurde in der ostgotischen Kirchenkunst verdeutlicht (siehe Gedanken zur Woche 173-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Nachdem dann im Rahmen der wechselhaften Gotenkriege oströmische Truppen zum ersten Mal Rom von den Ostgoten erobert hatten, wurde dann rasch auch der erste Papst durch diese Invasoren aus dem Osten deportiert. Hatte es dazu Gelegenheit, so mischte das oströmisch-byzantinische Kaisertum sich anders als die vorhergehenden germanischen Herrscher auf der Apenninenhalbinsel und in Padanien wie Odoaker und Theoderich der Große betont unverfroren in die Belange und Amtsführung des Papsttums ein. Auch nach dem Ableben des brutalen Kaisers Justinian konnte ein Papst rasch Opfer oströmisch-byzantinischer Politik werden, wie insbesondere das Schicksal des heiligen Papstes Martin I. (Amtsantritt im Jahre 649) beweist (siehe Gedanken zur Woche 159-b - OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2023)).
Wohl nicht umsonst wurden germanischen Herrschern der Apenninenhalbinsel und Padaniens wie Odoaker und Theoderich in der christlichen Überlieferung bemerkenswerte Würdigungen zuteil. Über Odoaker wird überliefert, er habe ein besonderes Vertrauensverhältnis zum heiligen Severin gehabt, und dieser habe ihn zu seinem weiteren Vorstoß ausdrücklich ermutigt. Theoderich dem Großen wurde habsburgischerseits ein eigenes Standbild in der Innsbrucker Hofkirche, der Schwarzmanderkirche, errichtet. Das literarische Fortleben Theoderichs des Großen in der Nibelungensage ist wohl noch eigens etwas bekannt.
Das Verhalten oströmisch-byzantinischer Herrscher gerade auch gegenüber Bischöfen und Päpsten war da immer wieder wesentlich rabiater. Schon lange vor dem heiligen Papst Martin I. hatte es eben den durch den jeweiligen Papst in Rom ausdrücklich als Bischof bzw. Patriarch von Konstantinopel anerkannten heiligen Johannes Chrysostomus getroffen.
Sein Schicksal verdeutlicht, wie unchristlich auch die Politik eines angeblich „christlichen“ Imperiums sein konnte.
Dies verdeutlicht auf seine Weise auch das Leben und das Wirken des heiligen Petrus Claver mit dem besonderen Einsatz für versklavte Menschen in Hinblick auf das damalige spanische Imperium. Die Päpste hatten, was heute oft vergessen und verdrängt ist, wiederholt die umgehende Abschaffung der Sklaverei und damit verbunden eine umfassende Sklavenbefreiung gefordert (siehe Gedanken zur Woche 26-b – 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020) und Gedanken zur Woche Gedanken zur Woche 76-b – 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Auch sonst stießen Päpste schon vor dem 19. Jahrhundert immer wieder mit so etwas wie dem sich entwickelnden spanischen Staatsapparat zusammen. Auch hier war eben vieles nicht so, wie es in einem wahrhaft christlichen Sinne hätte sein sollen.
Gedanken zur Woche 232, Dr. Matthias Martin
22. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Der 1. September steht oftmals für einen Neubeginn, den Beginn eines neuen Zeitabschnittes. Ein neues Schuljahr wie auch ein neues Arbeitsjahr in Bereichen öffentlicher Verwaltung können beginnen. Natürlich beginnt mit dem Ersten überhaupt ein neuer Monat.
Innerkirchlich besitzt der 1. September dadurch eine besondere Bedeutung, dass an diesem Tag der WELTGEBETSTAG FÜR DIE BEWAHRUNG DER SCHÖPFUNG stattfindet. Schon im Jahre 1989 hatte in Person des Patriarchen von Konstantinopel Dimitirios der ranghöchste orthodoxe Kirchenobere weltweit die orthodoxe Welt und sogar die ganze Christenheit zum Gebet für die Schöpfung und zugleich zu Dankgebeten für sie aufgerufen.
Im Jahre 2015 wurde diese so wichtige Initiative durch Papst Franziskus aufgegriffen, indem er eben den 1. September als WELTGEBETSTAG FÜR DIE BEWAHRUNG DER SCHÖPFUNG in der katholischen Kirche einführte.
In seinem hierzu erlassenen Schreiben ( https://www.vatican.va/content/francesco/de/messages/cura-creato/documents/papa-francesco_20150806_lettera-giornata-cura-creato.html ) wies Papst Franziskus zum einen auf seine eigene Umweltenzyklika „Laudato si“ und zum anderen ausdrücklich auf den damals amtierenden Patriarchen Bartholomaios/Bartholomäus von Konstantinopel und dessen Vertreter Metropolit Ioannis von Pergamon hin. Ausdrücklich würdigte er, dass seiner eigenen Initiative der Einführung dieses neuen Weltgebetstages die Initiative des Patriarchates von Konstantinopel vorausging. Den Patriarchen von Konstantinopel würdigte er ausdrücklich als „geliebten Bruder“ und „Ökumenischen Patriarchen“. Die Bezeichnung eben als Ökumenischer Patriarch unterstreicht den Anspruch des Patriarchen von Konstantinopel, der Ranghöchste unter allen orthodoxen Patriarchen und anderen Kirchenoberen zu sein. Man braucht nicht theologischer oder kirchenpolitischer Experte zu sein, um zu realisieren, dass dies eine enorme Bedeutung gerade in den fortdauernden Auseinandersetzungen des Patriarchates von Konstantinopel mit dem russischen Patriarchat von Moskau besitzt. Im Falle dieses päpstlichen Schreibens ist umso bemerkenswerter, dass die päpstliche Würdigung für den konstantinopolitanischen Patriarchen und darüber hinaus für seinen Vertreter gleich zu Beginn des ganzen Schreibens zu finden ist. Dazu machte Papst Franziskus deutlich, dass seine in so enger Beziehung zum Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel stehende Initiative nicht so etwas wie eine Eintagsfliege, ein nur momentanes Ereignis sein solle. Er betonte, dass hiermit vielmehr eine Herausforderung für die ganze katholische Kirche verbunden sei, angefangen mit der päpstlichen Kurie in Rom.
Tatsächlich veröffentlichte Papst Franziskus auch in den folgenden Jahren jeweils eine Botschaft zu diesem WELTGEBETSTAG FÜR DIE BEWAHRUNG DER SCHÖPFUNG ( https://www.vatican.va/content/francesco/de/messages/cura-creato.index.html ). Als regelrecht brisant ist der Umstand zu bezeichnen, dass bereits im Jahre 2017 er eine gemeinsame Botschaft eben mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel Bartholomaios/Bartholomäus ( https://www.vatican.va/content/francesco/de/messages/cura-creato/documents/papa-francesco_20170901_messaggio-giornata-cura-creato.html ) publizierte. Im Jahre 2021 veröffentlichte er dann einen gemeinsamen Appell zusammen wiederum mit Patriarch Bartholomaios/Bartholomäus und dazu dem führenden anglikanischen Erzbischof Justin Welby von Canterbury ( https://www.vatican.va/content/francesco/de/messages/cura-creato/documents/20210901-messaggio-protezionedelcreato.html ). Der Erzbischof von Canterbury Welby und Papst Franziskus besuchten dann auch gemeinsam mit dem seinerzeitigen Moderator der offiziellen Nationalkirche Schottlands Iain Greenshields im Jahre 2023 die Republik Südsudan (siehe Gedanken zur Woche 150-b – 5. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Beide nichtkatholische Spitzengeistliche bewiesen auch sonst immer wieder ihren ehrlichen Willen zu Verständigung und guter Zusammenarbeit gerade mit der katholischen Kirche. Dies geschah auch in Hinblick auf solche Dauerbrenner wie den jetzt eher auf Sparflamme weiter köchelnden Nordirlandkonflikt und die ja nicht so gewalttätig geführte Diskussion um die Zukunft Schottlands. Dabei ging man seitens dieser bedeutenden nichtkatholischen Vertreter wiederholt auch gerne auf erkennbare Distanz zur offiziellen britischen Politik.
Seinerseits machte Papst Franziskus das Schicksal der Menschen in der Republik Südsudan und die möglichste Stabilität dieses Staatswesens zu einem besonderen persönlichen Anliegen.
In der Botschaft zum WELTGEBETSTAG FÜR DIE BEWAHRUNG DER SCHÖPFUNG am 1. September 2024 stellte Papst Franziskus den elementaren Zusammenhang von Glauben, Gebet und praktischem Tun, dem Verwirklichen der Nächstenliebe, heraus ( https://www.vatican.va/content/francesco/de/messages/cura-creato/documents/20240627-messaggio-giornata-curacreato.html ). In diese Richtung weist uns auch das Gebetsanliegen des Papstes für September 2024. Dieses lautet doch so eindringlich:
„Für den Schrei der Erde
Wir beten, dass jeder von uns den Schrei der Erde und der Opfer von Umweltkatastrophen und Klimawandel mit dem Herzen hört und sich persönlich verpflichtet, für die Welt, in der wir leben, zu sorgen.
In die Richtung der Verbindung von Glauben und praktischem Tun weist bekanntlich gerade der neutestamentliche Jakobusbrief. Dabei wird dieser grundsätzliche Zusammenhang schon in den ersten fünf Büchern der Bibel angesprochen. So trifft es sich um so besser, dass nach der derzeit üblichen Leseordnung an diesem Sonntag im Jahreskreis als Erste Lesung Verse aus dem Buch Deuteronomium und als Zweite Lesung Verse eben aus dem Jakobusbrief genommen wurden. Beide biblischen Schriften stehen ja für Anfang. Das Buch Deuteronomium bildet zusammen mit dem Buch Genesis, dem Buch Exodus, dem Buch Levitikus und dem Buch Numeri eben die Fünf Bücher Mose, den Pentateuch, auch genannt die Thora/Tora/Torah am Beginn dessen, was meist das Alte Testament und eher selten das Erste Testament genannt wird. Der Jakobusbrief wiederum kennt noch keinen sichtbaren Konflikt zwischen so etwas wie Judentum und einem sich erst noch entwickelnden Christentum. Ja, bekanntlich gibt es auch die Meinung, dieser Jakobusbrief sei die älteste Schrift dessen, was meist das Neue Testament und eben seltener das Zweite Testament genannt wird. Wie auch sonst, wenn es um biblische Schriften geht, gehen auch hier die geäußerten Datierungen und Interpretationen einschließlich Mutmaßungen über literarische bzw. inhaltliche Abhängigkeiten auseinander. Hier mag ein Spruch einfallen wie „Ein Bibelvers, 34 begründete Exegetenmeinungen“.
Auf jeden Fall werden diese genannten biblischen Schriften in der Regel von allen möglichen Gruppierungen, Denominationen oder Kirchen, die sich selber als „christlich“ bezeichnen, ausdrücklich als Teil der Bibel anerkannt. Der Jakobusbrief erfreut sich darüber hinaus auch bei manchen Menschen eigener Beliebtheit, die nicht aktive Mitglieder einer christlichen Konfession oder eines christlichen Gemeindeverbandes sind. Grund ist hierfür eben die im Jakobusbrief zu findende klare Betonung des Tuns guter Werke und das Eintreten für soziale Gerechtigkeit und das Meiden persönlichen Fehlverhaltens.
Dabei sollen gerade in unserer Zeit sich Katholikinnen und Katholiken nachhaltig darum bemühen, Gutes zu tun und Böses zu unterlassen. Mit dem Finger auf andere zu zeigen und bei sich selber gerne alles Mögliche und Unmögliche durchgehen zu lassen, schadet fortwährend der eigenen Glaubwürdigkeit. Die Ende 2021 in Kraft getretene Reform des kirchlichen Strafrechts und Worte von Papst Franziskus gerade gegen das Fehlverhalten von Klerikern bestätigen dies.
1. Lesung: Dtn 4,1-2.6-8
2. Lesung: Jak 1,17-18.21b-22.27
Evangelium: Mk 7,1-8.14-15.21-23
Gedanken zur Woche 232-b, Dr. Matthias Martin
22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Auch zu Beginn dieses Monats September steht der MONATLICHE GEBETSTAG UM GEISTLICHE BERUFE auf dem kirchlichen Programm. Der betreffende Samstag wird eigens auch als PRIESTERSAMSTAG bezeichnet.
Der MONATLICHE GEBETSTAG UM GEISTLICHE BERUFE kann dabei sowohl am betreffenden Donnerstag wie auch am Samstag begangen werden. Dies wird auch im Direktorium der Diözese St. Pölten für 2023/2024, Seite 30 betont, wobei hier auch die eigene Tradition des PRIESTERDONNERSTAGS und PRIESTERSAMSTAGS zumindest kurz angesprochen wird:
„Um das Gebet um geistliche Berufe zu fördern, wurde der „Priestersamstag“ als monatlicher Gebetstag in diesem Anliegen eingeführt. Verschiedene Gründe – darunter auch die Erfahrung, dass durch die Sonntag-Vorabendmesse der Priestersamstag leicht verdrängt wird – empfehlen es daher, für dieses Anliegen auch den „Priesterdonnerstag“ vor dem Herz-Jesu-Freitag vorzusehen. Die Wahl, ob Donnerstag oder Samstag bleibt nach einem Beschluss der Österreichischen Bischofskonferenz vom Frühjahr 1982 der einzelnen Pfarre überlassen, damit die besseren Voraussetzungen für die Beteiligung der Gemeinde berücksichtigt werden können. Da diese Wahlmöglichkeit besteht, wird darauf im Direktorium an beiden Tagen der einzelnen Monate hingewiesen.“
Man muss nun nicht Experte in kirchlichen Angelegenheiten sein, um so wissen, um welch ernstes Anliegen gerade in diesen Zeiten es sich bei der Frage nach geistlichen Berufungen handelt. Gerade in westlichen Ländern ist die Zahl der Priesterberufungen ja längst offenkundig und dramatisch eingebrochen. Eine parallele Entwicklung hat sich im Wesentlichen in Hinblick auf die Berufungen zu Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften hin ergeben. Hinzu kommt eine Austrittswelle aus solchen Gemeinschaften wie das oftmalige Verlassen der priesterlichen Tätigkeit seit den sechziger Jahren. Gerade der damalige Kardinal Joseph Ratzinger und dann eben Papst Benedikt XVI. hat das dramatische Ausmaß dieser Entwicklung bestätigt und betont, dass Vertuschen auch in diesem Bereich keineswegs eine Lösung ist. Inzwischen hat der Einbruch bei den Berufungen auch die Berufungen zu kirchlichen Tätigkeiten außerhalb der von Priesteramt und Ordensleben getroffen.
Hinzu kommt natürlich das immer wieder zutage tretende Fehlverhalten bis völlig skandalöse Verhalten kirchlicher Mitarbeiter bis in Spitzenränge hinauf. Gerade dies gilt es offen und ehrlich anzusprechen und nach Möglichkeit dagegen anzugehen. Dies kann umso mehr bewusst werden, da in dieser Woche nach dem derzeit meist verwendeten liturgischen Kalender eigens des Papstes und lateinischen Kirchenvaters Gregors I. gedacht wird, der auch ehrenvoll Gregor der Große genannt wird. Genau diesem als Kirchenlehrer und Heiligen verehrten Papst wird die Mahnung zugeschrieben „Besser ist, es gibt Skandal, als dass die Wahrheit zu kurz kommt.“ (siehe Gedanken zur Woche 128 – 23. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 3 – PALMSONNTAG (2020)). Das liegt auf einer Linie mit dem Wort aus dem Johannesevangelium (Joh 8,32), dass es die Wahrheit ist, die frei macht und nicht die Vertuschung (siehe Gedanken zur Woche 128 – 23. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Das Verächtlichmachen von Missbrauchsopfern und die Diskreditierung bis berufliche Vernichtung von Menschen, die das Fehlverhalten von Kirchenmitarbeitern bis hin zu solchen im Kardinalsrang kritisieren, ist schon rein praktisch betrachtet keine Lösung.
Zumindest auf dem Papier wurde dies etwa durch Papst Franziskus längst eingeräumt und gewissermaßen aktiv bestätigt. Die im Dezember 2021 in Kraft getretene Neuordnung von Buch VI über das kirchliche Strafrecht im CIC war bzw. ist da sehr deutlich. Dass im Fall des Falles auch Strafmaßnahmen gegen kirchliche Täter zu ergreifen sind, wird festgehalten und bestätigt. Dass etwa kumpelhaftes Verhalten gegenüber klerikalen Missbrauchstätern einschließlich Verantwortlichen für wirtschaftskriminelles Verhalten zumindest der Vergangenheit angehören soll, wird gerade in Canon/Kanon 1341 des solchermaßen reformierten CIC deutlich gemacht:
„Der Ordinarius hat den Gerichts- oder Verwaltungsweg zur Verhängung oder Feststellung von Strafen zu beschreiten, wenn er erkannt hat, dass weder auf den Wegen pastoralen Bemühens, besonders durch brüderliche Ermahnung, noch durch Verwarnung oder durch Verweis ausreichend die Gerechtigkeit wiederhergestellt, der Täter gebessert und das Ärgernis behoben werden kann.“
Eher allgemein lautet Paragraph 1 von Canon/Kanon 1311 in seiner jetzigen Form:
„Es ist das angeborene und eigene Recht der Kirche, straffällig gewordene Gläubige durch Strafmittel zurechtzuweisen.“
Dem folgt dann der umfangreichere Paragraph 2 dieses CIC-Canon/Kanons:
„Wem in der Kirche die Leitung zukommt, der muss das Wohl der Gemeinschaft und der einzelnen Gläubigen durch die pastorale Liebe, das Beispiel des eigenen Lebens, durch Rat und Ermahnung und, wenn erforderlich, auch durch die Verhängung oder Feststellung von Strafen, die stets unter Verwendung der kanonischen Billigkeit gemäß den Vorschriften des Gesetzes zu erfolgen haben, schützen und fördern. Dabei sind die Wiederherstellung der Gerechtigkeit, die Besserung des Täters und die Beseitigung des Ärgernisses vor Augen zu halten.“
Damit wird jeder Anspruch auf Willkürherrschaft wie deren Rechtfertigung durch kirchliche Obere ausdrücklich zurückgewiesen. Dies gilt eben erst recht in Hinblick auf in den letzten Jahren so gerne durchgeführte Ablenkungs- und Entlastungsangriffe zugunsten von Tätern mit ihren Seilschaften und gegen Opfer samt Menschen auf deren Seite sowie an den eigentlichen Vorkommnissen unbeteiligten Menschen. Ja, es wird mit der Forderung, Inhaber von Leitungsämtern sollten nicht zuletzt durch “die pastorale Liebe“ und „das Beispiel des eigenen Lebens“ wirken, an diese ein enorm hoher Anspruch gestellt. Diesen hohen Anspruch zu erfüllen sollten diese Amtsträger also zu erfüllen streben, anstatt auf gesellschaftlich oder kirchlich schlechter gestellte Menschen herabzublicken und zu versuchen, sich auf Kosten von Schwächeren zu profilieren und Tätern behilflich zu sein. Auch guten „Rat und Ermahnung“ erteilen zu können und dann auch zu erteilen, stellt eine enorme Herausforderung dar. Da gilt es ständig an sich selber zu arbeiten, in Hinblick auf das zwischenmenschlich-kommunikative Verhalten wie auch in Hinblick auf so etwas wie Sachkompetenz. Niemand geringerer als Papst Franziskus hat doch mehrmals öffentlich betont, dass es gerade im Klerus und allgemein bei kirchlichen Amts- oder Verantwortungsträgern schlechtes Verhalten gibt. Nicht zuletzt auch das Erarbeiten kirchenrechtlich-kanonistischer Sachkompetenz stellt da eine ernste Herausforderung dar. Ganz grundsätzlich gilt es dabei, eben immer so etwas wie Rechtssicherheit zu beachten und Willkür zu vermeiden. Im weltlichen Bereich spricht man gerne von Rechtsstaatlichkeit. Von den desaströsen Erfahrungen seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts muss dies als tatsächlich als sehr ernstzunehmende Herausforderung wahrgenommen und beherzigt werden. Offiziellen kirchlichen Amtsträgern wird gerade im CIC auch und gerade mit dem jetzt reformierten Strafrecht kein Blankoscheck ausgestellt. Dies geschieht aus sehr gutem Grund. Man denke da nur an das umfassend gegen die Opfer sexuellen wie anderen Missbrauchs gerichtete und für die Täter konzipierte Wirken prominenter (seinerzeitiger) Kardinäle wie Karl Lehmann, Joachim Meisner, Theodore McCarrick und Bernard Jan Alfrink (siehe Gedanken zur Woche 67-b – 14. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 93 – HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA und WELTFRIEDENSTAG (2022) und Gedanken zur Woche 99-b – 6. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Dabei waren solche Strippenzieher, die es selber bis zum roten Kardinalshut brachten, ganz generell für ihre sehr zielstrebige und eigentümlich effiziente Personal- und Medienpolitik bekannt. Mit einigen papierenen Änderungen ist das Problem betreffender Netzwerke alles andere als beseitigt.
Gedanken zur Woche 231, Dr. Matthias Martin
21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Folgt man der derzeit üblichen Leseordnung, so mag mancher etwas verwundert sein, vielleicht sogar schockiert, was im Rahmen des Sonntagsevangeliums nach Johannes zu vernehmen ist. Es herrscht doch sehr oft die verklärende Meinung, so etwas wie das Stereotyp vor, dass die Jünger Jesu im Neuen Testament ein Herz und eine Seele gewesen wären, dass unter ihnen eine beneidenswerte Harmonie geherrscht hätte. Mancher meint offensichtlich auch, bis zur Verhaftung Jesu von Nazarets in Jerusalem mit Anklage, Folterung und Kreuzigung sei dieser unentwegt auf spontane Zustimmung in der Bevölkerung gekommen. Nur gerade einmal übel gesinnte Cliquen hätten sich ihm widersetzt. Solchen hätten dann halt auch für sein nach weltlichen Maßstäben grausames und schockierendes Schicksal ab dem Gründonnerstag zu Jerusalem angezettelt. Mehr oder minder intensiv spielen bei solchen Vorstellungen der römische Statthalter Pontius Pilatus und beteiligte römische Soldaten irgendeine Rolle.
Für die Zeit vor Ostern weist nun dieses johanneische Sonntagsevangeliums in eine deutlich andere Richtung. Diese ist, was die Jüngerschaft Jesu und so etwas wie ein weiteres Sympathisantenumfeld betrifft weit weniger harmonisch als mancher denken mag. So können wir der neuen deutschen Einheitsübersetzung zufolge lesen „(Joh 6,60) Viele seiner Jünger, die ihm zuhörten, sagten: Diese Rede ist hart. Wer kann sie hören? (60) Jesus erkannte, dass seine Jünger darüber murrten, und fragte sie: … (66) Daraufhin zogen sich viele seiner Jünger zurück und gingen nicht mehr mit ihm umher. (67) Da fragte Jesus die Zwölf: Wollt auch ihr weggehen?“ Ja, in den an dieses Sonntagsevangelium folgenden Versen des Johannesevangeliums wird dann eigens herausgestellt, dass auch innerhalb dieses Zwölferkreises nicht eitel Sonnenschein herrschte: „(Joh 6,70) Jesus erwiderte: Habe ich nicht euch, die Zwölf, erwählt? Und doch ist einer von euch ein Teufel. (71) Er sprach von Judas, dem Sohn des Simon Iskariot; denn dieser sollte ihn ausliefern: einer der Zwölf.“
Auch sonst ist die Überlieferung bezüglich der Zeit vor Ostern in den vier Evangelien keine Geschichte von Harmonie und Makellosigkeit bei den Jüngern, keine glatte Heldengeschichte. Man denke hier an die bis zu dreifache Verleugnung durch Petrus nach der Verhaftung Jesu. Eine wiederholte Verleugnung durch Petrus wird dazu in allen vier Evangelien, also sowohl in den drei synoptischen Evangelien als auch im Johannesevangelium erzählt (Mt 26,57/58.69-75; Mk 14,53/54.66-72; Lk 22,54—62; Joh 18,15-18.25-27). Mancher mag hier spontan auch an die scharfe Zurechtweisung des Petrus durch Jesus und den Vorwurf, Judas Iskariot habe die Gelder der Kasse veruntreut, denken (siehe Gedanken zur Woche 199 – 2. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)).
Mit Disharmonie und menschlicher Unvollkommenheit geht es im Verlauf des Neuen/Zweiten Testaments nach Ostern weiter. Allein schon in dem so ganz kurzen Zweiten und Dritten Johannesbrief und dem Judasbrief ohne jeweilige Kapiteleinteilung finden sich drastische Aussagen. Wer mehr Zeit zum Lesen hat, mag sich diesbezüglich beispielsweise den Ersten und Zweiten Korintherbrief, den Galaterbrief, den Ersten Johannesbrief und die Apostelgeschichte zu Gemüte führen. Immer wieder werden da Unstimmigkeiten bis harte Konflikte in so etwas wie dem sich herausbildenden Christentum angesprochen.
Umso mehr ergab sich die Notwendigkeit einer disziplinären Ordnung und so etwas wie eventueller Strafmaßnahmen. Für rechtliche Regelungen mit der Möglichkeit, Strafmaßnahmen zu verhängen, steht exemplarisch die matthäische Gemeinderegel (Mt 18,15-17) (siehe Gedanken zur Woche 78-b – 25. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)).
Nicht umsonst gibt es die Meinung und wird betont, dass das Christentum von einer ganz frühen Zeit an eine eigene rechtliche Ordnung, eine einigermaßen effiziente Disziplin entwickelte. Es stellte sich ja alsbald heraus, dass auch Christinnen und Christen ihre nicht zuletzt moralischen Schwächen hatten. Fehlverhalten waren innerhalb der frühen Gemeinden festzustellen. Solches musste auch das Ansehen des Christentums in der breiteren Bevölkerung gefährden bis direkt beschädigen.
Umso verständlicher ist, dass die Lockerungen und Auslassungen im Kirchnerecht und dessen Anwendung in der Zeit seit mehr oder minder dem Zweiten Vatikanischen Konzil längst als unglücklich bis verheerend angesehen werden. Gerade die Päpste Benedikt XVI. und Franziskus haben sich in Hinblick auf eine Verbesserung betätigt.
So finden sich im gegenwärtigen CIC für die Lateinische Kirche sowohl Beuge-/Besserungsstrafen als auch Sühnestrafen. Hinzukommen mögliche Strafsicherungsmittel und Bußen.
Eigens wird zwischen Spruchstrafen und Tatstrafen unterschieden. Das Vorliegen solcher Tatstrafen ist eine Besonderheit lateinischen Kirchenrechts und eben des CICs. Dabei sind kirchenrechtliche Strafen in der Regel als Spruchstrafen gedacht.
So lautet Canon/Kanon 1314 des CIC in seiner gegenwärtigen Form:
„Die Strafe ist für gewöhnlich eine Spruchstrafe, sodass sie den Täter nur dann trifft, wenn sie verhängt ist; ist sie jedoch, wenn das Gesetz oder das Strafgebot das ausdrücklich festlegt, eine Tatstrafe, sodass sie von selbst durch Begehen der Straftat eintritt.“
In Canon/Kanon 1318 desselben Kodex wird festgehalten:
„Tatstrafen sollen nicht aufgestellt werden, es sei denn etwa für einzelne, arglistig begangene Straftaten, die ein schweres Ärgernis hervorrufen können oder denen durch Spruchstrafe nicht wirksam begegnet werden kann; Beugestrafen aber, insbesondere die Exkommunikation, dürfen nicht festgesetzt werden, außer mit äußerster Zurückhaltung und nur für Straftaten von besonderer Schwere.“
Grundsätzlich ist erst einmal jeder Beschuldigte als unschuldig anzusehen. Dieser Rechtsgrundsatz könnte von rechtsstaatlichen Verfahren her bekannt sein. So lautet Paragraph 1 des CIC-Canons/Kanons 1321:
„Jeder ist so lange als unschuldig anzusehen, bis das Gegenteil bewiesen ist.“
Zugunsten eventuell angeklagter Menschen spricht sich auch Paragraph 2 desselben Canons/Kanons aus:
„Niemand wird bestraft, es sei denn, die von ihm begangene äußere Verletzung von Gesetz oder Strafgebot ist wegen Vorsatz oder Fahrlässigkeit schwerwiegend zurechenbar.“
Das Verteidigungsrecht Angeklagten wird im Kirchenrecht wiederholt erwähnt. So wird in Canon/Kanon 1598 Paragraph 1 gefordert, dass bei einem kirchlichen Verfahren „das Verteidigungsrecht stets unbeeinträchtigt bleibt.“ In Canon/Kanon 1620 heißt es sehr deutlich u. a.:
„Ein Urteil leidet an unheilbarer Nichtigkeit, wenn:
7° einer Partei das Verteidigungsrecht verweigert worden ist“.
Es wird deutlich, dass sich auch Bischöfe und andere kirchliche Obere nicht willkürlich über das Verteidigungsrecht hinwegsetzen dürfen. So wird gleich zu Beginn des CIC-Canons/Kanons 1720 festgelegt:
„Meint der Ordinarius, dass auf dem Weg eines außergerichtlichen Strafdekretes vorzugehen ist, so hat er:
1° dem Beschuldigten die Anklage und die Beweise bekannt zu geben und ihm die Möglichkeit zur Verteidigung einzuräumen, …“.
Ausdrücklich wird das Vereidigungsrecht auch in Canon/Kanon 1342 Paragraph 1 angesprochen.
Nicht zuletzt steht bei kirchenrechtlichen Prozessen den Betroffenen laut Kirchenrecht ein Anwalt zu. So lautet Canon/Kanon 1481:
„§ 1. Einer Partei steht es frei, für sich einen Anwalt und einen Prozessbevollmächtigten zu bestellen; sie kann aber, außer in den Fällen der §§ 2 und 3, auch selbst klagen und sich verantworten, sofern der Richter nicht die Mitwirkung eines Prozessbevollmächtigten oder Anwaltes für notwendig erachtet.
§ 2. In einem Strafverfahren muss der Angeklagte stets einen Anwalt haben, der entweder von ihm selbst bestellt oder ihm vom Richter beigegeben ist.
§ 3. In einem Streitverfahren, bei dem es sich um Minderjährige oder um das öffentliche Wohl, ausgenommen Ehesachen, handelt, hat der Richter von Amts wegen für jene Partei einen Verteidiger zu bestellen, die keinen Beistand hat.“
1. Lesung: Jos 24,1-2a.15-17.18b
2. Lesung: Eph 5,21-32
Evangelium: Joh 6,60-69
Gedanken zur Woche 231-b, Dr. Matthias Martin
21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Wenn in einer Woche des Kirchenjahres sowohl der heiligen Monika und dann ihres Sohnes, des heiligen Augustinus, wie anschließend zum Anlass seiner Enthauptung des heiligen Johannes des Täufers und schließlich des heiligen Paulinus von Trier gedacht wird, so verdeutlicht dies schon sehr rasch den internationalen, ja weltweiten Charakter eben der katholischen Kirche. Dies passt natürlich sehr gut zum Begriff „katholisch“. Dieser steht doch für so viel wie allgemein, umfassend oder etwa universell.
Die heilige Monika und ihr Sohn, der heilige Augustinus, stehen von ihrer Herkunft her für den afrikanischen Kontinent. Dies wird noch veranschaulicht, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der heilige Augustinus manchmal auch Augustinus von Hippo genannt wird. Schließlich wirkte er jahrelang in dem im heutigen Algerien gelegenen Hippo Regius als Bischof. Dabei war er nicht der erste berühmte christliche Theologe aus dieser Gegend des sich in der Zeit des heiligen Augustinus zumindest im Westen allmählich auflösenden Römischen Reiches. Man denke hier nur an den so ganz außerordentlich bedeutsamen Tertullian und den heiligen Erzbischof Cyprian mit dem bezeichnenden Beinamen „von Karthago“. Dieser Stadt kam generell eine nicht zu leugnende Bedeutung in der Entwicklung des jungen Christentums zu. Synoden, die im westlichen Afrika gehalten und theologische Diskussionen, die dort stattfanden, wurden auch später noch zitiert. Allerdings war es nicht Karthago, sondern das im heutigen Ägypten gelegene Alexandrien, welches zu einem der drei ganz frühen Patriarchate aufstieg. Im westlichen Teil Asiens gelegen und bereits im Neuen/Zweiten Testament direkt erwähnt wurde diese Ehre jenem Antiochien zuteil, welche zur Vermeidung von Verwechslungen mit den zahlreichen Orten gleichen namens mitunter als Antiochien am Orontes bezeichnet wird. Und dann ist als ganz früher christlicher Patriarchensitz natürlich Rom. Damit verteilten sich diese drei besonderes altehrwürdigen Patriarchate jeweils auf die Kontinente Asien, Afrika und Europa. Das waren ja auch genau die drei Kontinente, welche den Menschen im Mittelmeerraum mit dem Heiligen Land an der östlicheren Küste mehr oder minder bekannt waren, und wo sich das Christentum in seiner Frühzeit auszubreiten begann. Auch die in der 21. Woche im Jahreskreis nach dem derzeit üblichen liturgischen Kalender besonders geehrten Heiligen verteilen sich grundsätzlich auf diese drei Kontinente. Da stehen eben Augustinus (von Hippo) und seine Mutter Monika für den afrikanischen Kontinent. Johannes der Täufer vertritt Asien und Paulinus von Trier steht seinerseits für Europa. Die besondere Stellung dieser drei Patriarchate Rom, Antiochien und Alexandrien wurden lange Zeit gerade durch römische Päpste verteidigt. Dies geschah aus mit in die neutestamentliche Zeit zurückreichenden historisch-theologischen Argumenten und gerade in Abwehr der rabiaten oströmisch-byzantinischen Kirchenpolitik mit ihrer immer wieder offen zutage tretenden Brutalität. Noch in jüngster Zeit wurde etwa seitens des derzeit ja sehr bedeutsamen orthodoxen Patriarchates von Moskau betont, dass der vergleichsweise späte Aufstieg des kirchlichen Sitzes von Konstantinopel eine politische Angelegenheit ohne biblische oder sonst wie ernsthafte theologische Verankerung war. Auch andere orthodoxe Patriarchate verhielten sich gerade in jüngster Zeit distanziert, ja recht kühl gegenüber dem halt seit langem seinerseits existierenden Patriarchensitz von Konstantinopel im jetzigen türkischen Machtbereich.
Auf der anderen Seite fand in den letzten Jahren der Umstand, dass der heilige Kirchenvater Augustinus zu einem Gutteil berberischer Abstammung ist, besondere Beachtung (siehe Gedanken zur Woche 74-b - 21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 90-b – 3. ADVENTWOCHE (2021)). Dies mag eigens das Interesse an Geschichte, Sprachen und Kultur(en) der Berber zu fördern und damit ganz allgemein etwas Geschichtsvergessenheit, kulturellem Desinteresse und Trivialisierung entgegenwirken. Als eigenen Zweig der Wissenschaften gibt es ja längst die Berberologie. Berbersprachen fanden in den letzten Jahren im nördlichen Afrika verstärkte Anerkennung. Auch dürfte sie sich durch Wanderungsbewegungen etwas nach Europa hinein ausgebreitet haben. In einem veröffentlichten Beitrag hieß es bereits „Von Ägypten bis Marokko: Faszination Berbersprachen“. Die den Berbern zugehörenden Tuareg erzielten immer wieder beachtliche militärische Erfolge. Sie sind aller Zerstückelungspolitik der Kolonialmächte mit Frankreich an der Spitze zum Trotze längst wieder ein gewichtiger poltisch-militärischer Faktor geworden. Das gilt natürlich gerade für ihr Hauptsiedlungsgebiet, welches durch die Kolonialpolitik in etwa auf die derzeit bestehenden Staaten Niger, Mali, Burkina Faso, Algerien und Libyen aufgeteilt wurde. Nach der international auf heftige Kritik gestoßenen westlichen Militärintervention unter französisch-britischer Führung ist Libyen längst auseinander gebrochen und hat im Rahmen seiner offiziell eh erst Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges gezogenen Grenzen als funktionierender Staat längst aufgehört zu bestehen. Gerade Mali wird weiterhin durch schwere innere Kämpfe erschüttert. Dort wie in Niger und Burkina Faso sind die örtlichen Handlanger der früher auch ganz offiziellen Kolonialmacht Frankreich in rascher Folge entmachtet worden. Vielleicht wird ja doch etwas in absehbarer Zeit aus einem eigenen Staat der berberischen Tuareg zumindest im nördlichen Teil des in seinen „künstlichen“ Grenzen durch die Kolonialmacht Frankreich geschaffenen Staates Mali. Dort gab es vor einigen Jahren bereits einmal kurzzeitig einen eigenen Staat Azawad. Dieser wurde dann erst einmal zerrieben mit Hilfe einer unheiligen Allianz aus Islamisten und so etwas wie offiziellen Handlangern Frankreichs. Aber auch hier gibt es eben kein „Ende der Geschichte“. Vielmehr stieß die französische Politik auch in westlichen Kreisen beizeiten auf Kritik bis Empörung. Von ungeteilter Zustimmung konnte und kann hier ehrlicherweise keine Rede sein. Dies gilt gerade auch für die katholische Kirche. Papst Pius X. und der Friedenspapst Benedikt XV. waren dort nicht die letzten prominenten Kritiker französischer Machtpolitik gewesen. Setzte sich der spätere Johannes XXIII. schon vor seiner Wahl zum Papst für Opfer dieser Politik ein, so kritisierten Kirchenvertreter dann offen die französische Vernichtungspolitik mit all ihren Grausamkeiten während des Algerischen Unabhängigkeitskrieges.
Der Abschluss von Konkordaten und anderen Vereinbarungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Ländern in Afrika wird längst von aufmerksamer Seite als so etwas wie eine Manifestation des Schwindens französischen Einflusses in seinen ehemaligen Kolonien und anderen bevormundeten Gebieten gesehen (siehe Gedanken zur Woche 108 – HOCHFEST von OSTERN (2022); Gedanken zur Woche 174-b -16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 202 – 5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 95-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Die weiteren Entwicklungen in Afrika verdienen mehr Aufmerksamkeit als ihnen in hiesigen Breiten bisher oft gewidmet wird. Bemerkenswerterweise hat inzwischen sogar die amtierende italienische Ministerpräsidentin heftige Kritik gerade an der französischen Afrikapolitik geübt.
Auf der anderen Seite verdient auch die Entwicklung in Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften, die sich ausdrücklich auf den heiligen Augustinus beziehen, Interesse. Da ist allein schon zu beachten, dass Augustiner-Chorherren etwas anderes sind als der Bettelorden der Augustiner. Gerade Ordensleute, ob sie nun Mönche im engeren Sinne sind bzw. einem Prälatenorden angehören, ob sie zu Bettelorden gehören, Regularkleriker, Mitglieder von Säkularinstituten oder Gesellschaften des apostolischen Lebens sind, sollen sich in besonders treuer Weise an den moralisch-ethischen Inhalten unverdorbener kirchlicher Überlieferung und damit verbundenen rechtlichen Regelungen orientieren.
Nicht umsonst wird eigens in Canon/Kanon 1320 des CIC passend zur Tätigkeit des heiligen Augustinus als Bischof festgehalten:
„In allem, worin die Ordensleute dem Ortsordinarius unterstehen, können sie von ihm mit Strafen belegt werden.“
In CIC-Canon/Kanon 573 (siehe Gedanken zur Woche 40-b – 3. ADVENTWOCHE (2020)) wird erklärt, dass es bei allen Instituten des geweihten Lebens darum geht, „im Dienste am Reich Gottes zur vollkommenen Liebe zu gelangen und, ein strahlendes Zeichen in der Kirche geworden, die himmlische Herrlichkeit anzukündigen.“
In Canon/Kanon 731 (siehe Gedanken zur Woche 149-b – 4. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)) heißt es mit Blick auf die Gesellschaften des apostolischen Lebens, dass es dort darum geht „nach Vollkommenheit der Liebe streben.“
Solches anzustreben ist wohl ganz im Sinne des heiligen Augustinus und mag über Standes- oder Berufsgrenzen hinweg Menschen guten Willens anregen.
Gedanken zur Woche 230, Dr. Matthias Martin
20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Die Fortsetzung der johanneischen Brotrede im Rahmen von in der Heiligen Messe an den aufeinanderfolgenden Sonntagen vorzutragenden biblischen Texten sollte nicht mit Desinteresse aufgenommen werden. Natürlich gibt es in der katholischen Gesamtkirche verschiedene liturgische Überlieferungen und Riten und damit in Zusammenhang eben auch verschiedene Kirchen eigenen Rechts. Zumindest wer aber in der derzeitigen Epoche der Kirchengeschichte mehr oder minder in einer Pfarrei oder etwa in einer Filialkirche mit dem üblichen nachkonziliaren Ritus und seiner Leseordnung mehr oder weniger zuhause ist, mag umso mehr mit wachem Interesse und aktivem Mitdenken dieses Aufeinanderfolgen der verschiedenen Versgruppen eben dieser Brotrede im sechsten Kapitel des Johannesevangeliums irgendwie aufgreifen. Dies gilt umso mehr, da das Johannesevangelium offiziell von nahezu allen sich irgendwie „christlich“ nennenden Kirchen, Konfessionen, Gemeindeverbänden, Splittergruppen oder Sekten und dergleichen als Teil ihrer „Bibel“ anerkannt wird. Zwar zeigen sich auch bei der unterschiedlichen Herangehensweise an das Johannesevangelium die enorme Spaltungsfreudigkeit und gar nicht so selten enormen Unterschiede in Glaubens- und Sittenlehre, in Theorie und Praxis zwischen irgendwie mehr oder minder als „protestantisch“ bezeichneten Gruppierungen. Das Johannesevangelium wird selbst aber zumindest in den allermeisten Fällen offiziell anerkannt.
Neben diesem ökumenischen bis allgemeinkulturellen Aspekt ist zu bedenken, dass in der katholischen oder römisch-katholischen Überlieferung gerade dieser johanneischen Brotrede zentrale Bedeutung für das Eucharistieverständnis zuerkannt wird. Diese johanneische Brotrede wird mitunter exegetisch als im Vergleich zu den drei synoptischen Evangelien vorgezogener eucharistischer Grundlagentext angesehen. Anders als die drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas und auch der Erste Korintherbrief (siehe in etwa Mt 26,26-29; Mk 14,22-25; Lk 22,15-22 und 1 Kor 11,22-25) weist das auch sonst so eigentümliche Johannesevangelium eben keinen eucharistischen Einsetzungsbericht beim letzten Abendmahl auf. Stattdessen finden wir ja dort die eigentümlichen Abschiedsreden (siehe Gedanken zur Woche 147 – 2. Sonntag im Jahreskreis (2023) und allgemein Gedanken zur Woche 164 – 6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)).
Mitunter geht damit auch bewusst die Formulierung oder Begründung eines Amtsverständnisses einher. Gerne wird dieses dann im Sinne einer betonten Bereitschaft zur Opposition bis hin zu einer Martyriumsbereitschaft namentlich gegenüber herrschenden Verhältnissen gesehen. Die Bereitschaft zu solchem Widerspruch wird dann von Jesus von Nazaret her umso mehr auf alle, die sich in seiner Nachfolge wähnen, ausgedehnt. Dies geschah und geschieht mehr oder minder intensiv gerade bezüglich kirchlicher Amtsträger und aller, die nach einem kirchlichen Amt streben.
Auf jeden Fall werden die im Johannesevangelium überlieferten Worte der Brotrede so eingeordnet, dass sie als sperrig, schwer verständlich bis hin als anstößig von bisherigen Jüngern Jesu aufgenommen wurden. Ja im weiteren Verlauf dieser johanneischen Darstellung ist zu lesen, dass sich viele Jünger von Jesus zurückgezogen hätten und nicht mehr mit ihm umhergezogen wären (Joh 6,66). Jesus habe demnach auch im eigenen Sympathisantenbereich den Konflikt nicht gescheut und sei dem Verlust bisheriger Gefolgsleute nicht aus dem Weg gegangen.
Dies kann als Ansporn, als regelrechter Anstoß verstanden und aufgegriffen werden, die Gesamtheit eigener Überzeugungen mit ihren Inhalten auch und gerade im Angesicht von Schwierigkeiten zu vertreten.
Die Verteidigung des sakramentalen Lebens wurde tatsächlich von ganz früher Zeit an ein wesentliches Anliegen in der Kirche. Später wurde dann auch ausdrücklich in Konzilien die Siebenzahl der Sakramente herausgestellt und ein betreffendes Bekenntnis dazu gefordert (siehe Gedanken zur Woche 83 – 30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 88 – 1. ADVENTSONNTAG (2021) und Gedanken zur Woche 223 – 13. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)). Durch das Erste wie das Zweite Vatikanische Konzil wurde dies bestätigt und bekräftigt.
Im Kirchenrecht ist gerade der Feier und jeweiligen Spendung der Sakramente umfangreicher Raum gewidmet. Diese sollen gegen Fehlentwicklungen und gegen jede Art von Missbrauch geschützt werden. In Hinblick auf die Allerheiligste Eucharistie dient dazu nicht zuletzt die Einrichtung des Tabernakels aus möglichst undurchsichtigem, festem Material mit einem sorgfältig zu verwahrenden Schlüssel (siehe Gedanken zur Woche 219-b – 9. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2024) und Gedanken zur Woche 220-b – 10. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). Eigens wird jede finanzielle Geschäftemacherei mit der Feier oder Spendung von Sakramenten in deutlichen Worten untersagt (siehe ebd.).
Überhaupt kommt auch hier dem kirchlichen Strafrecht eine sehr ernstzunehmende Bedeutung zu. So handelt TITEL III in TEIL II EINZELNE STRAFTATEN UND DIE FÜR SIE VORGESEHENEN STRAFEN des Buches VI im CIC mit den im Dezember 2021 in Kraft getretenen Erneuerungen im kirchlichen Strafrecht von den STRAFTATEN GEGEN DIE SAKRAMENTE. Dies umfasst dort die Canones/Kanones 1379 bis 1389.
Dabei fällt beim Durchlesen rasch auch einem Nichttheologen, einer Nichttheologin auf, dass betreffende Regelungen Ausdruck dogmatischer Positionen sind. Sie sind also von der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre als solches nicht zu trennen. Umso mehr sollte man sich bei der Betrachtung des Kirchenrechts im Allgemeinen und bestimmter kanonischer Regelungen im Besonderen vor jedem Rechtspositivismus hüten.
So lautet mit Canon/Kanon 1379 der erste aus dieser erwähnten Gruppe von Strafkanones des jetzigen CIC:
„§ 1. Die Tatstrafe des Interdikts oder, falls es sich um einen Kleriker handelt, auch der Suspension, zieht sich zu:
1° wer ohne Priesterweihe das eucharistische Opfer zu feiern versucht;
2° wer außer dem in can. 1384 genannten Fall, obwohl er die sakramentale Absolution nicht gültig erteilen kann, diese zu erteilen versucht oder die sakramentale Beichte hört.
§ 2. In den Fällen des § 1 können je nach Schwere des Delikts andere Strafen hinzugefügt werden, die Exkommunikation nicht ausgenommen.“
§ 3. Jeder, der einer Frau die heilige Weihe zu spenden versucht, wie auch die Frau, welche die heilige Weihe zu empfangen versucht, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu; ein Kleriker kann darüber hinaus mit der Entlassung aus dem Klerikerstand bestraft werden.
§ 4. Wer vorsätzlich demjenigen ein Sakrament spendet, dem der Empfang verboten ist, soll mit der Suspension bestraft werden, der andere Strafen nach can. 1336, §§ 2-4 hinzugefügt werden können.
§ 5. Wer außer in den Fällen der §§ 1-4 und des can. 1384 eine Sakramentenspendung vortäuscht, soll mit einer gerechten Strafe belegt werden.“
Dass es bei der Anwendung des Kirchenrechts „gerecht“ und nicht willkürlich zugehen soll, wird mit dem zuletzt zitierten Paragraphen dieses Canons/Kanons 1379 unterstrichen. Gegen Willkür sollte auch die Betonung eine Abwehr bilden, wonach die betreffende Exkommunikation als Tatstrafe dem Apostolischen Stuhl vorbehalten ist.
Insgesamt wird eine Verschachtelung kirchenrechtlicher Bestimmungen deutlich. So wird eben gleich zweimal auf Canon/Kanon 1384 verwiesen, der in der gegenwärtigen Form auf Deutsch lautet:
„Ein Priester, der gegen die Vorschrift des can. 977 handelt, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu.“
Der hier angeführte Canon/Kanon 977 verdeutlicht, welche Wichtigkeit der Sexualmoral und da eigens einer damit verbundenen und im Klerus zu beachtenden Disziplin zugemessen wird:
„Die Absolution des Mitschuldigen an einer Sünde gegen das sechste Gebot des Dekalogs ist ungültig, außer in Todesgefahr.“
Die Strafbestimmungen des Canons/Kanons 1336 kommen auch sonst wiederholt ins Blickfeld.
1. Lesung: Spr 9,1-6
2. Lesung: Eph 5,15-20
Evangelium: Joh 6,51-58
Gedanken zur Woche 230-b, Dr. Matthias Martin
20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Es ist immer wieder würdig und recht, sich des heiligen Papstes Pius X. mit seinem Pontifikat von 1903 bis 1914 zu erinnern. Wenn sich sein eigener Gedenktag auf einem liturgischen Kalender für die betreffende Woche im Jahreskreis befindet, ist dies natürlich ein besonders deutlicher Anstoß. Die Erinnerung an Papst Pius X. und die Beschäftigung mit ihm und seinem Wirken braucht dabei beileibe nicht auf eine eingegrenzte Zeit während des Jahres beschränkt sein. Der heilige Pius X. war und ist tatsächlich im besten Sinn „ein Mann für alle Jahreszeiten“.
Selbst in ganz kurzen Beiträgen kann man interessante Hinweise auf sein vielfältiges Wirken als ranghöchsten Repräsentanten der katholischen Kirche hier auf Erden finden. So machte er sich um so unterschiedliche Bereiche wie die Pflege und Erneuerung der Kirchenmusik und die Intensivierung des eucharistischen Lebens in der Kirche verdient. Letzteres ging einher mit seiner kinderfreundlichen Ausrichtung, die er, wie es seine Art war, mutig vertrat. Die Ermutigung zur Frühkommunion in der Lateinischen Kirche verdeutlichte die Bedeutung, welche Sankt Pius X. diesen „Kleinen“ im Allgemeinen und im innerkirchlichen Leben im Besonderen zumaß. Damit näherte er übrigens die Praxis in der Lateinischen Kirche auch etwas der in den Ostkirchen kann. Dort ist ja üblich, dass die heilige Kommunion unmittelbar nach der Taufe gespendet wird. Dabei zeigt sich allerdings auch in diesem Zusammenhang, dass die Katholischen Ostkirchen verschiedenen liturgischen Überlieferungen entstammen und verschiedene Kirchen eigen Rechts innerhalb der katholischen Weltkirche bilden. Deren Existenz zu verteidigen und ihr Wohlergehen zu unterstützen, ist ganz im Sinne eben auch des heiligen Papstes Pius X.
Im jetzigen CCEO, dem KODEX DER KANONES DER ORIENTALISCHEN KIRCHEN oder CODEX CANONUM ECCLESIARUM ORIENTALIUM wird diesem Umstand umfassend Rechnung getragen. Dies gilt auch für den Zusammenhang des Empfangs der Taufe, der Salbung mit dem heiligen Myron, wobei letztere eben auch als Firmung bezeichnet wird, und der (ersten) heiligen Kommunion. Im Sinne dieser Vielgestalt bei den Katholischen Ostkirchen lautet Canon/Kanon 710 des CCEO:
„Hinsichtlich der Teilnahme von Kindern nach der Taufe und der Salbung mit dem heiligen Myron an der Göttlichen Eucharistie müssen unter Anwendung von geeigneten Vorsichtmaßnahmen die Vorschriften der liturgischen Bücher der eigenen Kirche eigenen Rechts gewahrt werden.“
Auch außerhalb eines engeren kirchlichen Bereichs wird nicht zuletzt sein Einsatz für die Pflege und eine richtig verstandene Erneuerung des Kirchenrechts gewürdigt. Dies führte dann bekanntlich zum ersten CIC als einer umfassenden Zusammenstellung kirchenrechtlicher Normen. Weniger bekannt ist wohl sein Eintreten für die Philosophie und die damit verbundenen Bemühungen, diese in der Kirche zu fördern, anstatt sie beiseite zu schieben oder gar offiziell für minderbedeutend zu bezeichnen. Wie gesagt, der heilige Papst Pius X. war ein mutiger Mann. Dabei galt natürlich auch für ihn „Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst die niemand kann“.
Dies wird bei seinem Einschreiten gegen das, was oft mit dem Begriff „Modernismus“ mehr oder minder zusammenfassend bezeichnet wird, deutlich. Ein oft übersehener Aspekt ist dabei, dass auch die Auseinandersetzung um den Modernismus und insbesondere die Frage, wieweit der Apostolische Stuhl gegen als modernistisch oder modernismusfreundlich eingestufte Bischöfe vorgehen dürfe, ein Schauplatz der Auseinandersetzung zwischen nicht so willfährigen Katholiken und dem französischen Staat war. Die auch unter Einsatz des Militärs etwa gegen Ordensschwestern betriebene Einmischung des französischen Staates erstreckte sich in aller Brutalität auf alle möglichen Gebiete. Die Auseinandersetzungen zur Zeit Pius X. stellten die Fortführung der Übergriffe französischer Monarchen seit dem Mittelalter und der Verfolgungen während der Französischen Revolution dar. Schon vor dem unter Pius X. wieder einmal eskalierenden Konflikt zwischen französischem Staat und katholischer Kirche galt das Festhalten an einer nichtfranzösischen Sprache als Zeichen nicht nur von Mut, sich französischer Politik zu widersetzen, sondern gerade auch von so etwas wie Treue zur Kirche. Dies zeigt sich etwa in der Geschichte so unterschiedlicher Gebiete wie der Bretagne und Elsass-Lothringens.
Der Mut Pius X., auch die Auseinandersetzung mit der damaligen französischen Supermacht zu führen, wird von den einen als besonders vorbildlich und mutig angesehen. Dies kann nicht zuletzt gefördert werden durch eine eigene Opposition gegen die brutale französische Kolonialpolitik. Anders gesinnte Menschen, die auch heutzutage Verständnis bis besonders blutrünstige Sympathie für betreffende Gemetzel und Entrechtungen gerade an Menschen dunkler Hautfarbe haben, finden die Kritik Pius X. an der französischen Politik ihrerseits nicht gut. Dies kann bis zu regelrechten Wutanfällen gehen, Pius X. habe sich boshafterweise gegen ein europäisches Regime gestellt und damit nicht zurecht ein Täterregime kritisiert, sondern selber eine ungeheuerliche Beleidigung gegen Frankreich, dessen Freunde und Verbündete begangen und so weiter.
Der Skandal um die das Christentum ganz grundsätzlich verhöhnende Eröffnung der diesjährigen Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris verdeutlicht, wie schwierig das Verhältnis zum französischen Staat auch heutzutage ist. Mit seiner demonstrativen Begeisterung für diese Verhöhnung und sich sofort daran anschließende weitere Herabwürdigungen von Christinnen und Christen und ihnen freundlich gesinnten Menschen aus anderen Religionen machte der französische Staatspräsident klar, dass auch hier wieder kein einfacher „Ausrutscher“ vorlag. Dabei hat die Eröffnungsdarbietung zu Paris auch in muslimischen Ländern für Empörung gesorgt. Dabei sollte ja nicht vergessen werden, dass Jesus im Islam ein besonders hochgeschätzter Prophet ist. seine irdische Mutter Maria wird ausgehend vom Koran in hohen Ehren gehalten. So ergriffen dann umgehend unterschiedliche islamische Länder mit scharfen Protesten gegen die Vorfälle in Paris die Gelegenheit, zum einen die Ehre Jesu zu verteidigen und zum anderen ihren Willen zur Zusammenarbeit mit Christen und christlichen Einrichtungen bis hin zum Heiligen/Apostolischen Stuhl zu betonen. Dies ließ sich sowohl im Bereich der sunnitischen wie der schiitischen Überlieferung stark beobachten.
Offensichtlich förderten diese Vorgänge auch das Interesse am Verhältnis von Papst Pius X. zu den Olympischen Spielen. So lautet gar auf Seite 1 der deutschen Ausgabe der offiziellen Vatikanzeitung L’OSSERVATORE ROMANO der Hinweis auf den betreffenden Artikel „Pius X. – ein Papst fördert die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit“ (Nummer 31/32/33 2024 (54. Jahrgang – 9. August 2024)). In dem Beitrag war u. a. zu lesen (deutsche Ausgabe des L’OSSERVATORE ROMANO, Jean-Benoît Harel – Vatican News. Der heilige Papst Pius X. und der Sport. Ein Papst fördert die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit. Ebd., Seite 10):
„Zwischen 1893 und 1903 förderte Giuseppe Sarto, der damalige Patriarch von Venedig, gerne die Regatten seiner Gondolieri in den Kanälen der Dogenstadt. Er stiftete sogar Preise für die Wettkämpfe. So förderte der Mann, der später zum Papst gewählt wurde und sich Pius X. nannte, bereits sportliche Aktivitäten und verachtete keineswegs körperliche Betätigung …
Der Heilige ist der erste Papst, der die Institution der modernen Olympischen Spiele förderte …
Bereits 1904 beschloss Pius X., eine Olympiade im Vatikan mit olympischen Wettkämpfen zu veranstalten, >im Belvedere-Hof, für einen athletischen Sprintwettkampf in den vatikanischen Gärten, ein 100 Kilometer langes Radrennen durch die Straßen von Rom oder einen 20-Kilometer-Lauf< …“.
Es wird betont, dass der Papst auch hierbei von seinem loyalen Staatssekretär Merry del Val unterstützt wurde. Damit wurde auch die Eigenständigkeit des Vatikans herausgestellt. Spätere Päpste folgten ihm darin. Die Abgrenzung von dem neuen und durch blutige Kriege aufgerichteten italienischen Staat hatte der spätere Papst Pius X. seinerseits schon als Patriarch von Venedig praktiziert. Auch dieser Aspekt seines so vielfältigen Wirkens verdient es, mit stärkerer Aufmerksamkeit bedacht zu werden.
Gedanken zur Woche 229, Dr. Matthias Martin
19. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Ein Text wie die gerne so genannte johanneische Brotrede kann auch in einer Ferienzeit geeignet sein, Menschen guten Willens aufzurütteln und sie zu etwas Gutem anzuregen in Gedanken, Worten und Werken. Nicht umsonst werden die verschiedenen Abschnitte dieser johanneischen Brotrede nach der derzeit meist verwendeten Leseordnung eben in diesem Jahr während der für viele Ferienzeit darstellenden Zeit von Juli bis August als Sonntagsevangelien nahegebracht. Überhaupt zeichnet sich das Johannesevangelium ja durch eine immer wieder deutliche bis scharfe Sprache aus. Dabei steht es mit all seinen Eigenheiten aber keineswegs in einem grundsätzlichen Gegensatz zu den drei synoptischen Evangelien, eben den Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas.
Denken wir hier nur an so markante Stellen wie die matthäische Erzählung von der Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten und dem Kindermord in Bethlehem (Mt 2,13-18 bzw. 2,13-23). Da wird schon an dieser so weit vorne im Matthäusevangelium zu findenden Stelle ein konfrontativer Stil geboten, der mitunter so gerne als typisch für das Johannesevangelium bis insgesamt für die johanneischen Schriften des Neuen/Zweiten Testamentes angesehen wird. Oder denken wir an das Gleichnis vom Jüngsten Gericht weiter hinten im Matthäusevangelium (Mt 25,31-46). Da geht es ja auch wiederum nicht um Beschwichtigung, sondern in scharfen, ja drohenden Worten wird zum eifrigen Tun guter Werke aufgefordert, unabhängig etwa von jeweiligen politischen Gegebenheiten und Strömungen eines Zeitgeistes. Dazu passt eigens lukanisches Sondergut wie das berühmte Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37 oder 10,30-35/36). Scharf ist eigens die Formulierung des Gleichnisses vom reichen Gutsherren, das ebenfalls lukanisches Sondergut darstellt (Lk 12,16-21 bzw. 12,13-21). Heftig geht es dann auf seine Weise nicht zuletzt auch im ebenfalls lukanisches Sondergut darstellenden Gleichnis vom reichen Mann und dem armen Lazarus zu (Lk 16,19-31). Dabei möge man sich natürlich vergegenwärtigen, dass der dort erzählerisch-gleichnishaft vorgestellte Lazarus nicht der Lazarus ist, der laut Johannesevangelium von Jesus von den Toten auferweckt wurde (Joh 11,1-46). Dieses heiligen Lazarus wird gerne gemeinsam mit seinen beiden Schwestern Maria und Marta gedacht. Dabei ist in diesem Zusammenhang natürlich zur Unterscheidung zwischen den verschiedenen Frauen im Neuen/Zweiten Testament zu mahnen, die jeweils „Maria“ genannt wurden und werden. Unnötiger Verwirrung sollte nicht zuletzt in Zusammenhang mit biblischen Texten möglichst entgegengewirkt werden.
Grundsätzlich aber geht es darum, nach Möglichkeit etwas Gutes zu tun. Jedes gute Wort wie jedes Gebet für einzelne Mitmenschen wie für Kirche und Menschheit in ihrer Gesamtheit haben ihren Wert. Wie auf einem langen Pilgerweg werden wir in den Schriften des Alten/Ersten und dann des Neuen/Zweiten in unterschiedlichen Formulierungen und sprachlichen Ausdrucksformen immer wieder hingewiesen, Gutes zu tun und Böses zu unterlassen. Die Verbindung von religiöser Aufrichtigkeit und dem Tun guter Werke wird auch im Kirchenrecht angesprochen. Dies zeigt sich sogar in dem mit Wirkung vom 8. Dezember 2021 erneuerten Strafrecht, welches das Buch VI innerhalb dieses CIC ausmacht. So lautet etwa Paragraph 1 von Canon/Kanon 1340 des CIC in seiner jetzigen Ausgabe:
„Eine Buße, die im äußeren Bereich auferlegt werden kann, ist die Auflage, irgendein Werk der Religion, der Frömmigkeit oder der Caritas zu verrichten.“
Mit diesen knappen Worten werden wir auf die ganze Breite und Tiefe religiösen Lebens im Sinne christlicher Überlieferung und eben nicht zuletzt auf das sozial-caritative Wirken hingewiesen. Gebet und Besinnung in ihren verschiedenen Ausgestaltungsmöglichkeiten wie auch die Sakramente und Sakramentalien sind besondere Schätze dieser Gesamtüberlieferung. Allein schon die so geraffte Aufzählung der sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit und der sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit mögen dauernde ermutigende Anregungen bieten. Diese stellen ja so etwas wie die Zusammenfassung in einem Telegrammstil von sich über das Alte/Erste und das Neue/Zweite Testament hinziehenden durchaus vielfältigen Aussagen dar. Dass sich die Zugehörigkeit zur Kirche gerade in der engagierten Hilfe für Notleidende zu erweisen hat, ist ein herausragendes Anliegen von Papst Franziskus. Um dies wahrzunehmen, bedarf es keiner eigenen theologischen, philosophischen oder vielleicht sozialwissenschaftlichen Ausbildung. Dabei sind eben die so knappen Worte der Auflistung der sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit und der sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit für sich schon ein die Zeiten überdauernder Wegweiser. So werden die sieben leiblichen Werke der Barmherzigkeit im modernen Deutsch etwa bezeichnet wie folgt:
„1. Die Hungrigen speisen.
2. Den Dürstenden zu trinken geben.
3. Die Nackten bekleiden.
4. Die Fremden aufnehmen.
5. Die Kranken besuchen.
6. Die Gefangenen besuchen.
7. Die Toten begraben.“
Da mag eben ganz spontan nicht zuletzt das matthäische Gleichnis vom Jüngsten Gericht wie das lukanische Gleichnis vom barmherzigen Samariter in den Sinn kommen. Manche und mancher mag natürlich auch an Verse etwa aus den alttestamentlichen Büchern Tobit und Jesus Sirach denken. Natürlich mag hier auch der Jakobusbrief mit seiner besonderen Verbindung von Altem und Neuem, von Erstem und Zweiten Testament in den Sinn kommen. Dort findet sich die so eindringliche und vertiefend vorgetragene Mahnung in ganz grundsätzlicher Form vor, dass der Glaube tot ist ohne die Werke. Nicht umsonst wird etwa auch in unserer Zeit gemeint, wer die Bibel lesen wolle, solle doch gut und gern eben mit dem Jakobusbrief anfangen.
Dabei besitzt auch die Auflistung der sieben geistigen Werke der Barmherzigkeit ihre Aussagekraft:
„1. Die Unwissenden lehren.
2. Den Zweifelnden recht raten.
3. Die Betrübten trösten.
4. Die Sünder zurechtweisen.
5. Die Lästigen geduldig ertragen.
6. Denen, die uns beleidigen, gerne verzeihen.
7. Für die Lebenden und für die Toten beten.“
Auch hierzu können wieder Bibelstellen in den Sinn kommen. Dass wir denen, die uns Unrecht getan haben, verzeihen sollen, auf dass auch wir von Gott Verzeihung erlangen, wird eigens im Vater unser/Vaterunser angesprochen. Barmherzigkeit unter den Menschen, Mitleid und Vergebungsbereitschaft zwischen ihnen wird in unserer Zeit von Papst Franziskus immer wieder angesprochen. Dazu passt ganz hervorragend sein Einsatz für das Bußsakrament, die heilige Beichte einschließlich für den Ablass unter Vermeidung von Missverständnissen, Verdrehungen und Verzerrungen. Dass man „die Unwissenden lehren“ soll, verdeutlicht auch in Zusammenhang mit diesen sieben geistigen Werken der Barmherzigkeit, wie wichtig und für die Kirche als Gemeinschaft in Raum und Zeit unverzichtbar so etwas wie Unterricht und Bildung ist. Gegen Unwissenheit anzugehen und die Kräfte der Vernunft zu pflegen ist ein im christlichen Sinne lobenswertes Unterfangen und ein gutes Handeln.
1. Lesung: 1 Kön 19,4-8
2. Lesung: Eph 4,30-5,2
Evangelium: Joh 6,41-51
Gedanken zur Woche 229-b, Dr. Matthias Martin
19. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich in Bistum/Diözese St. Pölten HOCHFEST von ST. HIPPOLYT (2024)
Wenn in einer Woche des Kirchenjahres nach dem jetzt mehr oder minder üblichen liturgischen Kalender eigens sowohl der heiligen Johanna Franziska von Chantal, des heiligen Hippolyt wie des heiligen Maximilian Kolbes gedacht und das Hochfest, das Fest I./Erster Klasse von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL gefeiert wird, so wird deutlich, wie spannungsreich und voller Herausforderungen das kirchliche Leben und überhaupt christliche Überlieferung ist. Dies gilt auch in Hinblick auf den Gedenktag des heiligen Stefan von Ungarn. Dieser sollte natürlich nicht mit seinem Namenspatron, eben dem heiligen Diakon und Erzmärtyrer der Kirche, Stefan, aus dem Neuen Testament in einen Topf geworfen werden. Auch sollten betreffende Kirchen wie der Stephansdom zu Wien und die vergleichsweise altehrwürdige Stephanskirche in Tulln nicht dem falschen Patron zugewiesen werden. Tatsächlich sind diese und andere Kirchen dem heiligen Stephanus aus dem Neuen/Zweiten Testament geweiht. Dieser ist tatsächlich der Patron des Bistums, der Diözese Passau. Dieses bzw. diese erstreckte sich über Jahrhunderte weit nach Osten und gewann in der Missionierung etwa auch Ungarns und damit für dessen Integration in so etwas wie das Abendland zentrale Bedeutung. Noch heute wird an Orten wie Krems und Tulln an der Donau Passau gerne das „Mutterbistum“ genannt. Auf diese Rückbindung legte man vor wenigen Jahren bei der Tausendjahrfeier in Tulln St. Stephan ebenso Wert wie dann auch wieder in Krems-Stadt, im sogenannten Dom der Wachau. Erst Kaiser Joseph II. reduzierte im Rahmen der Neugründung der Bistümer/Diözesen Linz und St. Pölten ganz erheblich die bis dahin noch vorhandene Ausdehnung eben des Bistums/der Diözese Passau. Die damaligen umfangreichen Enteignungen von Kirchengütern und andere Eingriffe in das kirchliche Leben wie überhaupt in das Leben der gewöhnlichen Menschen sind bis heute nicht ganz vergessen. Auch die Erhebung Wiens zum Erzbistum, zum Sitz eines Erzbischofs war ohne so etwas wie habsburgisches Staatskirchentum nicht zu denken.
Umso beachtlicher ist die ungebrochene Ausstrahlung des Wirkens der Diözese, des Bistums Passau mit seinem Patron, eben dem neutestamentlichen Stephan oder Stephanus. Dazu gehört eben auch, dass der berühmteste Täufling, dem je ein Vertreter des Bistums Passau die Taufe spenden konnte, eben auf den Namen des dortigen und damit heimischen Patrons getauft wurde. Auf diese Weise kam der berühmte König des christlichen Ungarn selber zum Namen Stephan. Später wurde dann eben auch er heiliggesprochen und betreffende Kirchen sind weiterhin dem neutestamentlichen Bistumspatron von Passau geweiht.
Genauso geht der Name der jetzigen Landeshauptstadt des so jungen Bundeslandes Niederösterreich und des Sitzes der schon etwas älteren Diözese St. Pölten eben auf den heiligen Hippolyt zurück. Die Behauptung oder das unbedachte bis böswillige Gerede, der Stadtname leite sich von „Leopold“ und irgendwie vom heiligen Leopold aus dem Geschlecht der immerhin mit den Kaiserhäusern der Ottonen und dann besonders der Salier und Hohenstaufen so eng verbundenen Babenberger sollte unterlassen werden und ist um der Wahrheit wie auch kirchlichen Glaubwürdigkeit willen ganz klar zurückzuweisen. Der Umstand, dass offensichtlich mitunter auch in örtlichem Schulunterricht falsche Behauptungen verbreitet werden, ist von Übel und sollte nicht noch gerechtfertigt oder unterstützt werden. Natürlich verdient auch das Wirken des heiligen Leopold Beachtung. Das damalige Kräftespiel zwischen den verschiedenen Geschlechtern im Reich, wie der Aufstieg eben der Babenberger und die Entwicklungen der Reichskirche waren keine einfache Angelegenheit. Nicht zuletzt war mehr als einmal umstritten, wer denn nun überhaupt der rechtmäßige Papst sei. Dabei hatte etwa der sich Clemens III. nennende Wibert von Ravenna ja durchaus starke Argumente auf seiner Seite (siehe Gedanken zur Woche 61-b - PFINGSTMONTAG und 8. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 64-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 73-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Vermeintlicher Lokal- oder Regionalpatriotismus oder wie immer man sagen will, darf nicht als Entschuldigung oder gar offensive Rechtfertigung für die Verbreitung von unwahren Behauptungen akzeptiert werden.
Dabei weist uns die Zeit des heiligen Hippolyt wie die des heiligen Leopold darauf hin, dass es im Laufe der Kirchengeschichte manchmal gar nicht so einfach war, zu erkennen, wer denn nun der rechtmäßige Papst war. Sicher war Hippolyt nur der Vertreter einer ganz korrekt bei der Wahl des römischen Bischofs oder Papstes überstimmten Minderheit gewesen. Der zu seinem groben Unwillen gewählte Kallistos/Calixtus I. war ziemlich deutlich im guten Sinne gewählt worden, und die große Mehrheit der römischen (Orts-)Kirche stand hinter ihm und eben beileibe nicht hinter Hippolyt. Dies setzte sich unter den beiden Nachfolgern des Kallistos/Calixtus I. in seiner Amtslinie fort, eben Urban I. (Amtszeit schätzungsweise 222-230) und Pontianus (Amtszeit wohl 230-235).
Das Wirken des Hippolyt als Theologe blieb aber durchaus geschätzt. Wohl gerade in Anerkennung seines Rücktritts von der Position eines Gegenbischofs oder Gegenpapstes wie seines Leidens und Sterbens als Opfer der damaligen Christenverfolgung hat man ihm in der Kirche auch den Status als Heiligen zuerkannt. In Hinblick auf die Frage, ob jemand höheren bis gar etwa senatorischen Standes eine Sklavin bzw. einen Sklaven heiraten dürfe, ist die katholische Kirche ihm aber wiederum nicht gefolgt (siehe Gedanken zur Woche 72-b – 19. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 85 – 32. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)). Der gewissermaßen Ausreißer Leos I. auch genannt Leo der Große, in die eherechtliche Richtung von Hippolyt hat dies in der Kirchengeschichte nicht verhindert. Die gegen die römische Sklavenhaltergesellschaft mit all ihrer Grausamkeit und dem dort staatlich legalisierten sexuellen Missbrauch gerichtete Entscheidung von Kallistos/Calixtus I. gilt heute bei manchem als eine besondere Ruhmestat, als eine der wirklich guten Seiten der Kirchengeschichte.
Dass es nicht ganz einfach in der Kirchengeschichte zugeht, verdeutlicht auch der Gedenktag der Johanna Franziska von Chantal. Zum einen ging sie als erfolgreiche Ordensgründerin in die Geschichte ein. Zum anderen wurde und wird das Wirken von Frauen, die sich für ein Leben in Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften entschieden haben, aber immer wieder auch von Kirchenleuten geringgeachtet, ja werden solche Frauen mit Geringschätzung bis Verachtung behandelt. Der Gedenktag einer Heiligen wie eben der heiligen Johanna Franziska von Chantal sollte ein Ansporn sein, umso mehr gegen jede schlechte Behandlung von Ordensfrauen einschließlich von Frauen in Gesellschaften des apostolischen Lebens und in Säkularinstituten beharrlich und konsequent anzugehen. Das abfällige Reden und Machen unqualifizierter Witze nicht zuletzt durch Priesterseminaristen und bereits geweihte Amtsträger ist nicht lustig, sondern von Übel. Vom abfälligen Reden war es gerade in der jüngeren oder jüngsten Vergangenheit dann oft kein weiter Weg mehr zu sexuellen Übergriffen nicht zuletzt durch männliche kirchliche Amtsträger. Vor dem Hintergrund der gerade seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil so systematisch betriebenen Vertuschung sexuellen Missbrauchs durch kirchliche Obere mit all der damit verbundenen Ermutigung und Förderung für die Täter sollte man da lieber das offensichtliche Wirken des heiligen Franz von Sales aufgreifen. Dieser als Kirchenlehrer anerkannte Begleiter und Partner der heiligen Johanna Franziska bei der Ordensgründung war offensichtlich kein Vertuscher und Kumpel für Missbrauchstäter. Dabei musste er selber Schlimmes ertragen. Als Bischof von Genf konnte er nicht in seiner Bischofsstadt wirken. Dort wurden die katholische Kirche und auch andere religiöse Richtungen wie etwa die sich unter sich ausdifferenzierenden Nichttrinitarier durch die calvinistischen Machthaber ganz offiziell verfolgt. Obwohl der heilige Franz von Sales eh nicht in seiner Bischofsstadt Genf auftrat, versuchten ihn Calvinisten zu ermorden. Der selber als Heiliger verehrte treue Weggefährte der heiligen Johanna Franziska von Chantal ließ sich aber auch davon nicht einschüchtern. Vielmehr ging er geradlinig seinen Weg weiter, in Liebe zu Gott und den Menschen.
Das mag uns auch ermutigen, uns gegen Übertreibungen und wirre Fehlinterpretationen in Hinblick auf das Hochfest/Fest I. Klasse von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (siehe Gedanken zur Woche 177-b – 19. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2023)) klar abzugrenzen.
Gedanken zur Woche 228, Dr. Matthias Martin
18. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Der Sonntag ist der seit ganz früher Zeit verbürgte Tag des Gottesdienstes, der religiösen Feier für Christinnen und Christen. Schon in den Zeiten der noch nicht so systematischen Christenverfolgungen im Römischen Reich war es auch für ihre Gegner erkennbar, dass sich eben Christinnen und Christen am Sonntag zum Gottesdienst versammelten. Der gesetzliche Schutz des Sonntags gehörte dann zu den Wünschen der christlichen Gemeinschaft, als diese allmählich an Einfluss im öffentlichen Leben gewann. Bekanntlich wird etwa auch das höchste christliche Fest, OSTERN, an einem Sonntag gefeiert. Auch das Hochfest des Heiligen Geistes, PFINGSTEN, wird an einem Sonntag gefeiert. Wie es den so zentralen OSTERSONNTAG gibt, so gibt es dementsprechend auch den PFINGSTSONNTAG. Ihnen schließt sich jeweils als eigener Feiertag der OSTERMONTAG und der PFINGSMONTAG an. Deren Verteidigung und Pflege stellt auch in einstmals katholisch geprägten Ländern und Regionen eine eigene Herausforderung dar. Dann ist da natürlich auch noch das Hochfest der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, das ebenfalls an einem Sonntag gefeiert wird. Es ist dies natürlich der DREIFALTIGKEITSSONNTAG. Seltener sind die Bezeichnungen TRINITATIS und DREIEINIGKEITSFEST für dieses so wichtige Hochfest mit seinem gleichfalls Fixpunkt an einem Sonntag.
Diese in Kirchenrecht, Liturgie, sozialgesellschaftlichen Brauchtum bis in eher politische Verlautbarungen hinein überlieferte Bedeutung des Sonntags macht es sehr verständlich, dass in diesem Jahr 2024 der Portiunkula-Ablass sowohl am 2. August wie am darauffolgenden Sonntag erlangt werden kann. Wie der Name schon andeutete, geht dieser Ablass auf den heiligen Franz von Assisi zurück. Tatsächlich war es dieser über heutige konfessionelle Grenzen hinweg beliebte Heilige gewesen, welcher den damaligen Papst Honorius III. mit seinem Pontifikat von 1216 bis 1227 bat, allen Gläubigen, welche die Portiunkulakapelle nahe Assisi besuchten. Dieses Kirchlein hatte der Heilige aus Assisi kurz vorher aus Ruinen wiederaufgebaut. Welche Widerstände sich ihm auch immer entgegengestellt haben mögen, so setzte der heilige Franz von Assisi die Gewährung dieses von ihm erbetenen Ablasses durch. Im Laufe der Zeit wurde die Gewährung dieses Ablasses nach und nach auf weitere Kirchen der Franziskaner und dann der breiteren franziskanischen Ordensüberlieferung ausgedehnt. Papst Pius X. gewährte diesen Ablass auch für nichtfranziskanische Kirchen. Papst Paul VI. bestätigte dies ausdrücklich. Der heute oft als Vorbild für den Umweltschutz und als Patron für Tiere über Grenzen hinweg verehrte heilige Franz von Assisi gewann also auch eine enorme Bedeutung bei der Entwicklung des Ablasswesens. Die Portiunkulakapelle wird eben gerne auch als Wiege der Franziskaner, der franziskanischen Bewegung in all ihrer Vielfalt gesehen. Dazu ist vor dem Hintergrund traditioneller katholischer Religiosität zu bedenken, dass es sich bei diesem Kirchlein um ein der Mutter Jesu, Maria, geweihtes Gotteshaus handelt. Eine solchermaßen gegebene Verbindung von Wirken des heiligen Franziskus, Marienverehrung und Gewährung des Ablasses ist doch ganz bemerkenswert. Die Verbindung mit dem Umweltgedanken wird dadurch unterstrichen, dass Papst Franziskus vom heiligen Franz von Assisi her als Titel für seine eigene Umweltenzyklika den Ausdruck „Laudato si“ nahm. Diesen starken Bezug auf den heiligen Franziskus von Assisi betonte er auch eigens zu Beginn dieser Enzyklika ( https://www.vatican.va/content/francesco/de/encyclicals/documents/papa-francesco_20150524_enciclica-laudato-si.html ).
Für die heutige Praxis des Portiunkula-Ablasses ist eigens ein Blick in das Direktorium der Diözese, des Bistums St. Pölten für 2023/2024 interessant. Dort ist zu lesen:
„Der Portiunkula-Ablass kann am 2. August oder am darauffolgenden Sonntag (ab 12 Uhr des Vortages bis 24 Uhr des betreffenden Tages) in Pfarrkirchen oder Kirchen der franziskanischen Orden, jedoch nur einmal als vollkommener Ablass gewonnen werden. Voraussetzungen hierfür sind der Besuch einer dieser Kirchen, Sprechen des Glaubensbekenntnisses, Beten des Vaterunsers, sowie die üblichen Bedingungen, und zwar: Beichte mit entschlossener Abkehr von jeder Sünde, Kommunionempfang und Gebet in den Anliegen des Papstes (z. B. Vaterunser und „Gegrüßet seist du, Maria“ oder ein anderes Gebet nach freier Wahl). Die drei zuletzt genannten Bedingungen können mehrere Tage vor oder nach dem Kirchenbesuch erfüllt werden.“
Ausdifferenzierend heißt es dann zum Abschluss dieser Information:
„Fehlt die volle Disposition oder bleibt eine der Bedingungen unerfüllt, gewinnt man einen Teilablass.“
Der Blick auf den Portiunkula-Ablass ist allein für sich schon pastoral sehr wertvoll. Er weist uns die Wichtigkeit einer lebendigen Beziehung zur eigenen Pfarrgemeinde hin und kann bei geistiger Aufmerksamkeit verdeutlichen, wie wichtig es ist, sich um ein lebendiges Pfarrleben zu bemühen. Die Pflege des Gebetslebens ist gerade heutzutage in säkularisierten westlichen Gesellschaften aber gerade auch im östlichen Europa keine Selbstverständlichkeit. Der deutliche Hinweis auf das Beten und auf christliche Grundgebete ist umso wichtiger. Die ausdrückliche Erwähnung des Glaubensbekenntnisses mag unsere Aufmerksamkeit für die Inhalte des christlichen Glaubens wieder auffrischen. Der christliche Glaube und seine im Glaubensbekenntnis angesprochenen Inhalte sind eine Frage der persönlichen Entscheidung, die es immer wieder im guten Sinne zu erneuern gilt. Der christliche Glaube mit dem grundlegenden Bekenntnis der Allerheiligsten Dreifaltigkeit von GOTT VATER, GOTT SOHN und GOTT HEILIGEM GEIST sollte nicht als ein Museumsstück missverstanden und herabgewürdigt werden. Dazu gehört dann eben auch der in Aufrichtigkeit vollzogene Empfang der Sakramente wie der des Bußsakramentes und der heiligsten oder Allerheiligsten Eucharistie. Die Sakramente stellen Grundsäulen des Lebens der Kirche und überhaupt des Lebens der Christinnen und Christen dar. Nicht umsonst werden die Sakramente auch kirchliche Grundvollzüge genannt. Dies macht die Ordnung des Portiunkula-Ablasses eigenes wertvoll.
Die Priester mögen es gerade als ihre vornehme Aufgabe ernstnehmen, die Gläubigen nach besten Kräften zu den Sakramenten hinzuführen. Gerade für die Spendung des Bußsakramentes und der heiligsten Eucharistie wie der Krankensalbung ist der Priester zum Priester geweiht.
Welch ernste Verpflichtung es für einen Seelsorger ist, für ein gutes Beichtangebot zu sorgen und möglichst auf die Situation der jeweiligen Gläubigen Rücksicht zu nehmen, verdeutlicht Paragraph 1 von Canon/Kanon 986:
„Jeder, dem von Amts wegen die Seelsorge aufgetragen ist, ist zur Vorsorge dafür verpflichtet, dass die Beichten der ihm anvertrauten Gläubigen gehört werden, die in vernünftiger Weise darum bitten; des Weiteren, dass ihnen an festgesetzten Tagen und Stunden, die ihnen genehm sind, Gelegenheit geboten wird, zu einer persönlichen Beichte zu kommen.“
Paragraph 2 desselben CIC-Canons/Kanons schärft ein:
„In einer dringenden Notlage ist jeder Beichtvater verpflichtet, die Beichten von Gläubigen entgegenzunehmen, und in Todesgefahr jeder Priester.“
In Konzilsbeschlüssen und weiteren kirchlichen Verlautbarungen über die Jahrhunderte wie im Kirchenrecht wird, betont, dass derjenige der das Sakrament der Eucharistie feiert (siehe Canon/Kanon 900 des CIC von 1983 und CCEO-Canon/Kanon 699, insbesondere Paragraph 1), ein Priester oder eben ein Bischof ist. Ebenso wurde und wird unterstrichen, dass nur der gültig geweihte Priester das Bußsakrament (siehe Canon/Kanon 965 des CIC von 1983 und CCEO-Canon/Kanon 722, insbesondere Paragraph 1) und das Sakrament der Krankensalbung (siehe Canon/Kanon 1003 des CIC von 1983 und hier insbesondere Paragraph 1 sowie CCEO-Canon/Kanon 739, insbesondere Paragraph 1) spendet.
Dazu möge eine kirchliche Einrichtung wie der Portiunkula-Ablass auch wieder das unverfälschte Interesse am Ordensleben und die richtig verstandene Aufgeschlossenheit für Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften fördern. Man sollte heutzutage nicht vergessen, dass dies auch ein Anliegen des Zweiten Vatikanischen Konzils war. Dessen vorliegende Beschlüsse machen dies sehr deutlich.
1. Lesung: Ex 16,2-4.12-15
2. Lesung: Eph 4,17.20-24
Evangelium: Joh 26,24-35
Gedanken zur Woche 228-b, Dr. Matthias Martin
18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Der Weihetag der Basilika Santa Maria Maggiore in Rom verdeutlicht die eigenständige Stellung des Heiligen, des Apostolischen Stuhles in der internationalen Gemeinschaft. Schließlich gehört diese päpstliche Basilika zu den exterritorialen Besitzungen des Heiligen Stuhles. Diese Gegebenheiten haben gerade in jüngster Zeit eine bemerkenswerte Stabilität gezeigt. Dies ist umso bemerkenswerter, da ansonsten in den internationalen Beziehungen wie auch innerhalb der Europäischen Union immer wieder bemerkenswerte Veränderungen bis längerfristige Entwicklungen festzustellen waren. Eine eben noch im Europaparlament der Europäischen Union/EU vorhandene Fraktion kann alsbald schon wieder verschwunden sein.
Auch wenn das mangelnde Interesse in unseren Breiten zu bedauern ist, ist so doch der fortschreitende Ausbau diplomatischer Beziehungen seitens Staaten, die erst nach dem Zweiten Weltkrieg gerade infolge der Auflösung großer Kolonialreiche wie allen voran denen Großbritanniens und Frankreichs ihre Unabhängigkeit erlangten, bemerkenswert. Natürlich verdienen auch die betreffenden Vorgänge in Zusammenhang der niederländischen, belgischen, portugiesischen und spanischen kolonialen Herrschaftsverhältnisse eigene Beachtung. Ein sehr wichtiges Phänomen stellt natürlich der Zerfall der einstigen Sowjetunion, des früheren Jugoslawiens und der nach 1990 bereits zum zweiten Mal zerfallenen Tschechoslowakei dar. Ebenfalls nicht vergessen werden sollten die Rückzugsbewegungen dänischer Herrschaft wie die bitter erkämpfte Unabhängigkeit Eritreas von Äthiopien, die des Südsudans vom arabisch orientierten Sudan und die von Osttimor/Timor-Leste.
Hier wie dort lässt sich feststellen dass der Heilige Stuhl zu einem besonders frühen Zeitpunkt diese neuen bzw. wiederhergestellten Staaten anerkannt hat. In bestimmten Fällen unterhielt er eigens seit dem II. Weltkrieg diplomatische Beziehungen zu antisowjetischen Exilregierungen.
Im Laufe der Jahre nach 1990/91 kam es dann zu eigenen Aufwertung bis Neugründung Katholischer Ostkirchen. Diese hatten ja gerade nach Ausgang des Zweiten Weltkrieges oft furchtbares erlitten. Auch mancher „katholische“ Kirchenvertreter hatte seinerseits eine üble Rolle gespielt. Immerhin wandte sich dann alsbald nach seiner Wahl zum Papst Johannes Paul II. mit Aufgeschlossenheit der Ukrainisch-Katholischen Kirche zu. Eine erste Phase des Wiederaufbaus nach der diese unierte Kirche fallenlassenden Ostpolitik Pauls VI. mit eigener Stärkung in auswärtigen Flucht- und Auswanderungsgebieten konnte beginnen. Die griechisch-katholische Kirche der Ukraine oder ukrainische griechisch-katholische Kirche oder Unierte Kirche der Ukraine ist längst als größte der Katholischen Ostkirchen anerkannt.
Der oft als zu diplomatisch kritisierte Benedikt XVI. erhob im ersten Jahr seines Pontifikates, 2005, die in der kommunistischen Herrschaftszeit mit dem Ziel der völligen Vernichtung verfolgte Rumänische griechisch-katholische Kirche, auch genannt die Rumänisch-Unierte Kirche wie auch Unierte Kirche, zur großerzbischöflichen Kirche. Er wertete dann im Jahre 2008 die ebenfalls von den Kommunisten gerade mit britischer Ermutigung und Rückendeckung so brutal verfolgte Griechisch-Katholische Kirche in der Slowakei, auch genannt die Slowakisch-Unierte Kirche wie auch Unierte Kirche der Slowakei zur metropolitanen Kirche auf (siehe Gedanken zur Woche 133-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Die bei aller Bedrängnis in der kommunistischen Herrschaftszeit offiziell nicht verbotene Ungarische griechisch-katholische Kirche oder Ungarisch-Unierte Kirche oder auch Griechisch-Katholische Kirche in Ungarn wertete Papst Franziskus 2015 zur metropolitanen Kirche auf. Im selben Jahr schuf er kirchenrechtlich gesehen als metropolitane Kirche eigenen Rechts neu die Eritreisch-Katholische Kirche, die auch die Unierte Kirche Eritreas genannt wird (siehe Gedanken zur Woche 125 – 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS und VORABEND von AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2022)).
Die Seligsprechung ukrainischer Märtyrer der sowjetischen Terrormaßnahmen stellte die massenweise Ermordung von ungezählten Menschen durch die sowjetischen Kräfte ins grelle Licht (siehe Gedanken zur Woche 134-b - 29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)), bei denen Millionen von Opfern selber offiziell Bürger dieser Sowjetunion gewesen waren. Die offiziell seliggesprochenen Opfer des sowjetischen Terrorregimes stellen dabei nur so etwas wie eine Spitze der Spitze des Eisberges dar. Opfer der sowjetischen Terrorherrschaft mit all ihren Handlangern und Verbündeten waren ja auch ungezählte Nichtkatholiken, so etwa ganz generell Juden und Muslime, Anhänger der ukrainischen-orthodoxen und der weißrussisch-orthodoxen Kirche sowie zumeist lutherische Esten und Letten. Ein eigenes schauriges Kapitel stellt beispielsweise die sowjetische Vernichtungspolitik gegen die mit Esten und Finnen eng verbundene ursprüngliche finno-ugrische Bevölkerung von Ingermanland dar. Umso wichtiger ist es, auch ein solch erschreckendes Kapitel der Geschichte stärker wahrzunehmen und ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken, unabhängig davon, welcher Konfession oder Religion die Opfer angehört haben. Dies gilt natürlich auch in Hinblick auf das furchtbare Schicksal etwa der Krimtataren und Tschetschenen.
Dort, wo Kirchenvertreter mutig und konsequent auch gegen die jeweiligen politisch-militärischen Machthaber zur unverfälschten Überlieferung standen, konnte christliche Glaubwürdigkeit verteidigt, Zeugnis für die Wahrheit abgelegt und überhaupt in vielfältiger Weise Gutes getan werden.
Dabei geht es natürlich Zerrbildern und Pervertierungen entgegenzuwirken. Es ist eben ein abscheuliches Verbrechen und ein krasses Vergehen, wenn ein geistlicher wen auch immer sexuell missbraucht. Genauso hat kein Mann das Recht, seine Frau oder seine Kinder zu misshandeln. Ganz grundsätzlich haben sich Kirchenmitarbeiter im Sinne von Glauben, Hoffnung und Liebe eben für die von solchen Pervertierungen freie und damit im richtigen Sinne gute Glaubens- und Sittenlehre einzusetzen. Ein solcher Kampf gegen Missbrauch und Missverständnisse hat sich nicht zuletzt auf den Ablass zu beziehen, wobei da nicht zuletzt eigens an den Portiunkula-Ablass und das kommende Heilige Jahr denken darf.
Hierzu verdient ein Beitrag von Frederico Corrubolo Beachtung, der in der deutschen Ausgabe des L’OSSERVATORE ROMANO erschien (siehe deutsche Ausgabe des L’OSSERATORE ROMANO, Frederico Corrubolo, III. Über die Geschichte der Ablässe. Sehnsucht nach Heil: vom mittelalterlichen Menschen zur Moderne (Nummer 22 2024 (54. Jahrgang – 31. Mai 2024)) Seite 6). Dort ist u. a. zu lesen:
„Nach der Beichte ist die Sünde beseitigt, aber die Anhänglichkeit an die Sünde bleibt. Das Böse behält seine Anziehungskraft, führt uns weiter in Versuchung, macht uns schwach, lässt uns immer wieder in die gleichen Sünden zurückfallen. Jeder, der es mit dem Herrn >ernst< meint, weiß, dass wir uns nicht vormachen können, dass eine Beichte ausreiche, um mit den Sünden Schluss zu machen. Wenn wir Glauben hätten, wäre es sicher so, aber unsere Schwäche ist so groß, dass es leider nicht ausreicht. Auch der Körper braucht nach einer schweren Krankheit eine lange Rekonvaleszenz, bevor er völlig geheilt ist. Die Anziehungskraft der Sünde, ihre Spuren, werden zu einer Last für diejenigen, die in der Erfüllung von Gottes Willen vorankommen wollen.
Die Sündenstrafe ist genau diese lange Rekonvaleszenz, die uns daran hindert, Gottes Liebe zu uns schnell entgegenzulaufen.
Um denjenigen entgegenzukommen, die schneller gesund werden wollen, gibt die Kirche einige gute Werke an, die für eine schnellere Heilung sicherlich nützlich sind: in Wirklichkeit ist es immer das Übliche.
Man ist aufgefordert, die Gemeinschaft mit Christus in den Sakramenten zu stärken sowie die Gemeinschaft mit dem Glauben der Kirche (Gebet des Glaubensbekenntnisses und Gebet für den Papst) und mit den Brüdern und Schwestern (Werke der Nächstenliebe). Wenn für diese Werke ein (teilweiser oder vollkommener) Ablass gewährt wird, sind wir im Glauben sicher, dass die Anziehungskraft der Sünde vermindert und die Nächstenliebe und die Heiligkeit in besonders intensiver Weise gesteigert werden. Die Schlacke der Sünde wird entfernt und man heilt schneller als zuvor.
Deshalb lässt ein guter Christ heute wie damals dieses >Sonderangebot< nicht ungenutzt verstreichen.“
Gedanken zur Woche 227, Dr. Matthias Martin
17. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG FÜR GROSSELTERN UND SENIOREN (2024)
Wie auch bei anderen Gelegenheiten, so erging es Papst Franziskus, als er den WELTTAG DER GROSSELTERN UND SENIOREN ins Leben rief. Diese wichtige Initiative wurde in der Öffentlichkeit wie auch im Leben von Ortskirchen und erst recht in der sogenannten Veröffentlichten Meinung weitgehend ignoriert. Es ging ganz ähnlich wie bei der Proklamation des Jahres des heiligen Josefs, welches dann vom 08. Dezember 2020 bis zum 08. Dezember 2021 stattfand. Oder denken wir an die Einführung des Gedenktages MARIA, MUTTER DER KIRCHE an einem so prominenten Tag im Kirchenjahr, nämlich dem Pfingstmontag. Dann war da auch das durch Papst Franziskus ausgerufene JAHR DER FAMILIE, auch genannt AKTIONSJAHR ZU EHE UND FAMILIE, mit seiner Dauer vom 19. März 2021 bis zum 26. Juni 2022. Ganz ähnlich erging es mit der Ankündigung, zur Vorbereitung auf das kirchliche Jubiläumsjahr, das HEILIGE JAHR 2025, ein JAHR DES GEBETS auszurufen. Dabei ist ja die Feier des anstehenden HEILIGEN JAHRES schon für sich bemerkenswert. Es ist Ausdruck lebendiger Tradition der Kirche. Die Gläubigen und überhaupt Menschen guten Willens werden eingeladen, als Pilger nach Rom, dem Sitz des Apostolischen Stuhles zu kommen, der ja auch der Heilige Stuhl genannt wird. Bemerkenswert ist dabei, dass die Feier eines eigenen HEILIGEN JAHRES auf den so energischen Papst Bonifaz/Bonifatius VIII. zurückgeht, mit seinem Pontifikat von 1294 bis 1303. Bekannt wurde Papst Bonifaz/Bonifatius VIII. vor allem für seinen heftigen Konflikt mit dem französischen Königtum und dessen Handlangern auf der Apenninenhalbinsel. Dabei machte sich Papst Bonifaz/Bonifatius VIII. auch um die Verbesserung der Verwaltung des Kirchenstaates wie um eine konstruktive Ergänzung und Fortentwicklung des Kirchenrechts verdient.
Er weist damit auch hierin bemerkenswerte Parallelen mit Papst Franziskus auf. Dieser setzte ja ein neues Grundgesetz für den jetzigen Kirchenstaat, den Vatikanstaat, in Kraft. In diesem werden die Zuständigkeiten des Papstes, die Stellung des Papsttums als sowohl mehr politischer wie mehr theologischer Größe scharf betont. Auch sollte man sich erinnern, dass gleich zweimal Papst Franziskus die Regelung für Anerkennung neuer Ordens- und ordensähnlicher Gemeinschaften verschärfte. Das ganze Buch über das kirchliche Strafrecht im CIC hat er überhaupt durch eine verschärfte Fassung ersetzt (siehe Gedanken zur Woche 64-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 130 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Auch diese doch ziemlich scharfen Akzente wurden in der Öffentlichkeit ziemlich ignoriert. Dabei stellen diese Verschärfungen im Kirchenrecht doch so etwas wie einen massiven Tabubruch dar. Es wurde damit ausdrücklich bestätigt, wie es Papst Benedikt XVI. schon vorher beklagt hatte, dass es in der Kirche eine schwerwiegende täterfreundliche Fehlentwicklung gegeben hat. Papst Franziskus bestätigte damit auch, dass die Warnungen des berühmten Kirchenrechtsexperten Georg May im umfassenden Sinne gerechtfertigt waren. Die Warnungen vor schwerwiegenden innerkirchlichen Fehlentwicklungen waren, also in tragischer Weise wohlbegründet und nicht Ausgeburt überdrehter Verschwörungstheoretiker oder destruktiver Quertreiber.
Dabei wäre es auch sonst wünschenswert, fände das tatsächliche Wirken von Papst Franziskus in den Medien und das auch im Sinne einer Veröffentlichten Meinung mehr Beachtung. Dies gilt gerade in Hinblick auf den deutschen Sprachraum. Man mag nun in der Sache erst einmal davon halten, was man will, aber die wiederholt sehr scharfen von Franziskus gegen die Abtreibung gemachten Aussagen sind doch Tatsachen, die für sein Pontifikat stehen.
Eigens bemerkenswert ist sein Verhalten im syrischen Bürgerkrieg. Hier hat sich Papst Franziskus regelrecht konträr zu den klassischen Besatzungs- oder Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich positioniert. Anstatt die Positionen dieser Mächte des berüchtigten Sykes-Picot-Abkommens zu unterstützen, hat sich Papst Franziskus wiederholt sehr im Sinne der syrischen Regierung geäußert. Zugleich unterließ er jede feindselige oder abfällige Aussage oder Handlung gegenüber dem kurdischen Volk mit seinen ja ausdrücklich christenfreundlichen Vertretern. Dies sollte nicht zuletzt Politikern und Kirchenleuten im deutschen Sprachraum zu denken geben, die gerne von sich behaupten, positiv zum Papst zu stehen.
Natürlich verdient auch die Afrikapolitik von Papst Franziskus Beachtung anstelle von Verleugnung und verfälschenden Darstellungen. Wie seine Vorgänger pflegt er eine möglichst partnerschaftliche Zusammenarbeit auch mit den Ländern des afrikanischen Kontinents. Dies schlägt sich nicht zuletzt in einer Reihe von Konkordaten und anderen Verträgen und überhaupt in der Pflege guter diplomatischer Beziehungen nieder. Wenn man etwas Geschichte und aktuelle politische bis eher pastorale Hintergründe kennt, so springt die Positionierung gegen die herrschende französische Staatsdoktrin und eben gerade die französische Afrikapolitik ins Auge (siehe Gedanken zur Woche 95-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 108 – HOCHFEST von OSTERN (2022); Gedanken zur Woche 179 – 21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023); Gedanken zur Woche 190-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und allgemein Gedanken zur Woche 140 – 1. ADVENTSONNTAG (2022)).
Eben auch nicht zuletzt die sehr klaren Stellungnahmen von Papst Franziskus in der Abtreibungsfrage stehen diametral gegen die französische Politik. Wie sein Vorgänger hat sich hier seinerseits der gegenwärtige französische Präsident als regelrechter Anti-Franziskus erwiesen. Was dies umso schwerwiegender macht, ist die Tatsache, dass er dabei eine überwältigende parlamentarische Mehrheit in Paris auf seiner Seite hatte.
Dabei vertritt Papst Franziskus eben auch sonst markant traditionelle katholische Standpunkte. Dies gilt gerade für den Bereich der Familie. Die Schaffung des WELTTAGES FÜR GROSSELTERN UND SENIOREN passt genau dazu. Sich der älteren Menschen in Liebe und Wertschätzung anzunehmen, ist ja ein klassisches Anliegen jüdisch-christlicher Überlieferung. Schon in den Zehn Geboten, wie sie von den Fünf Büchern Mose, dem Pentateuch her auf uns gekommen sind, heißt es:
„Du sollst Vater und Mutter ehren.“
In dem über Jahrhunderte in der Christenheit doch so besonders geschätzten alttestamentlichen Buch Jesus Sirach kann man nach der neuen deutschen Einheitsübersetzung lesen:
„(Sir 3,1) Kinder, hört auf mich, euren Vater!
Handelt so, dass ihr gerettet werdet!
(2) Denn der Herr hat dem Vater Ehre verliehen bei den Kindern und das Recht der Mutter bei den Söhnen bestätigt.
(3) Wer den Vater ehrt, sühnt Sünden, (4) und wer seine Mutter ehrt, sammelt Schätze.
(5) Wer seinen Vater ehrt, wird Freude haben an den Kindern und am Tag seines Gebetes wird er erhört.
(6) Wer den Vater ehrt, wird lange leben, und seiner Mutter verschafft Ruhe, wer auf den Herrn hört.
(7) Wer den Herrn fürchtet, ehrt den Vater.
So wie Herren dient er seinen Eltern.
(8) In Tat und Wort ehre deinen Vater, damit sein Segen über dich kommt! …
(12) Kind, nimm dich deines Vaters im Alter an und kränke ihn nicht, solange er lebt!
(13) Wenn er an Verstand nachlässt, übe Nachsicht und verachte ihn nicht in deiner ganzen Kraft!
(14) Denn die dem Vater erwiesene Liebestat wird nicht vergessen; und statt der Sünden wird sie dir zur Erbauung dienen.“
Auch sonst wird bereits im Alten/Ersten Testament familiärer Zusammenhalt nahegelegt, wird die Verbundenheit über die Generationen hinweg als Ideal vor Augen gestellt.
1. Lesung: 2 Kön 4,42-44
2. Lesung: Eph 4,1-6
Evangelium: Joh 6,1-15
Gedanken zur Woche 227-b, Dr. Matthias Martin
17. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Der Ausdruck ABLASS gehört zu den besonders oft missverstandenen, kirchengeschichtlich belasteten bis mutwillig fehlinterpretierten und missbrauchten Begriffe aus der christlichen Theologie und dem christlichen Leben.
Dabei stellt es auch sonst immer wieder eine Herausforderung dar, ein Wort richtig zu verstehen und es in den richtigen Kontext einzuordnen. Einer meiner Philosophieprofessoren an der Universität in Würzburg etwa betonte, dass es eine der großen Leistungen des antiken Denkers und klassischen Philosophen Aristoteles gewesen sei, eine Bestandsaufnahme unternommen zu haben, was denn unter einem bestimmten jeweiligen Wort Verschiedenes verstanden wurde, oder im Sinne welcher Begriffsbedeutung ein Wort verwendet wurde. Die Schwierigkeit mit menschlicher Sprache zeige sich nicht zuletzt darin, dass man bei der Arbeit mit Originaltexten des Aristoteles mitunter nicht (sicher) sagen könne, ob dieser an der betreffenden Stelle eine von ihm wahrgenommene Meinung wiedergäbe oder seine eigene Ansicht äußere. Dass die verschiedenen Formen menschlicher Sprache, welche heutzutage gerne generalisierend als „Altgriechisch“ oder „antikes Griechisch“ bezeichnet werden, eine große Entwicklung durchmachten und eine enorme Vielgestaltigkeit aufwiesen, ist unbestritten. In neuester Zeit werden gerade im englisch- bis amerikanischsprachigen Bereich betreffende Formen von menschlicher Sprache überhaupt als eigene Sprachen angesehen. Dies gilt etwa für das Dorische wie andere Formen von irgendwie altem Griechisch, von denen manche bis heute überlebt hat und nun zu den in ihrer Existenz gefährdeten Sprachen gezählt wird.
Ihrerseits entwickeln sich lebendige Sprachen fort. Es kommt zu Veränderungen. Es ereignen sich eben nicht zuletzt Begriffserweiterungen, Begriffsverengungen, Begriffsverschiebungen wie die Hereinnahme neuer Worte aus anderen Sprachen. Gerade in unserer Zeit gehen solche Prozesse immer wieder schnell vonstatten. Meinte man einst gerne, die Kinder sprächen anders als ihre Eltern und es ginge diesbezüglich darum, eine Verständigungsbasis zu sichern, so können heutzutage schon ein paar Jahre Altersunterschied bei der sprachlichen Kommunikation zumindest ein bisschen eine Herausforderung bedeuten. Mitunter kommt es auch zu Verschiebungen in Hinblick auf die Grammatik.
Immer wieder taucht die Frage auf, ob man es mit einem bestimmten Dialekt oder mit einer eigenen Sprache zu tun hat (siehe Gedanken zur Woche 183-b – 25. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Dazu gibt es ja den recht drastischen Spruch (siehe Gedanken zur Woche - 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2022)):
„Eine Sprache ist ein Dialekt mit einer Armee und einer Marine.“
So hat die Frage, ob etwa Aragonesisch und Valencianisch/Valenzianisch eigene Sprachen oder doch Varianten bzw. Dialekte des Katalanischen sind, auch ihre politische Bedeutung. Genauso stellt sich auf der Apenninenhalbinsel und in Padanien die Frage, ob nicht offiziell anzuerkennende Formen gerade romanischer Sprache(n) auf Kosten des offiziellen Italienischen eine größere Bedeutung und zwar eben auch im Bereich der öffentlichen Verwaltung und der staatlichen Sicherheitsorgane zuzuerkennen sei. Wie verhält es sich mit den oft so unterschiedlichen Varianten von all dem, was mehr oder intensiv als „Englisch“ oder etwa „The Englishes" (Man beachte den Plural!) genannt wird. Ist etwa das Amerikanische ganz grundsätzlich als eigene Sprache aufzufassen? Wenn ja, welche Bedeutung sollte dann welcher von dessen Varianten eingeräumt werden, da doch sogar so etwas wie die Gesetzessprachen der einzelnen Bundesstaaten ihre Eigenheiten aufweisen. Das Eingehen auf solche Fragestellungen hat dann auch starke Auswirkungen auf die Erstellungen und Herausgabe betreffender Bibelausgaben, Messbücher, Lektionare, kirchenrechtlicher Werke, Gesang- und Gebetbücher und dergleichen.
Auf jeden Fall verdient die Betrachtung des Begriffes „Ablass“ bzw. „Ablässe“ eigene Aufmerksamkeit. Verbunden damit sollte der Kampf gegen Missverständnisse und Vorurteile sein. Gerade wer von sich behauptet, Papst Franziskus wohlgesinnt zu sein, mag sich hier herausgefordert sehen. Schließlich feiert die katholische Kirche im Jahre 2025 ein HEILIGES JAHR. Verbunden ist damit seitens der ja von Papst Franziskus in seiner leitenden Position vertretenen katholischen Kirche die Möglichkeit, einen vollkommenen Ablass und damit den Nachlass zeitlicher Sündenstrafen zu erlangen.
Hierzu lohnt ein Blick in den gegenwärtigen CIC. Dies mag tatsächlich helfen, Missverständnisse und Vorurteile am besten zu vermeiden oder eben abzubauen. So sind dem Thema Ablass im gegenwärtigen CIC immerhin ganze sechs Canones/Kanones gewidmet, und zwar die Canones/Kanones 992 bis einschließlich 997. So kann ein Gläubiger im Sinne der kirchlichen Überlieferung für sich einen Ablass gewinnen oder aber einen solchen einem Verstorbenen fürbittweise zuwenden. Die Zuwendung eines Ablasses an einen anderen Lebenden, das Erwerben eines Ablasses zugunsten eines anderen Lebenden ist nicht vorgesehen. So lautet Canon/Kanon 994 des CIC von 1983:
„Jeder Gläubige kann Teilablässe oder vollkommene Ablässe für sich selbst gewinnen oder fürbittweise Verstorbenen zuwenden.“
Der Unterschied zwischen einem vollkommenen Ablass und einem Teilablass wird bereits im vorhergehenden Canon/Kanon 993 thematisiert, wenn es dort heißt:
„Ein Ablass ist Teilablass oder vollkommener Ablass, je nachdem er von der zeitlichen Strafe, die für die Sünden zu verbüßen ist, teilweise oder ganz befreit.“
In Richtung von theologischem Grundverständnis geht der erste der den Ablass behandelnden CIC-Canones/Kanones 992:
„Ablass ist der Nachlass zeitlicher Strafe vor Gott für Sünden, deren Schuld schon getilgt ist; ihn erlangt der entsprechend disponierte Gläubige unter bestimmten festgelegten Voraussetzungen durch die Hilfe der Kirche, die im Dienst der Erlösung den Schatz der Sühneleistungen Christi und der Heiligen autoritativ verwaltet und zuwendet.“
Damit zeigt sich bei der Behandlung des Ablasses eine eigene Parallele zur Behandlung der sieben Sakramente im CIC von 1983 und seiner jeweiligen Ausgabe. So findet sich auch zu Beginn der jeweiligen Canones/Kanones über eines der sieben Sakramente ein Canon/Kanon, in welchem das jeweilige theologische Grundverständnis knapp angesprochen wird. Dies lässt sich feststellen beim Sakrament der Taufe (Canon/Kanon 849), beim Sakrament der Firmung (Canon/Kanon 879), beim Sakrament der Eucharistie (Canon/Kanon 897), beim Sakrament der Buße (Canon/Kanon 959) und beim Sakrament der Krankensalbung (Canon/Kanon 998), welche ja auch die Letzte Ölung genannt wird. Dies sehen wir auch beim Sakrament der Weihe (Canon/Kanon 1008), welches auch das Ordoskrament genannt wird, wie beim Sakrament der Ehe (Canon/Kanon 1055). Gerade hier lässt sich in Hinblick auf eine Verortung theologischen Grundverständnisses noch der direkt nachfolgende Canon/Kanon dazuzählen (Canon/Kanon 1056). Vor Beginn der Behandlungen der einzelnen Sakramente findet sich schon ein theologischer Grundsatzcanon/-kanon zu den Sakramenten im Allgemeinen (Canon/Kanon 840).
Grundsätzlich geht es in Hinblick auf Ablässe oder den Ablass auch im Kompendium des Katechismus der katholischen Kirche vonstatten. Dort kann unter Punkt 312 lesen:
„Ablässe sind der Erlass einer zeitlichen Strafe vor Gott für Sünden, die hinsichtlich der Schuld schon vergeben sind. Einen solchen Erlass erlangt der Gläubige unter bestimmten Bedingungen für sich oder für die Verstorbenen durch den Dienst der Kirche, die als Vermittlerin der Erlösung den Schatz der Verdienste Christi und der Heiligen austeilt.“
Die bis in den Wortlaut hineingehenden Gemeinsamkeiten mit dem CIC springen ins Auge und mögen zu einer ehrlichen Beschäftigung mit dem Thema einladen. Eine solche ehrliche Beschäftigung ist besser, als unkritisch Verzerrungen und abträglichen Gerüchten zu folgen. Auch mag solches gute Bemühen wiederum ein Ansporn sein etwa zu geschichtlichen wie sprachwissenschaftlichen Studien. Kirche und Glauben verwirklichen sich ja nicht in einem luftleeren Raum. Glaube und Vernunft sind nicht voneinander zu trennen.
Gedanken zur Woche 226, Dr. Matthias Martin
16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Auf ihre Weise ist die Erzählung im Markusevangelium von der Aussendung der zwölf Jünger (Mk 6b-13) und ihre Rückkehr zu Jesus von Nazaret (Mk 6,30) ein anschauliches Lehrstück, dass es darum geht, nach besten Kräften dem Willen Jesu zu folgen. Seine Worte und sein Beispiel sollen so etwas wie die Richtschnur für das eigene Verhalten sein. Sie sollten Christinnen und Christen anleiten in Gedanken, Worten und Werken. Natürlich verdient hier eigens das Verhalten der Jünger Beachtung. Sie sind tatsächlich bereit, aufzubrechen und zu tun, was Jesus ihnen aufgetragen hat. Gemäß seiner offensichtlichen Weisung tun sie dies jeweils zu zweit. Sie isolieren sich nicht voneinander, sondern wirken zusammen, und das in einer wahrscheinlich sehr harmonisch-konstruktiven Weise. Keiner von ihnen wollte sich zumindest bei dieser Gelegenheit in den Mittelpunkt drängen und etwa zum Leiter eines Teams oder einer ausgesandten Gruppe von Jüngern ernannt werden.
Zugleich sollte nicht übersehen werden, dass die ausgesandten Jünger alle wieder zurückkehrten und dem sie vorher aussendenden Jesus von Nazaret Bericht erstatteten. Es hat sich niemand von ihnen selbständig zu machen versucht. Niemand hat gewissermaßen „seinen eigenen Laden“ aufgemacht. Niemand hat, um einen vor allem im Amerikanischen gängigen Ausdruck zu gebrauchen, ein „independent ministry“ gestartet oder angeboten. Sie sind vielmehr loyal zurückgekehrt und waren bereit, Jesus weiter zu folgen. Dass dies geschah war in der damaligen Zeit von konkurrierenden Messiasanwärtern, (vermeintlichen) Wunderheilern, Kultgründern und nicht zuletzt auch innerjüdischen Spaltungen bemerkenswert.
Es ist gerade auch vor dem Hintergrund einer ausgeprägten Neigung zu Spaltungen und konfessionellen Verselbständigungen im Christentum und an dessen Rändern zu beachten. Nicht umsonst wohl wurde bereits vor ein paar Jahren betont (siehe allgemein Gedanken zur Woche 146 – TAUFE DES HERRN (2023) und Gedanken zur Woche 153 – 1. FASTENSONNTAG (2023)), dass es sich bei den mitunter in Beiträgen genannten 9.000 bis 32.000 protestantischen Denominationen oder eben konfessionellen Gemeinschaften nur um die nicht gar so kleinen handelte. Kleine Denominationen und Hauskirchen seien da noch gar nicht mitgezählt. In jüngster Zeit wurde eigens betont, dass es sich bei dem ganz scharf als „katholisch“ verstehenden Sedisvakantismus keineswegs um eine einheitliche Bewegung handelt. Tatsächlich liegt gerade hier ein Sammelsurium von Splittergruppen oder Splittergrüppchen sowie Einzelakteuren vor. Dies ist auch in Hinblick auf die besonders schillernde Szene von Gegenpäpsten seit den sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts festzustellen. Mitunter stellt mancher selbsternannte unabhängige „Bischof“ oder „Patriarch“ so etwas wie einen Einmannbetrieb ohne jede Gefolgschaft oder bestenfalls mit einer verschwindend geringen Sympathisanten- oder Anhängerschar dar. Dies hinderte betreffende Zeitgenossen mitunter nicht daran, selber zu glauben, eben über eine enorme bis gewaltige Gefolgschaft zu verfügen. Wenn man sich mit der so zersplitterten Sedisvakantistenszene und deren Umfeld auch nur ein bisschen beschäftigt, springt ein solches Verhalten dort regelrecht ins Auge. Kirchenpolitische Ansprüche und pastorale Erfolgsbehauptungen können dort uferlos sein, bis hin zu wirtschaftlichen bzw. finanziellen Forderungen. Die Pflege christlicher Einheit ist im Rahmen des Möglichen umso wertvoller und wurde eben schon durch die Jünger Jesu oder Apostel bei allen manchmal zutage tretenden Spannungen vorgelebt.
Auch das Sakrament der Krankensalbung, in der Überlieferung eben gerne die Letzte Ölung genannt (siehe Gedanken zur Woche 83 – 30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 88 – 1. ADVENTSONNTAG (2021) und Gedanken zur Woche 223 – 13. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)), weist uns in Richtung kirchlicher Einheit hin. Insgesamt stellen ja die Sakramente kirchliche Grundvollzüge dar und sollen in kirchlicher Einheit gefeiert werden. Eine von der Gemeinschaft der Kirche losgelöste Feier von Sakramenten wird durch die katholische Überlieferung einschließlich der aktuellen Lehraussagen und des Kirchenrechts abgelehnt und gegebenenfalls für ungültig erklärt. So wird in Canon/Kanon 999 des CIC von 1983 betont, dass normalerweise der Bischof und daneben ein ihm gleichgestellter Amtsträger das Öl für die Krankensalbung segnet. Nur im Notfall dürfe das laut dortigem Paragraph 2 ein Priester tun. In CIC-Canon/Kanon 847 wird dazu festgehalten:
„§ 1. Bei der Spendung der Sakramente, bei denen heilige Öle zu verwenden sind, muss der Spender Olivenöl oder anderes Pflanzenöl gebrauchen, das unbeschadet der Bestimmung des can. 999 vom Bischof geweiht oder gesegnet wurde, und zwar erst in jüngster Zeit; ältere Öle dürfen außer in Notfällen nicht verwendet werden.
§ 2. Der Pfarrer hat die heiligen Öle vom eigenen Bischof zu erbitten und sie in geziemender Obhut sorgfältig zu verwahren.“
Nicht zuletzt, als die dann wieder zum Herrn zurückkehrenden zwölf Jünger ausgesandt waren, salbten sie Kranke mit Öl (Mk 6,13).
Auch in der Spendung der Krankensalbung soll sich kirchliche Einheit bewähren.
Passend dazu ist gesunde Vorsicht am Platz, wenn es um vermeintliche Privatoffenbarungen geht. Bei diesen hat sich nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil so etwas wie eine Inflation entwickelt. Eine rapide Zunahme ist gerade bei angeblichen neuen Marienerscheinungen längst festgestellt worden. Manche dieser angeblichen Erscheinungen konnte kein ernstzunehmendes Interesse erregen, mancher angebliche Erscheinungsort stieg dafür aber sogar zum eigenen Wirtschaftsfaktor auf. Mancher angebliche Erscheinungsort und Seher bzw. Gruppe von Sehern sind längst in der Versenkung verschwunden. In Hinblick auf angebliche Erscheinungen und dergleichen etwa im andalusischen Raum stellt sich die Frage, inwieweit besondere regionale Mentalität und eigene kulturelle und soziale Elemente bei dieser Art Inflation eine stärkere Rolle spielten.
Auf jeden Fall hat jetzt der apostolische Stuhl neue Normen zu mutmaßlich übernatürlichen Phänomenen veröffentlicht (siehe die Inhaltsangabe auf Seite 1 der deutschen Ausgabe des L’OSSERVATORE ROMANO Nummer 22 2024 (54. Jahrgang – 31. Mai 2024)). In einem Beitrag dazu heißt es (Andrea Tornielli, Leitartikel zu den neuen Normen des Dikasteriums für die Glaubenslehre. Offen für das Geheimnis, ebd., Seite 14):
„Der Glaube der einfachen Menschen wird in erster Linie dadurch geschützt, dass der Text klar bekräftigt, dass die Offenbarung mit dem Tod des letzten Apostels zu einem Ende gekommen ist. Kein Gläubiger ist daher verpflichtet, an Erscheinungen oder andere vermutlich übernatürliche Phänomene zu glauben, selbst wenn sie im Laufe der Jahrhunderte von der kirchlichen Autorität gebilligt und ausdrücklich für übernatürlich erklärt wurden. …
Ebenfalls sehr deutlich wird die Absicht, den Glauben der einfachen Menschen vor Phantastereien, Fanatismus, Betrug, Marketingphänomenen sowie vor der Besessenheit zu schützen, dieser oder jener apokalyptischen Botschaft nachzujagen und darüber das Wesentliche des Evangeliums zu vergessen. …
Einiges von dem, was in den letzten Jahrzehnten geschehen ist, hilft auch zu verstehen, warum von nun an immer die Beteiligung des Dikasteriums für die Glaubenslehre vorgesehen ist und der Diözesanbischof immer in Übereinstimmung mit dem Heiligen Stuhl entscheiden muss. Die Maßnahme wurde nötig, weil es in der Vergangenheit Fälle widersprüchlicher Verlautbarungen gab. Und weil es offensichtlich unmöglich ist, solche Phänomene nur auf ein lokales Umfeld zu begrenzen.“
Angebliche Erscheinungen spielten in den letzten Jahrzehnten auch bei so etwas wie dem Auftreten und der Tätigkeit von Gegenpäpsten eine ziemliche Rolle. Nicht umsonst wurden sehr rasch die angeblichen Erscheinungen von Palmar de Troya durch die tatsächliche katholische Kirche klar zurückgewiesen. Verurteilt wurde dann natürlich erst recht die eskalierende sektiererische Entwicklung samt einem eigenen Gegenpapsttum, welche von dort ihren Ausgang nahm.
Bereits als es unter Berufung auf angebliche Privatoffenbarung zur Bildung der sektiererischen Bewegung der Mariaviten kam, schritt der Apostolische Stuhl mit einem scharfen kirchenamtlichen Verbot des vermeintlichen Ordens der Mariaviten ein. Es folgte die ausdrückliche Exkommunikation der Sektenführer. Der heilige Papst Pius X. verfasste sogar eine eigene Enzyklika gegen das Mariavitentum, den Mariavitismus ( https://www.vatican.va/content/pius-x/de/encyclicals.index.html ).
1. Lesung: Jer 23,1-6
2. Lesung: Eph 2,13-18
Evangelium: Mk 6,30-34
Gedanken zur Woche 226-b, Dr. Matthias Martin
16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Die heilige MARIA MAGDALENA gehört sicher zu jenen Heiligen, die in besonderer Weise menschliche Phantasie bis hin zu Kontroversen und Verschwörungstheorien angeregt haben.
Ihre herausragende Ehrenstellung seit den Tagen der frühen Kirche als „Apostelin der Apostel“ ist ja für sich schon etwas ganz Außergewöhnliches. Man muss es immer wieder betonen, dass Papst Franziskus, als er den betreffenden Festtag eben zu Ehren der heiligen MARIA MAGDALENA als APOSTELIN DER APOSTEL im Rahmen der jetzt üblichen liturgischen Ordnung schuf, er wirklich keine neue theologische Lehre und auch keinen neuen Titel eben für diese biblische Person schuf (siehe Gedanken zur Woche 69-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 74 – 21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024); Gedanken zur Woche 121-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 133 – 28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 191 – 33. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER ARMEN (2023)). Ja man sollte sich daran erinnern, dass ein so bedeutender Kirchenvater wie der heilige Hieronymus überhaupt die ganze Gruppe von Frauen am Grab zu Ostermorgen als „Apostelinnen der Apostel“ ehrte (siehe Gedanken zur Woche 5 – HOCHFEST VON OSTERN (2020); Gedanken zur Woche 79-b – 26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und generell Gedanken zur Woche 19-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)).
Erst kürzlich kam bei einem Besuch von mir in meiner früheren Einsatzpfarrei in Tulln an der Donau die Sprache auch darauf, dass ich seinerzeit in meinen Predigten auf diesen altkirchlichen Ehrentitel der heiligen MARIA MAGDALNEA „Apostelin der Apostel“ einging und diesen herausstellte. Letzteres geschah tatsächlich, bevor Papst Franziskus im Jahre 2016 eben Gedenktag der Apostelin der Apostel MARIA MAGDALENA zum Fest erhob. Im Medienbereich wurde dazu bemerkenswerterweise festgehalten ( https://www.domradio.de/artikel/maria-von-magdala-als-apostolin-neben-zwoelf-aposteln ):
„In der Ostkirche ist es bis heute die große Tradition, Maria Magdalena gleichzusetzen mit den zwölf Jüngern, mit den Aposteln. Die katholische Kirche hat schon 2016 einen ähnlichen Schritt vollzogen, als Maria Magdalena von Papst Franziskus in den Status der „Apostola Apostolorum“ erhoben wurde.“
Dabei sollte man sich vergegenwärtigen, dass sich in den Ostkirchen oft ältere Praktiken und Formulierungen erhalten haben als in der Westkirche und natürlich erst recht als in den aus der sogenannten „Reformation“ hervorgegangen Gemeinschaften mit der dort fortwährend geübten Praxis der Neugründung konfessioneller Gemeinschaften, von diversen Denominationen. So gilt, dass im CCEO für die katholischen OSTKIRCHEN mitunter ältere Formulierungen enthalten sind, als im CIC für die Lateinische Kirche.
Wurde Papst Franziskus für die Proklamation des Festes der Apostelin der Apostel MARIA MAGDALENA kritisiert, so geschah dies gerade aus jenem Milieu heraus, das mitunter als „Grauzone“ bezeichnet wird. Erst jüngst habe ich selber diesen Begriff bei einem ernsten kirchenrechtlichen Fachgespräch eben in Hinblick auf Personen und Gruppen, welche namentlich irgendwo zwischen offiziellen Bischofskonferenzen und etwa der als Gesprächspartner immer wieder umworbenen und Bildungseinrichtungen betreibenden Priesterbruderschaft St. Pius X. angesiedelt sind. In betreffenden Kreisen einer solchen „Grauzone“ ist die theologische, historische oder wie auch immer zu nennende Sachkompetenz offensichtlich immer wieder sehr beschränkt. Auf eine wirklich unhöfliche Formulierung dazu kann hier gerne verzichtet werden. Natürlich werden hier kirchliche Angelegenheiten mitunter auch gezielt politisch instrumentalisiert. Die geschah besonders augenfällig, als Papst Franziskus die diplomatische Anerkennung des Staates Palästina seitens des Heiligen Stuhles bestätigte. In den Jahrzehnten vor der Wahl von Papst Franziskus hatten die nacheinander amtierenden Päpste zu verschiedenen Gelegenheiten die Unterstützung für die Schaffung eines Staates Palästina bzw. dessen diplomatische Anerkennung geäußert. Mit der Bestätigung der diplomatischen Anerkennung Palästinas tat Papst Franziskus also auch hier nichts Neues. Seine Vorgänger hatten sich spätestens seit dem ersten arabisch-israelischen Krieg für die Verwirklichung eines lebensfähigen und international anerkannten palästinensischen Staates ausgesprochen. Insbesondere für die Zeit, bis dieses Ziel verwirklicht sei, unterstützte der Apostolische Stuhl den Aufbau und die Tätigkeit des Hilfswerkes der Vereinten Nationen/UN für palästinensische Flüchtlinge. Als schließlich der Apostolische Stuhl den Staat Palästina diplomatisch anerkannte und dies dann halt Papst Franziskus im Rahmen seiner eigenen Tätigkeit bestätigte, hatten dies längst über zwei Drittel der Vollmitglieder der Vereinten Nationen/UN getan. Auch da wurde eben sehr viel nicht wahrgenommen oder verdrängt. Dabei war es nicht zuletzt mancher Staat, der besonders früh Palästina diplomatisch anerkannt hatte, der wie der Vatikanstaat, der Staat der Vatikanstadt, ein Staatsoberhaupt hat, welches zugleich religiöses Oberhaupt ist. Dazu gab es beizeiten Palästina anerkennende Staaten, in welchen ansonsten eine enge Beziehung zwischen dem eigenen Staat und einer traditionellen Religion oder Konfessionen verwirklicht ist. Auch hier schuf Papst Franziskus also alles andere als einen Präzedenzfall. Die demonstrative Empörung in einigen „westlichen“ Kreisen gegen Papst Franziskus bis hin zu Attacken auf die katholische Kirche in ihrer Gesamtheit war also umso mehr fragwürdig. Dies gilt erst recht für die Empörung einiger US-Politiker allen Ernstes darüber, der Papst habe sich doch politisch geäußert. Seit wann denn nun hat sich ein Staatsoberhaupt nicht politisch zu äußern? Wenn ein amtierender Papst Äußerungen machte oder Handlungen setzte, die vermeintlich oder tatsächlich im US-Interesse waren, hatten betreffende Politiker offensichtlich nichts dagegen. Dazu wäre es ja auch eine konfrontative Positionierung gegen die überwiegende Mehrheit der UN-Mitglieder durch das Staatsoberhaupt des Vatikanstaates wie die Verkörperung des Völkerrechtssubjektes eigener Art, des Apostolischen Stuhles, Papst Franziskus gewesen, hätte er sich anders verhalten. In gewissen Kreisen hätte man offenkundige Fakten nicht so polemisch bis hasserfüllt negieren sollen.
Genauso wäre es wünschenswert, wenn sich mancher dann ereifernde Kritiker von Papst Franziskus in Zusammenhang mit der Erhebung des Gedenktages der heiligen MARIA MAGDALENA zum liturgischen Fest vorher etwas mit leicht fassbaren Fakten beschäftigt hätte. Regelrechte Hasstiraden und Verschwörungstheorien gegen Papst Franziskus erinnerten an die Formulierung „Unter dem Banner heiliger Empörung frei von jeder Sachkenntnis“.
Nun ja, MARIA MAGLENA hat offensichtlich über die Jahrhunderte schon gerade Männerphantasien angeregt. Da erging es MARIA MAGDALENA wohl noch stärker als der Titelheldin des gleichnamigen alttestamentlichen Buches JUDITH/JUDIT. In unserer modernen Zeit kommt leider Gottes noch das Problem des so häufigen Pornokonsums von Männern insbesondere im Internet hinzu. Man sollte sich da der Warnungen vor Suchtgefahren bis massiver Sucht bewusst werden, die mit solchem Verhalten verbunden sind. Natürlich ist jeder und jede umso mehr eingeladen, sich intensiv mit der kirchlichen Überlieferung zu beschäftigen. Es empfiehlt sich hier, nicht zuletzt den Blick auf Kirchenväter wie den heiligen Hieronymus zu richten. Bezeichnenderweise hatte dieser ein eigenes starkes Interesse am erwähnten Buch Judit geäußert.
Auf jeden Fall kann das Fest der heiligen MARIA MAGDALENA in vielfacher Hinsicht eine gute Anregung sein. Dazu gehören das Lesen der Bibel und die Beschäftigung mit Kirchenvätern. Ja, die Beschäftigung mit der Gesamtheit christlicher Überlieferung mag angespornt werden. Der Einsatz gegen sexuellen Missbrauch und jede Art von Übergriffen gegen Frauen sollte neue Impulse bekommen. Es geht ja nicht einfach darum, eine Heldin der Vergangenheit zu ehren. Vielmehr soll das Verhalten im Hier und Heute durch das konsequente Eintreten für das Gute und die Stellung gegen Böses geprägt sein. Die heilige MARIA MAGDALENA ist dazu ein wirkliches gutes Vorbild. Für viele Männer möge sie eine mahnende Anregung sein, im richtigen Sinne in sich zu gehen.
Gedanken zur Woche 225, Dr. Matthias Martin
15. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Die Urlaubszeit kann gerade auch in religiöser Hinsicht bemerkenswert genutzt werden. Dabei kann man das eine tun, ohne das andere zu unterlassen. Es kann etwa eine Urlaubsreise mit dem Besuch von Kulturdenkmälern verbunden werden, die eindeutig religiöser Natur sind. So ist ja der Vatikan mit dem Petersdom ein altbewährter Touristenmagnet. Die archäologischen Ausgrabungen unter der weithin sichtbaren Konstruktion des Petersdoms haben umgehend eigenes starkes internationales Interesse gefunden. Dies erstreckte sich weit über Fachkreise hinaus. Tatsächlich muss man keineswegs Katholik sein, um die gerade durch Papst Pius XII. vorangetriebenen archäologischen Arbeiten unter Sankt Peter und die damit verbundenen Auswertungsbemühungen mit Interesse zu betrachten. Zum einen sind solche Forschungen natürlich von einem archäologischen, einem allgemeinen kulturgeschichtlichen einschließlich baugeschichtlichen Standpunkt her sehr interessant. Zum anderen stellen derartige Forschungen eine religionswissenschaftliche Herausforderung dar. In dem Gräberbereich, auch genannt die Vatikanische Nekropole, begegnen sich doch das einst junge und allen Verfolgungen zum Trotze aufstrebende Christentum mit dem antiken Rom und seinem Imperium. Man muss nun kein Experte von so etwas wie antiker Religionsgeschichte sein, um zu wissen, dass damals eine Vielfalt religiöser Überlieferungen und Angebote vorhanden war. In der Stadt Rom wurde dies allein schon durch das ständige Hereinbringen von Sklavinnen und Sklaven aus verschiedenen Himmelsrichtungen sowie die dort im Rahmen des imperialistischen Systems zusammenlaufenden Handelsströme, die so umfangreichen Güterlieferungen gefördert. Dann war ja die Apenninenhalbinsel bis zur brutalen Durchsetzung römischer Macht mit all ihren Gemetzeln und Zerstörungen ein regelrechtes Mosaik ganz unterschiedlicher Völker, Stämme und Kulturen gewesen. Nicht umsonst berücksichtigen die heutigen Vatikanischen Museen das, was offensichtlich von etruskischer Kultur übrig blieb. Ganz generell wird ein Augenmerk auf Kulturgüter auch der vorrömischen Zeit aus dem derzeit italienischen Staatsgebiet und dessen engster Umgebung gerichtet. Dabei empfing die archäologische Forschung und museale Darstellung in Hinblick auf alte Kulturen nicht zuletzt des italischen und eben nicht italienischen Raums gerade durch Päpste und ihre Mitarbeiter in den Zeiten des ja langlebigen Kirchenstaates starke Impulse.
Immerhin finden in unserer Zeit Forschungen zur Geschichte und Kultur des Etruskertums gewisses Interesse. Das Schicksal der unweit des ursprünglich ja recht kleinen antiken Roms gelegenen Etruskerstadt Vejji/Veii (siehe Gedanken zur Woche 102-b – 1. FASTNEWOCHE (2022)) mag manchen schon vor Jahrzehnten zum Nachdenken angeregt haben. Natürlich verdient da nicht zuletzt die ein Opfer römischer Vernichtungspolitik verkörpernde und untergangene etruskische Religion Beachtung.
Bietet das, was über sie derzeit erfahrbar ist und vielleicht noch in Zukunft als Licht kommen mag, Hinweise zur Widerlegung oder zur Unterstützung der Theorie vom Urmonotheismus? Dieser Grundannahme zufolge wäre in ganz früher Zeit in der Menschheit eben ein ganz ursprünglicher Monotheismus, eben der Urmonotheismus, verbreitet gewesen. Erst nach und nach sei dieser Urmonotheismus durch animistische bzw. magische bis polytheistische Entwicklungen mehr oder minder überwuchert worden. Die Frage nach der Beziehung zu einem eventuell einst vorhandenen Urmonotheismus, seinem dann mutmaßlich erfolgten Zerfall wie auch etwaigen kulturell-weltanschaulichen Überresten stellt sich natürlich sich natürlich auch in Hinblick auf die anderen einstigen Religionen und Kulten auf der Apenninenhalbinsel und Padaniens samt den vorgelagerten Inseln im Mittelmeer. Spontan mag mancher und manchem da zumindest stichwortartig die Kultur und das Volk der Samniten in den Sinn kommen. Auch hier handelt es sich um ein Opfer römischer Eroberungs- bis Vernichtungspolitik (siehe Gedanken zur Woche 92-b – WEIHNACHTSOKTAV (2021) und Gedanken zur Woche 103 – 2. FASTENSONNTAG (2022)). Manch eine und manch einer mag ja auch die Urlaubszeit zur Besichtigung von Ausgrabungsorten und Museen nutzen, welche etruskisches und samnitisches Erbe bzw. dessen mutmaßliche Hinterlassenschaften zum Thema haben. Man mag auch betreffende Literatur lesen. Es geht hier auch um den Hintergrund für den späteren Zusammenstoß zwischen römischer Staatsmacht und dem Christentum auf der Apenninenhalbinsel und natürlich weit darüber hinaus. Schließlich stammte ja auch der berüchtigte Pontius Pilatus aus einer Familie samnitischer Kollaborateure auf der Seite Roms (siehe Gedanken zur Woche 92-b – WEIHNACHTSOKTAV (2021)).
Nicht umsonst gibt es auch als eigene wissenschaftliche Disziplin die Etruskologie. Einst wurde im Kirchenstaat etwas der Weg in Richtung der Entwicklung dieser umfassenden Disziplin zur möglichsten Erforschung von Sprache, Geschichte, Kultur samt allen möglichen materiellen Erzeugnissen der Etrusker, des Etruskertums gewiesen. Solches mag auch helfen, kritisch die auf uns gekommenen Positionen römischer Propaganda intellektuell möglichst redlich zu hinterfragen. Man sollte den mahnenden Satz „Der Sieger schreibt die Geschichte“ nicht außer Acht lassen. Scheinbar wandte sich in den letzten Jahren auch zumindest ein gewisses Interesse dem alten Volk der Samniten, seiner vernichteten Kultur und dann auch im aktiven Leben verschwundenen Sprache zu. Welche Folgen dies nicht zuletzt im deutschen Sprach- und Kulturraum noch in wissenschafts- und kulturpolitischer Hinsicht noch haben wird, bleibt abzuwarten. Der Gesamtbereich italischer Altertumskunde einschließlich eben Etruskologie verdient Beachtung und Wertschätzung. Der päpstliche Kirchenstaat wies schon in diese Richtung, bevor er selber eben eines der Opfer der zur Schaffung eines bis dahin nicht vorhandenen „italienischen“ Staates durchgeführten Kriege wurde.
Bis die Apenninenhalbinsel samt Padanien vorher schon einmal durch das entschlossene Rom zusammenerobert wurde, hatte es dort eben eine Vielzahl von Völkern, Stämmen und Kulturen mit ganz unterschiedlichen politischen Gemeinwesen gegeben.
Da gab es die ganze Gruppe umbrisch-sabellischer oder oskisch-umbrischer Stämme oder Völker, zu den prominent die Samniten gehörten. Auch Umbrier/Umbrer, Sabiner, Osker, Lukaner/Lukanier wie Bruttier sind hier bei aller Vorsicht gegenüber Verallgemeinerungen einzuordnen. Sehr durchschlagskräftig wurde dann eben der lateinisch-faliskische Bereich von Stämmen oder Völkern mit ihren Sprachen. Beachtung verdient auch das Vorhandensein illyrischer Stämme an der Ostseite der Apenninenhalbinsel. Im Süden sowie auf Sizilien mit dem jeweiligen Schwerpunkt in Küstengebieten kam es zu „griechischer“ Besiedlung. Man darf hier natürlich nicht vergessen, dass es einen Staat „Griechenland“ im Altertum nicht gab. Stattdessen gab es unterschiedliche Stämme in einer in die Hunderten gehenden Staatswesen, die gerne zusammenfassend als „Stadtstaaten“ bezeichnet wurden. Diese besaßen nicht nur unterschiedliche politische Verfassungen, sondern lange Zeit auch noch verschiedene Alphabete, und die Menschen dort verehrten auch gerne verschiedene Gottheiten (siehe Gedanken zur Woche 129 – 24. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)). Die homerischen Götter konnten in diesem Sammelsurium von Staatswesen bis hin zu einigermaßen unabhängigen Dörfern, Stämmen und dergleichen, die man heutzutage so gerne als „griechisch“ bezeichnet, keineswegs ein Monopol beanspruchen. Dazu spielte auch auf der Apenninenhalbinsel und den vorgelagerten mittelmeerischen Inseln karthagisch-phönizischer/punischer Einfluss eine ernstzunehmende Rolle.
Auch hier gilt eben wieder, dass, was für den einen ein interessantes Feld der Entwicklung politischer bis militärischer Strukturen ist, für den anderen gerade in streng philologischer Hinsicht zu betrachten ist. Wieder ein anderer sieht religionsgeschichtliche Dinge als theologische Anregung bis Herausforderung. Nicht zuletzt mag die mögliche Beeinflussung des jungen Christentums durch die allein schon auf der Apenninenhalbinsel so vielfältigen Überlieferungen und Hintergründe Interesse bis wissenschaftliches (Nach-)Forschen anregen. Dies gilt auch in Hinblick auf keltische Einflüsse und Besiedlung von Norden her bis hin zum Vorstoß auf Rom hin um das Jahr 387 v. Chr. Später schlossen sich Kelten dann noch dem Heer Hannibals nach dessen spektakulärer Alpenüberquerung an. Nicht nur deswegen mag sich mancher dem Bereich der Keltologie zuzuwenden. Die karthagisch-keltischen Beziehungen gerade in der Zeit des berühmten Hannibal weisen gleichzeitig hin zur Punologie oder Punistik.
Immer wieder ist hier ist der Übergang zwischen Theologie einschließlich nicht zuletzt Alter Kirchengeschichte, Christlicher Archäologie und Patristik und eben nichttheologischen Disziplinen fließend.
Auch, um sich mit diesbezüglich relevanten Wissensfeldern zu beschäftigen, kann man Urlaubszeit nutzen.
1. Lesung: Am 7,12-15
2. Lesung: Eph 1,3-14 (oder 1,3-10)
Evangelium: Mk 6,7-13
Gedanken zur Woche 225-b, Dr. Matthias Martin
15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Wenn in einer liturgischen Woche des Kirchenjahres sowohl des heiligen Bonaventura wie der heiligen Margareta von Antiochien und des heiligen Apollinaris gedacht wird, so verdeutlicht dies schon etwas die Vielfalt des kirchlichen Lebens. Diese Vielfalt in Tiefe und Breite ist sowohl in Hinblick auf das Leben der Heiligen selber wie in Hinblick auf ihre Auswirkungen, gewissermaßen ihr Nachleben hier auf Erden festzustellen.
So starben der Überlieferung nach sowohl der heilige Apollinaris wie die heilige Margareta von Antiochien als Opfer römischer Christenverfolgungen den Märtyrertod. Die mutmaßliche Zeit ihrer Martyrien verdeutlicht, wie sehr über eine lange Zeit hinweg Christinnen und Christen auf diese Weise Opfer des römischen Staatsapparates und seines Anhanges wurden. Dieser Umstand war auch beileibe nicht auf ein bestimmtes Gebiet des Römischen Reiches beschränkt. So lebte und starb der heilige Apollinaris um das Jahr 200 n. Chr. in dem an der Westküste der Adria gelegenen Ravenna. Sein Leben und Martyrium werden manchmal auch früher angesetzt, bis dahin, in ihm einen Weggefährten des heiligen Petrus zu sehen.
Die heilige Margareta soll um das Jahr 300 n. Chr. getötet worden sein. Bei ihrem Heimatort soll es sich um Antiochien in Pisidien also in Kleinasien im Staatsgebiet der jetzigen Türkei gehandelt haben (siehe Gedanken zur Woche 121-b - 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Damit wird unser Blick in den Osten des Römischen Reiches und in jahrhundertelanges Territorium des späteren Byzantinischen Reiches gewiesen. Demgegenüber steht die Stadt, die für immer mit dem Wirken und auch dem Martyrium des heiligen Apollinaris verbunden ist, Ravenna, für den Westen des Römischen Reiches (siehe allgemein Gedanken zur Woche 91 – 4. ADVENTSONNTAG (2021) und Gedanken zur Woche 173-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Ja, Ravenna wird gerne sogar als der letzte weströmische Kaisersitz betrachtet. Allerdings gibt es ja auch die Meinung, dass nicht der 476 n. Chr. zu Ravenna durch Odoaker abgesetzte und mitunter gar nicht als Kaiser anerkannte Augustulus Romulus, sondern der im Jahre 480 n. Chr. getötete und von Ostrom-Konstantinopel/Byzanz anerkannte Julius Nepos der letzte weströmische Kaiser gewesen sei. Demnach hätte sich der Sitz des letzten einigermaßen ernstzunehmenden möglichen weströmischen Kaisers eben nicht in Ravenna, sondern in Dalmatien befunden (siehe Gedanken zur Woche 198-b – 1. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)). Auf jeden Fall darf man feststellen, dass Ravenna für dann westlichen Teil des Römischen Reiches eine Rolle spielte und dann für das zu Ende gehende Weströmische Reich von besonderer Bedeutung war. Passend dazu wurde Ravenna Regierungssitz des Odoaker, der nach Absetzung des Augstulus Romulus auf der Apenninenhalbinsel, in Padanien bis in die Donaugegend und nach Okzitanien hin jahrelang die Regierungsgeschäfte führte.
Der heilige Apollinaris lebte gerade in der christlichen Architektur und bildenden Kunst fort. Dies lässt sich gerade in seiner Bischofsstadt, eben in Ravenna, feststellen. Berühmt ist besonders eine dortige Mosaikdarstellung des heiligen Bischofs. Neben zweidimensionalen Darstellungen können einem aber auch figürliche Darstellungen begegnen. Natürlich sollten Verwechslungen mit anderen Persönlichkeiten, und da insbesondere Heiligen dieses Namens vermieden werden. So verdienen der heilige Abt Apollinaris von Montecassino und der heilige Bischof Apollinaris von Valence wie der heilige Bischof Apollinaris Sidonius, auch genannt Sidonius Apollinaris, je eigene Beachtung. Auch beim frühchristlichen Bischof Apollinarios von Hierapolis in Phrygien, ebenso als Claudius Apollinaris bezeichnet, handelt es sich um eine eigenständige Persönlichkeit der Kirchengeschichte. Auch ihm wurde kirchliche Verehrung zuerkannt, wenn auch seine gerade im Sinne christlicher Apologetik erarbeiteten Werke als solche verlorengingen. Sowohl Apollinarios/Apollinaris der Ältere wie sein Sohn Apollinarios/Apollinaris der Jüngere, auch genannt Apollinarios/Apollinaris von Laodicea, führen uns in die Zeit des vierten Jahrhunderts und die damaligen innerchristlichen Auseinandersetzungen um Stellung und Natur Jesu Christi. Beide dürften bedeutende Autoren ihrer Zeit gewesen sein. Allerdings folgte die Großkirche nicht der Christologie des Apollinaris des Jüngeren.
Demgegenüber steht der selige Ordensmann und Märtyrer Apollinaris Morel von Posat mit seinem mutigen Leiden und Sterben für die offene Verfolgung kirchentreuer Katholikinnen und Katholiken in der Zeit der Französischen Revolution. Die damaligen Verbrechen werden gerne entweder völlig verdrängt oder zumindest kleingeredet. Dabei zielte die so offenkundige Vernichtungspolitik der französischen Machthaber gerade darauf, regionale Besonderheiten und Eigenständigkeit bis zu eigenen Sprachen zu vernichten. Bestimmte heute zum französischen Staatsgebiet gehörenden Territorien wurden überhaupt erst dazu erobert. Opfer dieser Politik wurden nicht zuletzt das bis dahin päpstliche Gebiet von Avignon wie Gebiete in Elsass-Lothringen sowie die Gegend um Nizza und auch Savoyen. Mancher ist sich immerhin etwas der Vernichtungsaktionen der französischen Regierungsvertreter und ihrer Truppen in der katholischen Vendée bewusst. Da spricht man auch in der französischen Öffentlichkeit mitunter vom „Republikanischen Völkermord“.
Bemerkenswert ist in Hinblick auf den seligen Apollinaris Morel von Posat, dass er ein Kapuziner war. Er gehörte damit derselben großen franziskanischen Ordensüberlieferung an wie der heilige Bonaventura. Dieser wurde im Jahre 1257 sogar zum General des Franziskanerordens gewählt. Als Philosoph und Theologe hat er eben seinen eigenen Platz in der Geistesgeschichte der Menschheit. Dass er mitunter andere Positionen vertrat als insbesondere der heilige Thomas von Aquin, hinderte nicht seine Heiligsprechung wie seine offizielle Anerkennung als Kirchenlehrer (siehe Gedanken zur Woche 68-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Dabei vertrat der heilige Bonaventura etwa nicht so einen klaren erkenntnistheoretischen Optimismus wie eben Thomas von Aquin. Dabei propagierte Bonaventura keineswegs irgendeinen Fideismus, also die Forderung nach einer Alleingeltung des Glaubens auf Kosten der Ratio, des menschlichen Intellekts. Die Abwehr des Fideismus und die Zurückweisung von so etwas wie fideistischer Infiltration machte das kirchliche Lehramt immer wieder zur Aufgabe. Ein gewisser Höhepunkt dieser Bemühungen war die Erarbeitung und Verabschiedung der Dogmatischen Konstitution „Dei Filius“, auch manchmal genannt „De fide catholica“ auf dem Ersten Vatikanischen Konzil (siehe Gedanken zur Woche 54-b – 5. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST VERKÜNDIUNG DES HERRN (021) und Gedanken zur Woche 58-b – 5. OSTERWOCHE (2021)). Auch das Wirken des heiligen Papstes Pius X. verdient hier eigene Erwähnung. Vor einer emotionalen Überhitzung im kirchlichen Wirken und Vernachlässigung des Intellekts hat dieser über konfessionelle Grenzen hinweg ob seiner Prinzipientreue und seines Mutes geschätzte Papst ausdrücklich gewarnt. Bei allem Mut zur Verurteilung betreffender Irrwege wie etwas des in Frankreich verbreiteten Sillon war der heilige Pius X. zugleich eine Persönlichkeit von Herzensgüte und einer eigenen geistigen Weite. So stellte es für ihn überhaupt kein Problem dar, verschiedene spirituelle Überlieferungen wie auch die unterschiedlichen liturgischen Riten und die kirchenrechtlichen Besonderheiten in den Katholischen Ostkirchen zu akzeptieren. Gerade sein mutiges Auftreten gegen die französische Machtpolitik und deren Missbrauch auch religiöser Inhalte sollte heute noch und gerade auch heutzutage zum Nachdenken anregen und als Ermutigung dienen. Es war ja nicht die damalige französische Supermacht, mit welcher der heilige Pius X. bei allem so intensiven innerkirchlichen Wirken den Konflikt nicht scheute. So kritisierte er offen auch die Kolonialmacht Portugal. Er war eben nicht stark gegenüber Schwachen und willfährig gegenüber den Starken in dieser Welt. Vielmehr trat er mutig und kritisch den Mächtigen dieser Welt gegenüber und setzte sich zugleich eifrig für die Kleinen in dieser Welt ein. Kann das nicht zum Nachdenken und zur Nachahmung anregen?
Gedanken zur Woche 224, Dr. Matthias Martin
14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Der Besuch Jesu in Nazaret mit seiner Predigt in der dortigen Synagoge und dem anschließenden Konflikt mit Einheimischen, der mitunter sogar als „Verwerfung“ Jesu durch diese bezeichnet wird, ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen wird er in allen drei synoptischen Evangelien, also sowohl im Matthäus- als auch im Markus- und im Lukasevangelium in der einen oder anderen Weise überliefert (Mt 13,53-58; Mk 6,1a; Lk 4,16-30 oder dort 4,16.22.24). Wir haben es hier also mit einem einigermaßen dreifachen Überlieferungsstrang innerhalb der neutestamentlichen Evangelien zu tun. Es liegt also nicht einfach eine Sonderüberlieferung vor, sei sie eine matthäische, eine markinische oder eine lukanische.
Dabei weist die jeweilige Darstellung zwischen den drei Synoptikern doch rasch erkennbare Unterschiede auf. Die Stellung dieses Ereignisses oder Zwischenfalls zu Nazaret ist innerhalb des jeweiligen Evangeliums an einer je eigenen Stelle innerhalb von dessen Gesamtaufbau zu finden. In den einzelnen Aussagen bis zu einzelnen Worten hin begegnet uns sowohl Traditio Triplex/Triplex Tradtio wie auch Traditio Duplex/Duplex Traditio und Traditio Simplex/Simplex Traditio. Innerhalb von so etwas wie einer Gesamtmenge von Material irgendwelcher Traditio Duplex/Duplex Traditio sind offensichtlich wiederum Unterschiede festzustellen. So gibt es einiges, was in diesem Sinne sowohl im Matthäus- als auch im Markusevangelium, aber eben nicht im Lukasevangelium zu finden ist. Weniger umfangreich gibt es dann auch Worte, die sowohl bei Markus und Lukas, aber eben hier nicht bei Matthäus zu finden sind.
Dies mag spontan zur Frage anregen, wie denn dies anhand der gerade ja im deutschen Sprachraum zumindest längere Zeit so populären Zweiquellentheorie zustande gekommen sein mag. Lagen vielleicht den Verfassern bzw. Verfassergruppen oder Redaktoren des Matthäus- und des Lukasevangeliums doch nicht dieselben zwei Quellen vor? Lag nicht vielleicht doch in irgendeiner Fassung das oder gewissermaßen irgendein Matthäusevangelium im ganz frühen Christentum vor, noch bevor das Markusevangelium erstellt wurde. Oder stellt dieses seinerseits eine geraffte Zusammenfassung eines vielleicht besonders ursprünglichen Matthäusevangeliums und eines dann irgendwann eben auch verfassten Lukasevangeliums dar. Natürlich kann jemand auch eigens die so oder so angenommene Entstehung nicht zuletzt des Lukasevangeliums im Geiste auf der Zeitleiste hier oder dort, weiter oben oder unten ansiedeln. Die Meinungen hierzu sind zahlreich und gehen bekanntlich mitunter weit auseinander.
Im Sinne christlicher Praxis ist auf jeden Fall eine Aussage von dem sehr bemerkenswert, was wohl markinisches Sondergut darstellt. Nach der neuen deutschen Einheitsübersetzung heißt es:
„(Mk 6,5b) nur einigen Kranken legte er die Hände auf und heilte sie.“
Diese Formulierung findet sich etwa auch in „Die Bibel. Die Heilige Schrift des Alten und Neuen Bundes (Herder-Bücherei Sonderausgaben)“, 22. Auflage Freiburg im Breisgau 1977. In „Die Heilige Schrift des Neuen Bundes“, 2. Auflage Wien – Linz 1961, übersetzt und erklärt von Alexander Zwettler lautet es grundsätzlich gleich:
„(Mk 6,5b) Nur einigen Kranken legte er die Hände auf heilte sie.“
Deutlich wird hier eine besondere Zuwendung Jesu im Besonderen zu den Kranken und im Allgemeinen zu den Notleidenden und Bedrückten. Dies begegnet uns ja auch sonst immer wieder in der Bibel. Denken wir hier nur an das Gleichnis vom Jüngsten Gericht (Mt 25,31-46) und an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37 oder 10,30-35/36). Nicht zuletzt die Stelle im Jakobusbrief über die Salbung von Kranken in der Gemeinde (Jak 5,14-15) verdient eigene Beachtung (siehe Gedanken zur Woche 222 – 12. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)).
Auch bei der lukanischen Aussendung der größeren Anzahl von Jüngern, mögen sie nun siebzig oder zweiundsiebzig gewesen sein (siehe Gedanken zur Woche 169 – 11. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)), wird die Heilung von Kranken erwähnt (Lk 10,9). Eine parallele Aussage findet sich in Zusammenhang mit der matthäischen Aussendung der zwölf Jünger (Mt 10,8). Allein in den Versen vor der Wahl und Aussendung der Zwölf finden sich im Matthäusevangelium verschiedene Beispiele für eine heilende Zuwendung Jesu. Die erstreckt sich von der Heilung zweier Besessener im Gebiet der Gadarener oder Gergesener, auch genannt bzw. geschrieben Gerasener (Mt 8,28-34), über die Heilung eines Gelähmten, offensichtlich im Kontext eines Aufenthaltes Jesu in Kafarnaum (Mt 9,1-8), die Heilung von zwei Blinden (Mt 9,27-31) bis zur Heilung eines Stummen (Mt 9,32-34). Es wird sogar die Auferweckung der Tochter eines Synagogenvorstehers, verwoben mit der Heilung einer Frau, erzählt (Mt 9,18-26).
Eigens in der markinischen Version einer Aussendung der Zwölf wird die Heilung von Kranken erwähnt (Mk 6,13). Im ersten Kapitel des Markusevangeliums wird bereits sowohl von der Heilung eines Besessenen durch Jesus (Mk 1,23-26/27) und von der Heilung der Schwiegermutter des Petrus (Mt 1,29-31) erzählt. Zu Beginn des Zweiten Kapitels des Markusevangeliums geht es dann schon um die Heilung eines Gelähmten (Mk 2,1-12). Wenig später stößt man der neuen deutschen Einheitsübersetzung zufolge auf die grundsätzliche Aussage:
„(Mk 2,17) Jesus hörte es und sagte zu ihnen: Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, um Gerechte zu rufen, sondern Sünder.“
Die Beispiele für die Zuwendung zu Kranken und generell zu Notleidenden in der Bibel lassen sich fortsetzen. Beachtung verdienen natürlich auch Stellen des Alten/Ersten Testaments, wenn es etwa dort um die Zuwendung zu Kranken und überhaupt zu Bedürftigen geht.
Dass sich Christinnen und Christen und generell die Kirche Notleidenden zuwenden soll, wurde seit Herausbildung des Christentums ernsthaft aufgegriffen. Dies fügte und fügt sich in den größeren Rahmen des gesamten caritativ-diakonischen Wirkens ein. Dabei können in Zusammenhang mit der katholischen Kirche stehende caritative Einrichtungen sehr unterschiedlich organisiert sein. Dies kann im Rahmen eines mehr oder minder privaten Vereins bis hin zu einer öffentlich-rechtlich anerkannten Institution der Fall sein. Hierbei kommt es sehr auf die örtlichen Gegebenheiten an. Die jeweiligen politischen Verhältnisse und die rechtliche Ordnung, die in einem Gebiet gegeben sind, können sehr verschieden sein. Wie man aus den frühen Jahrhunderten römischer Christenverfolgungen weiß, kann caritatives kirchliches Wirken auch in einem, staatlich-weltlich gesehen, illegalen Zusammenhang geschehen. Gerade das Schicksal des Diakons Laurentius verdeutlicht dies.
Dass caritatives Engagement eigens mit dem Amt des Diakons und damit dem Weihesakrament verbunden zu sehen ist, wird in Paragraph 3 des CIC-Canons/Kanons 1009 angesprochen:
„Die die Bischofsweihe oder die Priesterweihe empfangen haben, erhalten die Sendung und die Vollmacht, in der Person Christi, des Hauptes, zu handeln; die Diakone hingegen die Kraft, dem Volk Gottes in der Diakonie, der Liturgie, des Wortes und der Liebe zu dienen.“
Die Hilfe für kranke und andere notleidende Menschen betrifft das christliche Leben, die kirchlichen Strukturen, in deren ganzer Breite und Tiefe.
1. Lesung: Ez 1,28c-2,5
2. Lesung: 2 Kor 12,7-10
Evangelium: Mk 6,1b-6
Gedanken zur Woche 224-b, Dr. Matthias Martin
14. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Die Gedenktage nach dem derzeit ziemlich üblichen liturgischen Kalender des heiligen Bischofs und Märtyrers Kilian und seiner Gefährten und des Priesters und Märtyrers Augustinus Zhao Rong und seiner Gefährten verdeutlichen natürlich, dass der Weg des Christentums durch die Geschichte kein einfacher ist. Seit ganz frühen Tagen erleidet das Christentum immer wieder Bedrängnisse bis hin zu offener Verfolgung. Dies ist auch nicht auf die auf ihre Weise so blutigen Zeiten des Römischen Reiches oder auf eine andere Epoche in der Geschichte beschränkt. Bezeichnenderweise wird das 20. Jahrhundert immer wieder das „Jahrhundert der Märtyrer“ genannt.
Die beiden Gedenktage mögen dabei nicht zuletzt das mehr oder minder intellektuelle, wissensorierntierte Interesse an Weiheämtern in der katholischen Kirche, am Ordosakrament/Ordo-Sakrament, dem Sakrament der Weihe fördern. Es ist nicht nur die Position der katholischen oder römisch-katholischen Kirche, dass das Weihesakrament in seiner Gesamtheit ein Sakrament ist. Dieses ist es insbesondere ausdifferenziert in (die Weihe zum) Diakonat, Presbyterat/Priestertum und Episkopat/Bischof. In der kirchlichen Überlieferung und in der Praxis von Gemeinschaften, welche bewusst den Tridentinischen Ritus favorisieren, kommen hinzu (die Weihe zum) Subdiakonat und die Niederen Weihen.
Nach Band II von Heribert Jones „Gesetzbuch des kanonischen Rechts. Erklärung der Kanones“ lautet Canon/Kanon 949 des CIC von 1917:
„Was die Bedeutung der einzelnen Worte anbelangt, so wird im folgenden, wenn von „heiligen“ oder „höheren“ Weihen die Rede ist, darunter das Presbyterat, Diakonat und Subdiakonat verstanden.
Unter dem Ausdruck „niedere“ Weihen wird das Akolythat, Exorzistat, Lektorat und Ostiariat verstanden.“
In den von H. Jone gebotenen Erläuterungen heißt es hilfreicherweise dazu:
„Unter Presbyterat wird hier nicht nur die „Priesterweihe“, sondern auch die Bischofsweihe verstanden, in der das Presbyterat seine höchste Vollendung erhält.“
Demgegenüber lautet nun Paragraph 1 von Canon/Kanon 1009 des CIC von 1983:
„Die Weihen sind Episkopat, Presbyterat und Diakonat.“
In Paragraph 3 desselben Canons/Kanons 1009 wird diese Art bewusster Dreiteilung entfaltet (siehe Gedanken zur Woche 224 – 14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)). Im unmittelbar vorhergehenden Canon/Kanon 1008 des CIC von 1983 ist allgemein die Rede von „geistlichen Amtsträgern“ und „jeweiligen Weihstufen“.
Im CCEO für die Katholischen Ostkirchen ist die Möglichkeit für die Spendung bzw. den Empfang „Niederer Weihen noch enthalten. So wird im CCEO-Canon/Kanon 327 grundsätzlich festgehalten:
„Wenn außer Bischöfen, Priestern und Diakonen auch andere Amtsträger, in einem niederen Weihegrad eingesetzt und im allgemeinen niedere Kleriker genannt, zum Dienst am Volk Gottes oder zur Ausübung von Handlungen der heiligen Liturgie herangezogen oder bestellt werden, werden diese lediglich durch das Partikularrecht der eigenen Kirche eigenen Rechts geregelt.“
Hierbei scheint etwas das Verfassungsrecht der Katholischen Ostkirchen auf. Bei diesen spielt das erwähnte Partikularrecht eine große Rolle und besitzen die verschiedenen Kirchen eigenen Rechts jeweils ihr eigenes Profil in Theologie und Praxis einschließlich dem Kirchenrecht (siehe Gedanken zur Woche 118-b – 13. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST PETRUS UND PAULUS (2022); Gedanken zur Woche 119 – 14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 119-b – 14. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 123 – 18. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Außerhalb der in der Liturgie tridentinisch orientierten Strukturen wurde von Paul VI. die Spendung der niederen Weihen einschließlich der Subdiakonatsweihe innerhalb der Lateinischen Kirche beseitigt. Als Beauftragungen haben Lektorat und Akolythat im allergrößten Teil der Lateinischen Kirche gewissermaßen überlebt. Aufschlussreich ist hierzu besonders Canon/Kanon 230 Paragraph 1 in seiner gegenwärtigen Form:
„Laien, die das Alter und die Fähigkeiten besitzen, die durch Dekret der Bischofskonferenz festgesetzt worden sind, können durch den dafür vorgeschriebenen liturgischen Ritus dauerhaft zu den Diensten des Lektors und des Akolythen bestellt werden; die Übertragung dieser Dienste gewährt ihnen jedoch nicht das Recht auf Unterhalt oder Vergütung vonseiten der Kirche.“
Die Bezeichnungen „Lektoren“ und „Akolythen“ werden dann auch noch in Paragraph 3 dieses jetzigen CIC-Canons/Kanons 230 verwendet.
Als Übergangsstufen für den Empfang der Diakonen und der Priesterweihe besitzen die durch Beauftragung verliehenen Funktionen oder wenn man so will Ämter des Akolythen und des Lektors im Rahmen des CIC von 1983 und der durch ihn mehr oder minder vertretenen Ordnung ihre eigene Bedeutung. Canon/Kanon 1035 eben dieses gegenwärtigen CICs verdeutlicht dies:
„§ 1. Bevor jemandem der ständige Diakonat oder der Diakonat als Vorstufe erteilt wird, muss er die Dienste des Lektors und des Akolythen übernommen und eine angemessenen Zeit lang ausgeübt haben.
§ 2. Zwischen der Übertragung des Akolythates und der Erteilung des Diakonates ist eine Zwischenzeit von wenigstens sechs Monaten einzuhalten.“
Ähnlich ist eine eigene Frist zwischen dem Empfang der Diakonen- und dem Empfang der Priesterweihe vorgesehen. So wird in Paragraph 1 des Canons/Kanons 1031 verlangt, dass „zwischen der Erteilung des Diakonates und des Presbyterates ein zeitlicher Abstand von wenigstens sechs Monaten einzuhalten“ ist. In Paragraph 2 des CIC-Canons/Kanons 1032 wird als Bedingung formuliert, dass „der Diakon für eine angemessene, von dem Bischof beziehungsweise dem zuständigen höheren Oberen festzulegenden Zeit in Ausübung der Diakonenweihe an der Hirtensorge teilhaben , bevor ihm der Presbyterat erteilt wird“ (siehe auch Gedanken zur Woche 221-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Die Möglichkeit, Erfahrungen zu sammeln und stufenweise in die diakonale oder priesterliche Tätigkeit hineinzuwachsen, sollte also gewährleistet sein. Beauftragte Akolythen und Lektoren wie die geweihten Amtsträger sollen dabei grundsätzlich nicht vom Kirchenvolk isoliert sein oder sich von diesem absondern. Dies wird in der im Direktorium der Diözese St. Pölten für 2023/2024 abgedruckten Information zum Gedenktag des heiligen Augustinus Zhao Rong und seiner Gefährten ausgedrückt:
„Augustinus Zhao Rong, 1746 geboren, diente zunächst in der kaiserlichen Armee in China. Bei der Verfolgung der Christen beeindruckte ihn deren Glaubenstreue so sehr, dass er selbst um die Taufe bat und Priester wurde. 1815 erlitt auch er das Martyrium. Mit ihm zusammen gedenkt die Kirche all jener Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien, Männer, Frauen und Kinder, die in China zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten wegen ihrer Treue zum christlichen Glauben als Märtyrer starben.“
Diese Worte verdeutlichen, dass auch eine vorkommunistische Monarchie sehr brutal gegen Christen und da gerade auch gegen Katholiken vorgehen konnte. Die Katholikenverfolgungen des russischen Zarenreiches, die sich insbesondere gegen Katholikinnen und Katholiken des byzantinischen Ritus richteten, waren auf brutale Weise höchst effizient und führten zur starken Schwächung bis Vernichtung katholischer Ortskirchen. Diese Verfolgungen sind im vielzitierten Westen zumindest gerne weitgehend verdrängt worden, so wie etwa die Christenverfolgungen durch das vietnamesische Kaisertum (siehe Gedanken zur Woche 87-b – 34. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)).
Gedanken zur Woche 223, Dr. Matthias Martin
13. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Der Sonntag ist nun nach christlicher Überlieferung und das unabhängig von der jeweiligen weltlichen Ordnung der erste Tag der Woche. Damit eröffnet der Sonntag die Tage der anbrechenden Woche. Beim Übergang vom Juni zum Juli in diesem Jahr 2024 werden wir damit eben in den Monat Juli hineingeführt. Damit verdient schon an diesem Sonntag, auch wenn es nach dem gregorianischen/Gregorianischen Kalender noch der 30. Juni ist, das Gebetsanliegen des Papstes für den neuen Monat eigene Beachtung. Tatsächlich werden wir mit diesem gleich auf zwei zentrale Punkte des Christseins, von lebendiger Kirche hingewiesen.
So lautet dieses päpstliche Gebetsanliegen:
„Wir beten, dass das Sakrament der Krankensalbung den Menschen, die es empfangen, und ihren Angehörigen die Kraft des Herrn schenkt und für alle immer mehr zu einem sichtbaren Zeichen der Barmherzigkeit und Hoffnung wird.“
In Hinblick auf die allgemeine Verwirklichung der Nächstenliebe kommt der Fürsorge für Kranke eine eigene große Bedeutung zu. So können wir beim Blick auf das Gleichnis vom Jüngsten Gericht (Mt 25,31-46) der neuen deutschen Einheitsübersetzung nach u. a. bei den an die Gerechten gerichteten Worten lesen:
„(Mt 25,36) … ich war krank und ihr habt mich besucht; …“.
Für das Unterlassen solchen guten Tuns werden umgekehrt die Verworfenen kritisiert, wenn es gerafft heißt:
„(Mt 25,43) … ich war krank und im Gefängnis und ihr habt mich nicht besucht.“
Auf die dauernde Fürsorge für Menschen in gesundheitlich schwer angeschlagener Situation weist uns natürlich eigens das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37 oder 10,30-35/36) hin. Zunächst kümmert sich ja der barmherzige Samariter erst einmal mit einer Art Sofort- oder Notfallhilfe um den so schwer verletzten Menschen. Er bringt ihn dann auch schon zu einer Herberge (Lk 10,33-34). Sein Einsatz für den Verletzten endet aber auch da nicht, sondern der Text fährt über das Wirken des barmherzigen Samariters fort:
„(Lk 10,35) Und am nächsten Tag holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme.“
Die Fürsorge für Kranke und irgendwie gesundheitlich Angeschlagene gehörte dann alsbald mit zu den so etwas wie Markenzeichen des noch jungen Christentums. Dies wurde im Laufe der Zeit von Freund und Feind so wahrgenommen.
Im Laufe der Jahrhunderte entstanden Orden- und ordensähnliche Gemeinschaften, die sich teilweise bis exklusiv der Krankenpflege in einem weiten und zugleich tiefen Sinne zuwandten. Es entstanden christliche Stifte und Hospize oftmals mit eigener Rechtspersönlichkeit für die Sorge um Kranke und Alte. Mit der voranschreitenden Entwicklung von Zivilrecht und öffentlicher Verwaltung entstanden zu diesem umfangreichen Zweck im christlichen Bereich Vereine und Verbände. Die Caritas und ähnliche Vereinigungen sind allgemein bekannt. Hier spiegelt sich nicht zuletzt die Entwicklung des katholischen Vereinigungsrechts wie von Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche, also Vorgänge im Bereich des (öffentlichen) Religionsrechts wider. Dementsprechend kann man hier natürlich auch von Entwicklungen im Bereich des Staatskirchenrechts sprechen.
Auch in sehr gerafften Übersichten für christlichen Glauben und christliches Wirken fand die Fürsorge für Kranke deutlich Eingang.
So gehört eben „Die Kranken besuchen“ zu den sieben leiblichen Werken der Barmherzigkeit. Diese kurze Formulierung steht für die Fürsorge an kranken und irgendwie geschwächten Menschen an Leib und Seele in ihrer ganzen Breite.
Die Zuwendung zu den Kranken zeigt sich zudem gerade auch im sakramentalen Bereich. So ist die Krankensalbung, auch genannt die Letzte Ölung oder Krankenölung, eines der sieben Sakramente (siehe Gedanken zur Woche 83 – 30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)) und allgemein Gedanken zur Woche 214 – 5. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024) sowie Gedanken zur Woche 222 – 12. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)). Dies wurde eigens durch die Konzilien von (Basel – Ferrara -) Florenz und Trient bekräftigt.
So ist in den Beschlüssen des Konzils von (Basel – Ferrara -) Florenz zu lesen:
„Das fünfte Sakrament ist die Letzte Ölung, deren Materie durch den Bischof gesegnetes Olivenöl ist.“
Zu diskutieren oder zumindest diskutierbar ist wohl beim Vorliegen einer solchen Formulierung eines allgemeinen Konzils sowohl die Wortwahl bei der verbalen Bezeichnung dieses Sakramentes wie die Frage, ob und unter welchen Umständen überhaupt ein Öl für die Krankensalbung/Letzte Ölung/Krankennölung geweiht werden kann. Auch wirft sich die Frage, wieweit Aussagen eines allgemeinen Konzils irgendwie revidierbar sind.
Seinerseits hielt dann das Konzil von Trient fest:
„Diese heilige Salbung der Kranken aber wurde von Christus, unserem Herrn als wahrhaftes und eigentliches Sakrament des Neuen Testamentes eingesetzt, … “.
Vorher hatte dasselbe Konzil unter Verweis auf den Kirchenlehrer Thomas von Aquin u. a. erklärt:
„Dem heiligen Konzil schien es aber richtig, an die vorausgehende Lehre über die Buße das Folgende über das Sakrament der Letzten Ölung anzuschließen, das von den Vätern als Vollendung nicht nur der Buße, sondern auch des ganzen christlichen Lebens, das eine fortwährende Buße sein soll, angesehen wurde.“
Scharf bestand das Konzil von Trient ganz grundsätzlich auf den sieben Sakramenten:
„Wer sagt, die Sakramente des Neuen Bundes seien nicht alle von unserem Herrn Jesus Christus eingesetzt; oder: es gebe mehr oder weniger als sieben, nämlich Taufe, Firmung, Eucharistie, Buße, Letzte Ölung, Weihe und Ehe; oder auch: eines von diesen sieben sei nicht wahrhaft und im eigentlichen Sinne Sakrament: der sei mit dem Anathema belegt.“
Allein schon die Wortwahl verdient hier wieder eigens Beachtung. Wie soll nun mehr oder minder dieses Sakrament genannt werden? Wieweit können eben Aussagen eines allgemeinen Konzils modifiziert oder gar geändert werden? In diesem Fall geht es beim Sakrament der Letzten Ölung oder Krankensalbung ja mindestens gleich um drei Konzilien, wenn man noch das Zweite Konzil von Lyon berücksichtigt (siehe Gedanken zur Woche 83 – 30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)).
Ein terminologischer Unterschied wird deutlich, wenn man sich bezüglich des Sakramentes der Letzten Ölung oder der Krankensalbung dem Zweiten Vatikanischen Konzil zuwendet.
So ist der dogmatischen Konstitution über die Kirche „Lumen Gentium“ zu lesen:
„(Zweites Kapitel, Abschnitt 11) … Durch die heilige Krankensalbung und das Gebet der Priester empfiehlt die ganze Kirche die Kranken dem leidenden und verherrlichten Herrn, dass er sie aufrichte und rette (vgl. Jak 5,14-16), ja sie ermahnt sie, sich bewusst dem Leiden und dem Tode Christi zu vereinigen (vgl. Röm 8,17; Kol 1,24; 2 Tim 2,11-12; 1 Petr 4,13) und so zum Wohle des Gottesvolkes beizutragen. … “
Nun ist das Zweite Vatikanische Konzil besonders umfangreich. Unbestrittenermaßen wurde längst festgestellt, dass die von ihm verabschiedeten Dokumente umfangreicher sind als die Beschlüsse aller vorhergehenden allgemeinen Konzilien zusammen. So wundert es nicht, dass auch in anderen Dokumenten eben des Zweiten Vatikanischen Konzils von der Krankensalbung/Letzten Ölung die Rede ist. Eigens wurden drei Abschnitte der Konstitution über die Liturgie „Sacrosanctum Concilium“ dem Sakrament der Krankensalbung/Letzten Ölung gewidmet:
„(Drittes Kapitel, Abschnitt 73) Die „Letzte Ölung“, die auch -und zwar besser – „Krankensalbung“ genannt werden kann, ist nicht nur das Sakrament derer, die sich in äußerster Lebensgefahr befinden. Daher ist der rechte Augenblick für ihren Empfang sicher schon gegeben, wenn der Gläubige beginnt, wegen Krankheit oder Altersschwäche in Lebensgefahr zu geraten.
(Abschnitt 74) Neben den Riten für getrennte Spendung von Krankensalbung und Wegzehrung soll ein zusammenhängender Ordo geschaffen werden, gemäß dem die Salbung der Kranken nach der Beichte und vor dem Empfang der Wegzehrung erteilt wird.
(Abschnitt 75) Die Zahl der Salbungen soll den Umständen angepasst werden; die Gebete, die zum Ritus der Krankensalbung gehören, sollen so revidiert werden, dass sie den verschiedenen Verhältnissen der das Sakrament empfangenden Kranken gerecht werden.“
1. Lesung: Weish 1,13-55;23-24
2. Lesung: 2 Kor 8,7.9.13-15
Evangelium: Mk 5,21-43 (oder 5,21-24.35b-43)
Gedanken zur Woche 223-b, Dr. Matthias Martin
13. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Der Gang durch eine liturgische Woche im Jahreskreis mag immer wieder Inhalte der katholischen Glaubens- und Sittenlehre ins Bewusstsein rufen. Dabei mag etwa das Leben und Sterben von dabei besonders in Blickfeld geratenen Seligen und Heiligen Anregungen vermitteln, das eigene Leben durch das Tun des Guten und Meiden des Bösen richtig zu gestalten. Das Studium von Aussagen des kirchlichen Lehramtes etwa, mögen sie sich mehr auf die sogenannte positive (göttliche) Offenbarung, das ius divinum positivum oder mehr auf das Naturrecht, das ius divinum naturale, stützen, ist in zeitlicher Hinsicht wie in Hinblick auf das geforderte Verständnis doch für viele Menschen eine ziemliche Herausforderung. Was bestimmte Selige und Heilige vorgelebt haben, mag da eher direkt ansprechend und im praktischen Sinne wegweisend sein. Nicht umsonst gibt es das Sprichwort „Worte belehren, Vorbilder (aber) reißen mit.“
Allein schon die Würdigung jeweils von Frauen etwa in einer Woche des kirchlichen Jahreskreises kann helfen, die so grundsätzliche wie verheerende Geringschätzung bis ausgesprochene Verachtung von Frauen zu konterkarieren. Da steht an erster Stelle, wenn man es von der katholischen Überlieferung, und da gerade vom Konzil von Trient und dem Zweiten Vatikanischen Konzil angeht, die Mutter Jesu, eben Maria.
Eine Heilige, wie die mit dem deutschen Kaiserhaus der Staufer oder Hohenstaufer verwandte Elisabeth von Portugal steht natürlich auch ganz allgemein gegen Frauenverachtung. Zugleich verdeutlicht die bei ihr verwirklichte Verbindung von Tätigkeit als Königin und kirchlich anerkannter Heiligkeit (siehe Gedanken zur Woche 16-b – 13. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST PETRUS UND PAULUS (2020) und Gedanken zur Woche 119-b – 14. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)), wie sehr die katholische Kirche auch und nicht zuletzt in jenen gerne das Mittelalter genannten Zeiten, Frauen in Spitzenpositionen des Staates bis in des Militärwesens hinein akzeptierte. Da mögen dann die Gedanken spontan weiter schweifen, etwa zur heiligen Margarete oder Margareta von Schottland, zur Mutter Ottos des Großen, der heiligen Mathilde, zu den heiligen Kaiserinnen Adelheid und Kunigunde und zu heiligen Königinnen aus der Zeit der unabhängigen Königreiche der Angeln und Sachsen im Gebiet des heutigen Englands. Auch die über Jahrhunderte so bemerkenswert starke Stellung von Äbtissinnen in iberischen Reichen und die Institution deutscher Reichsäbtissinnen mag da in den Sinn kommen. Ebenso mag man von daher angeregt an katholische Aktivistinnen in der irischen Geschichte und ihren Kampf gegen die britische Unterdrückung denken. Die heilige Maria Goretti verdeutlicht, wie sehr es ganz im Sinne eines betont traditionellen Katholizismus lobenswert und richtig ist, wenn sich Mädchen und Frauen männlichen Zudringlichkeiten konsequent widersetzen.
Der heilige Ulrich von Augsburg verdeutlicht, dass es für einen Bischof spricht, wenn er gut, auch mit selbstbewussten Frauen in Führungspositionen, zusammenarbeitet. Deren gab es ja doch einige im ottonischen oder sächsischen Kaiserhaus, mit dem der heilige Ulrich unerschütterlich verbunden war. Die erwähnten heiligen Frauen Mathilde, Adelheid und Kunigunde gehören dazu. Aber etwa auch die selige Gisela und die Kaiserin Theophanu/Theophano sind hier ausdrücklich zu nennen. Später bewies der heilige Antonio Maria Zaccaria nicht zuletzt mit der Gründung der Sancti Pauli Sorores Angelicae oder Sorores Angelicae Sancti Pauli, gerne Engelsschwestern/Engelschwestern oder Angeliken genannt, wie sehr er aktive katholische Frauen zu schätzen wusste.
Der heilige Bischof Ulrich wie der heilige Priester Antonius Maria Zaccaría weisen natürlich eigens auch auf das Weihesakrament hin. Dies gilt umso mehr, da in derselben Woche, in welcher nach dem derzeit meist verwendeten liturgischen Kalender im Jahre 2024 zusammen mit ihren beiden Gedenktagen das Fest des heiligen Apostels Thomas gefeiert wird. Gewissermaßen ruht theologisch auf dem Fundament der Apostel der Gedanke der apostolischen Sukzession und des von ihr her gespendeten Weihesakramentes.
Es ist dabei zu bedenken, dass die Theorie oder die Forderung, Königssalbung oder Königskrönung als ein Sakrament anzuerkennen durch die katholische Kirche ausdrücklich zurückgewiesen wurde. Gleiches gilt bezüglich der Schwertleite oder dem Ritterschlag, mag hier auch irgendjemand von Ritterweihe sprechen.
Ziemlich endgültig wurde dies auf dem Konzil von Trient (1545-1563) festgestellt. Auch die Einmischung politischer Machthaber und zwar von Monarchen in die Erteilung der Weihe an kirchliche Amtsträger und deren kirchliche Tätigkeit und wurde eigens auf diesem großen Konzil zurückgewiesen. Damit erfand, wie in anderen Punkten, auch hier das Konzil nichts neues. So hatte schon das Zweite Konzil von Nicäa (787) solche fürstlichen bis kaiserliche Einmischungen scharf zurückgewiesen. Das Fünfte Laterankonzil (1512-1517) hatte sich gerade mit den Machenschaften der französischen Monarchie, ihrer Verbündeten einschließlich ihrer innerkirchlichen Handlanger sehr kritisch auseinandergesetzt.
Nicht allzu lange danach hatte die mangelnde Willfährigkeit der katholischen Kirche gegenüber einem königlichen Gewaltherrscher u. a. zur höchst blutigen Gründung und machtpolitischen Durchsetzung der anglikanischen Staatskirche von England geführt. Deren Weihen werden weiterhin auch grundsätzlich nicht von der römisch-katholischen Kirche anerkannt. Anderslautenden Behauptungen sollte wirklich nicht Glauben geschenkt werden. Deutlich wird dies, wenn man sich nur die Apostolische Konstitution „Anglicanorum Coetibus“ Benedkits XVI. vom 4. November 2009 über die Gründung von Personalordinariaten für zur katholischen Kirche übertretenden Anglikaner ansieht ( https://www.vatican.va/content/benedict-xvi/de/apost_constitutions/documents/hf_ben-xvi_apc_20091104_anglicanorum-coetibus.html ). Bekräftigt wurde dies durch die „Ergänzenden Normen zur Apostolischen Konstitution Anglicanorum coetibus“ der Kongregation für die Glaubenslehre ( https://www.vatican.va/roman_curia/congregations/cfaith/documents/rc_con_cfaith_doc_20091104_norme-anglicanorum-coetibus_ge.html ).
Dementsprechend sind und waren zur katholischen Kirche übertretende anglikanische Amtsträger jeweils eigens (wieder) zu weihen. Für sie wurde eine Regelung gefunden und dann eben wieder bekräftigt, wie sonst für übertretende Geistliche aus (im engeren Sinne) protestantischen Gemeinschaften. Die Weihe zum Bischof in der katholischen Kirche für verheiratete bisher anglikanische Geistliche wurde grundsätzlich ausgeschlossen. Diese Regelungen galten schon vor 2009 und gelten weiterhin. Dies gilt sowohl in Hinblick auf übertretende bzw. übergetretene frühere anglikanische Geistliche, die einem der betreffenden Personalordinariate beitraten wie für solche, die ihre neue geistliche Heimat außerhalb dieser eher besonderen Strukturen anderswo in der katholischen Kirche fanden. Dies verdient nicht zuletzt bezüglich der unter Papst Franziskus zur katholischen Kirche übergetretenen einstigen anglikanischen Bischöfe Beachtung.
Vereinzelt kam es offensichtlich im Laufe der Zeit, etwa bei den zahlreichen Übertritten anglikanischer Amtsträger während des Pontifikates Johannes Pauls II. (1978-2005) dazu, dass die Priesterweihe eines solchen Konvertiten von der katholischen Weltkirche anerkannt wurde. In einem solchen Falle geschah dies, weil der Betreffende in einer altorientalischen, altkatholischen oder vielleicht auch orthodoxen Weihelinie geweiht worden war. Diese Weihen werden von der (römisch-)katholischen Kirche grundsätzlich anerkannt. Eine solche Anerkennung gibt es eben nicht für anglikanische „Weihen“. Somit wurde in den betreffenden besonderen Anerkennungsfällen auch keine anglikanische Ordination oder wie auch immer als Weihe anerkannt. Vielmehr wurde eine Weihe anerkannt, die in einer von der (römisch-)katholischen Kirche als gültig in der apostolischen Sukzession stehend betrachteten altorientalischen, orthodoxen oder altkatholischen Weihelinie zu finden war.
Es ist hier ernsthaft vor mutwilliger Desinformation wie leichtfertigem Gerede zu warnen.
Ein eigenes Problem in der Ökumene stellt dabei die wiederholte Aufsplitterung in dem „Altkatholizismus“ genannten Bereich dar. Mitunter erkennt da eine Gemeinschaft die Gültigkeit der Weihen bei einer anderen Gruppierung oder einem außerhalb der eigenen Reihen stehenden Bischof ausdrücklich nicht an. Dabei kann es zu sehr harschen Worten kommen. Betreffende Auseinandersetzungen können bis in ein unterfränkisches Dorf hineinweisen. Auch ist mitunter die Zuweisung, welche Person oder welche einzelne Gemeinschaft denn nun überhaupt „altkatholisch“ sei, schwierig bis umstritten. Ein eigenes Problem stellt die Abgrenzung gegenüber den unter sich ja ihrerseits aufgespaltenen Mariaviten dar.
Gedanken zur Woche 222, Dr. Matthias Martin
12. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Die Bedeutung Johannes des Täufers und der ihm gewidmeten Verehrung in all ihrer Vielfalt wird dadurch unterstrichen, dass in diesem Jahr nach dem bei uns üblichen liturgischen Kalender der Vorabend des Hochfestes/Festes I. Klasse seiner Geburt am 12. Sonntag im Jahreskreis gefeiert werden kann. Normalerweise ist ja der Sonntag als Sonntag, als der Tag des Herrn, an dem die Christinnen und Christen die Auferstehung des Herrn Jesus Christus feiern, der ursprüngliche Fest- oder Feiertag im kirchlichen Leben (siehe Gedanken zur Woche 196-b – HOCHFEST von WEIHNACHTEN und WEIHNACHTSOKTAV (2023) und Gedanken zur Woche 218-b – 8. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2024)). Die Verteidigung der Sonntagsruhe, eines freien Sonntages ist deswegen umso mehr für sehr viele Menschen ein echtes Anliegen, das Partei- und Konfessionsgrenzen überschreitet (siehe Gedanken zur Woche 161 – 3. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)). Natürlich geht es auch um den Schutz anderer arbeitsfreier Tage, nicht zuletzt eben solcher auf ausdrücklicher Grundlage religiöser Überlieferung.
Die Wertschätzung Johannes des Täufers überschreitet nun bekanntlich die Grenzen zwischen Konfessionen und Religionen, zwischen sprachlichen Gemeinschaften und Staaten.
Umso ernster sollte etwa das Andenken Johannes des Täufers auch von heutigen Katholikinnen und Katholiken genommen werden. Natürlich ist dieses nicht zuletzt auch eine bemerkenswerte kulturelle Angelegenheit. In der Musik und in der bildenden Kunst, in der Malerei wie in figürlichen Darstellungen, wird Johannes der Täufer geehrt. So befindet sich ein eigenes recht großes Gemälde von der Taufe Jesu durch Johannes den Täufer im Altarraum der Pfarrkirche zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau. Geschaffen wurde es durch Martin Johann Schmidt, genannt der Kremser Schmidt. Genauso hat Johannes der Täufer seinen bemerkenswerten Platz in der schriftlichen Überlieferung verschiedener Konfessionen und Religionen.
Demensprechend sind verschiedene Herangehensweisen möglich, wenn man sich Johannes dem Täufer und dem mit ihm verbundenen Erbe annähern will. Der eine mag Bilder mit einer Szene aus dem Leben Johannes des Täufers samt der im Lukasevangelium erzählten Ankündigung seiner Geburt durch den Engel des Herrn (Lk 1,5-25) und der Präsentation seines abgeschlagenen Kopfes nach seiner Hinrichtung (Mt 14,8-11 und Mk 6,25-28) aus Sicht des Kunsthistorikers analysieren. Eine andere Person mag gerade nach Liedern zu Ehren Johannes des Täufers als Teil volkskirchlicher Frömmigkeit wie Ausdrucksformen musikgeschichtlicher Entwicklungen forschen. Die Befassung mit Textmaterial aus der Überlieferung der Mandäer kann sprachwissenschaftlich reizvoll sein, ebenso wie im Hinblick auf kosmologische Überlegungen. Dies gilt auch beim Herangehen an Texte aus der Gesamtüberlieferung des Islams mit dem Koran an erster Stelle.
Ganz generell ist sicher Johannes der Täufer als ein großer, wenn nicht gar der große Bußprediger zu sehen. Dies mag gerade bei Katholikinnen und Katholiken wieder das Interesse am Bußsakrament, der heiligen Beichte fördern, welche auch das Sakrament der Versöhnung genannt wird. Wie in anderen Konfessionen, so in altorientalischen und orthodoxen Kirchen sowie bei Altkatholiken gehört das Bußsakrament zu den sieben Sakramenten. In dem tausende bis zehntausende voneinander unabhängige konfessionelle Gemeinschaften umfassenden Gesamtphänomen „Protestantismus“ ist auch hier die jeweilige Gemeinschaft und Überlieferung eigens in de Blick zu nehmen. Wie auch sonst ist dabei vor Verallgemeinerungen sehr zu warnen, egal, ob man nun von rund 9.000 oder 32.000 überörtlich tätigen konfessionellen Gemeinschaften ausgeht, die mehr oder minder als „protestantisch“ bezeichnet werden. Diese notwendigerweise differenzierte Betrachtungsweise gilt auch in Hinblick auf alles, was als „anglikanisch“ bezeichnet, irgendwie dem Anglikanertum oder Anglikanismus zugerechnet wird. Jüngste Spaltungen entzündeten sich hier wie dort gerade an Fragen, was denn nun überhaupt als sündhaft oder nicht zu betrachten sei. Die betreffenden Auseinandersetzungen zu Fragen der Sexualmoral und damit verbunden zu Angelegenheiten der Kirchendisziplin lassen weitere Konflikte einschließlich Abspaltungen oder Spaltungen in mehr oder minder protestantischen bis anglikanischen Gemeinschaften erwarten.
Dabei kann das Beichtsakrament nicht nur nach römisch-katholischer Auffassung durchaus mehrfach im Leben empfangen werden. Als solches hat es eine lange und auf seine Weise vielschichtige Entwicklung durchgemacht. Erst kürzlich hat Papst Franziskus die Bedeutung des Bußsakramentes im Allgemeinen und in Leben und Wirken der Priester im Besonderen eigens herausgestrichen.
Recht grundsätzlich heißt es nun in Canon/Kanon 959 des CIC von 1983:
„Im Sakrament der Buße erlangen die Gläubigen, die ihre Sünden bereuen und mit dem Vorsatz zur Besserung dem rechtmäßigen Spender bekennen, durch die von diesem erteilte Absolution von Gott die Verzeihung ihrer Sünden, die sie nach der Taufe begangen haben; zugleich werden sie mit der Kirche versöhnt, die sie durch ihr Sündigen verletzt haben.“
Dieser nicht allzu lange CIC-Canon/Kanon ist für sich schon sehr inhaltsreich. Er unterreicht die Wichtigkeit aufrichtiger Reue und eines damit verbundenen Vorsatzes, sich künftig besser zu verhalten. Ebenso wird verdeutlicht, dass das Begehen von Sünde, das Verhältnis des betreffenden Menschen zu Gott stört. Dann wird nicht zuletzt der ekklesiale Aspekt von Sünde angesprochen. Mit dem Sündigen durch ihre menschlichen Glieder wird mehr oder minder die Kirche getroffen. Dies mag deutlicher werden, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die vor Ort konkreten Katholikinnen und Katholiken so etwas wie die Visitenkarten der Kirche, ja überhaupt von so etwas wie Christentum sind. In traditionell mehrheitlich nichtchristlichen Gegenden wie in stark säkularisierten Ländern des Westens kommen Menschen oft gar nicht oder nicht mehr persönlich mit christlicher Verkündigung und kirchlichem Leben in Berührung. Umso bedeutender ist das Erscheinungsbild, welches Katholikinnen und Katholiken durch ihr tatsächliches Leben abgeben. In einem sehr umfassenden Sinne liegt eine soziale Dimension hier bei Sünde, Tun von Gutem und aufrichtiger Umkehr vor.
Der ekkelsiale Charakter von Sünde wie Bußsakrament wird in obigen Canon/Kanon 959 auch durch den dortigen Hinweis auf den Spender verdeutlicht.
So ist laut CIC-Canon/Kanon 965 nur der gültig geweihte Priester ein möglicher Spender des Bußsakraments. Auch der CCEO weist in diese Richtung, was nicht zuletzt durch den dortigen Canon/Kanon 718 geschieht (siehe Gedanken zur Woche 213 – 4. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024)).
Wird damit in Zusammenhang mit dem Bußsakrament sehr deutlich auf das Weihesakrament hingewiesen, so wird auch die Taufe ins Gedächtnis gerufen. Durch diese empfängt der Täufling ja die Vergebung der bis dahin begangenen Sünden (siehe Gedanken zur Woche 213-b – 4. OSTERWOCHE (2024)).
Die sündenvergebende Wirkung der Krankensalbung ihrerseits wird nach sehr weit verbreitetem Verständnis bereits in dem auch sonst so wichtigen Jakobusbrief angesprochen:
„(Jak 5,14) Ist einer unter euch krank, dann rufe er die Ältesten der Gemeinde zu sich; sie sollen Gebete über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben. (15) Das gläubige Gebet wird den Kranken retten und der Herr wird ihn aufrichten; und wenn er Sünden begangen hat, werden sie ihm vergeben.“
Damit liegt hier auch eine bedeutende Bibelstelle in Hinblick auf priesterliche Tätigkeit und damit das Weihesakrament vor. Dieses wird ja ebenfalls in verschiedenen christlichen Konfessionen in Ehren gehalten, verteidigt und gespendet.
12. Sonntag Im Jahreskreis:
1. Lesung: Ijob 38,1.8-11
2. Lesung: 2 Kor 5,14-17
Evangelium: Mk 4,35-41
Vorabend von der Geburt Johannes des Täufers:
1. Lesung: Jer 1,4-10
2. Lesung: 1 Petr 1,8-12
Evangelium. Lk 1,5-17
Gedanken zur Woche 222-b, Dr. Matthias Martin
12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS und HOCHFEST PETURS UND PAULUS (2024)
Wenn in einer Woche gleich zwei Hochfeste/Feste I. Klasse gefeiert werden, so ist das doch ganz bemerkenswert.
Dabei mag man das HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS gerade als eine Anregung aufgreifen, die eigenen Sünden zu bereuen, sich bessern zu wollen und daran zu gehen, sich um ein besseres Verhältnis zu Gott und den Mitmenschen zu bemühen. Die Bußtaufe des Johannes weist dabei schon in Richtung der Spendung eines Sakramentes. Die Menschen zur Umkehr aufgerufen haben dann auf ihre Weise auch der heilige Petrus und der heilige Paulus. Ihr Wirken wird dabei mit einer umgehenden Institutionalisierung in Beziehung gesehen. Die römische Kirche als Zentrum der Christenheit und damit Mitte eines kirchlich geordneten Christentums wird gerade als auf den Apostel Petrus begründet gesehen.
Ganz generell sehen die (römisch-)katholische Kirchen wie auch orthodoxe und altorientalische Kirchen ihre geweihten Amtsträger in einer auf die Apostel zurückreichenden Linie, in der apostolischen Sukzession. In dieser Linie sehen sich jeweilige eigene Amtsträger auch der unter sich ja aufgesplitterten Altkatholiken und Anglikaner sowie einzelner protestantischer Gemeinschaften. Hier verdient insbesondere die offizielle lutherische Landeskirche und frühere Staatskirche Schwedens Beachtung. Für ihren Anspruch auf das Vorliegen apostolischer Sukzession gibt es offensichtlich ernstzunehmende Argumente. Beachtung verdient hierbei nicht zuletzt die Pflege einer recht traditionellen Liturgie, die von mancher und manchem als der vorkonziliaren katholischen Liturgie sogar als sehr nahestehend betrachtet wird. Nicht übersehen werden sollte, dass die Beichte auch in Grundlagendokumente der lutherischen Reformation Eingang fand. In neuerer Zeit dürfte man sich dieses reformatorischen Erbes zugunsten der Beichte mitunter wieder stärker bewusst geworden sein.
Die (römisch-)katholische Kirche hat ihrerseits der Beichte oder dem Bußsakrament fortdauernd besondere Aufmerksamkeit gewidmet. So verteidigte das Konzil von Trient wie vorher schon das von (Basel – Ferrara -) Florenz ausdrücklich dessen Zugehörigkeit zu den sieben Sakramenten. Mehrere Canones/Kanones im CIC von 1983 handeln vom Bußsakrament und seinen einzelnen Aspekten.
Dabei wird ein grundsätzlicher Zusammenhang zwischen der sakramentalen Weihe für den das Bußsakrament spendenden Priester und einer kirchenrechtlichen Befugnis für die Spendung des Beichtsakramentes betont. So wird in Paragraph 1 von CIC-Canon/Kanon 966 festgehalten:
„Zur gültigen Absolution von Sünden ist erforderlich, dass der Spender außer der Weihegewalt die Befugnis besitzt, sie gegenüber den Gläubigen, denen er die Absolution erteilt, auszuüben.“
Dabei ist zur Vermeidung von Missverständnissen bis hin zu Polemiken zu beachten, dass Papst Franziskus mehr als einmal schriftlich und öffentlich einsehbar das Vorliegen der Beichtjurisdiktion bei Priestern der Priesterbruderschaft St. Pius X. ausdrücklich bestätigt hat (siehe Gedanken zur Woche 51-b – 2. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST vom HL. JOSEF, BRÄUTIGAM DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA (2021); Gedanken zur Woche 86 – 33. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER ARMEN (2021); Gedanken zur Woche 214 – 5. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024) und Gedanken zur Woche - 216-b – 7. OSTERWOCHE (2024)). Ganz passend dazu heißt es in Paragraph 2 des CIC-Canons/Kanons 966:
„Diese Befugnis kann ein Priester von Rechts wegen oder durch Verleihung von der zuständigen Autorität nach Maßgabe des can. 969 erhalten.“
Dabei sollte man nicht verdrängen, dass eben der Papst den universellen Jurisdiktionsprimat in der Weltkirche innehat. Selbst wenn man dies nicht so in einem eher offensiven Sinne sieht, sondern eher im Sinne einer kirchliche Eigenständigkeit gegenüber weltlicher Einmischung verteidigenden oder einer eher schiedsrichterlichen Funktion, so ist die päpstliche Entscheidung zugunsten der Priesterbruderschaft St. Pius X. nicht zu negieren. Dies gilt umso mehr, da diese Entscheidung ausdrücklich erneuert und gerade auch durch die fortdauernde Handlungsweise des Apostolische Stuhles bestätigt wurde und wird. Vor diesem Hintergrund ist dann nicht zuletzt auch der in Canon/Kanon 966 erwähnte Canon/Kanon 969 zu verstehen. In diesem nun kann man auf Deutsch lesen.
„§ 1. Allein der Ortsordinarius ist zuständig, jeglichen Priester die Befugnis zur Entgegenahme der Beichten jedweder Gläubigen zu verleihen; Priester aber, die Mitglieder eines Ordensinstitutes sind, dürfen von dieser Befugnis nicht ohne die wenigstens vermutete Erlaubnis ihres Oberen Gebrauch machen.
§ 2. Der in can. 968, § 2 genannte Obere eines Ordensinstitutes beziehungsweise einer Gesellschaft des apostolischen Lebens ist zuständig, jeglichen Priestern die Befugnis zur Entgegenahme der Beichten seiner Untergebenen und anderer, die Tag und Nacht in einem Haus des Instituts beziehungsweise der Gesellschaft leben, zu verleihen.“
Der Hinweis in dem erwähnten Canon/Kanon 968 Paragraph 2 auf Canon/Kanon 630 Paragraph 4 verteidigt das Recht auch von Mitgliedern von Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften, sich seinen Beichtvater selber wählen zu dürfen.
In dieselbe Richtung wie im CIC für die Lateinische Kirche werden wir im CCEO für die Katholischen Ostkirchen gewiesen. So lautet wenig überraschend Paragraph 1 des Canons/Kanons 722 eben im CCEO:
„Das Sakrament der Buße wird nur vom Priester gespendet.“
Auch im CCEO wird die kirchenrechtliche Befugnis für einen Priester zur Spendung des Bußsakramentes eingefordert. So wird in Paragraph 3 desselben Canons/Kanons 722 festgehalten:
„Die Priester aber, damit sie gültig handeln, müssen überdies mit der Befugnis ausgestattet sein, das Sakrament der Buße zu spenden; diese Befugnis wird verliehen entweder von Rechts wegen oder durch eine besondere Verleihung, die von der zuständigen Autorität vorgenommen wurde.“
Auch die Regelung, dass wer als Priester von Rechts wegen oder durch eigene Verleihung die Erlaubnis die Beichte zu hören erhalten hat, dieses überall besitzt, findet sich sowohl im CIC wie im CCEO.
Demensprechend lautet Paragraph 2 von Canon/Kanon 967 des CIC:
„Wer die Befugnis, ständig Beichten entgegenzunehmen besitzt, sei es kraft Amtes, sei es aufgrund der Verleihung durch den Ordinarius des Ortes, an dem er inkardiniert ist oder an dem er seinen Wohnsitz hat, kann diese Befugnis überall ausüben, soweit nicht der Ortsordinarius in einem Einzelfall dies verwehrt hat, unbeschadet der Vorschriften des can. 974, §§ 2 und 3.“
Diese beiden Einzelparagraphen des Canons/Kanons 974 sollten Rechtssicherheit gewährleisten und Planungssicherheit fördern. In ihnen spiegelt sich Verfassungsrecht der Lateinischen Kirche wider. Dabei wird die in jüngster Zeit oft und vielfältig kritisierte Stellung des Ortsordinarius gerade in dem Paragraphen 2 von Canon/Kanon 974 unterstrichen:
„Wurde die Befugnis zur Entgegenahme von Beichten von dem in can. 967, § 2 genannten Ortsordinarius, der sie verliehen hat, widerrufen, so verliert der Priester diese Befugnis überall; wurde diese Befugnis von einem anderen Ortsordinarius widerrufen, so verliert er sie nur in dessen Gebiet.“
Abgerundet wird dies dann mehr oder minder durch den anschließenden Paragraphen 3:
„Jeder Ortsordinarius, der die Befugnis irgendeines Priesters zur Entgegennahme von Beichten widerrufen hat, hat dies dem aufgrund der Inkardination eigenen Ordinarius des Priesters beziehungsweise, wenn es sich um ein Mitglied eines Ordensinstitutes handelt, dessen zuständigem Oberen mitzuteilen.“
Erlangung und Verlust einer weltweiten Beichtjurisdiktion werden vergleichbar im CCEO geregelt. Auch hier kommt der Verleihung durch dem zuständigen Ortsordinarius zentrale Bedeutung zu. Dies wird in Paragraph 4 von CCEO-Canon/Kanon 722 deutlich, wobei die eigene Terminologie und die verfassungsrechtlichen Grundsätze für Katholische Ostkirchen zu beachten sind:
„Priester, die mit der Befugnis, das Sakrament der Buße zu spenden, ausgestattet sind kraft Amtes oder kraft Verleihung seitens des Ortshierarchen der Eparchie, der sie askribiert sind oder in der sie Wohnsitz haben, können das Sakrament der Buße gültig spenden überall auf der Welt allen Christgläubigen, wenn nicht ein Ortshierach im Sonderfall ausdrücklich widerspricht; diese Befugnis üben sie erlaubt aus unter Wahrung der vom Eparchialbischof erlassenen Normen sowie mit der zumindest vermuteten Erlaubnis des Kirchenrektors bzw., wenn es sich um die Niederlassung eines Instituts des geweihten Lebens handelt, des Oberen.“
Für die Aberkennung der Beichtjurisdiktion ist im CCEO gerade Paragraph 2 von Canon/Kanon 726 zu beachten.
Gedanken zur Woche 221, Dr. Matthias Martin
11. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Das markinisches Sondergut darstellende Gleichnis vom Wachsen der Saat oder der selbstwachsenden Saat (Mk 4,26-29) ist wohl eine der nicht allzu bekannten Stellen des Neuen/Zweiten Testaments und generell der Bibel. Die beiden lukanisches Sondergut bildenden Gleichnisse vom barmherzigen Vater und dem verlorenen Sohn (Lk 15,11-32) und vom barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37 oder 10,30-35/36) sind bekannter. Mehr geläufig dürften auch die aus dem matthäischen Sondergut kommenden Gleichnisse von den klugen und den törichten Jungfrauen (Mt 25,1-13) und vom Weltgericht oder Jüngsten Gericht (Mt 25,31-46) sein. Dies gilt sicher erst recht für den so etwas wie johanneisches Sondergut bietenden Prolog des Johannesevangeliums (Joh 1,1-18).
Natürlich sind aber auch diese wohl nicht so geläufigen markinischen Verse beachtenswert. Ganz im Sinne etwa der Synode zu Rom des Jahres 382, diverser nordafrikanischer Synoden, dem Konzil von (Basel – Ferrara -) Florenz und dem von Trient und auch ganz im Sinne des Ersten wie des Zweiten Vatikanischen Konzils sollen wir ja die ganze dort umschriebene Bibel in Ehren halten und zu schätzen wissen. Man mag nun zu verschiedenen Erklärungsmodellen wie etwa der Zweiquellentheorie über die Entstehung insbesondere der synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas (siehe Gedanken zur Woche 134 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 143-b – 4. ADVENTWOCHE (2022); Gedanken zur Woche 181 – 23. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023); Gedanken zur Woche 190 – 32. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023); Gedanken zur Woche 194 – 2. ADVENTSONNTAG (2023) und allgemein Gedanken zur Woche 201 – 4. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)) und zu den unterschiedlichen Datierungsversuchen stehen, wie man will.
Auf jeden Fall ist zu diesem markinischen Gleichnis festzustellen, dass hier zu Beginn ein Mann aktiv handelt, indem er auf dem Acker Saat aussät. Auch am Ende ist er es wieder, der aktiv handelt, der selber etwas tut. Da legt er nämlich die Sichel an und führt wohl die Ernte durch. Es geht also auch hier nicht darum, die Hände untätig in den Schoß zu legen. Nein, zu Beginn und Ende dieses Gleichnisses steht aktives Handeln der betreffenden Person.
So werden in der kirchlichen Überlieferung alle Katholikinnen und Katholiken aufgerufen, sich unabhängig von sozialem Stand, Herkunft, ethnischer Zugehörigkeit oder auch Stellung in der kirchlichen Weiheordnung aktiv einzubringen. In der Kirchenkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils „Lumen Gentium“ kann man etwa lesen:
„(Zweites Kapitel, Abschnitt 10) Der Amtspriester nämlich bildet kraft seiner heiligen Gewalt, die er innehat, das priesterliche Volk heran und leitet es; er vollzieht in der Person Christi das eucharistische Opfer und bringt es im Namen des ganzen Volkes Gott dar; die Gläubigen hingegen wirken kraft ihres königlichen Priestertums an der eucharistischen Darbringung mit und üben ihr Priestertum aus im Empfang der Sakramente, Im Gebet, in der Danksagung, im Zeugnis eines heiligen Lebens, durch Selbstverleugnung und tätige Liebe.“
Die für viele fremdartig bis anstößig oder Ärgernis erregend klingenden Formulierungen mögen zu einer Beschäftigung mit den tatsächlichen Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils anregen. In der Regel sind diese ja völlig unbekannt. Es wird auch gar nicht bestritten, dass selbst die grundlegende Tatsache, dass ja insgesamt sechzehn verschiedene Dokumente durch diese Kirchenversammlung verabschiedet wurden, selbst bei kirchlichen Mitarbeitern oder Repräsentanten oft unbekannt ist und auf Desinteresse stößt.
Dabei wird an der zitierten Stelle von „Lumen Gentium“ eigens die Priesterschaft direkt in die Pflicht genommen. Die Gläubigen werden im Allgemeinen aufgefordert, aktiv ein christliches Leben zu führen. Ganz generell geht es um das Tun guter Werke. Worte eines Glaubensbekenntnisses, irgendwelches sakramentales und generell liturgisches Wirken müssen im Alltagsleben Wurzeln schlagen und sollen dort gute Früchte tragen.
Dazu mögen nun alttestamentliche Schriften wie das Buch Tobit, das Buch Amos und das Buch Jesus Sirach sowie so manche Stelle aus den Fünf Büchern Mose, also der eigentlichen Thora/Tora/Torah, in den Sinn kommen. Mag natürlich auch an die oben erwähnten Gleichnisse vom Jüngsten Gericht, vom barmherzigen Samariter und etwa Worte aus der matthäischen Bergpredigt denken wie „(Mt 5,16) So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ Natürlich kann hierzu gerade auch der Blick auf den Jakobusbrief und seiner berühmten zweifachen Mahnung gerichtet werden, dass der Glaube nutzlos oder tot ist ohne Werke (Jak 2,20 und 26) und auf den Ersten Johannesbrief mit seiner Mahnung „(1 Joh 3,17) Wenn jemand die Güter dieser Welt hat und sein Herz vor dem Bruder verschließt, den er in Not sieht, wie kann die Liebe Gottes in ihm bleiben? (18) Meine Kinder, wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit.“
Dass ganz generell alle Gläubigen aufgefordert sind, sich aktiv am kirchlichen Leben zu beteiligen, macht wohl eigens Canon/Kanon 1248 des CIC von 1983 deutlich. Dabei wird dort auch eigens die Legitimität der verschiedenen überlieferten Riten zur Feier der Heiligen Messe in der katholischen Weltkirche gleich in Paragraph 1 bestätigt:
„Dem Gebot zur Teilnahme an der Messfeier genügt, wer an einer Messe teilnimmt, wo immer sie in katholischem Ritus am Feiertag selbst oder am Vorabend gefeiert wird.“
Unmittelbar vorher wird in Canon/Kanon 1247 wie im ersten der sog. Fünf Gebote der Kirche das eingeschärft, was gerne die Sonntagspflicht genannt wird (siehe Gedanken zur Woche 196-b – HOCHFEST von WEIHNACHTEN und WEIHNACHTSOKTAV (2023) und Gedanken zur Woche 218-b – 8. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2024)).
In Paragraph 2 des CIC-Canons/Kanons 1248 von 1983 wird dann festgehalten:
„Wenn wegen Fehlens eines geistlichen Amtsträgers oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund die Teilnahme an einer Eucharistiefeier unmöglich ist, wird sehr empfohlen, dass die Gläubigen an einem Wortgottesdienst teilnehmen, wenn ein solcher in der Pfarrkirche oder an einem anderen heiligen Ort gemäß den Vorschriften des Diözesanbischofs gefeiert wird, oder dass sie sich eine entsprechende Zeit lang dem persönlichen Gebet oder dem Gebet in der Familie oder gegebenenfalls in Familienkreisen widmen.“
Hier angesprochenen Herausforderungen und Lösungsmöglichkeiten sahen sich im Laufe ihrer wohlgemerkt bis heute fortdauernden Geschichte die Anhänger der sogenannten Kleinen Kirche (siehe Gedanken zur Woche 101-b – 8. WOCHE IM JAHRESKREIS – ASCHERMITTWOCH – TAGE NACH ASCHERMITTWOCH (2022); Gedanken zur Woche 211 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2024) und Gedanken zur Woche 219-b – 9. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2024)) einschließlich die Stevenisten im heutigen Belgien (siehe Gedanken zur Woche 117 – 12. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)) gegenüber. Die Kleine Kirche als solches schaffte es, sich über das allmähliche Aussterben des eigenen Klerus hinweg bis heute zu behaupten. Dabei spielten zunächst Bischöfe eine zentrale Rolle in der Formierung dieser gegen den Ausgleich des päpstlichen Roms mit dem Gewaltherrscher Napoleon gerichteten Protestbewegung. Auch Priestern kam hierbei ernste bis lebensgefährliche Bedeutung zu. Da es aber die Dissidentenbischöfe unterließen, für die Kleine Kirche ihrerseits Bischöfe zu weihen und auch der letzte Vertreter der Kleinen Kirche mit eigener Bischofsweihe beizeiten aufhörte, überhaupt Priester zu weihen, starb eben der Klerus der Kleinen Kirche grundsätzlich schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts aus. Dieser Umstand wurde dadurch befestigt, dass die Anwerbung von Geistlichen aus der katholischen Großkirche, der katholischen Konkordatskirche oder wie immer man sagen will, nicht so erfolgreich war, wie wohl seitens von Getreuen der Kleinen Kirche angedacht worden war. Gewann man nur moralisch-religiös ziemlich abschreckende Gestalten bis hin zum einen oder anderen, dessen Priesterweihe überhaupt deutlich anzuzweifeln war, so gab man seitens der weiter existierenden Kleinen Kirche alsbald solche Anwerbeversuche ganz auf. Seitdem wird dort auf die Tätigkeit eines geweihten Klerus verzichtet. Schon gar nicht nahm man in den letzten Jahrzehnten die Dienste sogenannter Episcopi Vagantes/Vagantenbischöfen und aus solchem Milieu kommenden „Priester“ an. Stattdessen entwickelte man sich bewusst zu einer eigenständigen Gemeinschaft von Laien und für Laien. Dabei verdienen die Hinweise auf das Fortleben von Kleiner Kirche-Religiosität außerhalb der eher am Rande der Vendeé gelegenen Hochburgen und auch außerhalb von Lyon eigene Beachtung. Hier spielte und spielt wohl gerade die Pflege des Gebetes im Rahmen der Familie eine große Rolle.
1. Lesung: Ez 17,22-24
2. Lesung: 2 Kor 5,6-10
Evangelium: Mk 4,26-34
Gedanken zur Woche 221-b, Dr. Matthias Martin
11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Wenn in einer einzigen Woche im Kirchenjahr nach dem derzeit zumeist verwendeten liturgischen Kalender sowohl des heiligen Abtes und Ordensgründers Romuald, des heiligen Aloisius Gonzaga aus dem Bereich der Ordensgemeinschaften von Regularklerikern, des heiligen Bischofs Paulinus von Nola sowie des heiligen Märtyrerbischofs John Fisher gedacht wird, so mag dies eigens die Aufmerksamkeit auf den (Weihe-)Klerus der katholischen Kirche lenken.
Dabei darf es nicht um eine einseitige Glorifizierung von Angehörigen dieses Standes oder wie immer man sagen will gehen. Klassisch dogmatisch gesprochen sind ja alle Menschen außer der Jungfrau und Gottesgebärerin Maria von der Erbsünde, von der Schwächung bis Gefallenheit der menschlichen Natur betroffen. Dies gilt eben auch für alle Kleriker. Setzte sich etwa das große Konzil von Trient offen mit Missständen in Klerus und Ordenswesen auseinander, so wurde bereits der heiligen Hildegard von Bingen der mahnende, ja herausfordernde Satz „Alles Gute vom Klerus, alles Schlechte vom Klerus“ zugeschrieben (siehe Gedanken zur Woche 45 – 2. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)).
Im Alten und Neuem oder Erstem und Zweiten Testament wird das Fehlverhalten von dortigen Protagonisten offen angesprochen. Davon werden auch Personen wie Abraham, Söhne des Jakobs, David und Salomo nicht ausgenommen. Ganz deutlich wird an verschiedenen Stellen die Kritik an Priestern geäußert. Im Neuen/Zweiten Testament wird auf der einen Seite die Bedeutung der Apostel und gerade des Petrus hervorgehoben. Auf der anderen Seite werden diese aber keineswegs als makellose Heldengestalten präsentiert. In der Apostelgeschichte und neutestamentlichen Briefen geht es nicht zuletzt um Missstände und Fehlverhalten innerhalb des sich entwickelnden noch ganz frühen Christentums.
In seiner Lebenszeit hat sich dann der mutige Bischof John Fisher (ca. 1469 bis 1535) setzte sich offen kritisch mit schlechter Moral im katholischen Klerus seiner Zeit auseinander. Mit dieser im konstruktiven Sinne kritischen Haltung verband er aber keineswegs Illoyalität gegenüber der katholischen Kirche. Das genaue Gegenteil war der Fall! Seine enorme theologische Kompetenz setzte er namentlich ein, um gegen die sogenannte reformatorische Bewegung bedeutende Schriften zu verfassen. Schließlich widersetzte er sich todesmutig der gewaltsamen Schaffung der anglikanischen Staatskirche durch den berüchtigten Heinrich VIII. Zusammen mit seinem Leidensgenossen Thomas More/Morus wurde er zum berühmtesten Opfer der damals anbrechenden englischen Katholikenverfolgung.
Der Lebensweg, das in so unerschütterlicher Treue zur Kirche und ungezählten Leidensgenossen ertragenen Leiden und schließlich der Märtyrertod von John Fisher mögen eine dauernde Mahnung sein, sich nicht von einem noch dazu besonders brutalem Unrechtsregime vereinnahmen zu lassen, erst recht, wenn dieses dazu noch in einem pseudo-christlichen und umso brutaleren Mäntelchen daherkommt.
Ebenso sollte das doch unsterbliche Erbe des heiligen John Fisher auch den aufmerksamen Blick auf Missstände im Klerus richten und dazu anspornen, allen Schwierigkeiten zum Trotze, diese möglichst offen anzugehen.
Die Bemühungen von Heiligen und Konzilien um das Abstellen eventueller Missstände in Klerus sowie Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften wird da erst recht verständlich. Nicht umsonst waren eigens die gute Aus- und Fortbildung von Geistlichen wichtige Themen etwa für das Konzil von Trient wie für den heiligen Papst Pius X. Dabei wird gerne vergessen, wie sehr sich hierbei etwa auch der durch die mit seinem Namen verbundene Kalenderreform bekannte Papst Gregor XIII. einsetzte. Unter ihm wurde der päpstliche Kirchenstaat zu einem besonderen Zentrum der Priesterausbildung. Überhaupt ging die Bemühung um ein hohes sittliches Niveau und gute Aus- und Fortbildung im Klerus einher mit einer breiten Erneuerung kirchlichen bis allgemeineren kulturellen und gesellschaftlichen Lebens. Dieses Grundmuster zeigte sich dann wieder nach dem Sturz Napoleons mit der Wiederherstellung des päpstlichen Kirchenstaates und dem so breiten wie tiefen (Wieder-)Aufschwung kirchlichen Lebens in den Jahrzehnten nach 1814/15, denen natürlich schon bis dahin vorgearbeitet worden war.
Auch im gegenwärtigen offiziellen Kirchenrecht wird die Wichtigkeit einer gewissenhaften Ausbildung von Diakonen und Priestern betont. So lautet grundlegend Paragraph 1 des CIC-Canons/Kanons von 1032:
„Denen, die den Presbyterat anstreben, darf der Diakonat erst nach Abschluss des fünften Jahres im philosophisch-theologischen Studiengang erteilt werden.“
Auch sollte eine praktische Einarbeitung in die seelsorgliche Tätigkeit der Priesterweihe vorausgehen. In diese Richtung weist recht deutlich Paragraph 2 dieses Canons/Kanons 1032:
„Nach Abschluss des Studienganges muss der Diakon für eine angemessene, von dem Bischof beziehungsweise dem zuständigen höheren Oberen festzulegenden Zeit in Ausübung der Diakonenweihe an der Hirtensorge teilhaben, bevor ihm der Presbyterat erteilt wird.“
Bezüglicher einer soliden Ausbildung wird auch die seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil angewachsene Gruppe der ständigen Diakone kirchenrechtlich in den Blick genommen. Diesbezüglich wird in Paragraph 3 von CIC-Canon/Kanon 1032 festgehalten:
„Demjenigen, der den ständigen Diakonat anstrebt, darf diese nicht vor Abschluss der Ausbildungszeit erteilt werden.“
Eigens werden sowohl sehr umfassende und tiefgehende sittlich-moralische Integrität wie inhaltlich-sachliche Kompetenz der Weihekandidaten deutlich schon in Canon/Kanon 1029 eingefordert:
„Weihen sind nur jenen zu erteilen, die nach dem klugen Urteil des eigenen Bischofs beziehungsweise des zuständigen höheren Oberen bei umfassender Würdigung einen ungeschmälerten Glauben haben, von der rechten Absicht geleitet sind, über die erforderlichen Kenntnisse verfügen, sich guter Wertschätzung erfreuen, über einen untadeligen Lebenswandel und erwiesene Charakterstärke sowie über andere der zu empfangenden Weihe entsprechende physische und psychische Eigenschaften verfügen.“
Den gesamten Bereich wissenschaftlich-theoretischer, pastoral-praktischer wie sittlich-moralischer Vorbereitung auf den Empfang sakramentaler Weihen spricht in kurzen Worten bereits CIC-Canon/Kanon 1027 an:
„Die den Diakonat und den Presbyterat anstreben, sind durch eine sorgfältige Vorbereitung nach Maßgabe des Rechtes auszubilden.“
Also wird auch wieder im besonderen Zusammenhang mit der Vorbereitung und Erteilung von Priester- und Diakonenweihe die Bedeutung guter Kenntnisse, von intellektueller-wissensmäßiger Kompetenz unterstrichen und ein betreffendes Verhalten eingefordert. Damit wird auch hier und das wiederholt jeglicher Fideismus und falscher Spiritualismus und Charismatismus zurückgewiesen. Die Bedeutung vernunftorientierter Strukturen und dementsprechender Tätigkeiten wird eigens in Hinblick auf solche Ausbildung und Weiheerteilungen im Kirchenrecht verdeutlicht.
In diese Richtung geht natürlich auch ganz stark der CCEO für die Katholischen Ostkirchen. So ist in Canon/Kanon 353 dieses Kodex eignes unter Hinweis auf die für die Verfassungsstruktur der katholischen Ostkirchen typische Betonung der Bedeutung des Partikularrechts zu lesen:
„Nach Maßgabe des Partikularrechts muß es Übungen und Prüfungen geben, die zur Vertiefung insbesondere der pastoralen Bildung beitragen, wie ein sozialer oder karitativer Dienst, die katechetische Ausbildung, besonders aber das Pastoralprkatikum während der philosophisch-theologischen Bildung und das Diakonatspraktikum vor der Priesterweihe.“
In Paragraph 1 des CCEO-Canons/Kanons 350 heißt es grundlegend und allgemeiner:
„Die theologischen Disziplinen sollen im Licht des Glaubens so vermittelt werden, daß die Alumnen die katholische, aus der göttlichen Offenbarung geschöpfte Lehre tief durchdringen und in ihrer Kultur zum Ausdruck bringen, so daß sie sowohl Nahrung für das eigene geistliche Leben als auch ein sehr nützliches Werkzeug zur möglichst wirksamen Übernahme des Dienstes ist.“
Auch die Ausbildung zukünftiger ständiger Diakone wird im CCEO eigens angesprochen. Dementsprechend lautet der dortige Canon/Kanon 354:
„Die eigene Ausbildung für die nicht zum Priestertum ausersehenen Diakone muß aus den oben gegebenen Normen so angepaßt werden, daß sich der Lehrplan auf mindestens drei Jahre erstreckt unter Beachtung der Traditionen der eigenen Kirche eigenen Rechts über den Diakonat der Liturgie, des Wortes und Caritas.“
Damit wird wiederum auch hier deutlich die verfassungsrechtliche Eigenheit Katholischer Ostkirchen und deren damit verbundene legitime Vielfalt angeschnitten.
Gedanken zur Woche 220, Dr. Matthias Martin
10. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Es ist eine bemerkenswerte Warnung vor Uneinigkeit und erst recht aktiver Spaltung, die im Evangelium nach Markus zu finden ist, wenn man für diesen Sonntag im Kirchenjahr der meist üblichen Leseordnung folgt. Was diese Mahnung umso schwerwiegender macht, ist der Umstand, dass wir sie in einer Art Traditio Triplex/Triplex Traditio vor uns haben. Nicht nur im Markusevangelium ist sie zu finden, sondern eben auch in den beiden anderen synoptischen Evangelien nach Matthäus (Mt 12,25-26) und nach Lukas (Lk 11,17-18). Die Parallelstellen bei den drei Synoptikern sind für sich schon interessant zu lesen, wenn man auch nur die neue deutsche Einheitsübersetzung der Bibel zur Hand hat. Darüber hinaus weist uns ein Teil der Abschiedsreden des Johannesevangeliums in dieselbe Richtung. Im Hohepriesterlichen Gebet wird u. a. für die Einheit unter den Glaubenden in eindringlichen Worten gebetet (Joh 17.21-23).
Wie wichtig Einheit ist, verdeutlichen verschiedene Redensarten in unterschiedlichen Sprachen. So gibt es etwa im Deutschen den Spruch „Gemeinsam sind wir stark!“ Ähnlich klingen doch „Stärke durch Einheit“ und „Einigkeit macht stark“. Noch im Zweiten Deutschen Reich der bismarckschen kleindeutschen Lösung war auf einer Briefmarkenausgabe verbunden mit einer in diese Richtung weisenden bildlichen Darstellung als Motto zu lesen „Seid Einig – Einig – Einig!“. Gerade im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg wohl erfreute sich das Schlagwort „United we stand, divided we fall!“ starker Beliebtheit. Übersetzen lässt es sich mit „Gemeinsam siegen wir, getrennt scheitern wir“ oder „Vereint werden wir siegen, uneins werden wir besiegt!“. In der US-amerikanischen Geschichte und Gegenwart kann uns dieser Satz auf jeden Fall immer wieder begegnen. In meinem Heimat-Chapter bei den Columbusrittern/Kolumbusrittern im nördlichen Dallas war man jeweils sehr angetan, wenn ich mich ausdrücklich auf „United we stand, divided we fall!“ als Motto bezog. Dies war der Fall, egal ob ich ein eher persönliches Gespräch führte oder eine Ansprache an eine versammelte Gruppe von Columbusrittern/Kolumbusrittern richtete. Die große und entscheidende Leistung von Persönlichkeiten wie George Washington war es tatsächlich im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg gewesen, eine Einheit im Handeln zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft, mit unterschiedlichen Sprachen und religiösen Bekenntnissen herzustellen.
Auf der anderen Seite stellt das tragische Schicksal der indigenen Bevölkerung mit ihren verschiedenen Stämmen und Völkern in sehr weiten Teilen Nordamerikas eine drastische Warnung diesbezüglich dar, wenn man nicht untereinander eine Einheit zur Verteidigung existentieller Belange erzielt. Die Versuche eines so berühmten indigenen Anführers etwa wie Tecumseh, die verschiedenen einheimischen Stämme und Völker für eine effiziente gemeinsame Selbstbehauptung zu einen, scheiterten letztendlich. Ein für Betroffene ebenfalls sehr abschreckendes Beispiel für die zerstörerischen Auswirkungen von Uneinigkeit bei Opfern von Aggression bietet der Siegeszug des britischen Imperialismus in Afrika und auf dem indischen Subkontinent. Die Britten konnten einen Stamm oder jeweiligen Staat nach dem anderen erledigen. Vor einiger Zeit meinte eine sehr angesehene britische Zeitung, man könne sich nur wundern, wie diesbezüglich naiv die Opfer des britischen Imperialismus in Afrika gewesen seien. Überhaupt gehört es immer wieder zur Strategie erfolgreicher Eroberer, Uneinigkeit unter ihren Opfern auszunutzen und auch gezielt zu fördern.
Für die Antike braucht man hier nur auf die makedonische und dann die römische Eroberungspolitik zu blicken. Umgekehrt zerfiel dann seinerseits das Großreich Alexanders nach dessen frühen Tod umso rascher wegen interner Machtkämpfe, die zu den Diadochenkriegen und eben dem Reichszerfall führten. Später wurde dann der Niedergang des Römischen Reiches gerade durch bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen in seinem Inneren samt der wiederholten Ermordung von Herrschern zumindest vorangetrieben. Interne Auseinandersetzungen trieben auch das Byzantinische/Oströmische Reich dem Abgrund zu.
Uneinigkeit bis hin zu heftigen inneren Auseinandersetzungen innerhalb des entstehenden Christentums gab es nicht zuletzt schon in ganz frühen, in der mehr oder minder neutestamentlichen Zeiten. Zu einer üblichen Bibelausgabe gehörende Schriften legen deutlich davon Zeugnis ab (siehe Gedanken zur Woche 151 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 179-b – 21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Es war dann halt eine Richtung, die sich mehr oder minder erfolgreich durchsetzte, egal ob man diese nun „frühkatholisch“ oder anders nennt.
Dabei soll gerade die Eucharistie für Einheit unter den Gläubigen stehen und diese fördern. Mitunter wird die Eucharistie auch „das Sakrament der Einheit“ genannt. Für Einheit steht auch das Sakrament der Taufe. Zum einen wird es seitens der katholischen Kirche allen Menschen angeboten, die noch nicht getauft sind. In CIC-Canon/Kanon 864 und im CCEO-Canon/Kanon 679 wird eben erklärt, dass jeder noch nicht getaufte Mensch fähig zum Empfang der Taufe ist (siehe Gedanken zur Woche 213-b – 4. OSTERWOCHE (2024)). Es wird keinerlei Unterschied nach Geschlecht, Alter, wirtschaftlicher oder sozialer Situation oder ethnischer Herkunft von Menschen gemacht. Sehr deutlich wird auch im gegenwärtigen Kirchenrecht die altehrwürdige Praxis der Anerkennung der in anderen christlichen Konfessionen gespendeten Taufen ausgesprochen, sofern diese nur einsichtigen Mindeststandards entsprechen. Recht scharf heißt es dazu in Paragraph 2 des Canon/Kanon 869 des CIC von 1983:
„In einer nichtkatholischen kirchlichen Gemeinschaft Getaufte sind nicht bedingungsweise zu taufen, außer es besteht hinsichtlich der bei der Taufspendung verwendeten Materie und Form der Taufworte und ferner bezüglich der Intention eines, der als Erwachsener getauft wurde, und des Taufspenders ein ernsthafter Grund, an der Gültigkeit der Taufe zu zweifeln.
Wie schon im Altertum sogar bei übertrittswilligen Arianern praktiziert, sind Menschen aus anderen christlichen Gemeinschaften bei ihrer Aufnahme in die katholische Kirche nicht noch einmal zu taufen. Überhaupt ist die Taufe wie auch das Sakrament der Firmung und das der Weihe nur dann bedingt zu spenden, wenn nach einer sorgfältigen Untersuchung noch ein vernünftiger Zweifel besteht, ob dieses Sakrament schon tatsächlich und gültig gespendet wurde (siehe Gedanken zur Woche 216 – 7. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024)). Dabei sollte jedes herablassende Verhalten seitens kirchlicher Mitarbeiter unterbleiben. Dies wird verdeutlicht in den Paragraphen 1 und 3 dieses CIC-Canons/Kanons 869:
„§ 1. Wenn ein Zweifel besteht, ob jemand getauft ist oder ob die Taufe gültig gespendet wurde, der Zweifel aber nach eingehender Nachforschung bestehen bleibt, ist dem Betreffenden die Taufe bedingungsweise zu spenden.“
Und
„§ 3. Wenn in den Fällen nach §§ 1 und 2 die Spendung oder die Gültigkeit der Taufe zweifelhaft bleibt, darf die Taufe erst gespendet werden, nachdem dem Täufling, sofern es sich um einen Erwachsenen handelt, die Lehre über das Taufsakrament dargelegt wurde und ihm beziehungsweise, falls es sich um ein Kind handelt, seinen Eltern die Gründe für die Zweifel an der Gültigkeit der gespendeten Taufe erklärt wurden.“
Es gehört zum Eigengut des CCEO, dass dort in Canon/Kanon 685 grundsätzlich die Möglichkeit festgehalten wird, einen Angehörigen einer orthodoxen oder altorientalischen Kirche ohne volle Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl als Taufpaten zuzulassen:
„§ 3. Aus gerechtem Grund ist es erlaubt, einen Christgläubigen irgendeiner nichtkatholischen orientalischen Kirche für die Aufgabe des Paten heranzuziehen, aber immer gemeinsam mit einem katholischen Paten.“
1. Lesung: Gen 3,9-15
2. Lesung: 2 Kor 4,13-5,1
Evangelium: Mk 3,20-35
Gedanken zur Woche 220-b, Dr. Matthias Martin
10. WOCHE IM JARHESKREIS (2024)
Manch einer einem ist die Redensart vertraut „Das Leben ist kein Ponyhof“. Manche und mancher zitiert auch gerne einen Spruch wie „Leicht hat man es nicht, aber leicht hat es einen. Hätte man es so leicht, wie es einen (manchmal) hat, dann hätte man es leichter.“
Ihrerseits ist die Kirche, ist das Christentum seit Anbeginn auf Widerwärtigkeiten bis hin zu offener Verfolgung gestoßen. Mitunter wird die Verhaftung, Folterung und Kreuzigung Jesu von Nazarets als Beginn von altchristlicher Gewalt gesehen. Dabei kann man in Hinblick auf Gewalt gegen Gläubige schon in das Alte/Erste Testament zurückgehen. Mögen dem einen gerade die beiden Makkabäerbücher in den Sinn kommen, so weist ein anderer vielleicht gerade dem Buch Tobit, seltener Buch Tobias genannt, diesbezüglich besondere Aussagekraft zu. Dort wird der als Vorbild in der Treue zum überlieferten Glauben und dem Tun guter Werke auftretende Tobit vor dem Hintergrund der assyrischen Gewaltherrschaft mit den Worten zitiert:
„(Tob 2,8) Meine Nachbarn verlachten mich und sagten: Fürchtet er sich immer noch nicht? Er wurde schon gesucht, um wegen dieser Tat hingerichtet zu werden, und war geflohen. Doch siehe, schon wieder begräbt er die Toten.“
Nicht zuletzt ist der gewaltsame Tod Johannes des Täufers und damit des „Propheten zwischen den Testamenten“ ziemlich bekannt. Dahinein passt der Vers aus dem Matthäusevangelium, der wiederum der neuen deutschen Einheitsübersetzung zufolge lautet:
„(Mt 11,12) Seit den Tagen Johannes‘ des Täufers bis heute wird dem Himmelreich Gewalt angetan und Gewalttätige reißen es an sich.“
Auch sonst finden wir nicht zuletzt im Neuen/Zweiten Testament warnende, ja drastische Worte. In der Apostelgeschichte wird dabei deutlich auf das zurückgegriffen, was heute meist das Alte Testament genannt wird, wenn der heilige Stephanus kurz vor seiner eigenen Hinrichtung seinen Gegnern vorhält:
„(Apg 7, 51) Ihr Halsstarrigen, unbeschnitten an Herzen und Ohren! Immerzu widersetzt ihr euch dem Heiligen Geist, eure Väter schon und nun auch ihr. (52) Welchen der Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Sie haben die getötet, die die Ankunft des Gerechten geweissagt haben, dessen Verräter und Mörder ihr jetzt geworden seid, (53) ihr, die ihr durch die Anordnung von Engeln das Gesetz empfangen habt, es aber nicht gehalten habt.“
Heftig sind auch Worte im Matthäusevangelium in der Auseinandersetzung Jesu von Nazarets mit Kontrahenten, wenn es neben anderem heißt:
„(Mt 23,29) … Ihr errichtet den Propheten Grabstätten und schmückt die Denkmäler der Gerechten (30) und sagt dabei: Wenn wir in den Tagen unserer Väter gelebt hätten, wären wir nicht wie sie am Blut der Propheten schuldig geworden. (31) Damit bestätigt ihr selbst, dass ihr die Söhne der Prophetenmörder seid! … (35) So wird all das unschuldige Blut über euch kommen, das auf Erden vergossen worden ist, vom Blut Abels, des Gerechten, bis zum Blut des Zacharias, Barachias‘ Sohn, den ihr zwischen dem Tempelgebäude und dem Altar ermordet habt.“
Der im traditionellen Messkanon namentlich erwähnte und mitunter als Apostel bezeichnete Barnabas starb der Überlieferung nach auf Zypern den Märtyrertod. Dementsprechend ist auch für seinen Gedenktag das liturgische Rot vorgesehen. Die während des Pontifikates Papst Benedikts XVI. seliggesprochene Hildegard Burjan (siehe allgemein Gedanken zur Woche 168-b – 10. WOCHE IM JAHRESRKEIS einschließlich HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2023)) hatte in ihrer eigenen Partei Anfeindungen zu erleiden. Ganz erheblich spielte dabei wohl ihre jüdische Abstammung eine Rolle, die sie doch mit Jesus von Nazaret, seiner irdischen Mutter Maria und den Aposteln teilte. Ausdrücklich zum Martyrium war der am gleichen Tag wie sie besonders geehrte heilige Antonius von Padua bereit gewesen, als er in noch jungen Jahren nach Afrika aufbrach. Direkt das Martyrium erlitt ja der Überlieferung zufolge der heilige Vitus/Veit als Opfer der Christenverfolgung des römischen Gewaltherrschers Diocletian.
Bedrängnisse bis direkte Verfolgungen stellen, wie hier schon deutlich wird, eine dauernde Herausforderung für die Kirche dar. Schon früh gingen Gegner oder Feinde direkt daran, das sakramentale Leben zu stören bis unmöglich zu machen. Gezielt bestimmte religiöse Vorgänge unmöglich zu machen, war dabei schon in alttestamentlicher Zeit von Verfolgerseite her das Ziel gewesen, etwa wenn man in die erwähnten Makkabäerbücher blickt. Die Usurpation des Tempels zu Jerusalem gerade als Zentrum des jüdischen Opferdienstes ging eigens in die Geschichte ein.
Nicht zuletzt war und ist dann der Schutz konsekrierter Hostien im kirchlichen Leben eine ernstzunehmende Angelegenheit. Man vernimmt ja nicht zuletzt in jüngster Zeit von betreffenden Übergriffen bzw. sakrilegischen Handlungen. Umso verständlicher ist, wenn Schutzbestimmungen auch heutzutage im Kirchenrecht zu finden sind. So soll ja die heiligste Eucharistie in einem festen, undurchsichtigen und verschlossenen Tabernakel aufbewahrt werden, um möglichst eine Profanierung zu verhindern (siehe Gedanken zur Woche 219-b – 9. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2024)). In Paragraph 4 dieses CIC-Canons/Kanons 938 wird darüber hinaus verfügt:
„Aus schwerwiegendem Grund ist es erlaubt, die heiligste Eucharistie vor allem zur Nachtzeit an einem anderen, sichereren und geziemenden Platz aufzubewahren.“
Bemerkenswert ist dann noch eigens Paragraph 5 desselben Canons/Kanons im CIC von 1983:
„Wer für eine Kirche oder Kapelle zu sorgen hat, hat Vorkehrungen zu treffen, dass der Schlüssel des Tabernakels, in dem die heiligste Eucharistie aufbewahrt wird, mit größter Sorgfalt gehütet wird.“
In Hinblick auf die Heilige Messe und die Eucharistie darf auch in finanzieller Hinsicht keinerlei Missbrauch getrieben werden. Für nachkonziliare Verhältnisse recht scharf lautet Canon/Kanon 947:
„Von dem Messtipendium ist selbst jeglicher Schein von Geschäft oder Handel gänzlich fernzuhalten.“
Ganz grundsätzlich wird in Canon/Kanon 848 dieses CODEX IURIS CANONICI/CIC bezüglich der Spendung von Sakramenten eingeschärft:
„Der Spender darf außer den von der zuständigen Autorität festgesetzten Stolgebühren für die Sakramentenspendung nichts fordern; er hat immer darauf bedacht zu sein, dass Bedürftige nicht wegen ihrer Armut der Hilfe der Sakramente beraubt werden.“
Einigermaßen strenge Maßstäbe finden sich auch im CCEO für die katholischen Ostkirchen. Dort lautet im guten Sinne verallgemeinernd Paragraph 1 von Canon/Kanon 700:
„Was die Art und Weise angeht, die Göttliche Liturgie zu feiern, ob sie in Einzel- und Konzelebration zu begehen ist, müssen besonders die pastoralen Bedürfnisse der Christgläubigen beachtet werden.“
So etwas wie Geschäftemacherei und finanzielle Willkür wird auch im CCEO gerade in Hinblick auf die Göttliche Liturgie oder die heiligste Eucharistie klar zurückgewiesen. Zugleich scheint hier wieder etwas von der Vielfalt in den Überlieferungen der Katholischen Ostkirchen auf. So wird in CCEO-Canon/Kanon 715 festgelegt:
„§ 1. Die Priester dürfen Spenden annehmen, welche die Christgläubigen ihnen gemäß bewährtem Brauch der Kirche für die Feier der göttlichen Liturgie nach den eigenen Anliegen anbieten.
§. 2. Es ist auch erlaubt, wenn die rechtmäßige Gewohnheit es so bestimmt, Spenden für die Liturgie der vorgeweihten Gaben und für das Gedächtnis in der Göttlichen Liturgie anzunehmen.“
Im anschließenden Canon/Kanon 716 wird dann eigens auch in eigener Sprachregelung betont, wie wichtig tätige Hilfsbereitschaft für die Armen anstelle von jeder Art von Geringschätzung etwa seitens kirchlicher Mitarbeiter ist:
„Unbeschadet des can. 1013 wird eindringlich empfohlen, daß die Eparchialbischöfe soweit wie möglich die Praxis einführen, wonach nur solche Spenden aus Anlaß der Göttlichen Liturgie angenommen werden dürfen, welche die Christgläubigen aus eigenem Antrieb anbieten; die einzelnen Priester aber sollen bereitwillig auch ohne irgendeine Spende die Göttliche Liturgie nach den Anliegen der Christgläubigen, insbesondere der Armen, feiern.“
Gedanken zur Woche 219, Dr. Matthias Martin
9. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Nach dem Hochfest, dem Fest I. Klasse von FRONLEICHNAM, von LEIB UND BLUT CHRISTI sind wir ganz im Sinne der bei uns üblichen liturgischen Ordnung wieder im „normalen“ kirchlichen Jahreskreis angelangt. Das liturgische Grün hat hier seinen starken Platz, ist es doch die Farbe im Gottesdienst eben für Heilige Messen im Jahreskreis. Davon unberührt sind natürlich Heilige Messen, in denen das liturgische Weiß, Violett oder Rot vorgesehen ist. Eigens kann bei der liturgischen Priesterkleidung an Marienfeiertagen Blau als Farbe zum Einsatz kommen.
Dabei ist natürlich die Allerheiligste Eucharistie während des ganzen Jahres zu feiern und in Ehren zu halten. Dies stellt eine ehrenvolle Daueraufgabe ganz generell für Katholikinnen und Katholiken dar und nicht nur etwa für Priester, Diakone, Mitglieder der Institute des geweihten Lebens und der Institute des apostolischen Lebens und kirchliche Angestellte dar. Aus der Eucharistie zu leben und ihre Feier mitzutragen, sind alle Glieder der Kirche aufgerufen. Schließlich sind die einzigen Tage im Kirchenjahr, an denen in der Lateinischen Kirche grundsätzlich keine Eucharistiefeiern vorgesehen sind, der Karfreitag und der Karsamstag.
Die Teilnahme der dazu fähigen Gläubigen an der Heiligen Messe gerade an den Sonntagen und den gebotenen Feiertagen wird durch die kirchliche Überlieferung und das offizielle derzeitige Kirchenrecht ausdrücklich betont, ja gefordert (siehe Gedanken zur Woche 196-b – HOCHFEST von WEIHNACHTEN und WEIHNACHTSOKTAV (2023) und Gedanken zur Woche 218-b – 8. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2024)). Dabei kann und darf der Kollaps von Volkskirche, der rapide Einbruch des kirchlichen Lebens natürlich nicht verleugnet werden. Es ist aber auch Sorge dafür zu tragen, dass interessierte Menschen sich möglichst ungehindert über kirchliche Positionen, die Inhalte kirchlicher Überlieferung wie aktuellere Aussagen informieren können. Kirchenvertreter in einem sehr weiten Sinne sind aufgefordert, die Hand auszustrecken und Menschen zur Wiederteilnahme am kirchlichen Leben einladen, die sich aus verschiedenen Gründen davon entfernt bis vielleicht einstweilen ganz bewusst getrennt haben. Die ausgestreckte Hand und nicht so sehr die geballte Faust oder der in Selbstgerechtigkeit erhobene Zeigefinger sollte so etwas wie die typische Körperhaltung kirchlicher Mitarbeiter sein, seien es hauptamtliche, seien es Teilzeitkräfte oder ehrenamtliche Mitarbeiter.
Auf jeden Fall betont das Kirchenrecht gerade in Hinblick auf den Klerus, wenn auch durchaus in der Formulierung von Wunschvorstellungen, dass das eucharistische Leben im Alltag zu verankern ist. So lautet Canon/Kanon 904 des CIC von 1983:
„Immer dessen eingedenk, dass sich im Geheimnis des eucharistischen Opfers das Werk der Erlösung fortwährend vollzieht, haben die Priester häufig zu zelebrieren; ja die tägliche Zelebration wird eindringlich empfohlen, die, auch wenn die Teilnahme von Gläubigen nicht möglich ist, eine Handlung Christi und der Kirche ist, durch deren Vollzug die Priester ihre vornehmste Aufgabe erfüllen.“
Damit wird eine Engführung auf menschliche Bedingtheiten in Hinblick auf die Allerheiligste Eucharistie zurückgewiesen. Die Gläubigen werden alle eingeladen, ihren geistig-geistlichen Blick auf das größere Ganze der Kirche zu richten. Dieser Grundgedanke wird auch in jedem Hochgebet, im Messkanon ausgesprochen. Ganz und gar nicht ist die Allerheiligste Eucharistie dem Gutdünken oder der Willkür von Priestern oder anderen Kirchenmitarbeitern anheimgegeben. Dies gilt ganz grundsätzlich auch für die anderen Sakramente (siehe Gedanken zur Woche 205 – 2. FASTENSONNTAG (2024)).
In dieselbe Richtung wie im CIC für die Lateinische Kirche wird man eben auch im CCEO für die Katholischen Ostkirchen gewiesen. Dabei wird nicht zuletzt das grundlegende Verfassungsrecht dieser Katholischen Ostkirchen knapp aber deutlich angeschnitten. Unter Hinweis auf das dortige Vorhandensein verschiedener Kirchen eigenen Rechts mit ihren je eigenen liturgischen, spirituellen und kirchenrechtlichen Überlieferungen heißt es im CCEO-Canon/Kanon 704:
„Die Göttliche Liturgie kann an allen Tagen lobenswerterweise gefeiert werden, mit Ausnahme jener, die gemäß den Vorschriften der liturgischen Bücher der Kirche eigenen Rechts, welcher der Priester askribiert ist, ausgeschlossen sind.“
Eine Diskriminierung von Gläubigen, die Kirchenvertretern aus persönlichen oder so etwas wie kirchenpolitischen Gründen unsympathisch sein mögen, ist strikt zu unterlassen. So betont Canon/Kanon 843 des CIC von 1983:
„§ 1. Die geistlichen Amtsträger dürfen die Sakramente denen nicht verweigern, die gelegen darum bitten, in rechter Weise disponiert und rechtlich an ihrem Empfang nicht gehindert sind.“
Ja, die Menschen sollten gut auf den Empfang der Sakramente vorbereitet und zu diesen hingeführt werden, wie Paragraph 2 dieses CIC-Canons/Kanons betont:
„Die Seelsorger und die übrigen Gläubigen haben jeweils gemäß der ihren eigenen kirchlichen Aufgabe die Pflicht, dafür zu sorgen, dass jene, die Sakramente erbitten, auf ihren Empfang durch die erforderliche Verkündigung und katechetische Unterweisung unter Beachtung der von der zuständigen Autorität erlassenen Normen vorbereitet werden.“
Dieser Canon/Kanon nimmt im heutigen CIC eine bemerkenswerte Stellung ein. Interessant ist eigens, wozu im CCEO-Canon/Kanon 673 in etwas eigener Sprache angespornt wird:
„Die Feier der Sakramente, besonders der Göttlichen Liturgie, weil sie ja eine Handlung der Kirche ist, soll soweit wie möglich mit tätiger Teilnahme der Christgläubigen geschehen.“
Von der willkürlichen Ausgrenzung Gläubiger etwa durch Kleriker oder die Funktionäre vermeintlich oder tatsächlich „katholischer“ Vereine und Verbände ist also auch hier nicht die Rede. Zugleich wird auch hier eine Abgrenzung gegenüber so etwas wie magischem Denken und fideistischer Orientierung durchgehalten.
Ganz grundsätzlich haben die Gläubigen ein Recht auf die geistlichen Güter der Kirche, was gerade in Hinblick auf den Sakramentenempfang gilt. Dies wurde von den Päpsten wiederholt betont und ist auch eigens sowohl im CIC wie im CCEO festgehalten. Dass hier eine Bringschuld der Geistlichen und anderen kirchlichen Mitarbeiter vorliegt, wird deutlich. So wird ganz grundsätzlich in Canon/Kanon 213 des jetzigen CIC angemahnt:
„Die Gläubigen haben das Recht, aus den geistlichen Gütern der Kirche, insbesondere dem Wort Gottes und den Sakramenten, Hilfe von den geistlichen Hirten zu empfangen.“
Paralleles lässt sich in Canon/Kanon 16 des CCEO finden:
„Die Christgläubigen haben das Recht, aus den geistlichen Gütern der Kirche, vor allem aus dem Wort Gottes und den Sakramenten, Beistand von den Hirten der Kirche zu erhalten.“
Die Vorbereitung auf den Empfang der Sakramente und deren Spendung ist eben kein Gnadenakt seitens geweihter Amtsträger und anderer kirchlicher Mitarbeiter, sondern deren grundlegende und fortdauernde Aufgabe.
1. Lesung: Dtn 5,12-15
2. Lesung: 2 Kor 4,6-11
Evangelium: Mk 2,23-3,6 (oder 2,23-28)
Gedanken zur Woche 219-b, Dr. Matthias Martin
9. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2024)
Die Gegenüberstellung und das gleichzeitige Ineinandergreifen eines Hochfestes/Festes I. Klasse und der gewissermaßen normalen Liturgie einer Woche im Jahreskreis hat seine eigene Aussagekraft. Deutlich wird dies in diesem Jahr 2024 etwa anhand der 9. WOCHE IM JAHRESKREIS und des am Freitag derselben Woche stattfindenden HOCHFESTES HEILIGSTES HERZ JESU, wenn man dem jetzt am meisten verbreiteten liturgischen Kalender folgt. Unterstrichen wird dies durch die liturgische Farbenordnung. So ist für dieses Hochfest das Weiß als Liturgiefarbe bestimmt. Für die normalen Tage im Jahreskreis gilt zuerst einmal das liturgische Grün. Bei Märtyrern wie dem heiligen Karl Lwanga und Gefährten und dem heiligen Bonifatius gilt natürlich das liturgische Rot. Für einen Heiligen, der nicht den Märtyrertod starb, gilt wie dem heiligen Norbert von Xanten das Weiß. Das Weiß als Liturgiefarbe kommt gerade bei der Ministrantenkleidung auch an einem marianischen Fest- oder Gedenktag zum Einsatz, wie etwa dem Tag vom UNBEFLECKTEN HERZEN MARIENS. In bestimmten Gegenden kann als Farbe für die liturgische Kleidung der Geistlichen an solch einem Mariengedenktag auch blau getragen werden. In kirchlichen bzw. kirchennahen Veröffentlichungen, nicht zuletzt des deutschen Sprach- und Kulturraums, wird gerne darauf verwiesen, dass ähnlich dem Violett am Dritten Adventsonntag (GAUDETE) und am Vierten Fastensonntag (LAETARE) dem Blau eben an marianischen Fest- und Gedenktagen anstelle des Weiß eine Einsatzmöglichkeit zukommt, wenn es nicht gar ausdrücklich als Liturgiefarbe wünschenswert sei.
In Abschnitt 308 der ALLGEMEINEN EINFÜHRUNG zum Messbuch im nachkonziliaren/Nachkonziliaren Ritus, der Messe Pauls VI. wird bezüglich der liturgischen Farben festgehalten:
„Für die Farben der liturgischen Kleidung soll die bisher übliche Ordnung gelten:
a) Weiß: Für Stundengebet und Meßfeier in der Oster- und Weihnachtszeit; an den Festen und Gedenktagen des Herrn mit Ausnahme solcher seines Leidens; an den Festen und Gedenktagen der Jungfrau Maria, der Engel, der Heiligen, die nicht Märtyrer sind; am Fest Allerheiligen (1. November), Johannes’ des Täufers (24. Juni), Johannes‘ des Evangelisten (27. Dezember), Kathedra Petri (22. Februar) und Pauli Bekehrung (25. Januar).
b) Rot: für Palmsonntag und Karfreitag; an Pfingsten, an den Feiern des Leidens Christi, an den Festen der Apostel und Evangelisten und an den Feiern der Märtyrer.
c) Grün: für Stundengebet und Meßfeier in der Zeit im Jahreskreis.
d) Violett: für Advent und Fastenzeit. Man kann Violett auch bei der Liturgie für Verstorbene zum Chorgebet und zur Messe verwenden.
e) Schwarz kann bei der Liturgie für Verstorbene verwendet werden.
f) Rosa kann an Gaudete (3. Adventssonntag) und Laetare (4. Fastensonntag) verwendet werden.“
Wie dann eigens im CIC von 1983 werden auch in der ALLGEMEINEN EINFÜHRUNG dieses Messbuches die Zuständigkeiten der Bischofskonferenzen wie auch die generelle Aufsichtsfunktion des Apostolischen Stuhles angesprochen. So heißt es zum Abschluss dieses Abschnittes 308:
„Die Bischofskonferenzen können geeignete Änderungen vornehmen, die den Erfordernissen und Bräuchen der einzelnen Völker Rechnung tragen, sie sind dem Apostolischen Stuhl vorzulegen.“
Dies weist ja schon in die Richtung einer betreffenden Verwendungsmöglichkeit von Blau als Liturgiefarbe. Zumindest lässt sich wohl in Hinblick auf die Verwendung der Liturgiefarbe Blau an Festen und Gedenktagen der Jungfrau Maria von einem ernstzunehmenden Gewohnheitsrecht sprechen. Hinzu kommt die Möglichkeit partikularrechtlicher Regelungen gerade im Rahmen der Ortsbischöfe und ihnen gleichgestellter Amtsträger in der Kirche. Ganz deutlich wird natürlich, dass entgegen landläufig oft zu vernehmenden Meinungen, Schwarz als Liturgiefarbe auch bei der sogenannten Liturgiereform Pauls VI. eben nicht abgeschafft wurde!
Für die Möglichkeit, bei betreffenden Anlässen die Liturgiefarben Schwarz, Rosa und Blau zu verwenden, spricht auch Abschnitt 309 dieser ALLGEMEINEN EINFÜHRUNG zum nachkonziliaren/Nachkonziliaren Messbuch:
„Zu festlichen Anlässen können wertvollere Paramente verwendet werden, auch wenn sie nicht der Tagesfarbe entsprechen.“
Die Pflege wertvoller liturgischer Gewänder und deren Vermittlung zu den Menschen hin ist für sich schon eine kulturelle Leistung. Solche Pflege und Vermittlung stellen dementsprechend eine eigene Herausforderung während des ganzen Kirchenjahres dar. Wenn man sich die Erhaltung etwa prachtvoller barocker Messgewänder und liturgischer Gewänder aus davor liegenden Epochen vergegenwärtigt, so kann man auch sagen, dass sich diese Aufgabe über die Jahrhunderte erstreckt. Wie bei der Erhaltung anderer Kulturgüter wie Handschriften und Bücher, Gemälde und Statuen, Kirchengebäuden und anderen Bauwerken mag hier ein Satz in den Sinn kommen wie „Rom denkt in Jahrhunderten und Jahrtausenden.“ Die Erhaltung ihrer jeweiligen Kulturgüter ist ja auch das Anliegen von Menschen in anderen Konfessionen und Religionen.
Eigenes Interesse verdient dabei die Tatsache, dass die Anhängerinnen und Anhänger der von der katholischen Großkirche getrennten sogenannten Kleinen Kirche trotz des schon um die Mitte des 19. Jahrhunderts erfolgten Aussterbens ihres eigenen Klerus (siehe Gedanken zur Woche 211 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 101-b – 8. WOCHE IM JAHRESKREIS – ASCHERMITTWOCH – TAGE NACH ASCHERMITTWOCH (2022) sowie Gedanken zur Woche 117 – 12. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)) ihre alten liturgischen Gewänder nach all dieser Zeit noch pflegen und in Ehren halten. Dies scheint auch bezüglich liturgischer Gefäße und historischer Bausubstanz der Fall zu sein.
In der katholischen Großkirche wird dabei eigene Aufmerksamkeit dem Aufbewahrungsort für konsekrierte Hostien gewidmet, der meist Tabernakel genannt wird. Hierzu finden sich eigens Regelungen im Kirchenrecht. Dabei weist Paragraph 2 von Canon/Kanon 938 auch auf den künstlerisch-kulturellen Aspekt der möglichst sicheren Aufbewahrung konsekrierter Hostien hin:
„Der Tabernakel, in dem die heiligste Eucharistie aufbewahrt wird, muss sich an irgendeinem hervorragenden Platz der Kirche oder Kapelle befinden, der gut sichtbar, kunstvoll ausgestattet und zum Gebet geeignet ist.“
Vertieft wird diese Festlegung durch Paragraph 3 desselben CIC-Canons/Kanons:
„Der Tabernakel, in dem ständig die heiligste Eucharistie aufbewahrt wird, darf nicht beweglich sein; er muss aus festem, undurchsichtigem Material gefertigt und so verschlossen sein, dass soweit irgend möglich, die Gefahr der Profanierung vermieden wird.“
Grundsätzlich heißt es in Paragraph 1 des Canons/Kanons 938 von 1983:
„Die heiligste Eucharistie darf nur in einem einzigen Tabernakel einer Kirche oder Kapelle ständig aufbewahrt werden.“
Im CCEO wird auch in diesem Zusammenhang die starke Stellung des Eigenrechts bzw. Partikularrechts, insbesondere der jeweiligen Kirche eigenen Rechts mit ihren unterschiedlichen kanonischen, liturgischen und spirituellen Überlieferungen berücksichtigt. So ist im CCEO-Canon/Kanon 714 zu lesen:
„§ 1. In Kirchen, wo amtlicher Gottesdienst und wenigstens mehrmals im Monat die göttliche Liturgie gefeiert wird, muß die Göttliche Eucharistie unter zuverlässiger Wahrung der Vorschriften der liturgischen Bücher der eigenen Kirche eigenen Rechts aufbewahrt werden, vor allem für Kranke, und mit größter Achtung von den Christgläubigen verehrt werden.
§. 2. Die Aufbewahrung der Göttlichen Eucharistie untersteht der Aufsicht und Leitung des Ortshierarchen.“
Dabei ist auch hier die eigene theologische Sprache zu beachten. Sprache bis hin zu linguistischen Feinheiten und Theologie samt liturgischer Praxis lassen sich eben als Gesamtphänomene nicht voneinander trennen.
Gedanken zur Woche 218, Dr. Matthias Martin
DREIFALTIKGEITSSONNTAG (2024)
Das Hochfest/Fest I. Klasse von DREIFALTIGKEITSSONNTAG besitzt eine ganz eigene Stellung unter den Hochfesten/Festen I. Klasse im kirchlichen Jahreskreis. Die Gläubigen werden mit diesem in den konfessionellen Gemeinschaften, welche dieses begehen, nämlich auf einen, durchaus ganz wesentlichen Inhalt der Glaubenslehre hingewiesen. Es wird eine dogmatisch-glaubensmäßige Position mit diesem Hochfest/Fest I. Klasse gefeiert und allein schon mit seinem Titel Menschen vor Augen gestellt.
Sonst ist es üblich, dass in Hochfesten oder Festen I. Klasse Ereignisse aus der Heilsgeschichte begangen und gewissermaßen präsentiert werden. Besonders bekannt und mit einem starken kulturellen und gesellschaftlichen Einfluss etwa bei der Regelung arbeitsfreier Tage sind Weihnachten als das Fest der Geburt Jesu von Nazaret und Ostern als das Fest seiner Auferstehung. Nach interkonfessioneller christlicher Überzeugung und bezeugter Tradition handelt es sich hierbei um Ereignisse, die sich irgendwie in der Geschichte ereignet haben. Es handelt sich diesem Grundverständnis zufolge nicht etwa um mythologische Erzählungen, Allegorien oder Produkte von Poesie, Drama oder Kinderzählungen welcher Art auch immer.
Umso mehr, da der Erste Korintherbrief allgemein zu den älteren Schriften des Neuen/Zweiten Testamentes und in der historisch-kritischen Exegese etwa doch zu den Original-Paulusbriefen/authentischen Paulusbriefen (siehe allgemein Gedanken zur Woche 151-b – 6. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 159 – HOCHFEST von OSTERN (2023)) gezählt wird, mögen die dortigen eindringlichen Worte in den Sinn kommen:
„(1 Kor 15,14) Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer, leer auch euer Glaube. (15) Wir werden dann auch als falsche Zeugen Gottes entlarvt, weil wir im Widerspruch zu Gott das Zeugnis ablegt haben: Er hat Christus auferweckt. Er hat ihn eben nicht auferweckt, wenn Tote nicht auferweckt werden. (16) Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden. (17) Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos und ihr seid immer noch in euren Sünden; (18) und auch die in Christus Entschlafenen sind dann verloren. … (20) Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.“
Für geschichtliches Bewusstsein und ein historisches Selbstverständnis steht überhaupt jenes neutestamentliche Buch, das im Deutschen „Apostelgeschichte“ genannt wird. Im Amerikanischen bis ins britische und australische Englisch hinein wird es „Acts of the Apostles“, „Book of Acts“ oder ganz kurz „Acts“ genannt. „Acts“ kann nun im Deutschen „Akten“, „Handlungen“ oder auch mit „Taten“ wiedergegeben werden. Es geht da offensichtlich dem Verständnis nach um etwas historisch-faktisches.
in Richtung eines eigenen Geschichtsbewusstseins mit einer Verortung in Raum und Zeit weisen in dieser Apostelgeschichte eigens Worte wie:
„(Apg 17,22) Da stellte sich Paulus in die Mitte des Areopags und sagte. Männer von Athen, nach allem, was ich sehe, seid ihr sehr fromm. (23) Denn als ich umherging und mir eure Heiligtümer ansah, fand ich auch einen Altar mit der Aufschrift: EINEM UNBEKANNTEN GOTT. Was ihr verehrt, ohne es zu kennen, das verkünde ich euch. (24) Der Gott, der die Welt erschaffen hat und alles in ihr, er, der Herr über Himmel und Erde, wohnt nicht in Tempeln, die von Menschenhand gemacht sind. … (26) er hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen, damit es die ganze Erde bewohne. Er hat für sie bestimmte Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnsitze festgesetzt.“
Solche Worte mögen zu religionswissenschaftlichen und historischen samt archäologischen Studien anregen. Sie weisen auch schon wie dann unmittelbar vorhergehende und dann folgende Verse darauf hin, dass Athen im Altertum eine ganz eigene Größe mit eigenen Institutionen, eigener Verfassungsgeschichte und Stellung in der Geistesgeschichte war. Manchem mag da zumindest stichwortartig etwas von der Geschichte Athens als Stadtstaat und als vorübergehender Großmacht im Mittelmeer bis in das Schwarze Meer hinein in den Sinn kommen. Das Schicksal des Philosophen Sokrates als Opfer athenischer Politik im juristischen Gewande wurde gar mit der Anklage, Verurteilung und Hinrichtung Jesu von Nazarets verglichen.
Immer wieder wird also der Bezug von Geschichte und Christentum und da gerade katholischer Kirche deutlich.
Dazu passt, dass jüngst Papst Franziskus dem Päpstlichen Komitee für Geschichtswissenschaften eine Audienz gewährte und an sie eine den so großen Wert der Geschichtswissenschaften unterstreichende Ansprache richtete. Darin erklärte er u. a. (siehe deutsche Ausgabe des L’OSSERVATORE ROMANO, Vitale Beziehung zwischen Kirche und Geschichte. Ansprache von Papst Franziskus am 20. April (Nummer 18 2024 (54. Jahrgang – 3. Mai 2024)) Seite 10):
„Ihr kommt aus verschiedenen Ländern und aus drei Kontinenten, jeder mit seinen wertvollen besonderen Fachkenntnissen. So gewährleistet ihr die internationale Dimension und den multidisziplinären Charakter des Komitees, dessen Forschungs-, Tagungs- und Herausgebertätigkeit Teil einer fruchtbaren und proaktiven multikulturellen Dynamik ist. …
Dies alles bezeugt ein Engagement in der Erforschung der historischen Wahrheit auf Weltebene, in einem Geist des Dialogs mit den unterschiedlichen Sensibilitäten der Geschichtsschreibung und vielfältigen Forschungstraditionen. Es ist gut, dass ihr mit anderen zusammenarbeitet und dabei sowohl eure wissenschaftlichen als auch eure menschlichen Beziehungen vermehrt und Formen geistiger und institutioneller Abkapselung vermeidet. Ich ermutige euch, diesen bereichernden Ansatz beizubehalten, der aus kontinuierlichem, aufmerksamem Hören besteht, frei von jeglicher Ideologie – Ideologien töten – und unter Achtung der Wahrheit. …
In der Begegnung und Zusammenarbeit mit Forschern jeglicher Kultur und Religion könnt ihr einen besonderen Beitrag leisten zum Dialog zwischen der Kirche und der zeitgenössischen Welt …
Dieser Stil trägt dazu bei, etwas zu entwickeln, das ich >Diplomatie der Kultur< nennen würde. Das ist höchst aktuell und heute im Kontext des gefährlichen globalen stückweise geführten Krieges um so notwendiger, dem wir nicht tatenlos zusehen können. Daher lade ich euch ein, eure Arbeit der historischen Forschung fortzusetzen, indem ihr Horizonte des Dialogs eröffnet und das Licht der Hoffnung des Evangeliums dorthin bringt, jener Hoffnung, die nicht zugrunde gehen lässt (vgl. Röm 5,5).
Ich sehe die Beziehung zwischen der Kirche und den Historikern gerne unter dem Aspekt der Nähe. Denn es gibt eine vitale Beziehung zwischen der Kirche und der Geschichte.“
In ihrer Gesamtheit ist diese päpstliche Ansprache über den Tag hinaus beachtenswert. Die in ihr deutlich werdende Betonung der Unverzichtbarkeit von Geschichtswissenschaft und überhaupt von Geschichtsbewusstsein wird auch umgesetzt etwa in dem Vorwort, das Papst Franziskus für ein Werk über den heiligen Papst Pius X. verfasste. Hinzu kommt dort noch die betreffende biografische Skizze in der betreffenden Ausgabe des OSSERVATORE ROMANO (siehe Gedanken zur Woche 216-b – 7. OSTERWOCHE (2024)).
1. Lesung: Dtn 4,32-34.39-40
2. Lesung: Röm 8,14-17
Evangelium: Mt 28,16-20
Gedanken zur Woche 218-b, Dr. Matthias Martin
8. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM (2024)
Das Hochfest/Fest I. Klasse nimmt ähnlich dem Hochfest des DREIFALTIGKEITSSONNTAGES etwas wie eine Sonderposition im kirchlichen Jahreskreis ein. Wie dieses steht es nicht für ein Ereignis der Heilsgeschichte, und es wird auch keine Heilige und kein Heiliger geehrt (siehe Gedanken zur Woche 218 – DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2024)). Ein Blick in den CIC für die Lateinische Kirche und in den CCEO für die Katholischen Ostkirchen verdeutlicht diese ein bisschen Sonderstellung. So wird in Canon 1246 des CIC von 1983 zuerst einmal generell die Bedeutung des Sonntags hervorgehoben (siehe Gedanken zur Woche 196-b – HOCHFEST von WEIHNACHTEN und WEIHNACHTSOKTAV (2023)). In diese Richtung weisen ja auch Paragraph 1 von Canon/Kanon 881 des CCEO (siehe ebd. und das erste der sogenannten Fünf Gebote der Kirche (siehe Gedanken zur Woche 110 – 3. SONNTAG DER OSTERZEIT (2022)).
Im Weiteren ist dann in diesem CIC-Canon/Kanon 1246 zu lesen:
„Ebenso müssen gehalten werden die Tage der Geburt unseres Herrn Jesus Christus, der Erscheinung des Herrn, der Himmelfahrt und des heiligsten Leibes und Blutes Christi, der heiligen Gottesmutter Maria, ihrer Unbefleckten Empfängnis und ihrer Aufnahme in den Himmel, des heiligen Joseph, der heiligen Apostel Petrus und Paulus und schließlich Allerheiligen.“
Dabei ist natürlich in Hinblick auf Maria vor jedem Missverständnis zu warnen. Sie ist eben keine Göttermutter, wie uns eine solche in polytheistischen Formen von Religion begegnen kann. Auch ist sie nach katholischer Auffassung keine sonst wie göttliche Person, weder als Einzelgottheit noch im Rahmen einer nur offiziell von Splittergruppen gelehrten Vierfaltigkeit oder gar Fünffaltigkeit. In traditioneller Theologie einschließlich Beschlüssen von Konzilien wird zur Vermeidung von Missverständnissen gerne ja der Begriff „Gottesgebärerin“ verwendet. Gleichfalls ist zu bedenken, dass es sich bei den Heiligen nach katholischer Grundüberzeugung um geschichtliche Personen, um richtige Menschen aus Fleisch und Blut handelt, die einst so wie andere Menschen eben in Raum und Zeit hier auf Erden wirkten. In diesem Sinne sollten Heilige nicht als mythologische Gestalten, nicht als fiktive Gestalten missverstanden werden. Dabei können natürlich die Meinungen sehr deutlich auseinander gehen, was jemand bezüglich der Überlieferung zu einer als Heilige bzw. Heiligen verehrten Person für geschichtlich hält, und was er vielleicht sogar als unsinnig zurückweist. Das kennen wir ja auch in Hinblick auf andere mehr oder minder historische Persönlichkeiten wie Ereignisse. Da können die Meinungen überhaupt immer wieder sehr auseinander gehen oder konfliktgeladen aufeinander prallen.
Dem Hochfest von FRONLEICHNAM, von LEIB UND BLUT CHRISTI kommt auf jeden Fall ein sehr wichtiger Platz im Leben der Kirche zu. Zugleich hat dieses Hochfest seinen eigenen Platz im weiteren kulturellen Leben außerhalb eines engeren kirchlich-theologischen Bereichs. Bei einer Fronleichnamsprozession und einer damit verbundenen Heiligen Messe können etwa kunstvoll gefertigte liturgische Gewänder zum Einsatz kommen. Gerade an diesem hochfestlichen Tag werden gerne prächtige Monstranzen verwendet. Nicht zuletzt ist FRONLEICHNAM ein musikalisches Ereignis. Auch für die Pflege des Miteinanders der Menschen kann dieser Tag bedeutsam sein. Immer wieder beteiligen sich unterschiedliche Vereine einschließlich Studentenverbindungen sowie Vertreter unterschiedlicher Parteien und Wählergemeinschaften an Fronleichnamsprozessionen. Fronleichnamsprozessionen erfreuen sich auch bei Nichtkatholiken eines eigenen Interesses, sei es mehr aus theologisch-spirituellen oder mehr aus kulturellen Gründen.
Neben dem oben schon zitierten CIC-Canon/Kanon findet FRONLEICHNAM und gerade die Möglichkeit einer an diesem Tag durchgeführten Prozession auch sonst im Kirchnerecht ausdrücklich Berücksichtigung.
So lautet Paragraph 1 von Canon/Kano 944 im CIC von 1983:
„Wo es nach Urteil des Diözesanbischofs möglich ist, soll zum öffentlichen Zeugnis der Verehrung gegenüber der heiligsten Eucharistie, vor allem am Hochfest Fronleichnam, eine Prozession stattfinden, die durch die öffentlichen Straßen führt.“
Dabei ist die praktische Entscheidungskompetenz des Ortsbischofs zu beachten. Diese wird im darauffolgenden Paragraphen 2 dieses Canon/Kanons noch eigens betont:
„Dem Diözesanbischof kommt es zu, Ordnungen für die Prozession zu erlassen; durch diese ist für die Teilnahme an ihnen und ihre würdige Durchführung Vorsorge zu treffen.“
Ganz generell wird im CIC von 1983 dem jeweiligen Diözesanbischof für das liturgische Leben eine sehr verantwortungsvolle Stellung zugewiesen.
So formuliert im Sinne einer theologischen Grundsatzpositionierung Canon/Kanon 835 Paragraph 1:
„Den Dienst der Heiligung üben vor allem die Bischöfe aus; sie sind die Hohenpriester, die vorzüglichen Ausspender der Geheimnisse Gottes und die Leiter, Förderer und Wächter des gesamten liturgischen Lebens in der ihnen anvertrauten Kirche.“
In Paragraph 4 von Canon/Kanon 838 heißt es wenig später:
„Dem Diözesanbischof steht es zu, in der ihm anvertrauten Kirche innerhalb der Grenzen seiner Zuständigkeit Normen für den Bereich der Liturgie zu erlassen, an die alle gebunden sind.“
Die starke Stellung des Ortsbischofs im liturgischen Leben wird auch im CCEO angesprochen. Dabei wird das Vorhandensein der unterschiedlichen Überlieferungen, Traditionen und Einzelregelungen in den verschiedenen Katholischen Ostkirchen/katholischen orientalischen Kirchen berücksichtigt.
So lautet CCEO-Canon/Kanon 199:
„§ 1. Der Eparchialbischof, der ja der Leiter, Förderer und Wächter des gesamten liturgischen Lebens in der ihm anvertrauten Eparchie ist, soll darüber Aufsicht führen, daß dieses so gut wie möglich gefördert und gemäß den Vorschriften und den rechtmäßigen Gewohnheiten der eigenen Kirche eigenen Rechts geordnet wird.
§ 2. Der Eparchilabischof soll dafür sorgen, daß in der eigenen Kathedralkirche zumindest ein Teil des Stundengebetes gefeiert wird, auch täglich, gemäß den rechtmäßigen Gewohnheiten der eigenen Kirche eigenen Rechts; ebenso daß in jeder Pfarrei nach Kräften an den Sonn- und Feiertagen und bei besonderen Feierlichkeiten und ihren Vigilien das Stundengebet gefeiert wird.
§. 3. Der Eparchialbischof soll häufig das Stundengebet in der Kathedralkirche oder in einer anderen Kirche leiten, vor allem an den gebotenen Feiertagen und bei anderen Feierlichkeiten, an denen ein beachtlicher Teil des Volkes teilnimmt.“
Im anschließenden CCEO-Canon/Kanon 200 wird betont, dass es dem Eparchialbischof zukommt, „in der ganzen Eparchie die gottesdienstlichen Handlungen zu feiern …“.
Damit wurde die möglichst zahlreiche Teilnahme des Kirchenvolkes an gottesdienstlichen Handlungen schon angesprochen. Überhaupt ist eine zahlreiche Teilnahme von Gläubigen stets wünschenswert, wenn auch nicht Bedingung für die Gültigkeit etwa der Feier der Allerheiligsten Eucharistie, der Spendung bzw. des Empfangs der Taufe, der Firmung und des Weihesakramentes. Dass Gläubige für die Teilnahme an Gottesdiensten nach Möglichkeit anzusprechen sind, wird mit Blick auf die Feier der Allerheiligsten Eucharistie in Canon/Kanon 906 des CIC von 1983 thematisiert, wobei offenkundig auch hier wieder eigens die Vernunft angesprochen wird:
„Ohne gerechten und vernünftigen Grund darf der Priester das eucharistische Opfer nicht ohne die Teilnahme wenigstens irgendeines Gläubigen feiern.“
Offiziell wurde dabei die Sonntagspflicht entgegen anderslautender Gerüchte oder Behauptungen nicht kirchenamtlich abgeschafft, wofür ja auch das erste der sog. Fünf Gebote der Kirche steht. In Canon/Kanon 1247 ist zu lesen (siehe Gedanken zur Woche 196-b – HOCHFEST von WEIHNACHTEN und WEIHNACHTSOKTAV (2023)):
„Am Sonntag und an den anderen gebotenen Feiertagen sind die Gläubigen zur Teilnahme an der Messfeier verpflichtet; sie haben sich darüber hinaus jener Werke und Tätigkeiten zu enthalten, die den Gottesdienst, die dem Sonntag eigene Freude oder die Geist und Körper geschuldete Erholung hindern.“
Damit wird hier kirchlicherseits nicht zuletzt der Gedanke arbeitsfreier Zeiten im Allgemeinen und des arbeitsfreien Sonntags im Besonderen verteidigt. In diese Richtung geht eben auch Canon/Kanon 881 des CCEO, wobei kirchlicherseits der Blick besonders auf einen ungehinderten Gottesdienstbesuch gerichtet ist.
Gedanken zur Woche 217, Dr. Matthias Martin
HOCHFEST von PFINGSTEN (2024)
Wie die in der Lesung aus der Apostelgeschichte gebotene Vielfalt von Völkern und Ländern oder Regionen so gibt es auch eine Vielfalt bezüglich dessen, als was das Hochfest/Fest I. Klasse von PFINGSTEN in erster Linie zu verstehen ist. Dieses ist nicht einfach ein Hochfest. Es gibt vielmehr ganz im Sinne einer breiten christlichen Tradition verschiedene Akzentsetzungen im Verständnis und im Aufgreifen für das kirchliche Leben heutzutage.
Für die einen ist PFINGSTEN nun das Hochfest/Fest I. Klasse des HEILIGEN GEISTES. Damit ist schon für sich eine ganz starke und nicht beiseite zu schiebende Bedeutung dieses Hochfestes gegeben. Ist doch der HEILIGE GEIST nach offiziellem Bekenntnis der meisten sich christlich nennenden Denominationen oder konfessionellen Gemeinschaften als Dritte göttliche Person wesensgleich oder wesenseins mit GOTT VATER als Erster göttlicher Person und GOTT SOHN als Zweiter göttlicher Person.
Dann wird PFINGSTEN aber eben auch gesehen als GEBURTSSTUNDE DER KIRCHE. Es kann auch der Akzent auf als PFINGSTEN als untrennbar angenommenen BEGINN VON WELTMISSION und damit als den Start von Kirche als WELTKIRCHE gelegt werden (siehe Gedanken zur 61 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2021); Gedanken zur Woche 115 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2022); Gedanken zur Woche 166 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2023) und allgemeiner Gedanken zur Woche 12 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2020)).
Legt der eine mehr Wert bei der Betrachtung dieses Festes auf den alttestamentlichen Hintergrund (siehe Gedanken zur Woche 115 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2022)), so mag ein anderer eher auf die im Laufe der Geschichte entstandenen und überlieferten Glaubensbekenntnisse blicken (siehe Gedanken zur Woche 12 - HOCHFEST von PFINGSTEN (2020)).
Wieder ein anderer mag darüber hinaus die verschiedenen Positionen in den Blick nehmen und sich für die Argumente theologischer Kontrahenten wie theologische Einigungsbemühungen interessieren beim Blick auf den in der Lesung aus der Apostelgeschichte ja ausdrücklich erwähnten HEILIGEN GEIST. Ganz verschiedene Positionen standen sich da schon im christlichen Altertum gegenüber und traten später mit der sogenannten Reformation nach und nach wieder stärker ins Licht einer Öffentlichkeit.
Die heute gängigen Glaubensbekenntnisse mit der dort ausgesprochenen Wesensgleichheit dreier göttlicher Personen in der ALLERHEILIGSTEN DREIFALTIGKEIT von GOTT VATER, GOTT SOHN oder LOGOS und GOTT HEILIGEM GEIST wurden grundsätzlich als Markierungen gegenüber anderen Positionen formuliert. Besonders deutlich wird dies bei dem auf das Erste Konzil von Nicäa (325) und das Erste Konzil von Konstantinopel (381) zurückgehende Nicäno-Konstantinopolitanum, welches schlicht auch das „Große Glaubensbekenntnis“ genannt wird. Im Laufe der Jahrhunderte fand dann gerade im westkirchlichen Bereich zusätzlich zum ursprünglichen und damit ein bisschen knapperen Text die Formulierung Eingang, dass der HEILIGE GEIST vom VATER UND DEM SOHN ausgeht. Die Formulierung „und vom Sohn“ wird im Lateinischen schlicht mit dem zusammengesetzten Wort „filioque“ ausgedrückt. Diese textliche Entwicklung, die zur Verteidigung und Bekräftigung der Wesensgleichheit des SOHNES und auch des HEILIGEN GEISTES mit dem VATER diente, wurde im ostkirchlichen samt altorientalischen einschließlich koptischen Bereich etwa nicht mitvollzogen und spielte eine Rolle bei der zunehmenden Entfremdung von so etwas wie Ost- und Westkirche samt sich allmählich einstellenden Verhärtungen.
Viel grundsätzlicher hatte es da verschiedenartige Ablehnungen eines trinitarischen Bekenntnisses, einer kirchlichen Trinitätstheologie schon früher gegeben. Im Rahmen dieser Reihe wurde dieses so breite wie tiefgreifende Phänomen schon wiederholt angeschnitten. Auf der einen Seite stand insgesamt die Überzeugung, dass GOTT VATER, GOTT SOHN und GOTT HEILIGER GEIST tatsächlich ein und dieselbe Person seien. Diese eine und dieselbe göttliche Person hätte auf verschiedene Weisen, in verschiedenen Wirkweisen, also Modi, gewirkt. Von daher kam es zur Bildung des Begriffes Modalismus. Nach dem in der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts wirkenden und möglicherweise aus der zum derzeitigen Libyen nominell gehörenden Cyrenaika oder aus dem benachbarten Ägypten stammenden Priester Sabellius her wird auch von Sabellianismus gesprochen. Sabellius wird eine theologische Systematisierung der modalistischen Grundposition zugeschrieben. Diese wird manchmal auch Patripassianismus genannt, da diesem Verständnis nach letztlich der himmlische VATER selber am Kreuz gelitten hätte. Manchmal werden die Begriffe Modalismus und Patripassianismus bis hin eben zum Wort Sabellianismus als Synonyme verwendet. Manchmal wird aber unter Sabellianismus konkret so etwas wie die Lehre eben dieses frühen christlichen Priesters Sabellius verstanden. Bemerkenswert und für ein christliches Amts- und Sakramentenverständnis informativ ist auf jeden Fall der Umstand, dass es sich auch bei ihm wie bei anderen führenden Persönlichkeiten streitender christlicher Richtungen (siehe Gedanken zur Woche 214 – 5. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024)) um einen Priester, wenn nicht gar Bischof gehandelt haben müsste.
Auf der anderen Seite gab es auch die deutlich entgegensetzte Position, wonach Jesus nur als normaler Mensch geboren sei. Erst später sei er von GOTT VATER adoptiert worden. Daher wird diese uneinheitlich vorgetragene Grundposition Adoptianismus genannt. Nach und nach entwickelte sich so etwas wie eine trinitarische Theologie und damit verbundenen Glaubensbekenntnisse.
Dabei ist die Persönlichkeit des Sabellius, wie dies auch bei anderen Persönlichkeiten gerade der frühen Geschichte des Christentums gegeben ist, schwer zu greifen. Woher stammte er wirklich? Wie wichtig war sein eigener theologischer Beitrag? Was meinte er im Einzelnen?
Bekannter und besser zu greifen ist da sicher der unabsichtlich zum ersten allgemeinen Konzil von Nicäa des Jahres 325 hinführende Arius. Vielleicht stammte er sogar wie eben möglicherweise Sabellius aus der Cyrenaika. Die Tätigkeit des Arius zur Formulierung und Verbreitung einer dezidiert antimodalistischen oder antisabellianischen Lehre mit bewusster und abstufender Betonung des Unterschiedes von Gott Vater und Jesus Christus wurde mitunter mit einer für Arius provozierenden Begegnung mit sabellianisch orientiertem Christentum in der Cyrenaika bis nach Ägypten erklärt. Auf diese Extremposition habe er halt mit einer Art von Gegenextrem geantwortet. Dabei sollte aber keineswegs vergessen werden, dass auch für Arius und die eigentlichen Arianer Jesus Christus ein göttliches Wesen war, wenn auch nicht auf einer Ebene mit dem göttlichen Vater (siehe Gedanken zur Woche 166 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2023) und Gedanken zur Woche 173-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Nach und nach geriet schließlich die Stellung des HEILIGEN GEISTES in den Blickpunkt. Wie eine wesensmäßige Unterordnung der ZWEITEN GÖTTLCIHEN PERSON unter die ERSTE GÖTTLICHTE PERSON, so wurde auf den Konzilien von Nicäa im Jahre 325 und von Konstantinopel im Jahre 381 eine wesensmäßige Unterordnung der DRITTEN GÖTTLICHEN PERSON gerade durch das jeweilige Glaubensbekenntnis zurückgewiesen. Jede Art von Suborditianismus wurde in diesem Rahmen verurteilt. Dies betraf dann eben auch die manchmal Makedonianer/Macedonianer genannten Gegner der Lehre von der Wesensgleichheit des HEILIGEN GEISTES mit GOTT VATER und GOTT SOHN. Dabei soll deren gewissermaßen Namensgeber sogar Bischof von Konstantinopel gewesen sein.
Auch ein semimodalistischer Standpunkt (siehe Gedanken zur Woche 166-b – PFINGSTMONTAG und 8. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)) wurde nicht akzeptiert.
Was im deutschsprachigen Mitteleuropa gerne übersehen wird, ist der Umstand, dass mit der sogenannten Reformation des 16. Jahrhunderts auch wieder alte christologische bzw. trinitätstheologische Kontroversen aufbrachen. Auch hier traten wieder Vertreter einer Ablehnung der Wesensgleichheit von VATER, SOHN und HEILIGEM GEIST im Sinne eines über Arius hinausgehenden Suborditianismus auf. Dabei verdienen die Nuancen, Schattierungen und Entwicklungsstufen von Unitarismus oder Unitariertum und Sozianismus bzw. Sozinianern samt ihrem Einfluss bis in die anglikanische Staatskirche Englands hinein eigene Beachtung (siehe sehr allgemein Gedanken zur Woche 146 – TAUFE DES HERRN (2023) und Gedanken zur Woche 164 – 6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)). Ebenso stellt sich eigens die Frage nach dem Vorhandensein und etwaigem Einfluss tritheistischer und ditheistischer (siehe sehr allgemein Gedanken zur Woche 116 – DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2022)) Positionen und Akteure in den Jahrzehnten nach 1517 als dem offiziellen Beginn von „Reformation“. Tatsächlich entwickelte sich ganz rasch eine unüberschaubare Vielzahl von Positionen und Gruppierungen, die allesamt irgendwie mit dem so schillernden bis gewalttätigen Phänomen von „Reformation“ in Zusammenhang stehen. Als besonders eigenständiger Kritiker an überlieferter Trinitätstheologie wie gerade auch als Mediziner ging Michael Servet in die Geschichte ein. Sein qualvoller Feuertod auf Veranlassung Johannes Calvins unter ausdrücklicher Zustimmung bis aktiver Mitwirkung anderer Vertreter der offiziellen Reformation einschließlich Philipp Melanchthons (siehe Gedanken zur Woche 164 – 6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)) verdeutlichte, dass Meinungsverschiedenheiten zwischen „Reformatoren“ leicht zur Todfeindschaft werden konnten.
Im 20. Jahrhundert kam es dann eben zu einem stürmischen Aufschwung von Einssein- oder Oneness-Theologie. Mitunter wird hier ausdrücklich von modalistischer Theologie und dergleichen bis hin von einer Wiederbelebung der theologischen Position des Sabellius gesprochen.
1. Lesung: Apg 2,1-11
2. Lesung: 1 Kor 12,3b-7.12 oder Gal 5,16-25
Evangelium: Joh 20,19-23 oder Joh 15,26-27;16,12-15
Gedanken zur Woche 217-b, Dr. Matthias Martin
PFINGSTMONTAG und 7. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Diese Reihe von Artikeln unter dem Titel „Gedanken zur Woche“ richtet sich bei der Festlegung der Überschriften wie den Angaben zur Leseordnung im Anschluss an den geschlossenen Text an die derzeit übliche Ordnung in der Lateinischen Kirche gerade im deutschen Sprach- und Kulturraum. Damit ist in praktischer Hinsicht die offiziell durch Papst Paul VI. approbierte nachkonziliare liturgische Ordnung hierfür so etwas wie der Leitfaden. Wie deutlich wurde, ist dies in keiner Weise gegen die mit Papst Pius V. verbundene liturgische Ordnung und in deren Rahmen auch nicht gegen die durch Papst Johannes XXIII. herausgegebenen liturgischen Bücher einschließlich des betreffenden Messbuches für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus gerichtet. Gleiches gilt in Hinblick auf eher etwas besondere Riten in der Westkirche wie den Westgotischen Ritus, den Ambrosianischen, den Kartäusischen und den Dominikanischen Ritus.
Gleiches gilt natürlich auch bezüglich sämtlicher Kirchen eigenen Rechts außerhalb der Lateinischen Kirche und die dort gefeierten Arten von Liturgie (siehe Gedanken zur Woche 118-b – 13. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST PETRUS UND PAULUS (2022) und Gedanken zur Woche 130-b – 25. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Vielmehr wurden gerade in diese Richtung wiederholt ausdrücklicher Respekt und aktive Wertschätzung zum Ausdruck gebracht. Dies zeigte und zeigt sich etwa in der wiederholten Heranziehung des CODEX CANONUM ECCLESIARUM ORIENTALIUM/KODEX DER KANONES DER ORIENTALISCHEN KIRCHEN, des CCEO für die Katholischen Ostkirchen. Diese werden bekanntlich auch die Unierten Kirchen und katholischen orientalischen Kirchen genannt. Seltener sind die Bezeichnung „Rituskirchen“ und „Ritusverbände“ in Verwendung.
Eigens kam bei der Erstellung der Volksschott aus der Zeit des so beliebten Papstes Johannes XXIII. für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus zum Einsatz.
Die wohlwollende Haltung gegenüber den hier im Telegrammstil angesprochenen Liturgien und Kirchen eigenen Rechts wurde auch von einer aufmerksamen Leserschaft ausdrücklich wahrgenommen und wiederholt positiv kommentiert. Dies geschah auch und nicht zuletzt seitens Gläubiger und Priester, die in Liturgien, Formen der Heiligen Messe außerhalb des Nachkonziliaren Ritus Pauls VI. mehr oder minder zuhause sind.
Von dort her waren auch positive Rückmeldungen bezüglich der Hinweise zur Leseordnung an Sonn- und Feiertagen zu vernehmen. Diese Hinweise anhand der in Gottesdiensten vorzutragenden biblischen Texte bringe Menschen die Abkürzungen für biblische Bücher und die Art der Stellenangabe nahe. Das Anliegen, immer wieder bei Heiligen Messen an Sonn- und Feiertagen je einen Text aus den vier Evangelien, einen aus anderen Schriften des Neuen/Zweiten Testamentes und einen aus Schriften des Alten/Ersten Testamentes nahezubringen, sei sowieso lobenswert. Dies stimme auch mit dem traditionellen katholischen Bibelverständnis überein, wie es sich beispielsweise in der Römischen Synode des Jahres 382, den Konzilien von (Basel – Ferrara -) Florenz und von Trient äußerte. Bekräftig wurde diese Orientierung durch das Erste und das Zweite Vatikanische Konzil und Päpste der Neuzeit.
Grundsätzlich kommt der Pflege der verschiedenen so ganz knapp angesprochenen liturgischen Traditionen, der verschiedenen Riten auch eine eigene kulturelle bis linguistische Bedeutung zu. In jüngerer Zeit wurde dies gerade in Hinblick auf den Tridentinischen Ritus von ganz unterschiedlicher Seite betont, so von Künstlern, von Kulturschaffenden aus verschiedenen christlichen Konfessionen, dem Judentum bis hin zu mehr oder minder atheistischen Milieus. Dazu kommt natürlich die ökumenische Bedeutung der verschiedenen Liturgien. Immer wieder wird diese oder jene von ihnen in einer Gemeinschaft oder auch einer Reihe von Gemeinschaften gefeiert, welche nicht in voller Einheit mit dem Apostolischen/Heiligen Stuhl stehen. In anderen Fällen gibt es zumindest so etwas wie inhaltliche Überschneidungen. Dies ist etwa der Fall zwischen dem Tridentinischen Ritus und dem Byzantinischen Ritus, wie er insbesondere in den als „orthodox“ bezeichneten Ostkirchen gepflegt wird. In Hinblick auf solche liturgischen Gemeinsamkeiten oder Überschneidungen wurde ich selber schon einige Male von Angehörigen verschiedener orthodoxer Autokephalien angesprochen. Diese konnte bis zur ausdrücklichen Empfehlung gehen, mich selber eben mit dem Tridentinischen Ritus zu beschäftigen bzw. diesen zu pflegen. Auf diese nicht in voller Einheit mit dem Apostolischen/Heiligen Stuhl stehenden Ostkirchen wiederum wird entgegenkommend in Canon/Kanon 844 des CIC von 1983 wie in Canon/Kanon 671 des CCEO Rücksicht genommen.
Nun kam es bezüglich der Zeit nach dem Hochfest/Fest I. Klasse von Pfingsten im Jahreskreis bei der sogenannten Liturgiereform unter Paul VI. zu erkennbaren Veränderungen. Wie wiederholt aus zumindest gut unterrichteten Kreisen zu vernehmen war, wäre Paul VI. selber überrascht gewesen, was die von ihm approbierte liturgische Neuordnung beinhaltete. Dies habe gerade die Zeit nach dem Hochfest/Fest I. Klasse von Pfingsten betroffen. Aus dem Benediktinerorden war schon vor Jahrzehnten zu vernehmen, der damalige Präfekt der Liturgiekongregation an der päpstlichen Kurie seinerseits sei überrascht gewesen, was er da überhaupt unterschrieben hätte.
Nun steigt man der liturgischen Ordnung Pauls VI. zufolge nach PGINGSTMONTAG in die normale Liturgie des Jahreskreises ein. Das liturgische Grün ist hier grundsätzlich vorherrschend. Natürlich kann an einem eigenen Gedenktag oder Festtag für einen Märtyrer, eine Märtyrerin das liturgische Rot zum Einsatz kommen. Für Gedenk-/Festtage für Heilige, welche nicht den Märtyrertod starben, gibt es natürlich das liturgische Weiß.
Blickt man in den Volksschott aus der Zeit Papst Johannes XXIII., so ergibt sich eine andere Strukturierung für diese Zeit. Hier finden wir zunächst noch unter der Überschrift „II. Die eigentliche Festzeit oder die österliche Zeit (Einführung)“ die Grundeinteilung:
Unter der folgenden Überschrift „III. Die Zeit nach Pfingsten (Einführung)“ finden wird dann:
Demgegenüber findet sich etwa in der Kleinausgabe des bei uns jetzt üblicherweise verwendeten deutschen Messbuches eine andere Anordnung.
Hier findet man das Pfingstfest einschließlich PFINGSTMONTAG am Ende der Osterzeit. Unmittelbar daran schließt sich „DIE ZEIT IM JAHRESKREIS“ an. Folgen wir dem Aufbau dieses nachkonzilaren Messbuches, so werden uns in betreffender Reihenfolge die „SONNTAGE UND WOCHENTAGE IM JAHRESKREIS“ geboten. Im Anschluss daran kommen als eigene Größe „HERRENFESTE IM JAHRESKREIS“ mit dem „DREIFALTIGKEITSSONNTAG“, dem „HOCHFEST DES LEIBES UND BLUTES CHRISTI/FRONLEICHNAM“, dem Hochfest „HEILIGSTES HERZ JESU“ und dem Hochfest von „CHRISTKÖNIGSSONNTAG“.
Natürlich bleibt die Pflege des PFINGSTMONTAGS als eines Feiertages eine Daueraufgabe. Dort, wo er etwa als staatlicher Feiertag anerkannt ist, sollte er diesbezüglich erhalten bleiben. In den Bundesstaaten und Konföderationen, wo er diesen Status in einigen Mitgliedsgebieten, aber nicht überall besitzt, ist eine Ausdehnung öffentlich-rechtlicher oder tarifrechtlicher Anerkennung eben auf diese Teile des gesamten Staatsverbandes bzw. Gebietes des Staatenbundes empfehlenswert, wo diese Anerkennung für den PFINGSTMONTAG noch nicht gegeben ist (siehe Gedanken zur Woche 168 – 10. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Die PFINGSTMONTAG kommt über einen engeren theologisch-kirchlichen Bereich hinaus ja auch eine kulturelle und soziale Bedeutung zu. Diese allgemeine menschliche Dimension sollte nicht übersehen werden.
Gedanken zur Woche 216, Dr. Matthias Martin
7. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024)
Wenn die liturgische Osterzeit zu Ende geht, sind wir in besonderer Weise eingeladen, einerseits den Blick zurück zu richten und andererseits vorauszublicken.
Zurückblicken mögen wir auf die bisher durchlebte Osterzeit des jeweiligen Kirchenjahres. Wie haben wir die Zeit von der Osternacht und allgemein vom Osterfest als dem höchsten Fest der Christenheit bis jetzt durchlebt? Hat uns etwa so etwas wie Osterfreude gestärkt in Glauben und Hoffnung und damit auch neuen Schwung in der (christlichen) Liebe als höchster der drei christlichen Grundtugenden, der drei Theologischen Tugenden verliehen? Waren wir von daher umso eifriger im Tun des Guten und im Meiden des Bösen, im Vollbringen des Guten in Gedanken, Worten und Werken?
Haben wir uns vielleicht in der zurückliegenden Zeit seit dem Osterfest engagiert in das kirchliche Leben eingebracht und nicht zuletzt im Rahmen unserer jeweiligen Möglichkeiten bewusst am sakramentalen Leben teilgenommen?
Dabei besitzt das Osterfest und da gerade die Feier der Osternacht traditionsgemäß seit den frühen Zeiten der Christenheit eine innerhalb des Kirchenjahres zentrale Stellung für das sakramentale Leben. Dies gilt gerade in Hinblick auf den Empfang des Taufsakramentes wie der Allerheiligsten Eucharistie. Es ist auch bezüglich des Bußsakramentes zu beachten (siehe Gedanken zur Woche 210 – HOCHFEST VON OSTERN (2024) und Gedanken zur Woche 210-b – OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2024)).
So lautet noch Canon/Kanon 856 im CIC von 1983, wobei damit auch die Stellung des Sonntags als des ersten Tages der Woche noch einmal verdeutlicht wird:
„Wenn auch die Taufe an jedwedem Tag gefeiert werden kann, wird doch empfohlen, dass sie in der Regel am Sonntag oder nach Möglichkeit in der Osternacht gefeiert wird.“
In diese Richtung wurde auch im CIC von 1917 gewiesen. Folgt man dem Werk „Gesetzbuch des kanonischen Rechtes. Erklärung der Kanones“ von Heribert Jone, so wurde im dortigen Canon/Kanon 772 festgelegt:
„Die Spendung der feierlichen Taufe ist an sich ebenfalls zu jeder Zeit erlaubt.
Wenn es leicht geschehen kann, ist es aber immerhin geziemend, daß Erwachsene nach altchristlichem Gebrauch an der Vigil von Ostern oder Pfingsten getauft werden. …“
Dabei ist hier die eindeutige kirchengeschichtliche Bezugnahme bemerkenswert.
Der Empfang der Taufe ist dabei ein umso einschneidenderes Ereignis auf dem Lebensweg des betreffenden Menschen, da die Taufe wie auch die beiden anderen Sakramente der Firmung und Weihe nur je einmal im Leben der jeweiligen Person gespendet werden (siehe Gedanken 104 – 3. FASTENSONNTAG (2022) und Gedanken zur Woche 111 – 4. SONNTAG DER OSTERZEIT (2022)).
Lediglich, wenn eine nicht auszuräumende Unsicherheit besteht, kann eines dieser drei einen character indelebilis/Character Indelebilis verleihenden Sakrament bedingungsweise noch einmal gespendet werden. Dabei ist aber ernsthaft und vorsichtig vorzugehen. Leichtfertigkeit etwa aus Gründen von Profilierungssucht oder des Bestrebens, irgendwelche Kirchenstatistiken aufzubessern, ist auf jeden Fall zu vermeiden. So ist in Paragraph 2 des Canons/Kanons 845 im CIC von 1983 mit Blick eben auf diese drei Sakramente der Taufe, der Firmung und der Weihe nachzulesen:
„Wenn nach einer sorgfältigen Untersuchung noch ein vernünftiger Zweifel bestehen bleibt, ob die in § 1 genannten Sakramente tatsächlich oder ob sie gültig gespendet wurden, sind bedingungsweise zu spenden.“
Auch der CCEO für die Katholischen Ostkirchen verdeutlicht dies, wenn es im Paragraph 2 des dortigen Canons/Kanons 672 heißt:
„Wenn aber ein vernünftiger Zweifel besteht, ob sie tatsächlich oder ob sie gültig gespendet worden sind, der Zweifel jedoch nach einer ernsthaften Untersuchung bestehen bleibt, müssen sie bedingt gespendet werden.“
Im unmittelbar vorhergehenden Paragraphen 1 dieses CCEO-Canons/Kanons ist passend dazu zu lesen:
„Die Sakramente der Taufe, der Salbung mit dem heiligen Myron und der heiligen Weihe können nicht wiederholt werden.“
Die Bedeutung des Empfangs der Taufe wird ja im CIC-Canon/Kanon 849 und im CCEO-Canon/Kanon 675 eingeschärft (siehe Gedanken zur Woche 213-b – 4. OSTERWOCHE (2024)).
In diese Richtung weist auch Paragraph 1 von Canon/Kanon 842 des CIC von 1983:
„Wer die Taufe nicht empfangen hat, kann zu den übrigen Sakramenten nicht gültig zugelassen werden.“
Die Stellung der Taufe als Beginn des (sakramentalen) Lebens in der Kirche wird auch durch Paragraph 2 dieses CIC-Canons/Kanons bestätigt, wobei auf die Reihenfolge der genannten Sakramente im Text dieses Paragraphen zu achten ist:
„Die Sakramente der Taufe, Firmung und der heiligsten Eucharistie sind so eng miteinander verbunden, dass sie zur vollen christlichen Initiation erforderlich sind.“
Der Zusammenhang der gesamten sakramentalen Initiation wird auch in Canon/Kanon 697 des CCEO angesprochen. Dabei wird auch der verfassungsrechtliche Eigenstand der Katholischen Ostkirchen/katholischen orientalischen Kirchen mit deren eigenen Überlieferungen und Regelungen angeschnitten. Eigenes Interesse verdient hier die verwendete theologische Wortwahl:
„Die sakramentale Initiation in das Heilsmysterium wird durch den Empfang der Göttlichen Eucharistie vollendet, und daher soll die Göttliche Eucharistie nach der Taufe und der Salbung mit dem heiligen Myron dem Christgläubigen so bald wie möglich gemäß der Norm des Partikularrechts der eigenen Kirche eigenen Rechts gespendet werden.“
Die Einmaligkeit der Spendung bzw. des Empfangs von Taufe, Firmung und Weihe als Sakrament wurde natürlich auch schon im CIC von 1917 angesprochen. Dies wird deutlich, wenn man den dortigen Canon/Kanon 732 betrachtet:
„§ 1. Eine Wiederholung der Taufe, Firmung und Priesterweihe ist unmöglich, weil diese Sakramente einen unauslöschlichen Charakter einprägen.“
Auch die Möglichkeit einer bedingungsweisen oder bedingten Spendung dieser drei Sakramente war damals schon ein Thema. Dies wird unmittelbar im Anschluss deutlich:
„§. 2. Bedingungsweise aber dürfen diese drei Sakramente wiederholt werden, wenn ein vernünftiger Zweifel besteht, ob das Sakrament überhaupt gespendet wurde, oder ob es gültig gespendet wurde.“
Liest man die zitierten Aussagen im CIC von 1917, dem CIC von 1983 und dem CCEO über die bedingungsweise oder bedingte Spendung dieser grundsätzlich nur je einmal zu spendenden bzw. zu empfangenden Sakramente aufmerksam, so kann ins Auge springen, dass es immer um einen vernünftigen Zweifel geht. Die unaufgebbare Bedeutung der Vernunft wird also jeweils verdeutlicht. Ein Irrationalismus, irgendwelcher Fideismus wird damit auch hier klar zurückgewiesen. Erst recht darf es bei solch ernsten Angelegenheiten keine Willkür irgendwelcher kirchlichen Mitarbeiter geben. Kirchliche Obere sind dementsprechend aufgefordert, dagegen einzuschreiten und derartiges nicht noch zu unterstützen bzw. selber zu betreiben.
1. Lesung: Apg 1,15-17.20a.c-26
2. Lesung: 1 Joh 4,11-16
Evangelium: Joh 17,6a.11b-19
Gedanken zur Woche 216-b, Dr. Matthias Martin
7. OSTERWOCHE (2024)
Immer wieder ergeht es Papst Franziskus, dass seine Aussagen und Handlungen gerade in weiter verbreiteten deutschsprachigen Medien von verstümmelt bis gar nicht berücksichtigt und gerne zurechtgebogen werden. Dies gilt etwa bezüglich der von ihm wiederholt sehr scharf und bei diplomatischer Gelegenheit ausgesprochen undiplomatisch deutlich ausgesprochenen Verurteilung der Abtreibung. Dies gilt genauso für sein entgegenkommendes Verhalten, verbunden mit manchmal regelrecht herzlichen Worten gegenüber der Priesterbruderschaft St. Pius X. und den mit ihr verbundenen verschiedenen Orden- und ordensähnlichen Gemeinschaften, Laienvereinigungen und Priestern. Man denke hier nur an die Bestätigung der Beichtjurisdiktion wie der Möglichkeit, kirchliche Trauungen abzuhalten. Man denke hier an Empfänge für Vertreter der Priesterbruderschaft St. Pius X. bis hin zum jeweiligen Generaloberen auch schon einmal durch Papst Franziskus persönlich. Auch die Auflösung der umstrittenen Päpstlichen Kommission „Ecclesia Dei“ ist hier zu nennen. Diese war schließlich nicht als Zeichen des guten Willens gegenüber der Priesterbruderschaft St. Pius X. und freundlich zu ihr stehenden Gemeinschaften oder Vereinigungen gegründet worden. Vielmehr war diese eben längst durch Papst Franziskus beseitigte Kommission „Ecclesia Dei“ ausdrücklich gegründet worden, um der Priesterbruderschaft St. Pius X. möglichst Schaden zuzufügen. Gerade die Abwerbung von Priestern bis hin zu ganzen Gruppen von Ordensleuten und Laien war der Dauerauftrag für „Ecclesia Dei“. Verbunden war dies mit der fortwährenden Unterstützung von eigens erst geschaffenen Konkurrenzgruppierungen. Die Beziehungen zwischen diesen und der durch Papst Franziskus beseitigten Kommission waren so eng, dass eigens von „Ecclesia-Dei-Gemeinschaften“ gesprochen und geschrieben wurde. Genau damit hat Papst Franziskus Schluss gemacht. Es erging ihm hier ähnlich wie bei seinen sehr kantigen Aussagen gegen Abtreibung, dass es verschwiegen oder nach Möglichkeit in Darstellungen in das Gegenteil verkehrt wurde.
Ganz ähnlich ging es, als Franziskus mehr als einmal und gerade in allerjüngster Zeit Papst Pius VII. mit seinem Pontifikat von 1800 bis 1823 würdigte. Schließlich war es dieser Vorgänger von Papst Franziskus, welcher jahrelange Haft durch Napoleon Bonaparte und die Besetzung des Kirchenstaates ertragen musste. Es war dann eben gerade Pius VII., der nach dem Sturz Napoleons der Wiederherstellung des Kirchenstaates und dessen erneuter Festigung sowohl als territoriale Größe wie als Akteur in den internationalen Beziehungen vorstand. Papst Franziskus würdigte genau so den standfesten Pius VII. nicht zuletzt als „Botschafter des Friendens“ und als „großes Beispiel eines guten Hirten“.
Die Würdigung dieses so wichtigen Widerstandskämpfers gegen den französischen Imperialismus zu Zeiten Napoleons I. wie des Mannes kirchlicher samt kirchenstaatlicher Restauration wäre bei Interesse, was sich in der katholischen Kirche wirklich tut, Schlagzeilen wert gewesen. Gerade bei deutschsprachigen Medien ließ sich bemerkenswert nichts dergleichen feststellen. Mit seinem Widerstand gegen die französische Großmachtpolitik wie das Konzept eines gegen die Existenz des Kirchenstaates gerichteten italienischen Nationalismus stand Papst Pius VII. in Treue zu seinen Vorgängen und wies zugleich die Richtung für seine Nachfolger. Auch der heilige Papst Pius X. folgte dieser Grundausrichtung. Gerade sein mutiger Widerstand gegen die seinerzeitige französische Supermacht mit ihrem gewaltigen Kolonialreich wie auch gegen die herrschenden Kreise in der Kolonialmacht Portugal wie gegen das inzwischen durch eine Reihe von Eroberungskriegen gebildete und ausgedehnte Königreich Italien kann auch und gerade heutzutage ein Anknüpfungspunkt für Dialog mit Menschen guten Willens und für den Abbau von Vorurteilen sein. Hierzu passt die Abgrenzung gegen eine portugiesisch-nationalistische Vereinnahmung des Katholischen Weltjugendtages 2023 in Lissabon. Nach offensichtlich anfänglicher Unsicherheit wurde hier seitens des päpstlichen Roms ein klarer Trennungsstrich gezogen und irreführendes Verhalten irgendwelcher kirchlicher Mitarbeiter richtiggestellt.
Dazu passt die ausdrückliche Würdigung, die nun Papst Franziskus eben seinem heiligen Vorgänger Pius X. zuteilwerden ließ. Papst Franziskus ließ es sich nicht nehmen, dazu eigens ein Vorwort für das Werk des norditalienisch-padanischen Priesters Lucio Bonora „Omaggio a Pio X. Ritratti coevi“, Edizione Kappadue zu verfassen. Allein der Titel dieses Werkes mit seinem päpstlichen Vorwort ist schon bemerkenswert. Er lässt sich doch mit „Hommage an Pius X.“ oder gar „Huldigung an Pius X.“ übersetzen. Eigens wurde auf dem Titelblatt der deutschen Ausgabe des L’OSSERVATORE ROMANO auf diese Würdigung für Papst Pius X. hingewiesen (siehe deutsche Ausgabe des L’OSSERVATORE ROMANO (Nummer 17 2024 (54. Jahrgang – 26. April 2024)) Seite 1).
Franziskus stellte einen direkten Bezug zwischen Pius X. und seinem eigenen Wirken für die Katechese her und schrieb (siehe Ein sanfter und starker Papst. Franziskus würdigt Pius X. als Friedenspapst, ebd. Seite 12):
„… Papst Pius X. ist besonders bekannt als Papst der Katechese. Und nicht nur das! Ein sanfter und starker Papst. Ein demütiger und klarer Papst. Ein Papst, der der ganzen Kirche zu verstehen gegeben hat, dass ohne Eucharistie und ohne die Annahme der geoffenbarten Wahrheiten der persönliche Glaube schwächer wird und stirbt.
Ich schätze Pius X. auch aus einem weiteren Grund. Denn als Jesuiten haben wir es Pius X. zu verdanken, dass er die Errichtung des Bibelinstituts hier in Rom gefördert hat, mit einem theologischen und geistlichen Nutzen, die sich bald in der ganzen Kirche ausbreiteten. Pius X. war auch ein Papst, der angesichts des Weltkriegs Tränen vergoss, als dessen erstes Opfer er betrachtet wurde, während er die Mächtigen beschwor, die Waffen niederzulegen. Wie nahe fühle ich mich ihm in diesem tragischen Augenblick der heutigen Welt…
Pius X.: ein Papst, der bei den Kleinen sein wollte, bei den Armen, den Bedürftigen, den Leidtragenden des Erdbebens, den Benachteiligten und allen, die unter Naturkatastrophen oder den Nöten des Lebens leiden. Ein Papst, der ein Monument für die Katechese war, wie ihn Johannes XXIII. nannte, als er Venedig gewährte, dessen sterbliche Überreste im Frühjahr 1959 in San Marco zu verehren. …
Mit tiefer Freue habe ich den schönen Kirchen von Treviso, Padua und Venedig die ›peregrinatio‹ der Reliquien des heiligen Pius X. gewährt, und ich freue mich, dass Tausende von Gläubigen, die sie verehrt haben, mit ihrem Gebet und mit ihrer Teilnahme zeigten, dass Pius X. nicht auf vergangene Epochen der Geschichte beschränkt ist oder von bestimmten Gruppen monopolisiert wird, sondern der Kirche von heute gehört, dem Volk der Kirche, das heißt den Menschen, den Getauften jeden Alters, die dem Evangelium und die ihren Hirten treu sein wollen und die die Heiligen als wahre Lebensvorbilder und aufrichtige Weggefährten auf dem Weg der Nachfolge Jesu und des Evangeliums verstehen, indem sie aus dem Beispiel und den Entscheidungen ihres Lebens schöpfen.“
Papst Franziskus schloss diese Würdigung mit den anrührenden Worten:
„Es lebe der heilige Pius X. und möge er tief im Herzen der Kirche von heute leben!“
Abgerundet wird diese bemerkenswerte Würdigung des heiligen Pius X. durch den amtierenden Papst Franziskus durch eine sehr anerkennend gehaltene biographische Skizze, welche neben dem zitierten päpstlichen Vorwort im L’OSSERVATORE ROMANO gedruckt wurde (siehe Der heilige Papst Pius X., ebd.). Dort ist u. a. zu lesen:
„Pius X. war bekannt für seine Demut und Bescheidenheit und wurde schon zu Lebzeiten von vielen Gläubigen als Heiliger verehrt.“
Damit der Würdigung für den heiligen Pius X. noch nicht genug! Wie auf derselben Seite der deutschsprachigen Ausgabe des L’OSSERVATORE ROMANO berichtet wird, besuchte zum Anlass der Biennale Franziskus persönlich die Patriarchenstadt des heiligen Pius X., Venedig. Dort wurde eignes ein Pavillon des Heiligen/Apostolischen Stuhls eröffnet.
Dabei ist zu beachten, dass Venedig für über 1000 Jahre Hauptstadt eines eigenen Staates war. Lange war die Stadt und überhaupt die Republik Venedig von enormer kultureller, technologischer, militärischer, wirtschaftlicher und damit letztlich auch politischer Bedeutung (siehe Gedanken zur Woche 214-b – 5. OSTERWOCHE (2024)). In unserer Zeit erinnert man sich der einstigen glanzvollen Unabhängigkeit, was sich auch auf politischer Ebene zeigt.
Gedanken zur Woche 215, Dr. Matthias Martin
6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024)
Es ist bemerkenswert und mag aufrüttelnd wirken, wenn nach der besonders verbreiteten Leseordnung gleich in allen drei als Lesungen und Tagesevangelium vorzutragenden Texten das Tun des Guten, die Erfüllung der wahren Gebote eingefordert wird. Bemerkenswert ist dabei eigens, dass es sich bei diesen drei biblischen Schriften, aus denen die im liturgischen Rahmen vorzutragenden Texte genommen sind, um durchaus verschiedene Arten von Literatur handelt.
Die erste Lesung ist aus der Apostelgeschichte genommen und damit aus einer Art von biblischer Einzelschrift, von einzelnem Werk, die bzw. das es so nur einmal im Neuen/Zweiten Testament gibt. Die zweite Lesung stellt eine Gruppe von Versen aus dem mit dem Ersten Johannesbrief längsten der insgesamt drei Johannesbriefe wiederum im Neuen/Zweiten Testament dar. Die drei Johannesbriefe gehören insgesamt zur Hauptgruppe oder Obergruppe der Briefe im Neuen/Zweiten Testament. Diese Haupt- oder Obergruppe wird traditionell gerne unterteilt in die Gruppe der Paulusbriefe mit 14 Briefen, wenn man den Hebräerbrief eben dazuzählt und die Gruppe der nichtpaulinischen Briefe, welche gerne die „katholischen“ Briefe wegen der allgemeinen Adressaten genannt werden. Zu diesen solchermaßen zur Bezeichnung als „katholisch“ gelangten Gruppe von Briefen gehören als Gruppe in der Gruppe, als eine einteilungsmäßig Untergruppe die drei Johannesbriefe.
Das Sonntagsevangelium ist aus dem Johannesevangelium genommen und damit aus jenem Evangelium, das gegenüber den drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas seine ganz eigene Stellung einnimmt (siehe Gedanken zur Woche 183 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023); Gedanken zur Woche 187 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023) und allgemein Gedanken zur Woche 194 – 2. ADVENTSONNTAG (2023) und Gedanken zur Woche 213-b – 4. OSTERWOCHE (2024)). Liegt jeweils einiges an matthäischem, markinischem und lukanischem Sondergut vor, so stellt das Johannesevangelium überhaupt zum größten Teil so etwas wie johanneisches Sondergut dar (siehe Gedanken zur Woche 165 – 7. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)).
Die im Sonntagsevangelium zu vernehmende klare Forderung nach Einhaltung der Gebote Christi ist geeignet, etwas das Klischee zu entkräften, im Johannesevangelium ginge es in einem Gegensatz zu den synoptischen Evangelien um so etwas wie theologisch-geistreiche Formulierungen bis hin zu geistreich-geistigen Höhenflügen, während die drei synoptischen Evangelien demgegenüber eher bodenständig wären. Mitunter wird eine solche dann zugespitzte Gegenüberstellung mit einem Einfluss damaliger Philosophie bis hin zur sogenannten Gnosis auf das Johannesevangelium bzw. dessen Entstehung begründet. Bei den drei synoptischen Evangelien habe es diesen Einfluss so nicht gegeben. Gerne wird in der historisch-kritischen Exegese und ihrem Umfeld gemeint, gerade das Markusevangelium sei noch aramäisch-hebräisch bodenständig. Das Matthäusevangelium käme bewusst vom Grundsatz einer judenchristlichen Theologie her. Das Lukasevangelium weise den Akzent auf, das synoptische Evangelium mit der stärksten Berührung mit der heidnischen Welt zu sein einschließlich eines ausgeprägten missionarischen Interesses in diese Richtung.
Es wird aber wohl deutlich, dass es auch im Johannesevangelium um das praktische Verhalten geht. Vor Beginn der Abschiedsreden findet sich schließlich die Erzählung von der Fußwaschung der Jünger durch den Herrn Jesus Christus (Joh 13,1-20). Die Fußwaschung durch Jesus soll nun erklärtermaßen eine Vorbildfunktion für die Jünger haben. Es geht da also um handfestes Handeln und nicht einfach um schöne Worte oder irgendwelche Gefühle. Im Verlauf der johanneischen Gesamterzählung vom letzten Abendmahl wird dann wenig später in eigener Weise das Liebesgebot präsentiert:
„(Joh 13,34) Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. (29) Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt.“
Diese Verse mögen gerade an die Stelle in der großen matthäischen Bergpredigt erinnern, die wiederum nach der neuen deutschen Einheitsübersetzung lautet:
„(Mt 5,16) So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.“
Überhaupt geht es in dieser matthäischen Bergpredigt (Mt 5,1-7,28) immer wieder um handfeste Angelegenheiten, um das jeweilige Tun und Lassen. So wird in den bekannteren Seligpreisungen (Mt 5,2-12) u. a. vom Sanftmütigsein, vom Hungern und Dürsten nach Gerechtigkeit, dem Stiften von Frieden bis hin zum Erleiden von Verfolgung gesprochen. Mit der ins Auge springenden Betonung der Bedeutung von Gesetz und Propheten und der Aufforderung, die Gebote zu halten und auch die Menschen so zu lehren (Mt 5,17-20) wird das Grundanliegen praktischer Erfüllung in Verbindung mit eigenem Handeln herausgestrichen.
Vergegenwärtigen wir uns, dass sich eben in den solchermaßen angesprochenen alttestamentlichen Schriften etwa die Zehn Gebote finden. Die soziale Botschaft eines Propheten Amos mag in den Sinn kommen wie das energische Auftreten des Daniel zugunsten der schwer bedrängten Susanna. Tobit erscheint in dem meist nach ihm benannten Buch als mutiger Mann, der Glaubenstreue mit dem Tun guter Werke der Barmherzigkeit verbindet. Die Titelheldinnen anderer alttestamentlicher Bücher wie Ruth, Judith und Ester sind aktiv handelnde Persönlichkeiten und nicht so etwas wie frömmelnde Betschwestern, um ein eigenes Klischee anzusprechen. Mose seinerseits ist gerade im Buch Exodus ein führender Befreiungsaktivist für die versklavten Hebräer im pharaonischen Ägypten. Selbstverständlich lohnt hier auch der Blick auf die weisheitlichen Schriften wie das Buch Jesus Sirach und das Buch der Weisheit. Überhaupt geht es in dem, was heutzutage so gerne das Alte Testament genannt wird, immer wieder um das handfeste Tun des Guten und Meiden des Bösen im menschlichen Leben.
Darum geht es dann eben auch in der Bergpredigt des Matthäusevangeliums. So praktische Angelegenheiten wie die Versöhnung mit dem Gegner, das Unterlassen böser Worte, das rigorose Ankämpfen gegen eigene böse Neigungen und überhaupt das Streben nach Vollkommenheit im eigenen Handeln werden thematisiert. Eigens wird das richtige Almosengeben wie die Vermeidung von Heuchelei angesprochen. Ebenso wird zum richtigen Umgang mit religiösen Inhalten wie dem Beten und zur Vorsicht gegenüber vermeintlichen Propheten aufgefordert. Nicht zuletzt wird in positiv formulierter Art die Goldene Regel geboten:
„(Mt 7,12) Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten.“
Wir haben also auch an dieser Stelle der großen matthäischen Bergpredigt wieder einen ganz starken und offenkundigen, ja eindringlichen Hinweis auf das Alte/Erste Testament vor uns. Dazu passt eben auch, dass wir die Goldene Regel bereits im Alten/Ersten Testament finden können. Formal gesehen, negativ formuliert heißt es in dem seltener auch Buch Tobias genannt Buch Tobit:
„(Tob 4,15) Was du hasst, das tu niemand anderem an! Auf deinem ganzen Weg soll Böses nicht mit dir ziehen!“
Egal ob man nun also die neue deutsche Einheitsübersetzung oder etwa eine andere Bibelübersetzung verwendet, so lassen sich auch hier bei aufrichtigem Herangehen nicht Altes und Neues Testament, anders gesagt, Erstes und Zweites Testament, gegeneinander ausspielen.
1. Lesung: Apg 10,25-26.34-35.44-48
2. Lesung: 1 Joh 4,7-10
Evangelium: Joh 15,9-17
Gedanken zur Woche 215-b, Dr. Matthias Martin
6. OSTERWOCHE einschließlich HOCHFEST von der HIMMELFAHRT CHRISTI/CHRISTI HIMMELFAHRT (2024)
Das Hochfest von CHRSTI HIMMELFAHRT ist besonders geeignet, das Gemüt zu erheben und den Sinn zu erfreuen. Dieses Hochfest oder Fest I. Klasse hat seinen eigenen festen Platz in den bildenden Künsten. Wie auch bei anderen Hochfesten/Festen I. Klasse kann man Gemälde ganz unterschiedlicher Stilrichtung wie auf unterschiedlichen materiellen Grundlagen betrachten, die CHRISTI HIMMELFAHRT thematisieren. Da mag dem einen hierzu ein betreffend bemaltes Kirchenfenster in den Sinn kommen, während ein anderer spontan an das ein oder andere Ölgemälde denkt. Wieder andere Menschen mögen bunte Zeichnungen im Sinn haben, die speziell für oder auch von Kindern hergestellt wurden. Interesse verdient eigens die direkte Kombination von bildhafter Darstellung und einem geschriebenen bzw. gedruckten Text. Auch die Kunst der figürlichen Darstellung machte längst CHRSTI HIMMELFAHRT zum Thema. Schon vor Jahrhunderten konnte dies gerade in Kirchengebäuden mit eigenen Aufzugseinrichtungen verbunden werden, was eine bemerkenswerte Verbindung von Kunst und Technik darstellt.
Natürlich ist der genaue Wortlaut zu beachten. Es geht bei diesem Hochfest eben um die Himmelfahrt Christi“ oder um „Christi Himmelfahrt“. Lateinisch wird das Hochfest/Fest I. Klasse In Ascensione Domini/IN ASCENSIONE DOMINI genannt. Wir werden damit jeweils auf die göttliche Natur Jesu Christi und seine Zugehörigkeit zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit von Gott Vater – Gott Sohn – Gott Heiligem Geist hingewiesen. Bei Maria und damit dem am 15. August gefeiertem Hochfest/Fest I. Klasse liegt keine „Himmelfahrt“ vor. Hier ist eben in Gegenüberstellung zu HIMMELFHAHRT CHRISTI/CHRISTI HIMMELFAHRT nicht von einer „Himmelfahrt“ zu sprechen oder zu schreiben. In der unverfälschten Überlieferung der katholischen Kirche wurde dieser enorme und grundlegende Unterschied stets betont (siehe Gedanken zur Woche 23-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 41 – 4. ADVENTSONNTAG (2020); Gedanken zur Woche 125-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der AUFNAHME MARINES IN DEN HIMMEL (2022) und Gedanken zur Woche 177-b – 19. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2023)). Maria ist eben keine Göttin und weist keine göttliche Natur auf. Sie ist weder eine Halbgöttin, noch eine Göttermutter, wie dies in polytheistischen Systemen oder Überlieferungen begegnen kann. Sie ist keine Person in so etwas wie einer Dreifaltigkeit oder Vierfaltigkeit. In den Jahren nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil sind auch diesbezüglich Verwirrungen hervorgetreten, gegen welche christliche Konfessionen und nicht zuletzt die katholische Kirche früher konsequent ankämpften, etwa in den Auseinandersetzungen mit Kollyridianern bzw. Philomarianiten und den ja eh längst unter sich mehrfach aufgespaltenen Mariaviten.
Stellt die Abgrenzung und möglichste Zurückweisung von irreführenden Formulierungen und Praktiken in der Marienverehrung bis hin zu einer ausdrücklichen Vergöttlichung Mariens und/oder ihrer vermeintlichen Sprachrohre auf Erden samt etwaiger Verehrung als einer Wiedergeburt Mariens eine Daueraufgabe dar, so verdeutlicht das Hochfest/Fest I. Klasse, auch andere Aufgaben, zu denen sich Christinnen und Christen bis hin zur katholischen Weltkirche gedrängt sehen mögen.
Da ist die nach Möglichkeit zu betreibende Pflege von Kunst und Kultur. Ein betreffendes Hochfest ist ja auch ein Kulturereignis und ganz allgemein eine kulturelle Angelegenheit. Als Ansporn mag hier dienen, dass Kunst Menschen über sprachliche, ethnische und soziale Grenzen hinweg verbinden kann. Die Beziehung zu den Wissenschaften ist offenkundig. Man denke hier nur an die Disziplinen der Kunstgeschichte und der Ästhetik und Kunstphilosophie. In der katholischen Kirche hat man sich gewissermaßen traditionell bewusst als kulturfördernde Einrichtung, die Förderung von Kunst und Kultur, Wissenschaft und Bildung als Aufgabenkomplex verstanden. In Varianten der nicht so leicht fassbaren und definierbaren Bandbreite von Englishes kann bezeichnenderweise der Begriff „cultural community“ für ekklesiale Gemeinschaft, für eine Konfession oder Denomination stehen.
Mit dem Hochfest/Fest I Klasse verbindet sich dann der Dauerauftrag für Christinnen und Christen, ein Leben zu führen, das des christlichen Namens würdig ist. Dass es nicht einfach um ein angenehmes Gefühl über Auferstehung und eben Himmelfahrt Jesu, sondern um einen sehr ernsten Auftrag geht, verdeutlicht schon der Schluss des Matthäusevangeliums mit dem dort zitierten Auftrag des Auferstandenen an die Jünger:
„(Mt 28,19) Darum geht und macht alle Völker zu meinen Jüngern; tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes (20) und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe. Und siehe, ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“
Dass Christsein gerade eine sittlich-moralische Verpflichtung für die nachösterliche Zeit, die Epoche der Kirche darstellt, verdeutlichen vielleicht besonders leicht lesbar und erfassbar der Jakobusbrief und der Erste Johannesbrief. Aber auch sonst werden die Gläubigen immer wieder in diese Richtung gewiesen. Man denke nur an das Gleichnis vom Barmherzigen Samariter (Lk 10,25-37 oder 10,30-35/36) das vom anvertrauten Geld (Mt 25,14-30 und Lk 19,11-27) und das vom Jüngsten Gericht (Mt 25,31-46).
Dabei findet der Grundgedanke, dass sich eine Zugehörigkeit zum Christentum im Alltagsleben niederzuschlagen hat, auch im gegenwärtigen Kirchenrecht. Nicht zuletzt wird der Zusammenhang von Sakramentenempfang und Lebensführung angemahnt. Dies beginnt ausdrücklich schon in Zusammenhang mit der Taufe.
So lautet Canon/Kanon 865 Paragraph 1 des CIC von 1983:
„Damit ein Erwachsener getauft werden kann, muss er den Willen zum Empfang der Taufe bekundet haben; er muss über die Glaubenswahrheiten und über die christlichen Pflichten hinreichend unterrichtet und durch den Katechumenat in der christlichen Lebensführung erprobt sein; er ist auch aufzufordern, seine Sünden zu bereuen.“
In Paragraph 2 dieses CIC-Canons/Kanons wird von einem in Todesgefahr befindlichen Erwachsenen für die Zulassung zur Taufe eigens verlangt, dass er „verspricht, sich an die Gebote der christlichen Religion zu halten.“
In Canon/Kanon 872 wird es als eine Aufgabe des Taufpaten festgeschrieben, „auch mitzuhelfen, dass der Getaufte ein der Taufe entsprechendes christliches Leben führt und die damit verbundenen Pflichten getreu erfüllt.“
Zu den Grundbedingungen, das Patenamt zu übernehmen, gehört laut Canon/Kanon 874 Paragraph 1 Punkt 3, dass er auch „ein Leben führen , das dem Glauben und dem zu übernehmenden Dienst entspricht.“
In diese Richtung werden wir auch durch den CCEO für die Katholischen Ostkirchen gewiesen.
So lautet der Paragraph 1 von Canon/Kanon 682 gewissermaßen vergleichbar zum CIC für die Lateinische Kirche:
„Damit ein dem Kindesalter Entwachsener getauft werden kann, ist erforderlich, daß er seinen Willen, die Taufe zu empfangen, bekundet, hinreichend über die Glaubenswahrheiten unterwiesen wird und im christlichen Leben bewährt ist; er muß auch ermahnt werden, seine Sünden zu bereuen.“
Die Formulierung in Paragraph 2 dieses CCEO-Canons/Kanons, dass ein dem Kindesalter Entwachsener in Todesgefahr getauft werden könne, „wenn er irgendeine Kenntnis über die wichtigsten Wahrheiten des Glaubens hat“ ist vor dem Hintergrund auch der moralisch-ethischen Positionen zu sehen, wie sie in der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre enthalten sind.
In Canon/Kanon 685 Paragraph 2 des CCEO wird wiederum verlangt, dass ein zum Amt eines Taufpaten Zuzulassender „ein Leben führt, das dem Glauben und der überkommenen Aufgabe entspricht.“
Gedanken zur Woche 214, Dr. Matthias Martin
5. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024)
Wenn auf einen Tag im Kalender sowohl der Sonntag als auch bezüglich des Ludwig Maria Grignion von Montfort/de Montfort und des Pierre/Peter Chanel der Gedenktag gleich zweier als berühmter Heiliger verehrter Priester fällt, so hat dies seine eigene Aussagekraft.
Der Sonntag ist ja nach christlichem Verständnis als Tag der Auferstehung des Herrn Jesus Christus der erste Tag der Woche. Gerade an diesem Tag sollen sich Christinnen und Christen zur Feier der Allerheiligsten Eucharistie versammeln. Diese, die Feier der Heiligen Kommunion ist ihrem Wesen nach Ausdruck von Tod und Auferstehung des Herrn Jesus Christus, ist die Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers Christi. Von daher wird ja vom „Messopfer“ gesprochen.
Nach Auffassung der römisch-katholischen Kirche, der orthodoxen und der altorientalischen Kirchen sowie noch manch anderer konfessioneller Gemeinschaft kann eine Heilige Messe nur durch einen gültig geweihten Priester gefeiert werden. Dies wird auch im aktuellen Kirchenrecht in Gestalt des CIC und des CCEO ausgedrückt (siehe Gedanken zur Woche 213 – 4. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024)). In Hinblick auf verbindliche konziliäre Formulierungen zur Sakramentenlehre ist wohl gerade ein Blick auf das Erste und das Zweite Konzil von Nicäa, das Konzil von Basel – Ferrara – Florenz oder einfach von Florenz oder Ferrara – Florenz, und natürlich auf das Konzil von Trient von Interesse. Dabei hat sich eben so etwas wie ein amtlich wirkender Klerus schon ganz früh herausgebildet. Der Zug zu Insititutionalisierung und Ausdifferenzierung in Hinblick auf Tätigkeiten und Zuständigkeiten ist schon in den Schriften des Neuen oder Zweiten Testamentes wahrnehmbar. So war dann die Wertschätzung des Weiheamtes auch unstrittig zwischen so etwas wie sich früh von einer Art frühkatholischer Hauptkirche absondernden Gemeinschaften wie denen der Novatianer, der Donatisten, dem ganz eigenen Phänomen der Luciferianer und eben so etwas wie einer frühkatholischen Hauptrichtung von Christentum (siehe Gedanken zur Woche 170-b – 12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST PETRUS UND PAULUS (2023)). Gerade auch die Arianer legten Wert darauf, dass Priester und Bischöfe auf ihrer Seite standen bzw. dass Gesinnungsfreunde solche (kirchlichen) Ämter besetzten. Offensichtlich war Arius selber ein Priester aus Alexandrien im heutigen Ägypten und pflegte persönliche Beziehungen bis hin Freundschaft zu bestimmten Bischöfen.
Die Weiheämter waren als solche wie gerade der theologische Grundgedanke der apostolischen Sukzession unbestritten bei den Ab- oder Aufspaltungen innerhalb des Donatismus. Schließlich waren die nach Rogatus von Cartenna benannten Rogatisten wie die nach einem aus dem ursprünglichen Kernbereich des Donatismus stammenden Maximinian bezeichneten Maximianisten ernstzunehmende Abspaltungen von der donatistischen Hauptrichtung, welche so etwas wie die Hauptkirche des Donatismus darstellte. Auch bei der innerdonatistischen Kontroverse mit dem donatistischen Theologen Tyconius/Ticonius war das Vorhandensein kirchlicher Weiheämter unstrittig. Dies gilt auch für Spaltungen, welche sich bei den Novatianern im Laufe ihrer Geschichte als einer besonders frühen christlichen Richtung ereigneten. Gerade bei dem erheblich von Meletios von Lykopolis ausgehenden meletianischen/Meletianischen Schisma mit seinem Zentrum im römisch beherrschten Ägypten ging es wie bei den Donatisten darum, wer Weiheämter wie die des Priesters und des Bischofs innehaben dürfe, wer innerhalb kirchlicher Hierarchie welche Ämter innehaben solle. Die Existenz und Bedeutung kirchlicher Weiheämter war auch nicht umstritten zwischen den Akteuren der gerne ebenfalls „meletianisches/Meletianisches Schisma“ genannten vorübergehenden Kirchenspaltung von Antiochien.
Das Bestehen auf kirchlichen Weiheämtern zeigte sich nicht zuletzt bei den verschiedenen Richtungen oder Strömungen des Arianismus. Diesbezüglich gab es katholischerseits wie seitens der Arianer auch keinen Unterschied zu der wohl gerade aus praktisch-politischen Erwägungen im Streit um die Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit besonders um Vermittlung bemühten Hofpartei. Weiheämter besaßen offensichtlich auch bei Randgruppen wie den Photinianern und Bonosianern eine zentrale Bedeutung (siehe allgemein Gedanken 173 – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Die Kritiker der Lehre von einer Wesensgleichheit des Heiligen Geistes mit Gott dem Vater und Gott dem Sohn wurden mit der Bezeichnung Makedonianer/Macedonianer gerne nach einem Bischof von Konstantinopel benannt (siehe Gedanken zur Woche 166 – HOCHFEST von PFINGSTEN (2023)).
Offensichtlich konnten Meinungsverschiedenheiten über das Verhältnis von Gott Vater, Jesus Christus und Heiligem Geist wie die Frage, wann eine Sakramentenspendung gültig sei und wer welches kirchliche Amt ausüben dürfe, unter diesen Gruppen zu Spaltungen führen. Die kirchlichen Weiheämter in ihrer grundlegenden Bedeutsamkeit scheinen da aber kein Grund für Kontroversen gewesen zu sein.
Dies Bild zugunsten kirchlicher Weiheämter ergibt sich auch beim Blick auf die noch so bedauerlichen Kirchenspaltungen, die sich mehr oder minder im Gefolge der Konzilien von Ephesus und Chalcedon ereigneten. Auch hier bestanden die Konfliktparteien und sich formierenden konfessionellen Gemeinschaften darauf, über gültig geweihte kirchliche Amtsträger wie Diakon, Priester und Bischöfe zu verfügen. Auch bei den nicht zu dauernden Kirchenspaltungen führenden Auseinandersetzungen im Hauptbereich christlicher Kirchlichkeit oder so etwas wie Reichskirche im ersten Jahrtausend lässt sich dies beobachten. Dies gilt etwa für die zwiespältige Wahl von Damasus I. und Ursinus zum Bischof von Rom (siehe Gedanken zur Woche 177 – 19. SONNTAG IM JAHRESKREIS – Bistum/Diözese St. Pölten: HOCHFEST von ST. HIPPOLYT (2023)) und für das photinianische oder photische Schisma, bei dem es offiziell um die Besetzung des Amtes des Patriarchen von Konstantinopel und die Zuständigkeiten des römischen Papstes ging.
Die Bedeutung kirchlicher Weiheämter wurde dann nicht zuletzt im CODEX IURIS CANONICI, abgekürzt CIC, der katholischen Kirche von 1917 betont. Hier empfiehlt es sich, etwa das dreibändige „Gesetzbuch des kanonischen Rechtes. Erklärung der Kanones“ (Paderborn 1939-1940) von Heribert Jone zur Hand zu nehmen.
Demnach wurde in Canon/Kanon 802 des CIC von 1917 apodiktisch festgehalten:
„Einzig und allein die Priester haben die Gewalt, das hl Meßopfer darzubringen.“
In den Erläuterungen zu diesem Canon/Kanon wird seitens Heribert Jones betont, dass ein einmal gültig geweihter Priester immer gültig geweiht bleibt. Es wird also ausdrücklich Wert auf die numerische Einmaligkeit des gültigen Empfangs der Weihe gelegt (siehe Gedanken zur Woche 104 – 3. FASTENSONNTAG (2022)), auf den mit der Weihe vermittelten character indelebilis/Character Indelebilis.
Gleichfalls im Sinne früherer Konzilien und allgemeinerer kirchlicher Überlieferung wird auf die Stellung der geweihten Priester bei der Spendung des Bußsakramentes gepocht. Dies geschieht betont knapp in Canon/Kanon 871:
„Einzig und allein die Priester haben die Vollmacht, das Bußsakrament zu spenden.“
Beachtung verdient auch der sich unmittelbar anschließende Canon/Kanon 872:
„Der Spender des Bußsakramentes muß im Besitz einer doppelten Gewalt sein. Der Weihegewalt und der Jurisdiktionsgewalt.
Diese Jurisdiktionsgewalt kann eine ordentliche oder eine delegierte Gewalt sein.“
Dabei wurde im Weiteren sowohl im CIC von 1917 wie in dem CIC von 1983 sowie im CCEO und überhaupt in der offiziellen kirchlichen Positionierung und fortdauernden Tätigkeit Rücksicht genommen auf besondere Situationen und Notfälle.
Wurde die Frage der Beichtjurisdiktion von Priestern der Priesterbruderschaft St. Pius X. und mit ihr verbundener Geistlicher einige Zeit lang diskutiert, so ist diese Frage spätestens mit der ausdrücklichen und erneuten Bestätigung dieser Beichtjurisdiktion durch Papst Franziskus im guten Sinne geklärt (siehe Gedanken zur Woche 51-b – 2. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST vom HL. JOSEF, BRÄUTIGAM DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA (2021) und Gedanken zur Woche 86 – 33. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER ARMEN (2021)). Umso mehr sollte seitens offizieller Kirchenvertreter samt sich zu kirchlichen Fragen äußernden Politikern endlich auf Polemik und Irreführung in dieser Angelegenheit verzichtet werden, egal wie diese zum einen zu Papst Franziskus und zum anderen zur Bruderschaft/Priesterbruderschaft St. Pius X. und mit ihr verbundenen Priestern und verschiedenen Vereinigungen stehen mögen.
Dabei hält sich ja die Bruderschaft/Priesterbruderschaft St. Pius X. zusammen mit den mir verbundenen Priestern und verschiedenen Vereinigungen einschließlich den betreffenden Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften auch an die in Canon/Kanon 938 des CIC von 1917 betonten theologischen Festlegung bezüglich der Spendung des Sakramentes der Krankensalbung, welche auch Krankenölung oder etwa Letzte Ölung genannt wurde und wird:
„§1. Gültigerweise kann die hl Ölung nur von einem Priester, aber auch von jedem Priester gespendet werden.
§ 2. … Im Notfall kommt als außerordentlicher Spender dieses Sakramentes jeder Priester in Betracht. …“
1. Lesung: Apg 9,26-31
2. Lesung: 1 Joh 3,18-24
Evangelium: Joh 15,1-8
Gedanken zur Woche 214-b, Dr. Matthias Martin
5. OSTERWOCHE (2024)
Der Durchgang durch die fünfte Osterwoche im Jahre 2024 nach dem gerade in unserem deutschen Sprach- und Kulturraum üblichen liturgischen Kalender verdeutlicht die Vielfalt der Erfahrungen, welche die Kirchengeschichte mit sich bringt. Dies mag zu eigener intensiver Beschäftigung mit so etwas wie Kirchengeschichte im Besonderen und Geschichte im Allgemeinen anregen. Dabei kommt man dann sehr schnell zu Inhalten der Systematischen Theologie, zu etwas wie Glaubens- und Sittenlehre in einem engeren Sinne. Man stößt auf kirchenrechtliche Inhalte und Fragestellungen. Diese sind natürlich immer wieder nicht von einer mehr oder minder systematischen Glaubens- und Sittenlehre zu trennen. Nach katholischer Auffassung wie der grundsätzlichen Überzeugung anderer religiöser Überlieferungen innerhalb wie außerhalb des Christentums hat das Recht der eigenen religiösen Gemeinschaft, hier also das katholische Kirchenrecht, inhaltlich gebunden zu sein. Ein Rechtspositivismus ist demnach nicht möglich, und erst recht sollte ein Willkürregiment etwa kirchlicher Amtsträger gemieden werden. Zwischen der Kirchengeschichte und eben auch der Beschäftigung mit den Inhalten einer Glaubens- und Sittenlehre und allen möglichen Wissenschaftszweigen sind die Übergänge fließend. Da lassen sich nicht einfach klare Trennlinien ziehen. Da kommt man unversehens von einem zum anderen (siehe Gedanken zur Woche 202 – 5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 131-b – 26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 135 – 30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 208-b – 5. FASTENWOCHE (2024)).
Der Zusammenhang von Kirchengeschichte und Allgemeiner Geschichte samt den Rechtswissenschaften wird sehr rasch deutlich, wenn man etwa auf den heiligen Papst Pius V. blickt. Dieser war ja als Papst nicht nur ein religiöses Oberhaupt, sondern auch das weltliche Oberhaupt des Kirchenstaates mit all dessen internen Ausdifferenzierungen und eben auch die Verkörperung des Völkerrechtssubjektes eigener Art, das sowohl der Heilige Stuhl als auch der Apostolische Stuhl genannt wird. Dem Wirken des heiligen Pius V. im liturgischen Bereich ist eine eigne große kulturelle Bedeutung zuzubilligen (siehe Gedanken zur Woche 157 – 5. FASTENSONNTAG (2023)). Allein damit hat sich Papst Pius V. einen eigenen Platz in der Kulturgeschichte der Menschheit erworben. Auch als Diplomat gewann er außerordentliche Bedeutung. Man denke hier nur vor dem Hintergrund der Seeschlacht von Lepanto an die damalige Heilige Liga (siehe Gedanken zur Woche 30-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020)). Zum einen ist deren Geschichte und Bedeutsamkeit ein bisschen ein Heilmittel gegen die Anfälligkeit gegenüber liebgewonnen Klischees im Allgemeinen und italienischer Nationalmythologie im Besonderen. Zum anderen mag dies zur Beschäftigung mit der Geschichte der Schifffahrt in einem mehr technischen Sinne einladen. Den venezianischen Galeassen wird als so etwas wie einer Wunderwaffe ein großer bis entscheidender Anteil am überwältigenden Sieg der eben erheblich von Pius V. organisierten Heiligen Liga bei Lepanto zugeschrieben. Eigens mag man sich auch angeregt sehen, sich mit dem Niederschlag etwa der Seeschlacht von Lepanto in künstlerischen Darstellungen zu beschäftigen. Die Republik Venedig war zum einen ein Handels- und Bankenzentrum, zum anderen aber eben auch ein Zentrum für Militärtechnologie wie für Kultur in ihren verschiedenartigen Ausgestaltungen. Dass etwa ein Antonio Vivaldi in Venedig wirken konnte, war kein Zufall.
Dabei sollte nicht vergessen werden, dass dieser herausragende Komponist und Geiger selber katholischer Priester war.
Als herausragende Priesterpersönlichkeit im Sinne der vom Konzil von Trient ausgehenden Erneuerung stand er damit in dem so weiten Feld von Kunst und Wissenschaft keineswegs allein. Schon vorher hatten eben längst Päpste der Gegenreformation oder der katholischen Erneuerung den Wissenschaften und den Künsten wie staatlicher Verwaltung und Städtebau starke und vielfältige Impulse vermitteln können. Eine dieser Papstgestalten war eben Pius V. mit seinem Pontifikat von 1566 bis 1572 gewesen. Man mag dazu gerade auch an Papst Sixtus V. (Pontifikat von 1585 bis 1590) und natürlich auch an Gregor XIII. (Pontifikat von 1572 bis 1585) denken.
Dabei wird bei diesen über konfessionell-religiöse und nationale Grenzen hinaus alsbald besonders gewürdigten Päpsten deutlich, dass man die größten Probleme immer wieder mit einem mehr oder minder zumindest vermeintlich innerchristlichen Bereich hat. Das elisabethanische England verfolgte gegenüber dem heiligen Pius V. und dem von ihm vertretenen Katholizismus eine Politik der Todfeindschaft. Dabei schreckte man seitens des offiziellen Englands nicht vor Methoden zurück, die heutzutage gerne typisch für totalitäre Systeme des 20. Jahrhunderts gehalten werden. Nicht zuletzt bediente man sich bei der Bekämpfung der Katholiken im Allgemeinen und des über Jahre hinweg durch Papst Pius V. vertretenen Papsttums im Besonderen der Mittel von Staatsterrorismus und Genozid.
Dass der Kirche und gutwilligen Menschen gerade von sich selber als „christlich“ gebender Seite schlimmes widerfährt, hatten schon lange vorher die heilige Katharina von Siena und der heilige Athanasius direkt erfahren.
Die heilige Katharina von Siena, längst als Kirchenlehrerin und als eine Patronin Europas anerkannt, hatte sich insbesondere mit dem durch die damalige Groß- bis Supermacht Frankreich initiierten Gegenpapsttum von Avignon in großer Breite und Tiefe auseinanderzusetzen. Ihre Auseinandersetzungen verdeutlichten, dass die sehr ernsten Schwierigkeiten, die mit Papst Bonifaz VIII. auf der einen und König Philip IV. von Frankreich, genannt der Schöne, auf der anderen Seite wieder einen neuen und spektakulären Höhepunkt erreicht hatten, für die Kirche keineswegs zu Ende waren. Ihr mutiges Auftreten trug der heiligen Katharina von Siena den Ruf als über Jahrhunderte bestgehasste Frau in Frankreich ein. Zugleich bewies sie, welch enorme Bedeutung Frauen im Rahmen eines im Sinne der vom Alten Testament herkommenden Überlieferung vom prophetischen Amt in der Kirche gewinnen konnten. Die heilige Katharina von Siena war kein geweihter Diakon, Priester oder Bischof und war auch nicht zum Kardinal ernannt oder gar zu einer Päpstin gewählt. Trotzdem hat sie auch Päpsten energisch den Weg gewiesen. Ihr überliefertes literarisches Werk ist eigens bemerkenswert.
Seinen Platz in der weiteren Geistesgeschichte hatte sich schon vorher der heilige Athanasius erworben. Mit Alexandrien am Mittelmeer als einem Wirkungsmittelpunkt und dann eben auch als eigene Bischofsstadt stand er im Mittelpunkt geistiger und eben oft auch damit so eng verbundener politischer bis gewalttätiger Auseinandersetzungen seiner Zeit. Bemerkenswert ist dabei, dass ihm seine fünf Verbannung viermal sogenannte „christliche“ Herrscher angetan hatten, angefangen mit dem oft „der Große“ genannten Konstantin. Dabei war genau Alexandrien schon in vorchristlicher Zeit ein enorm wichtiges Zentrum des geistigen Lebens gewesen. Die Bibliothek von Alexandrien erlangte internationalen Ruhm. Auf das geistig-intellektuelle Potential griff man dann im christlich-kirchlichen Bereich gerne zurück. Dies geschah etwa bei der Berechnung der Osterfesttermine. Enorme Ausstrahlung gewann die alexandrinische/Alexandrinische Schule der Theologie. Ihre Art der allegorischen Bibelauslegung wurde auch in meinem Studium der Geschichte an der Geisteswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck angesprochen. Herausragend in seiner Bedeutung gerade in der Entwicklung des Christentums wurde ohne ihm anzugehören der jüdische Denker und Autor Philo/Philon von Alexandrien (siehe Gedanken zur Woche 95-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Dabei war Alexandrien nicht erst in der Zeit des seinerseits gerne „der Große“ genannten Erzbischofs und Kirchenvaters Athanasius ein Ort heftiger Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen gewesen. Spannungen bis gewalttätige Konflikte waren keine Seltenheit. Niederschlag fanden die Bedrängnisse der jüdischen Gemeinschaft in dem von westlichen Konfessionen einschließlich der römisch-katholischen Kirche und einzelnen Teilen der sogenannten Orthodoxie nicht als Teil der Bibel anerkannten Dritten Makkabäerbuch. Das Verhalten der letzten ägyptischen Herrscherin, der berühmt-berüchtigten Cleopatra/Kleopatra, zu den Juden in Alexandrien und darüber hinaus ist sowieso umstritten.
So verdeutlicht die uneinheitliche Rezeptionsgeschichte dieses Dritten Makkabäerbuches, dass es unter den christlichen Konfessionen ganz deutlich keine gemeinsame einheitliche Bibel auch nur in Hinblick auf die darin enthaltenen Schriften gibt (siehe Gedanken zur Woche 172 – 14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023) und allgemein Gedanken zur Woche 182-b – 24. WOCHE IM JAHRESRKEIS (2023)). Dieser grundlegende Umstand sollte ein gesundes Misstrauen gegenüber Vereinfachungen und billigen Schlagworten fördern.
Dies gilt auch bezüglich den so unterschiedlichen Meinungen, die über die manchmal scheinbar gar mit dem Ehrennamen „die Große“ belegte Cleopatra/Kleopatra seit Jahrhunderten bis Jahrtausenden kursieren.
Gedanken zur Woche 213, Dr. Matthias Martin
4. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024)
Der WELTGEGEBETSTAG FÜR GEISTLICHE BERUFE weist auf ein wesentliches Anliegen, ja ein Kernanliegen kirchlichen Lebens hin. Um dies zu bestätigen, muss man selber weder fromm noch Anhänger ein bestimmten oder überhaupt einer Konfession sein. Bei kirchlichen Berufen geht es ja um so etwas wie Kaderpersonal in der Kirche und für die Kirche.
Die allgemeine Erfahrung der Menschheitsgeschichte verdeutlicht, dass Spezialisierung so etwas wie eine globale Tendenz, ein grundlegender Zug in der Menschheit ist. Dies beginnt schon in der Ur- und Frühgeschichte, in prähistorischen Zeiten. Den (hauptsächlichen) Vorfahren des Modernen Menschen wird längst dahingehend ein Wettbewerbsvorteil gegenüber dem ansonsten bemerkenswert an seine natürliche Lebensumwelt angepassten Neandertaler/Neanderthaler zugeschrieben, dass bei den in größeren Gruppen zusammenlebenden Angehörigen des erstgenannten Zweiges der Menschheitsentwicklung sehr früh schon eine stärkere Spezialisierung erfolgte, als bei den offensichtlich allermeist viel kleineren Gruppen von zusammenlebenden Neandertalern/Neanderthalern. In den frühen Flusstalkulturen fand dann überhaupt eine weitergehende Spezialisierung statt. So bildeten sich erfolgreich Verwaltungspersonal, Bauleute, Händler, landwirtschaftliche wirkende Bewohner und so weiter heraus. Offensichtlich kam hier immer wieder so etwas wie einem Priesterstand zentrale Bedeutung zu. Wie auch später wirkten ausgebildete Priester beileibe nicht nur in einem im engeren Sinne religiösen Bereich. Sie konnten etwa als Schreiber für die Entwicklung und Aufrechterhaltung öffentlicher Verwaltung und dann ausgedehnterer Staatswesen zentrale Bedeutung gewinnen. Nicht zu trennen waren sie von der Entwicklung des Bauwesens und konnten bis hin zur Entwicklung der Astronomie auf verschiedenen Kontinenten enorme Bedeutung gewinnen.
So unfriedlich wie die Menschheit meist ist, zeigte sich Spezialisierung auch im kriegerischen, paramilitärischen oder militärischen Bereich. Mit ihren größeren Gruppen sollen schon die (Haupt-)Vorfahren der Modernen Menschen bei ihrer Ausdehnung zumindest manchmal regelrechte Stoßtrupps gebildet haben, die bei einem Aufeinandertreffen den Neandertalern/Neanderthalern überlegen waren, auch wenn es für sie mitunter zu einstweiligen Rückschlägen gekommen sein mag. Berühmte Fälle besonders weit gediehener Spezialisierung im militärischen Bereich wurden wohl die spartanischen Berufssoldaten, die Elitekämpfer der 10000 Unsterblichen des achämenidischen Reiches der gewissermaßen alten Perser, die Heilige Schar der Thebaner und die makedonische Adelsreiterei. Natürlich ist hier immer wieder vor Legendenbildungen und Zweckpropaganda zu warnen. Zugleich verdient chinesische und japanische Militärgeschichte wie der kämpferische Aufstieg des Inkareiches allein schon in Hinblick auf erfolgreiche Spezialisierung Beachtung. Längst auf stärkeres Interesse gestoßen sind nicht zuletzt die Hochkulturen der Azteken und der Maya. Gelungene Spezialisierung scheint immer wieder ein Schlüssel zum Erfolg gewesen sein.
Im jüdischen Bereich machte die erfolgreiche Spezialisierung in Richtung dessen, was gerne „Pharisäer und Schriftgelehrte“ genannt wird, überlebensfähig gegen Rückschläge wie die Zerstörung des Tempels und der Stadt Jerusalem wie wiederholte Bedrängnisse und Verfolgungen. Das Judentum wurde unabhängig von einem bestimmten Staatswesen und konnte ohne etwa einen eigenen Staat jahrhundertelang überleben. Dabei weist der Übertritt zumindest der führenden Schichten des sich herausbildenden Chasarenreiches auf die Bedeutung jüdischer Gelehrter, einer betreffenden intellektuellen Elite hin.
Im Christentum hat sich so etwas wie ein Klerus schon herauszubilden begonnen, noch ehe man sich im Christentum oder den Christentümern einigen konnte, was denn an Schriften zur „Bibel“ gehören sollte, oder ob man denn so etwas wie eine „Bibel“ überhaupt brauche. Dies wird gerade in nichtkonfessionell-weltlicher Geschichtsschreibung betont, wo man offensichtlich nicht so sehr auf ökumenische Befindlichkeiten oder dergleichen achten muss.
Vom frühen Christentum an beschäftigten sich Synoden und kirchliche Führungspersonen nicht zuletzt mit Leben und Pflichten von Klerikern und zusehends auch von Mönchen bis organisierten Ordensleuten. Gerade die sog. Gregorianische Reformbewegung einschließlich der alternativen Richtung von Clemens III. – Wibert von Ravenna mit ihren eigenen Synoden beschäftigte sich mit dem Klerus (siehe Gedanken zur Woche 14-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 61-b – PFINGSTMONTAG und 8. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 64-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 73-b – 20. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 110-b – 3. OSTERWOCHE (2022)).
Auch allgemeine Konzilien wie die beiden von Nicäa und dann das von Trient beschäftigten sich eigens mit dem Klerus. Das Vierte Laterankonzil und das Konzil von Trient waren nicht zuletzt um so etwas wie eine Ordensreform bemüht.
in diese Richtung ging dann gerade das von den Texten her ja so besonders umfangreiche Zweite Vatikanische Konzil (siehe Gedanken zur Woche 181-b – 23. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023); Gedanken zur Woche 185-b – 27. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und allgemein Gedanken zur Woche 195 - 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2023)).
So wurde mit „Christus Dominus“ ein eigenes Dekret über die Stellung der Bischöfe in der Kirche beschlossen. Mit „Optatam totius“ befasst sich ein Dekret speziell mit der Ausbildung der Priester und mit „Presbyterorum ordinis“ eines allgemeiner mit Leben und Dienst der Priester. Das Dekret „Perfectae caritatis“ handelt vom Ordenswesen und insbesondere von dessen gewünschter irgendwie zu verstehender Erneuerung. Mit „Apostolicam actuositatem“ beschäftigt sich ein weiteres Dekret mit dem Laienapostolat. Auch in anderen Dokumenten dieses Konzils wird auf kirchliches Personal oder Kaderpersonal eingegangen.
In so verstandener Fortführung des Zweiten Vatikanischen Konzils und der zumindest versuchten Umsetzung seiner Beschlüsse unterstreicht der CIC die Bedeutung des Klerus.
So wird in CIC-Canon/Kanon 900 festgehalten, dass nur geweiht Priester die Heilige Messe feiern können:
„§ 1. Zelebrant, der in der Person Christi das Sakrament der Eucharistie zu vollziehen vermag, ist nur der gültig geweihte Priester.
§ 2. Erlaubt feiert die Eucharistie ein Priester, der nicht durch kanonisches Gesetz daran gehindert ist; dabei sind die Vorschriften der folgenden Canones zu beachten.“
Nach dem diesbezüglich schon relevanten Canon/Kanon 698 (siehe Gedanken zur Woche 212 – 3. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024)) lautet Paragraph 1 von Canon/Kanon 699 im CCEO:
„Die Gewalt, die göttliche Liturgie zu feiern, haben nur Bischöfe und Priester.“
Auf weitere Personengruppen in der Kirche wird in den folgenden Paragraphen dieses CCEO-Kanons eingegangen:
„§ 2. Die Diakone haben mit den Bischöfen und Priestern in ihrem eigenen Dienst gemäß den Vorschriften der liturgischen Bücher einen innigeren Anteil an der Feier der Göttlichen Liturgie.
§ 3. Die anderen Christgläubigen, wenn sie kraft Taufe und Salbung mit dem heiligen Myron zur Feier der Göttlichen Liturgie zusammenkommen, nehmen nach der in den liturgischen Büchern oder im Partikularrecht festgelegten Weise am Opfer Christi tätig Anteil, und dies um so mehr, wenn sie aus diesem Opfer den Leib und das Blut des Herrn empfangen.“
In Hinblick auf die Beichte, die neuerdings auch das Sakrament der Versöhnung genannt wird, legt CIC-Canon/Kanon 965 kurz und knapp fest:
„Spender des Bußsakramentes ist allein der Priester.“
Im CCEO-Canon/Kanon 718 ist dazu ausdrücklich vom „Dienst des Priesters“ die Rede.
Eindeutig wird im CCEO für die katholischen Ostkirchen auch die Bedeutung der Priester für die Spendung des Sakramentes der Krankensalbung betont. So lautet dort Canon/Kanon 737:
„§ 1. Durch die vom Priester mit Gebet vorgenommene sakramentale Krankensalbung empfangen Christgläubige, die an einer schweren Krankheit leiden und reumütigen Herzens sind, die Gnade, durch sie sie, mit der Hoffnung auf ewigen Lohn gestärkt und von den Sünden befreit, zur Besserung des Lebens vorbereitet werden und durch die ihnen geholfen wird, die Krankheit zu überwinden oder geduldig zu ertragen.
§ 2. In Kirchen, in denen es Brauch ist, daß die Krankensalbung von mehreren Priestern zugleich gespendet wird, ist dafür zu sorgen, daß, soweit es geschehen kann, dieser Brauch beibehalten wird.“
Im CIC für die Lateinische Kirche lautet Paragraph 1 von Canon/Kanon 1003 lapidar:
„Die Krankensalbung spendet gültig jeder Priester und nur er.“
1. Lesung: Apg 4,8-12
2. Lesung: 1 Joh 3,1-2
Evangelium: Joh 10,11-18
Gedanken zur Woche 213-b, Dr. Matthias Martin
4. OSTERWOCHE (2024)
Die ersten Verse des elften Kapitels der neutestamentlichen Apostelgeschichte sind sehr aufschlussreich. Zum einen deuten auch sie hin auf die Spannungen bis Spaltungen, welche schon zu Beginn im Christentum vorlagen. Diese Ausdifferenzierungen waren so stark, dass man in neuerer Zeit ja bewusst von „Christentümern“ spricht (siehe Gedanken zur Woche 167 – DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2023) und Gedanken zur Woche 209-b - HEILIGE WOCHE/KARWOCHE (2024)). An anderen Stellen des Neuen/Zweiten Testamentes werden solche Unterschiede bis handfesten Konflikten noch viel direkter, gewissermaßen unverblümter angesprochen. Wer wenig Zeit hat, führe sich nur einmal diese ganz kurzen Schriften ohne Kapiteleinteilung des Zweiten und des Dritten Johannesbriefes und des Judasbriefes zu Gemüte. Der ebenfalls zu dieser Gruppe von Briefen ohne Kapiteleinteilung gehörende Philemonbrief wie der vergleichsweise längere Jakobusbrief verdeutlichen sehr rasch, dass es in dieser ganz frühen Zeit nicht zuletzt auch soziale Spannungen in sich auf Jesus von Nazaret berufenden Kreisen gab (siehe Gedanken zur Woche 179-b – 21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Gerade dieser Jakobusbrief thematisiert überhaupt in ganz bemerkenswerter Weise menschliche Unzulänglichkeiten, die es offensichtlich auch damals in dem gerne romantisierend „Urchristentum“ genannten Gemenge gab.
Vertiefen kann man sich in Hinblick auf Spannungen und offene Konflikte dann in weiteren, eben eher längeren neutestamentlichen Schriften (siehe Gedanken zur Woche 151 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)).
Das Vorhandensein solch unterschiedlicher Evangelien wie auf der einen Seite den drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas und dem so eigenen nach Johannes wird gerne in so etwas wie Fachkreisen als Ausdruck für das Vorhandensein eben unterschiedlicher „Christentümer“ gesehen. Mitunter werden auch einzelnen dieser synoptischen Evangelien wie dem Matthäusevangelium aber gegebenenfalls auch dem Lukasevangelium eine eigene herausragende oder auffällige Stellung im Rahmen unterschiedlicher Strömungen unter den frühen „Christentümern“ zugeschrieben. Da kann etwa jemand das Matthäusevangelium als das judenchristliche Evangelium sehen. Mitunter ist mit dieser Grundeinordnung allerdings auch die Meinung verbunden, dieses Matthäusevangelium sei dementsprechend noch besonders in innerjüdische Auseinandersetzungen involviert gewesen und habe sich dementsprechend umso heftiger gegen konkurrierende Richtungen jüdischen Erbes ausgesprochen. Das Lukasevangelium wird mitunter als das dem griechisch-römischen Heidentum gegenüber offenste Evangelium gesehen. Dies kann bis zum Vorwurf der Anbiederei an das römischen Macht- und Ausbeutungssystem gehen.
Entstehungszeiten und angenommene literarische oder inhaltliche Abhängigkeiten sind sowohl bei den üblicherweise doch als Teil des Neuen oder Zweiten Testaments anerkannten vier Evangelien wie bei den anderen sog. neutestamentlichen Schriften diskutiert bis heftig umstritten.
Dabei bezogen sich die Spannungen oder gar Spaltungen in der ganz frühen Zeit von Christentum oder eben Christentümern auch auf die Frage, wie man Mission gestalten solle, und ob eine Heidenmission, eine Mission unter Nichtjuden überhaupt durchzuführen sei. Genau hier hinein passen die erwähnten Anfangsverse des elften Kapitels der Apostelgeschichte. Unmittelbar vorher wird im zehnten Kapitel von der Taufe des heidnischen und dazu noch römischen Hauptmannes Kornelius/Cornelius und von Menschen aus dessen persönlichem Umfeld durch Petrus erzählt. Eben dies dürfte bei einigen der gläubigen Jesusanhänger nicht gut angekommen sein. Es wirft sich dabei die Frage auf, ob nicht der Umstand, dass es sich bei Kornelius/Cornelius sogar um einen Vertreter der bei so vielen verhassten römischen Besatzungsmacht handelte und dies sogar im Offiziersrang, eigens für Verärgerung bis Empörung sorgte. Hinzu kommt die Frage, warum bei dem Bericht oder der Erzählung von der Taufe des Kornelius/Cornelius und seines Anhanges leidglich von einer Taufe im „Namen Jesu Christi“ (Apg 10,48) und nicht von einer Taufe im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, also in trinitarischer Form die Rede ist. Dies wirft eine eigene Frage auf, mit der eine kirchliche Gemeinschaft zumindest im eigenen Bereich jeweils ins Reine zu kommen hat.
Tatsächlich gibt es in dem ja zehntausende voneinander unabhängige Gemeinschaften umfassenden Gesamtphänomen des „Protestantismus“ Gemeinschaften, welche die trinitarische Taufformel ablehnen und nur auf den Namen Jesu taufen (siehe Gedanken zur Woche 167 – DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2023)). Dies kann sich dann sehr leicht mit einer modalistischen Position, einer Befürwortung von Oneness-/Einssein-Theologie in Hinblick auf eine Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit bzw. eben deren Ablehnung verbinden (siehe Gedanken zur Woche 116 – DREIFALTIGKEITSSONNTAG (2022) und Gedanken zur Woche 143 – 4. ADVENTSONNTAG (2022)).
Wie die meisten anderen christlichen Kirchen, konfessionellen Gemeinschaften oder Denominationen hält die katholische Kirche auf jeden Fall an der trinitarischen Taufformel fest.
Dies wird in Canon/Kanon 849 des CIC betont, wenn dort zu lesen ist:
„Die Taufe ist die Eingangspforte zu den Sakramenten; ihr tatsächlicher Empfang oder wenigstens das Verlangen danach ist zum Heil notwendig; durch sie werden die Menschen von den Sünden befreit, zu Kindern Gottes neu geschaffen und, durch ein untilgbares Prägemal Christus gleichgestaltet, der Kirche eingegliedert; sie wird nur durch Waschung mit wirklichem Wasser in Verbindung mit der gebotenen Form der Taufworte gültig gespendet.“
Unter ausdrücklichem Hinweis auf die trinitarische Taufformel werden wir in CCEO-Canon/Kanon 675 in dieselbe Richtung gewiesen:
„§. 1. In der Taufe wird der Mensch durch die Waschung mit natürlichem Wasser unter Anrufung des Namens Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes von der Sünde befreit, zum neuen Leben wiedergeboren, er legt Christus (als Gewand) an und wird der Kirche, die sein Leib ist, eingegliedert.“
Die Bedeutung der Taufe als Eingangspforte zu den Sakramenten wird auch hier deutlich angesprochen:
„§ 2. Nur durch die tatsächlich empfangene Taufe wird der Mensch befähigt im Hinblick auf die anderen Sakramente.“
Die nach Lehre der katholischen Kirche notwendige trinitarische Formel wird auch für Notfälle im jeweils folgenden Canon/Kanon des CCEO wie des CIC unterstrichen.
So lautet CCEO-Canon/Kanon 676:
„Im Fall einer dringenden Notlage ist es erlaubt, die Taufe zu spenden, indem nur das vorgenommen wird, was zur Gültigkeit notwendig ist.“
In CIC-Canon/Kanon 850 heißt es:
„Die Taufe wird nach der in den gebilligten liturgischen Büchern vorgeschriebenen Ordnung gespendet; wenn aber ein dringender Notfall besteht, muss nur das beachtet werden, was zur Gültigkeit des Sakramentes erforderlich ist.“
Zugleich wird im Kirchenrecht betont, dass die Zulassung zur Taufe völlig unabhängig ist etwa von Geschlecht, sozialer Position, ethnischer Herkunft oder rechtlichem Status eines Menschen. Die katholische Kirche versteht sich ja als Weltkirche, die zu allen Menschen gesandt ist. Ein staatskirchliches oder nationalkirchliches Modell samt der Idee einer ethnisch oder sozial-standesmäßig fixierten Gemeinschaft ist damit hier anders als in manchen anderen sich als „christlich“ bezeichnenden Gemeinschaften oder Denominationen zurückgewiesen.
Dies wird mit Canon/Kanon 864 des CIC eingeschärft:
„Fähig zum Empfang der Taufe ist jeder und nur der Mensch, der noch nicht getauft ist.“
Eine parallele Stelle finden wir mit dem dortigen Canon/Kanon 679 im CCEO:
„Die Taufe zu empfangen fähig ist jeder und nur ein noch nicht getaufter Mensch.“
Damit wird eben auch der Character Indelebilis/character indelebilis betont, der Umstand, dass nach katholischer Lehre ein einmal gültig getaufter Mensch immer gültig getauft bleibt (siehe Gedanken zur Woche 104 – 3. FASTENSONNTAG (2022)). Eine erneute Taufe ist dementsprechend hier ausgeschlossen.
Gedanken zur Woche 212, Dr. Matthias Martin
3. SONNTAG DER OSTERZEIT (2024)
Der vorhergehende Sonntag war mit dem WEISSEN SONNTAG ein wenn nicht gar der traditionelle Sonntag für die Erstkommunion (siehe Gedanken zur Woche 211 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2024)).
Natürlich stellt es eine Daueraufgabe während des ganzen Jahres dar, bei den Gläubigen eine lebendige Beziehung zur Allerheiligsten Eucharistie zu pflegen. Wie das Zweite Vatikanische Konzil im Dekret über Dienst und Leben des Priesters „Presbyterorum ordinis“ unter Bezugnahme auf den Kirchenlehrer Thomas von Aquin betonte, kommt der Allerheiligsten Eucharistie im Leben der Kirche mit den sieben Sakramenten und all ihren Tätigkeiten in Verkündigung (Martyria), Liturgie (Liturgia/Leiturgia), praktischer Nächstenliebe (Diakonia) und Gemeinschaft (Koinonia) eine ganz zentrale Bedeutung zu (siehe Gedanken zur Woche 31 – 28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020)).
Gerade in liturgischer und in katechetisch-pastoraler Hinsicht sind die kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter während des ganzen Jahres und nicht etwa nur während der Vorbereitungen auf den WEISSEN SONNTAG und generell in Hinblick auf eine Erstkommunion gefordert.
Eigens betont auch das Dekret über die Hirtenaufgabe der Bischöfe in der Kirche „Christus Dominus“ des Zweiten Vatikanischen Konzils, wie sehr die Feier der Eucharistie Mitte des pfarrlichen Lebens ist:
„(30) … Beim Vollzug des Werkes der Heiligung sollen die Pfarrer dafür sorgen, dass die Feier des eucharistischen Opfers Mitte und Höhepunkt des ganzen Lebens der christlichen Gemeinde ist."
Dies wird fortgeführt mit den Worten:
„Ferner sollen sie darauf hinwirken, dass die Gläubigen durch den andächtigen und häufigen Empfang der Sakramente und die bewusste und tätige Teilnahme an der Liturgie mit geistlicher Speise genährt werden.“
Im Dekret desselben Konzils über die katholischen Ostkirchen „Orientalium Ecclesiarum“ wird gemahnt:
„(15) Die Gläubigen sind verpflichtet, an den Sonn- und Feiertagen der Göttlichen Liturgie oder, gemäß den Vorschriften oder Gewohnheiten ihres eigenen Ritus, dem feierlichen Gotteslob beizuwohnen.“
Zu beachten ist, dass auch hier die unaufgebbare Bedeutung der verschiedenen Riten und damit verbundener rechtlicher Überlieferungen innerhalb der katholischen Weltkirche und damit die Stellung der jeweiligen Kirchen eigenen Rechts betont wird. Dies ist gerade vor dem Hintergrund der fortwährenden Bedrängnis zu beachten, in welcher sich gerade Katholische Ostkirchen, katholische orientalische Kirchen befinden, zu beachten. Umso mehr verstößt eine Geringachtung oder gar bewusste Schädigung dieser auch manchmal die Unierten Kirchen genannten Kirchen eigenen Rechts direkt auch gegen die Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils.
Wenig später wird noch im selben Abschnitt dieses Konzilsdekrets sogar der tägliche Kommunionempfang, der tägliche Empfang der Eucharistie dringlich nahegelegt:
„Dringend wird den Gläubigen empfohlen, an diesen Tagen und noch öfter, ja täglich, die heilige Eucharistie zu empfangen.“
In diese Richtung wird man generell auch durch das Kirchenrecht, sowohl durch den CIC für die Lateinische Kirche wie durch den CCEO für die Katholischen Ostkirchen gewiesen. Zunächst wird dort die herausragende Bedeutung der Sakramente eher allgemein betont (siehe Gedanken zur Woche 205 – 2. FASTENSONNTAG (2024)). Im Besonderen wird später die zentrale Stellung der Eucharistie herausgearbeitet.
So lautet Canon/Kanon 897 eben des CIC:
„Das erhabenste Sakrament ist die heiligste Eucharistie, in der Christus der Herr selber enthalten ist, als Opfer dargebracht und genossen wird; durch sie lebt und wächst die Kirche beständig. Das eucharistische Opfer, die Gedächtnisfeier des Todes und der Auferstehung des Herrn, in dem das Kreuzesopfer immerdar fortdauert, ist für den gesamten Gottesdienst und das gesamte christliche Leben Gipfelpunkt und Quelle; durch dieses Opfer wird die Einheit des Volkes Gottes bezeichnet und bewirkt sowie der Aufbau des Leibes Christi vollendet. Die übrigen Sakramente und alle kirchlichen Werke des Apostolates hängen nämlich mit der heiligsten Eucharistie zusammen und sind auf sie hingeordnet.“
Bemerkenswert ist hier eigens, wie stark der Opfergedanke, das Verständnis vom Opfer in Hinblick auf die Feier der Allerheiligsten/heiligsten Eucharistie betont wird. Der Opfergedanke wird herausgestellt nicht nur in Hinblick auf seine im engeren Sinne liturgische und sakramententheologische, sondern auch in Hinblick auf seine ekklesiologische und allgemeinpastorale Bedeutung. Ja es wird auch die christologische Dimension verdeutlicht. Das Opferverständnis den Menschen nahezubringen und gerade hier gegen das Verdrängen und Vergessen zu wirken, ist damit eine dauernde Aufgabe, ja eine Herausforderung für die kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dies gilt gerade in unserer Zeit des Kollapses von Volkskirche und den vielfältigen Bedrängnissen, denen sich die Kirche ausgesetzt sieht.
Der Opfergedanke wird in Hinblick auf die Feier der Eucharistie, die Feier der Heiligen Messe auch im CCEO betont. So können wir im dortigen Canon/Kanon 698 nachlesen:
„In der Göttlichen Liturgie wird durch den Dienst des Priesters, der in der Person Christi hinsichtlich des Opfers der Kirche handelt, in der Kraft des Heiligen Geistes fortgesetzt, was der Herr Jesus selbst beim Letzten Abendmahl getan hat, der den Jüngern seinen Leib, der am Kreuz für uns geopfert werden sollte, und sein Blut, das für uns vergossen werden sollte, gab und so das wahre und mystische Opfer erneuert hat, wodurch jenes blutigen Kreuzesopfers unter Danksagung gedacht, es vergegenwärtigt und die Kirche desselben teilhaftig wird sowohl durch das Opfer als auch durch die Gemeinschaft zur Darstellung und Vollendung der Einheit des Volkes Gottes in der Auferbauung Seines Leibes, der die Kirche ist.“
Bemerkenswert ist an dieser Stelle eben des CCEO, wie seinerseits hier der trinitarische Aspekt betont wird.
Ganz im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils wird den Gläubigen in CIC-Canon/Kanon 898 zusammen mit der besonderen Wertschätzung der Eucharistie auch die häufige Teilnahme an dem ans Herz gelegt, was auf Deutsch gerne die Feier der Heiligen Messe genannt wird:
„Die Gläubigen sind zu größter Wertschätzung der heiligsten Eucharistie gehalten, indem sie tätigen Anteil an der Feier des erhabensten Opfers nehmen, in tiefer Andacht und häufig dieses Sakrament empfangen und es mit höchster Anbetung verehren; die Seelsorger, welche die Lehre über dieses Sakrament darlegen, haben die Gläubigen gewissenhaft über diese Verpflichtung zu belehren.“
Also wird auch hier wieder der Opfercharakter der Heiligen Messe offen angesprochen. Zugleich wird betont, wie sehr in der Verkündigung die heiligste Eucharistie in aller Tiefe und Breite den Gläubigen zu vermitteln ist. Man kann hier von einer katechetischen und ganz allgemein von einer pastoralen Herausforderung sprechen, wie sie durch das geltende Kirchenrecht formuliert wird. Auf eigene Weise wird die zentrale Stellung der Eucharistie in Canon/Kanon 697 des CCEO angesprochen. Dabei wird auf die rechtlichen Regelungen der jeweiligen Katholischen Ostkirchen hingewiesen. Somit werden hier die kanonistischen und liturgischen Überlieferungen dieser Kirchen eigenen Rechts in sehr allgemeiner Form ins Gedächtnis gerufen.
In Paragraph 1 von CIC-Canon/Kanon 899 wird unter eher praktischer Berücksichtigung der Durchführung der Heilige Messe, der Eucharistiefeier, nochmals der Opfergedanke ausdrücklich angesprochen und generell die zentrale Stellung der Eucharistie betont:
„Die Feier der Eucharistie ist eine Handlung Christi selbst und der Kirche; in ihr bringt Christus der Herr durch den Dienst des Priesters sich selbst, unter den Gestalten von Brot und Wein wesenhaft gegenwärtig, Gott dem Vater dar und gibt sich den Gläubigen, die in seinem Opfer vereint sind, als geistige Speise.“
Auch hier werden wir also wieder auf den Glauben an die Allerheiligste Dreifaltigkeit hingewiesen, wird die trinitarische Position gewissermaßen angeschnitten. Zugleich wird in Zusammenhang mit dem priesterlichen Dienst auf das Weihesakrament hingewiesen. Nicht zu übersehen ist auch, dass der Gedanke der Vereinigung der Gläubigen über Unterschiede zwischen ihnen hinweg in der Allerheiligsten Eucharistie, in der Eucharistiefeier oder Feier der Heiligen Messe angesprochen wird.
1. Lesung: Apg 3,12a.13-15.17-19
2. Lesung: 1 Joh 2,1-5a
Evangelium: Lk 24,35-48
Gedanken zur Woche 212-b, Dr. Matthias Martin
3. OSTERWOCHE (2024)
Gerade wenn eines Heiligen wie des heiligen Papstes Leos IX. gedacht wird, mag unwillkürlich die Mahnung in den Sinn kommen „Lernen Sie Geschichte!“ (siehe Gedanken zur Woche 78 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)). In einem warnenden Sinn mag auch aus dem drastischen Zukunftsroman „1984“ des so mutigen wie genialen Autors Goerge Orwell der Satz in den Sinn kommen „Wer die Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Zukunft.“ Dazu kommt dann noch ebenfalls vielsagenderweise „Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit.“
Um der Geschichtsvergessenheit und dem Missbrauch von Geschichte entgegen zu wirken, ist es tatsächlich sehr nützlich, sich Leben und Bedeutung dieses heiligen Papstes Leos IX. (Pontifikat von 1049 bis 1054) zu vergegenwärtigen. Wurde an seinem Gedenktag vom 19. April im Jahre 2005 der Deutsche Joseph Ratzinger zum Papst gewählt, so wurde und wird der heilige Leo IX. „der deutsche Papst aus dem Elsass“ genannt (siehe Gedanken zur 6 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2020)).
Nicht umsonst pflegten Judentum und Christentum seit jeher eine geschichtliche Überlieferung, wiesen ein eigenes Geschichtsbewusstsein auf. Mitunter werden sie auch „historische“ oder „geschichtliche“ Religionen genannt. Manche Bücher des Alten oder Ersten Testaments werden als „Bücher der Geschichte des Volkes (Gottes)“, die „Geschichtsbücher“ bzw. „(Die) Geschichtsbücher des Alten Testaments“, die „geschichtlichen Bücher“ oder etwa als „die historischen Bücher des Alten Testaments“ bezeichnet. Eigens begegnen bei der Beschäftigung mit dem Alten/Ersten Testament Ausdrücke wie „deuteronomistische Geschichtsschreibung“, „deuteronomistisches Geschichtswerk“, „chronistische Geschichtsschreibung“ und „chronistisches Geschichtswerk“ und „Geschichtsschreibung der Makkabäerzeit“.
So mag sich in Zusammenhang mit dem Lebensweg Brunos aus dem Geschlecht der Grafen von Egisheim-Dagsburg (siehe Gedanken zur Woche 108-b – OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2022)) eine eingehendere Beschäftigung mit der Geschichte und eigens mit sozialen und kultureller Faktoren ergeben. So fiel die Zeit des Aufstieges und dann des päpstlichen Wirkens dieses Heiligen in die Blütezeit des gerne so genannten ottonisch-salischen Reichskirchensystems. Für den katastrophalen Umschlag der Verhältnisse war der frühe Tod des Verwandten des heiligen Leos IX., Kaiser Heinrichs III. von ausschlaggebender Bedeutung. Dieser Sohn Konrads II., Vater Heinrichs IV. und Großvater Heinrichs V. aus dem salischen Herrscherhaus hatte zuvor in dem 1046 in Synode von Sutri gipfelnden Prozess für Klarheit gesorgt, wer denn überhaupt rechtmäßiger Papst sei (siehe Gedanken zur Woche 81-b - 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Ganz generell war eben dieser auch den heiligen Leo IX. ins Papstamt bringende Heinrich III. der Motor der Kirchenreform gewesen. Dabei wirkte Heinrich III. alles andere als ein Willkürherrscher. Er konnte sich in einer Zeit, in der wenig rechtliche Regelungen verschriftlicht waren und es keine heute üblichen schriftlichen Staatsverfassungen gab, in einem ernsthaften Sinne auf das Gewohnheitsrecht berufen. Dazu gehörte nicht zuletzt die Wahrnehmung der Schutzfunktion des deutschen König- bzw. Kaisertums oder römisch-deutschen Kaisertums über Rom und auch den dortigen Bischofssitz, das Papsttum. Diese Schutzfunktion war ja in Form wiederholter Hilferufe seit den Tagen der Karolinger noch im Fränkischen Reich von Päpsten selber in Gang gesetzt worden. Otto der Große ließ sich eigens ein weitgehendes Mitspracherecht bei der Wahl eines Papstes bestätigen, was zur Formulierung des Privilegium Ottonianum, auch genannt Pactum Ottonianum (siehe ebd.) oder Diploma Ottonianum führte. Dabei bedeutete dieses Privilegium/Pactum/Diploma Ottonianum oder einfach Ottonianum vom 13. Februar 962 einfach die Erneuerung von Regelungen aus fränkisch-karolingischer Zeit. Unter dem heiliggesprochenen Kaiser Heinrich II. noch aus dem ottonischen Herrscherhaus wurden diese Regelungen sogar weitgehend im gleichen Wortlaut bestätigt.
Solches mag eigens zu persönlicher Beschäftigung mit der Entwicklung des Verhältnisses von Kirche und Staat und nicht zuletzt mit der Reichsgeschichte in den meist Mittelalter genannten Zeiten anregen. Die Wahrung wohlerworbener Rechte und Privilegien wie die Beachtung von Vereinbarungen zwischen Staat und Kirche ist heute noch ein grundlegendes kirchliches Rechtsprinzip. Ein Blick in die Canones/Kanones 4 und 5 des CCEO verdeutlicht dies (siehe Gedanken zur Woche 117-b – 12. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS und HOCHFEST HEILIGSTES HERZ ‚JESU (2022) und Gedanken zur Woche 189-b – 31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Parallel dazu ist bezüglich der vom Apostolischen Stuhl mit Staaten und anderen politischen Gemeinschaften eingegangenen Vereinbarungen Canon/Kanon 3 des CIC formuliert (siehe Gedanken zur Woche 83-b – 30. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 189-b – 31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Vergleichbar mit dem erwähnten CCEO-Canon/Kanon 5 lautet CIC-Canon/Kanon 4:
„Wohlerworbene Rechte und ebenso Privilegien, die vom Apostolischen Stuhl bislang physischen oder juristischen Personen gewährt wurden, in Gebrauch sind und nicht widerrufen wurden, bleiben unangetastet, es sei denn, dass sie durch die Canones dieses Codex ausdrücklich widerrufen werden.“
Man soll hier also keineswegs leichtfertig oder willkürlich vorgehen.
Die Tätigkeit Kaiser Heinrichs III. und der von ihm wie der heilige Leo IX. ins Papstamt gebrachten Persönlichkeiten für die Kirchenreform hatte natürlich enorme Auswirkungen weit über den engeren kirchlich-theologischen Bereich hinaus. Eine konfessionelle Gemeinschaft ist ja auch ein Bildungs- und generell ein Kulturfaktor. Dies galt gerade in den damaligen Zeiten. Ebenso kam der Kirche eine gewaltige Bedeutung überhaupt für das gesellschaftliche Leben und so etwas wie öffentliche Verwaltungstätigkeit zu. Dies ging bis in den militärischen Bereich hinein. Natürlich ist dabei das Verhalten von Kirchenvertretern nicht immer einwandfrei gewesen. Hierbei handelte und handelt es sich um ein so diffiziles wie weites Feld, man möchte meinen, ein endloses Feld.
Bedeutsam war die elsässische Heimat des heiligen Leos IX. ihrerseits über den engeren kirchlichen Bereich hinaus. Sie war eines der Kerngebiete des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, des Ersten Deutschen Reiches, kurz des damaligen Deutschen oder Alten Reiches. Besondere Bedeutung besaß das Elsass für das Reichsgut und staufische Hausgut etwa zur Zeit des Herrschers Friedrichs II. aus dem Geschlecht der Hohenstaufen. Gerade dessen Wirken regt auch heutzutage noch zu Diskussionen an. Im kulturellen Bereich und dessen Verbindung zum kirchlichen Leben kam dem Elsass enorme Bedeutung zu. Man erinnere sich nur, dass in Straßburg am Rhein bereits Jahrzehnte vor dem Auftreten Martin Luthers die Bibel in deutscher Sprache gedruckt wurde (siehe Gedanken zur Woche 79-b – 26. WOCHE IM JAHREKSREIS (2021); Gedanken zur Woche 81-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 96 – 3. SONNTAG IM JAHRESKREIS und SONNTAG DES WORTES GOTTES (2022); Gedanken zur Woche 143-b – 4. ADVENTWOCHE (2022) und Gedanken zur Woche 190 – 32. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)).
Noch heute besitzt das Gebiet von Elsass-Lothringen seine eigene konkordatäre Ordnung (siehe Gedanken zur Woche Gedanken zur Woche 68 – 15. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und 83-b – 30 WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Diese wird offensichtlich auch vom gegenwärtigen französischen politischen System geachtet.
Natürlich hat dieses derzeit ganz andere Sorgen, als in diesem von Paris aus gesehen Außenbereich oder Vorposten Diskussionen mit Kirchenvertretern vom Zaum zu brechen. Auch Massenvertreibungen wie nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und in Zusammenhang mit dem Ausgang des Zweiten Weltkrieges stehen derzeit wohl nicht auf dem Programm des französischen Staatswesens. Verfolgt man Medienberichte, so muss sich dieses inzwischen zunehmend mit Gewalt selbst im (Groß-)Raum von Paris herumschlagen. Wohin diese sich seit Jahren entwickelnde Eskalation führt, bleibt abzuwarten. Schon Charles De Gaulles hatte eine völlige Desintegration des französischen Staatswesens befürchtet und deswegen den von französischer Seite so ausnehmend brutal geführten und auch von kirchlicher Seite deutlich kritisierten Algerienkrieg durch Rückzug beendet. In jüngster Zeit brach die bisher noch aufrechterhaltene französische Vorherrschaft in früheren Kolonien und dann eher nur nominell oder auf dem Papier unabhängigen Staaten wie Burkina Faso, Mali, Niger und der Zentralafrikanischen Republik rapide zusammen. Auch die Republik Tschad schaffte da eine beachtliche Entwicklung.
Wie auch immer sich die Angelegenheiten weiter entwickeln, so bleibt der Kampf gegen sexuellen Missbrauch auch und nicht zuletzt im französischen Macht- und Einflussbereich eine Daueraufgabe. Dazu passt sehr gut das Gebetsanliegen von Papst Franziskus für April 2024:
„Wir beten, dass die Würde und der Wert der Frauen in jeder Kultur anerkannt werden und dass die Diskriminierungen, denen sie in verschiedenen Teilen der Welt ausgesetzt sind, aufhören.“
Gedanken zur Woche 211, Dr. Matthias Martin
2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2024)
Die Vielfalt kirchlichen Lebens wird schon etwas durch die gerade im deutschen Sprach- und Kulturraum für den ersten Sonntag nach dem Ostersonntag verwendeten verschiedenen Bezeichnungen angedeutet. Da wird dieser zunächst einmal schlicht und ergreifend der ZWEITE SONNTAG DER OSTERZEIT genannt. Dann ist wohl noch gerade älteren Katholikinnen und Katholiken die Bezeichnung WEISSER SONNTAG geläufig. Auf Initiative von Papst Johannes Paul II. mit seinem langen Pontifikat von 1978 bis 2005 kam dann noch die Benennung als SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT hinzu (siehe Gedanken zur Woche 160 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2023)).
Als WEISSER SONNTAG ist dieser unmittelbar nach dem Ostersonntag folgende Sonntag ein traditioneller Tag für die Erstkommunion. Allerdings besteht die Möglichkeit, die heilige Erstkommunion für Schulkinder wie für andere Menschen auch an einem anderen Tag im Kirchenjahr durchzuführen. Dabei ist zu bedenken, dass die oft mit sehr viel Hingabe von Kirchenmitarbeitern wie von Familienmitgliedern von Erstkommunionkindern vorbereitete Erstkommunion eine typische Angelegenheit der Westkirche, gewissermaßen der Lateinischen Kirche ist. Die ostkirchliche Tradition betont den möglichst engen zeitlichen Zusammenhang der Spendung bzw. des Empfangs der Taufe, der Salbung mit dem heiligen Myron (siehe in Hinblick auf die Katholischen Ostkirchen Gedanken zur Woche 203-b – 6. WOCHE IM JAHRESKREIS – ASCHERMITTWOCH – TAGE NACH ASCHERMITTWOCH (2024) und Gedanken zur Woche 210 – HOCHFEST VON OSTERN (2024)) und dem erstmaligen Empfang der Allerheiligsten Eucharistie. Deswegen gibt es bei orthodoxen Christen üblicherweise keine (eigene) Erstkommunionfeier. Übereifer römisch-katholischer Kirchenmitglieder bis hin zu offiziell geweihten Geistlichen, orthodoxe Schulkinder etwa durch eine vereinnahmende Integration in eine eigene Erstkommunionfeiern gewissermaßen zwangsbeglücken zu wollen, sollte umso mehr unterlassen werden. Dazu gilt ganz generell, dass nach der allgemeinen orthodoxen Auffassung Kommunionempfang in einer Gemeinschaft oder Kirche völlig inakzeptabel ist, wenn man mit dieser nicht selber bereits in völliger Kirchengemeinschaft steht. In diesem Sinne ist man wie etwa auch in Fastenangelegenheiten im Bereich der Orthodoxie der nicht in voller Einheit mit dem Apostolischen/Heiligen Stuhl stehenden Ostkirchen üblicherweise strikter als die offizielle römisch-katholische Kirchenhierarchie seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil.
So ist in Canon/Kanon 844 des CIC von 1983 in einem die frühere auch römisch-katholische Position aufweichenden Sinne zu lesen:
„§ 2. Sooft eine Notwendigkeit es erfordert oder ein wirklicher geistlicher Nutzen dazu rät und sofern die Gefahr des Irrtums oder des Indifferentismus vermieden wird, ist es Gläubigen, denen es physisch oder moralisch unmöglich ist, einen katholischen Spender aufzusuchen, erlaubt, die Sakramente der Buße, der Eucharistie und der Krankensalbung von nichtkatholischen Spendern zu empfangen, in deren Kirche die genannten Sakramente gültig gespendet werden.“
Damit sind im Wesentlichen die altorientalischen und orthodoxen Kirchen gemeint, wenn man beliebten konfessionskundlichen Einteilungen folgt (siehe Gedanken zur Woche 45-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)).
Deren Geistliche sind auch nach traditioneller katholischer Überzeugung gültig geweiht und wurden bzw. werden bei einem Übertritt in die (römisch-)katholische Kirche nicht noch einmal geweiht. Dies galt auch in Hinblick auf die Weihen in den zur Union von Utrecht zusammengeschlossen altkatholischen Einzelkirchen. Hier hat sich aber in den letzten Jahrzehnten das Problem ergeben, dass die römisch-katholische Kirche bekanntlich die Weihe von Frauen zu Diakonen/Diakoninnen und insbesondere zu Priestern/Priesterinnen und Bischöfen/Bischöfinnen ablehnt und sogar die Anerkennung der Gültigkeit zurückweist. Demgegenüber hat sich nach und nach in der altkatholischen Utrechter Union die Weihe von Frauen zu solchen Kirchenämtern durchgesetzt. Im Altkatholizismus führte diese Entwicklung zu einer für die dortigen Verhältnisse relativ großen Abspaltung. Diese so entstandene Union von Scranton wurde von den offiziellen (römisch-)katholischen Kirchenbehörden als im Genuss des darauffolgenden nächsten Paragraphen 3 von CIC-Canon/Kanon 844 stehend anerkannt:
„§ 3. Katholische Spender spenden erlaubt die Sakramente der Buße, der Eucharistie und der Krankensalbung Angehörigen orientalischer Kirchen, die nicht die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche haben, wenn diese von sich aus darum bitten und in rechter Weise disponiert sind; dasselbe gilt für die Angehörigen anderer Kirchen, die nach dem Urteil des Apostolischen Stuhles hinsichtlich der Sakramente in der gleichen Lage sind wie die genannten orientalischen Kirchen.“
Diese Anerkennung von (römisch-)katholischer Seite bewahrte die Union von Scranton nicht vor einer in der Bundesrepublik beheimateten Abspaltung von der eigenen eh so kleinen Gruppierung. Bei der starken Aufsplitterung in dem Bereich, der irgendwie als „altkatholisch“ bezeichnet wird, ist diese gewissermaßen Abspaltung von der Abspaltung keine Seltenheit. Die Gültigkeit von Weihen insbesondere zum Bischofsamt konkurrierender „altkatholischer“ Amtsträger oder Gruppierungen wird von jeweils anderen „Altkatholiken“ gerne angezweifelt bis ausdrücklich abgelehnt. Ein ins Auge stechender Punkt sind hier natürlich die Meinungsverschiedenheiten bezüglich der Zulassung von Frauen zu (kirchlichen) Weiheämtern. Hinzu kommen Meinungsverschiedenheiten zwischen „Altkatholiken“ oder „altkatholischen“ Gemeinschaften oder wie auch immer, wann eine Bischofsweihe auch bei einem männlichen Kandidaten und damit die Weitergabe der apostolischen Sukzession gültig ist. Bedarf es überhaupt so etwas wie einer mit ihm verbundenen Gemeinschaft von Gläubigen, damit ein Kandidat gültig die Priester- oder gar die Bischofsweihe empfangen kann? Wie groß müsste im Fall des Falles eine solche Gemeinschaft sein? Hinzu kommen Spaltungen fördernde Streitereien über die Behandlung gleichgeschlechtlicher Paare und überhaupt die Bewertung von Homosexualität. Auch bei anderen theologischen Fragen lassen sich rasch Meinungsverschiedenheiten zwischen „Altkatholiken“ oder so bezeichneten Gemeinschaften/Gruppierungen erkennen. Nicht selten liegen dann nur gewissermaßen Splittergrüppchen vor, die in den ökumenischen Beziehungen für Verwirrung bis Erheiterung sorgen und mitunter nur eine sehr kurze Lebensdauer aufweisen.
Parallel zu dem zitierten zweiten und dritten Paragraphen von CIC-Canon/Kanon 844 findet sich in Canon/Kanon 671 des CCEO für die Katholischen Ostkirchen:
„§ 2. Wenn aber eine Notlage es fordert oder ein wirklicher geistlicher Nutzen es nahelegt und sofern die Gefahr von Irrtum oder Gleichgültigkeit gemieden wird, ist es katholischen Christgläubigen, denen es physisch oder moralisch unmöglich ist, einen katholischen Amtsträger aufzusuchen, erlaubt, die Sakramente der Buße, der Eucharistie und der Krankensalbung von nichtkatholischen Amtsträgern zu empfangen, in deren Kirchen die vorgenannten Sakramente gültig vorhanden sind.
§ 3. Ebenso spenden katholische Amtsträger erlaubterweise die Sakramente der Buße, der Eucharistie und der Krankensalbung den Christgläubigen orientalischer Kirchen, welche die volle Gemeinschaft mit der katholischen Kirche nicht haben, wenn sie aus eigenem Antrieb darum bitten und in rechter Weise disponiert sind; das gilt auch bezüglich Christgläubiger anderer Kirchen, die sich nach dem Urteil des Apostolischen Stuhls, was die Sakramente betrifft, in derselben Lage befinden wie die vorgenannten orientalischen Kirchen.“
Ein ganz eigenes und sehr bemerkenswertes Phänomen begegnet in Gestalt der seit 1801 von der katholischen Großkirche getrennten Kleinen Kirche in Frankreich (siehe Gedanken zur Woche 101-b – 8. WOCHE IM JAHRESKREIS – ASCHERMITTWOCH – TAGE NACH ASCHERMITTWOCH (2022)). Seit etwa um das Jahr 1850 ist deren eigener Klerus ausgestorben und wird dort keine Eucharistie mehr gefeiert. Kinder aus betreffenden Familien zumindest in den ländlichen Hochburgen eher am Rande der Vendée werden aber noch intensiv auf ihre Erstkommunion vorbereitet. Diese findet dann als eine geistige Kommunion ohne tatsächliche konsekrierte Hostien statt. Die Zeit dieser intensiven Vorbereitung für diese besondere Art von Erstkommunion wird wie berichtet ausdrücklich vom örtlichen öffentlichen Schulwesen wohlwollend berücksichtigt. Auch sonst zeigt die französische Staatsmacht gegenüber den Getreuen der Kleinen Kirche ein bemerkenswertes Entgegenkommen. Dies verdeutlicht, dass auch außerhalb von Elsass-Lothringen, dem Nordbaskenland, Korsika und der Bretagne das gegenwärtige französische Staatsgebiet keineswegs so einheitlich ist, wie sich das viele denken. Dabei ist es für sich schon eine beachtliche Leistung, dass allen seinerzeitigen Bedrängnissen bis hin zu direkten Verfolgungen und Falschmeldungen zum Trotze die Kleine Kirche nicht ausgestorben ist. Nicht zuletzt verdient deren überlieferte Erstkommunionvorbereitung Beachtung.
1. Lesung: Apg 4,32-35
2. Lesung: 1 Joh 5,1-6
Evangelium: Joh 20,19-31
Gedanken zur Woche 211-b, Dr. Matthias Martin
2. OSTERWOCHE einschließlich HOCHFEST VERKÜNDIGUNG DES HERRN (2024)
Nach ernster Meinung bezeichnet das HOCHFEST VERKÜNDIGUNG DES HERRN so etwas wie den Beginn des Neuen oder Zweiten Testamentes und überhaupt den Beginn des Christentums. Die Verkündigungsszene im Lukasevangelium mit der Jungfrau Maria und dem (Erz-)Engel Gabriel (Lk 1,26-38) gehört zu den bekannteren Bibelstellen. Diese Verse lukanischen Sondergutes haben ihren eigenen Niederschlag im Bereich der bildendenden Künste gefunden. Zum anderen ist diese Stelle geeignet, mit Maria als einem besonderen Vorbild den Wert der Vernunft, die Bedeutung eigenen denkerischen, wissensorientierten Bemühens eben gerade für sich als „christlich“ verstehende Menschen zu verdeutlichen (siehe Gedanken zur Woche 54-b – 5. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST VERKÜNDIGUNG DES HERRN (2021)). Immer wieder stellt die Verkündigungsszene eine Herausforderung für Persönlichkeiten dar, welche so etwas wie eine Evangelienverfilmung, eine Verfilmung des Lebens Jesu bzw. des Neuen Testaments unternehmen wollen. Von der Kunstgeschichte her und zur Kunstgeschichte hin sind die zahlreichen malerischen und die selteneren dreidimensional-figürlichen Darstellungen ein eigener thematischer Bereich. Ganz unterschiedliche Malstile etwa und auch Materialien begegnen uns hier alsbald, wenn man sich in diese Richtung interessiert. Ermutigend im Sinne der Ökumene ist der Umstand, dass solche bildlichen Darstellungen und das Interesse daran weit über die Grenzen einer bestimmten Konfession zu finden sind. Der Abbau konfessioneller Vorurteile ist und bleibt ja eine Daueraufgabe.
Genauso bleibt der Kampf gegen frauenfeindliche Übergriffe eine dauernde Herausforderung. Ganz offensichtlich herrschen hier immer wieder üble bis furchtbare Zustände (siehe Gedanken zur Woche 104-b – 3. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST VERKÜNDIGUNG DES HERRN (2022)). Innerkirchlich ist hierbei schonungslos festzustellen, dass es eben nicht nur bei all ihrer Abscheulichkeit sexuellen Missbrauch an Minderjährigen gibt. Es gibt auch sexuelle Übergriffe gegen Erwachsene, ganz offensichtlich nicht zu knapp verbreitet den sexuell orientierten Missbrauch von ökonomischen Ressourcen und Positionen der Macht auch gegenüber Erwachsenen beider Geschlechter. Kleinlaut wurde dies inzwischen selbst von der bundesdeutschen Bischofskonferenz eingeräumt. Dabei hatte unter anderem genau deren Vorsitzender ein abschreckendes Beispiel geliefert, wie man sich nicht auch noch fördernd-ermutigend gegenüber betreffenden Tätern verhalten sollte (siehe Gedanken zur Woche 157 – 5. FASTENSONNTAG (2023) und Gedanken zur Woche 206-b – 3. FASTENWOCHE (2024)).
Den Missbrauch von ökonomischen Ressourcen und Machtpositionen zu sexuellen Zwecken gegenüber Erwachsenen wie den sexuellen Missbrauch an Minderjährigen gibt es natürlich nicht nur im kirchlichen Bereich. Längst sind hierzu etwa in großen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union horrende Dinge als Licht gekommen. Es bleibt abzuwarten, wann in der Bundesrepublik Deutschland endlich der Kampf gegen sexuellen Missbrauch in all seinen Formen zur staatspolitischen und allgemeingesellschaftlichen Priorität gemacht wird. Eine eigene Herausforderung stellt nicht zuletzt der in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil verbreitete sexuelle Missbrauch an Ordensfrauen in der Weltkirche in seinen verschiedenen Erscheinungsformen dar. Genau sollte eben auch ein stärkeres Augenmerk auf sexuellen Missbrauch etwa an jungen oder jüngeren Männern im kirchlichen Bereich gerichtet werden, nicht zuletzt in Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften. Immer wieder nutzten in der Vergangenheit gesellschaftlich-kirchlich-politische Verflechtungen den Tätern, ermöglichten Untaten und behindern bis verhindern wohl noch heute oftmals eine wirkliche Aufarbeitung.
In der Filmbranche etwa scheint ausgehend von den USA hier immerhin einiges ins Rollen gekommen zu sein. Die umfassende Änderung des kirchlichen Strafrechts ist ein weiterer Erfolg (siehe Gedanken zur Woche 189 – 31. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Gerade die drei zuletzt amtierenden Päpste, eben Johannes Paul II, Benedikt XVI. und Franziskus, haben doch wiederholt bestätigt, dass es hier allgemeinen Handlungsbedarf gibt, eben auch und nicht zuletzt im kirchlichen Bereich.
In Anlehnung an die Mahnungen von Papst Franziskus ist festzuhalten, dass es darum geht, „die Stimmen der Betroffenen hören“. Dies gilt wohlgemerkt für minderjährige wie erwachsene Opfer, unabhängig von deren wirtschaftlicher Situation, sozialem oder zivilrechtlichem Stand oder etwa ethnischer Zugehörigkeit.
Für den mehr innerkirchlichen Bereich mag in diesem Zusammenhang die Ansprache von Papst Franziskus an die Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen eine Anregung bieten. Darin räumt der Papst unumwunden ein, dass noch sehr viel zu tun ist (siehe deutsche Ausgabe des L’OSSERVATORE ROMANO, Die Stimmen der Betroffenen hören. Audienz für die Vollversammlung der Päpstlichen Kommission für den Schutz von Minderjährigen (Nummer 11 2024 (54. Jahrgang – 15. März 2024)) Seite 9). So meint er:
„Angesichts des Missbrauchsskandals und des Leidens der Opfer könnten wir uns entmutigt fühlen, denn die Herausforderung, zerbrochene Lebensgefüge wiederaufzubauen und den Schmerz zu heilen, ist groß und komplex. Unser Einsatz wird jedoch nicht weniger werden. Im Gegenteil, ich ermutige euch voranzugehen, damit die Kirche immer und überall ein Ort sein möge, wo jeder sich zuhause fühlen kann und jedes Menschenleben als heilig und unantastbar betrachtet wird.“
Eigens wird durch Papst Franziskus immerhin etwas bestätigt, dass es sich hierbei nicht einfach um eine Angelegenheit schöner Worte handelt. So mahnt er:
„In unserem kirchlichen Dienst des Schützens ist die Nähe zu den Missbrauchsopfern kein abstrakter Begriff. Es ist eine sehr konkrete Wirklichkeit, die aus Zuhören, aus Handeln, aus Vorbeugung, aus Hilfe besteht. Wir alle – insbesondere die kirchlichen Autoritäten - sind aufgerufen, die Auswirkungen des Missbrauchs direkt kennenzulernen und uns vom Leiden der Opfer erschüttern zu lassen, indem wir persönlich ihre Stimme hören und jene Nähe üben, die sie durch konkrete Entscheidungen aufrichtet, ihnen hilft und für alle eine andere Zukunft vorbereitet.“
Es geht hier eben gerade um „Handeln“ und „Vorbeugung“. Schöne Worte einschließlich etwa gedruckter Worte in päpstlichen Verlautbarungen und kirchenrechtlichen Texten allein helfen wenig und können sogar ihrerseits als so etwas wie ein Deckmantel für fortgesetzte Untaten missbraucht werden. Dies gilt ja auch für den staatlichen Bereich mit seinen jeweiligen Ebenen, den Verfassungen, Gesetzbüchern und Politikerreden einschließlich Parteitagsbeschlüssen und Erklärungen von Berufsvertretungen und dergleichen.
Die Worte des gegenwärtigen Papstes weisen ja ihrerseits in den staatlich-politischen Bereich. Der Papst ist ja doch auch Staatsoberhaupt und die Verkörperung des Völkerrechtssubjektes eigener Art des Apostolischen Stuhls, der auch Heiliger Stuhl genannt wird. Tatsächlich musste man immer wieder die Erfahrung machen, dass unangenehme Worte und Handlungen eines Papstes gerne in der Medienwelt und von politischen Führungskräften totgeschwiegen, ja nach Möglichkeit ins Gegenteil verdreht werden.
Dabei waren katholische Ordensschwestern wie offensichtlich auch buddhistische Nonnen in großer Zahl Opfer gezielter Massenvergewaltigungen seitens der Vertreter kommunistischer Regime und ihrer verschiedenen Handlanger. Ebenso wurden von dieser Seite her überhaupt ungezählte Mädchen und Frauen aus unterschiedlichen religiösen Überlieferungen und Bevölkerungsgruppen Opfer von Vergewaltigungen. Man denke hier etwa auch an polnische Frauen und Mädchen, welche im Rahmen des Zweiten Weltkrieges Opfer von Massenvergewaltigungen durch die sowjetische Rote Armee wurden. Oder man denke an die ungezählten muslimischen Mädchen und Frauen, die noch in den neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts während der Kriege im zerfallenden Jugoslawien Opfer von Vergewaltigungen von projugoslawischer Seite mit all deren Freunden und Unterstützern auf dem Erdenrund wurden. Natürlich sollten in diesem Zusammenhang auch all die anderen Opfer nicht vergessen werden, eben unabhängig von ihrer konfessionellen oder ethnischen Zugehörigkeit.
Es ist ja auffällig, dass Kirchenvertreter mit einem guten Verhältnis zu kommunistischen und postkommunistischen Regimen selber besonders in Hinblick auf sexuellen Missbrauch aller Art und dessen Vertuschung tätig waren. Da stellt sich nicht zuletzt die Frage, wie es zu manchmal „überraschenden“ Verständigungen zwischen Vertretern konfessioneller Gemeinschaften und betreffenden Regimen kam, samt einschlägigen Sympathiebekundungen von „religiöser“ Seite.
Gedanken zur Woche 210, Dr. Matthias Martin
HOCHFEST VON OSTERN (2024)
Das Osterfest als höchstes christliches Fest besitzt nicht nur in theologischer oder liturgischer Hinsicht zentrale Bedeutung. Es gewann über die Jahrhunderte hinweg zugleich eine Ausstrahlung in das kulturelle wie allgemeine soziale Leben der Menschheit hinein.
Große Werke der Musik wie der bildenden Künste haben das Ostergeschehen von der Auferstehung Jesu Christi zum Thema. Auf ganz unterschiedliche Weise etwa haben es Malerinnen und Maler dargestellt. Dies setzt sich fort bis in die neueste Zeit. Auch im Bereich der figürlichen Darstellungen ist es ein bis heute lebendiges Thema. Natürlich können die Meinungen auseinander gehen, welche Darstellung etwa als gehaltvoll und ausdrucksstark oder aber als kitschig anzusehen sei. Auch mag die eine Darstellung der Auferstehung bzw. des Herrn Jesus dem einen als im guten Sinne ganz bemerkenswert erscheinen, während andere Menschen dieselbe Darstellung für theologisch bedenklich bis direkt irreführend zu kritisieren geneigt sind. Nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie das im christlichen Sinne überlieferte Ostergeschehen in einer künstlerischen Darstellung mit der Kreuzigung, mit Jesus Christus am Kreuz in Beziehung zu setzen ist.
Nicht zuletzt stellt sich die Frage, wie bei einer bildlichen oder auch figürlichen Darstellung der österlichen Auferstehung bzw. des auferstandenen Herrn Jesus Christus etwa Maria Magdalena und die Gruppe der Frauen am Grab zu Ostermorgen zu berücksichtigen sind. Immerhin wurde bereits in den frühen Jahrhunderten Maria Magdalena „Apostelin der Apostel“ (siehe Gedanken zur Woche 69-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 133 – 28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 191 – 33. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER AMREN (2023)) und manchmal auch die insgesamt in der biblischen Überlieferung zu Ostern erwähnten Frauen als Gruppe „Apostelinnen der Apostel“ (siehe Gedanken zur Woche 79-b – 26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)) genannt (siehe zu beiden ehrenden Bezeichnungen Gedanken zur Woche 5 – HOCHFEST VON OSTERN (2020); Gedanken zur Woche 19-b – 16. WOCHE IM JAHRESKREIS (2020) und Gedanken zur Woche 74 – 21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)).
Eine Herausforderung stellt das Ostergeschehen auch für das filmische Schaffen dar.
Dabei erleben wir es bei Filmproduktionen immer wieder, dass bezüglich sowohl eines bestimmten Aspektes eines Filmes wie bezüglich einer ganzen Filmproduktion die Meinungen ganz erheblich auseinander gehen. So wurde umgehend der Vorwurf erhoben, der in diesem Jahr 2024 bei den Oskarverleihungen so gewürdigte Film „Oppenheimer“ stelle eine ungute Weißwaschung des Titelhelden dar. Einige Jahre vorher war man in der veröffentlichten bundesdeutschen Meinung empört bis verbittert eben der Meinung, der ja mit einer ganzen Reihe von Oskars ausgezeichnete Film „Braveheart“ von und mit Mel Gibson sei wegen seiner england- bis großbritannienkritischen Ausrichtung ganz furchtbar. Die Originalverfilmung von „Red Dawn“, zu Deutsch „Die rote Flut“ mit Patrick Swayze, C. Thomas Howell und Lea Thompson stuften die einen als pädagogisch höchst wertvoll und andere als jugendgefährdend ein. Genauso gehen beispielsweise die Interpretationen auch bezüglich Verfilmungen wie denen von „Starship Troopers“ selbst bezüglich der angenommenen ideologischen Ausrichtung völlig auseinander.
Da mögen die Meinungsverschiedenheiten bezüglich „In den Schuhen des Fischers“ mit Anthony Quinn und Oskar Werner nicht ganz so kontroversiell aufeinanderprallen. Umso heftiger aber ging es da schon bei dem Film „Passion“ von Mel Gibson zu.
Weist uns gerade dieses filmische Werk in Richtung auf Ostern, so besitzt Ostern in Hinblick auch auf sakramentales Leben in der Christenheit ganz zentrale Bedeutung.
In der Frühzeit der Christenheit war Ostern der Tauftermin schlechthin. Für Erwachsenentaufen ist Ostern auch heute noch ein bevorzugter Termin. Bei einer Erwachsenentaufe ist nach Möglichkeit dann umgehend auch das Firmsakrament und das Sakrament der Allerheiligsten Eucharistie, gewissermaßen die Erstkommunion, zu spenden.
In der ostkirchlichen Tradition werden diese Sakramente auch bei der Taufe von Kleinkindern möglichst unmittelbar hintereinander gespendet.
Der möglichst enge zeitliche Zusammenhang von Taufe und Salbung mit dem heiligen Myron wird direkt in den Canones/Kanones 694 und 695 des CCEO für die Katholischen Ostkirchen angesprochen (siehe Gedanken zur 203-b – 6. WOCHE IM JAHRESKREIS – ASCHERMITTWOCH -TAGE NACH ASCHERMITTWOCH (2024)).
Zumindest zu Ostern sollten Katholikinnen und Katholiken sowohl die heilige Kommunion, das Sakrament der Eucharistie, und das Bußsakrament empfangen. Dabei bezieht sich das Bußsakrament grundsätzlich auf die schweren Sünden, deren sich jemand bewusst ist.
So lautet Canon/Kanon 989 des gegenwärtigen CICs:
„Jeder Gläubige ist nach Erreichen des Unterscheidungsalters verpflichtet, seine schweren Sünden wenigstens einmal im Jahr aufrichtig zu bekennen.“
Im unmittelbar vorhergehenden CIC-Canon/Kanon 988 ist zu lesen:
„§ 1. Der Gläubige ist verpflichtet, alle nach der Taufe begangenen schweren Sünden, deren er sich nach einer sorgfältigen Gewissenserforschung bewusst ist, nach Art und Zahl zu bekennen, sofern sie noch nicht durch die Schlüsselgewalt der Kirche direkt nachgelassen sind und er sich ihrer noch nicht in einem direkten persönlichen Bekenntnis angeklagt hat.“
Anschließend wird der Unterschied zwischen schweren und lässlichen Sünden verdeutlicht:
„§ 2. Den Gläubigen wird empfohlen, auch ihre lässlichen Sünden zu bekennen.“
In diesem Zusammenhang verdient eigens Canon/Kanon 719 des CCEO Beachtung. Dabei wird dort in grundsätzlicher Weise auf das Vorhandensein verschiedener Kirchen eigenen Rechts mit einem je eigenen Schatz an Überlieferungen hingewiesen:
„Wer sich einer schweren Sünde bewußt ist, soll, sobald es geschehen kann, das Sakrament der Buße empfangen; allen Christgläubigen aber wird eindringlich empfohlen, daß sie häufig und vor allem zu den in der eigenen Kirche eigenen Rechts zu wahrenden Zeiten des Fastens und der Buße dieses Sakrament zu empfangen.“
Die Festlegung des im Jahre 1215 tagenden Vierten Laterankonzils, die Gläubigen sollten zumindest zu Ostern die Sakramente der Eucharistie und einmal jährlich der Buße empfangen, sind sehr in den größeren geschichtlichen Zusammenhang einzuordnen. Wie in der Geschichtswissenschaft betont wird, war dies überhaupt schon einmal ein Anzeichen eines kirchlichen bis allgemein kirchlich-gesellschaftlichen Wiederaufbaus. In den vorhergehenden Jahrhunderten hatte sich gerade in Zusammenhang mit dem Zerfall des Karolingerreiches ein sehr weitgehender Zerfall, ja Absturz ergeben. Im Lateinischen gibt es nicht umsonst den Ausdruck des „Saeculum obscurum“, des dunklen Jahrhunderts oder des dunklen Zeitalters. In dem so variantenreichen Englisch, den verschiedenen Arten von Englisch, begegnet der Ausdruck „Dark Ages“.
Staatliche Ordnung war weitestgehend zusammengebrochen. Kirchliche Strukturen und Aktivitäten waren schwerstens betroffen. Nicht zuletzt Klöster und Kirchen und überhaupt christliche Bevölkerung waren fortwährend Opfer von Einfällen. Christliche Gebiete, ja bisherige Kernregionen waren mitunter schon vor dem Zerfall des Karolingerreiches von nichtchristlichen Invasoren überrannt worden. Der Wiederaufbau war eine langwierige und von Rückschlägen gekennzeichnete Herausforderung. Man musste kirchlicherseits oft froh sein, wenn überhaupt irgendwie so etwas wie eine rudimentäre kirchliche Grundversorgung möglich war. Dass überhaupt so etwas wie das Vierte Laterankonzil durchgeführt werden konnte, war an sich schon ein Anzeichen für solchen Wiederaufbau. Dass noch vieles zu tun blieb, verdeutlichen die in Hinblick auf den Sakramentenempfang später lebenden Menschen oft als überraschend bescheiden erscheinenden Festlegungen eben dieses Konzils.
Osternacht:
1. Lesung: Gen 1,1-2,2 (oder 1,1.26-31a)
2. Lesung: Gen 22,1-18 (oder 22,1-2.9a.10-13.15-18)
3. Lesung: Ex 14,15-15,1
4. Lesung: Jes 54,5-14
5. Lesung: Jes 55,1-11
6. Lesung: Bar 3,9-15.32-4,4
7. Lesung: Ez 36,16-17a.18-28
8. Lesung: Röm 6,3-11
Evangelium: Mk 16,1-7
Ostersonntag:
1. Lesung: Apg 10,34a.37-43
2. Lesung: Kol 3,1-14 oder 1 Kor 5,6b-8
Evangelium: Joh 20,1-9 oder Joh 20,1-18 oder Mk 16,1-7;
bei der Abendmesse gegebenenfalls auch Lk 24,13-35
Gedanken zur Woche 210-b, Dr. Matthias Martin
OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2024)
Die ganze liturgische Ordnung unterstreicht die herausragende Bedeutung des Osterfestes. So folgt dem im Jahreskreis ja ganz zentralen OSTERSONNTAG als eigener Festtag der OSERMONTAG. Damit beginnt die OSTEROKTAV. In dieser werden grundsätzlich auch die Gedenk- bzw. Festtage bedeutender Heiliger verdrängt (siehe Gedanken zur Woche 159-b – OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2023)). Dies gilt grundsätzlich für die Feier der Heiligen Messe im vorkonziliaren wie im nachkonziliaren Ritus.
Die Bedeutung der Osteroktav wird rein sprachlich schon dadurch unterstrichen, dass nicht nur der unmittelbar auf den Ostersonntag folgende Montag mit der Bezeichnung „Ostermontag“ so etwas wie einen eigenen Namen hat. Der am nächsten Tag folgende Dienstag wird mitunter ausdrücklich „Osterdienstag“ oder etwa „Dienstag der Osteroktav“ genannt. Es folgt der „Ostermittwoch“ oder eben der „Mittwoch der Osteroktav“, der „Osterdonnerstag“ oder „Donnerstag der Osteroktav“, der „Osterfreitag“ oder „Freitag der Osteroktav“ und der „Ostersamstag“ oder „Samstag der Osteroktav“. Der anschließende Sonntag kann „Zweiter Sonntag der Osterzeit“ oder „Weißer Sonntag“ genannt werden. Seit Papst Johannes Paul II. wird dieser so wichtige Sonntag im kirchlichen Jahreskreis auch „Sonntag der göttlichen Barmherzigkeit“ genannt (siehe Gedanken zur Woche 160 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHEZRZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2023)).
Möge die betreffende Initiative Papst Johannes Pauls II. Früchte in der Wiederbelebung des sakramentalen Lebens wie des Gebetslebens tragen, so besitzt das Hochfest von Ostern seit jeher seine ganz zentrale Bedeutung im sakramentalen Leben. So ist Ostern und da gerade die Osternacht der ursprüngliche Tauftermin. Auf dem Vierten Laterankonzil wurde beschlossen, dass die Gläubigen gerade zu Ostern die Allerheiligste Eucharistie, die heilige Kommunion und im betreffenden Rahmen das Bußsakrament, die (heilige) Beichte empfangen sollten (siehe Gedanken zur Woche 210 – HOCHFEST VON OSTERN (2024)).
So beschloss das Vierte Laterankonzil:
„Jeder Gläubige beiderlei Geschlechts soll, nachdem er in die Jahre der Unterscheidung gelangt ist, wenigstens einmal im Jahr all seine Sünden allein dem eigenen Priester getreu beichten, die ihm auferlegte Buße nach Kräften zu erfüllen suchen und zumindest an Ostern ehrfürchtig das Sakrament der Eucharistie empfangen, sofern er nicht etwa auf Anraten des eigenen Priesters aus irgendeinem vernünftigen Grunde meint, auf eine bestimmte Zeit von seinem Empfang absehen zu sollen“.
Es empfiehlt sich ganz dringlich, sowohl den geschichtlichen Kontext zu beachten als auch den Text genau und aufmerksam zu lesen. Da heißt es eben, der Gläubige solle, wenn möglich „wenigstens einmal im Jahr“ zur Beichte gehen und „zumindest an Ostern“ die Eucharistie, die Kommunion, empfangen. Eine Beschränkung auf nur einmal im Jahr wurde also keineswegs ausgesprochen oder irgendwie als wünschenswert bezeichnet. Es war eben die Zeit eines noch weiter zu verwirklichenden Wiederaufbaus und überhaupt Aufbaues. Wo mehr als die Verwirklichung eines solchen pastoralen Mindestprogrammes möglich war, waren die Gläubigen sehr eingeladen, von weitergehenden Möglichkeiten der Teilnahme am kirchlichen und gerade am sakramentalen Leben Gebrauch zu machen. Tatsächlich brachte dieses 13. Jahrhundert, in dem mit dem Jahre 1215 das Vierte Laterankonzil tagte, eine massive Intensivierung des kirchlichen Lebens. Zu nennen ist hier die Entstehung und das umfassende Engagement der Bettelorden. Von diesen gewannen Dominikaner und Franziskaner sicher bahnbrechende Bedeutung. Zu nennen sind auch die Augustiner, die über Jahrhunderte Augustiner-Eremiten, genannt wurden, ohne eine Eremitengemeinschaft zu sein. Zu dieser immer wieder etwas irreführenden Bezeichnung „Augustiner-Eremiten“ führte die Entstehungsgeschichte dieses eben so wichtigen Bettelordens. Dieser war im Jahre 1256 seitens des amtierenden Papstes Alexanders IV. (Pontifikat von 1254 bis 1261) durch die Vereinigung verschiedener Eremitengemeinschaften gebildet worden. Typisch für Bettelorden organisierten sich auch die Augustiner-Eremiten, kurz Augustiner, in Provinzen mit einem Generaloberen an der Spitze. Wie andere Bettelorden, gewannen sie auch in Wissenschaft und Bildung an Bedeutung. Der die Vererbungsgesetze entdeckende Gregor Mendel (1822-1884) war ein Augustiner. Er starb als Abt des Augustinerklosters in Brünn.
Dabei sind die Augustiner oder Augustiner-Eremiten nicht mit den Augustiner-Chorherren, auch genannt Regularkanoniker des heiligen Augustinus, zu verwechseln. Diese sind eben Regularkanoniker und kein Bettelorden. Diese Augustiner-Chorherren werden eigens den Prälatenorden zugezählt (siehe Gedanken zur Woche 160-b – 2. OSTERWOCHE (2023) und Gedanken zur Woche 179-b – 21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Sie unterscheiden sich auch darin eben von den Augustinern/Augustiner-Eremiten.
Auf das 13. Jahrhundert, in dem das Vierte Laterankonzil stattfand, geht als weiterer der großen Bettelorden der Orden der Karmeliten zurück.
Gerade in den Städten engagierten sich die Bettelorden. Ganz generell war ihnen eine Intensivierung der Seelsorge zuzuschreiben. Auch der Mission, der Verkündigung des Evangeliums unter bisher nichtchristlichen Menschen wandten sie sich sehr rasch zu. Nicht zu trennen davon war ein eigenes Wirken in Bildung und Wissenschaft. So waren Albert der Große, auch genannt Albert der Deutsche oder Albertus Magnus, wie sein Schüler Thomas von Aquin Dominikaner. Der ebenfalls heiliggesprochene Bonaventura wurde sogar Generaloberer/Ordensgeneral der Franziskaner.
Das 13. Jahrhundert wurde dazu die Zeit einer Intensivierung des Kirchenrechts, des kanonischen Rechts.
Dass in dem zitierten Beschluss des Vierten Laterankonzils ausdrücklich von „irgendeinem vernünftigen Grunde“ die Rede ist, mag eigens vor jeder Geringschätzung der Vernunft im Namen von Religion oder Glauben warnen. So eine Formulierung eines früheren Konzils mag anspornen, die Vernunft nach Kräften zu pflegen und Bildung und Wissenschaft umso mehr mit Interesse und Wohlwollen gegenüberzustehen. Solches ist gerade im Sinne so bedeutender Wissenschaftler aus den Bettelorden wie des heiligen Albertus Magnus, des heiligen Thomas von Aquin und Gregor Mendels wie so vieler anderer Persönlichkeiten aus den Bettelorden.
Dabei sind natürlich auch das Wirken und die Errungenschaften von Ordensfrauen und überhaupt von Frauen zu schätzen und in Ehren zu halten. Eigens weist uns dieser Beschluss des Vierten Laterankonzils mit seiner Betonung, dass es um die „Gläubige beiderlei Geschlechts“ geht, bemerkenswert in diese Richtung.
in diese Richtung weist uns auch die durch das vierte Laterankonzil verabschiedete Definition des katholischen Glaubens, auch genannt das Glaubensbekenntnis des Vierten Laterankonzils. Hier ist nach üblicher Übersetzung ins deutsche von „Menschheit“ und generell von „Menschengeschlecht“ die Rede. Anerkennend werden „Verheiratete“ genannt, was gerne auch mit „Eheleute“ wiedergegeben wird. Verbal wird dabei seitens des Vierten Laterankonzils gar nicht zwischen Ehefrauen und Ehemännern, zwischen verheirateten Frauen und Männern, unterschieden. Sie werde als völlig gleichberechtigt dargestellt (siehe dazu eigens Gedanken zur Woche 67 – 14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 80 – 27. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)). Ehefrauen wie Ehemänner werden zum Tun guter Werke und einem Feststehen im Glauben angespornt.
Umso verwerflicher sind natürlich alle Arten von Übergriffen gegen Frauen, namentlich sexuelle Gewalt samt Genitalverstümmelungen und Zwangsverheiratungen. Auch das in Hinblick auf Frauen Machen abfälliger Bemerkungen und dergleichen sollte klar und deutlich gerade durch sogenannte Kirchenmänner zurückgewiesen werden. Leider Gottes gab es hierzu nicht zuletzt im 20. Jahrhundert von solchen Kirchenmännern nicht nur bedauerliches, sondern mitunter regelrecht abscheuliches Fehlverhalten. So mancher Bischof bis Kardinal erwies sich selber ganz allgemein als ein sexueller Sadist. Gerade in unserer Zeit ist hier ehrliche Aufarbeitung und fortdauernde Bemühung um Besserung verbunden mit klarer Solidarisierung mit den Opfern und nicht mit den Tätern nötig!
Natürlich sollte auch das Beichtgeheimnis getreu verteidigt werden. So beschloss schon eben das Vierte Laterankonzil u. a.:
„Er <, der mit einer Beichte befasste Priester,> hüte sich aber sehr, durch ein Wort, ein Zeichen oder auf eine beliebige andere Weise den Sünder in irgendeiner Weise zu verraten: wenn er aber klügeren Rates bedarf, soll er diesen ohne irgendeine Erwähnung der Person vorsichtig einholen: denn wer eine ihm im Beichtgeheimnis enthüllte Sünde zu offenbaren wagt, der soll gemäß unserem Beschluss nicht nur vom priesterlichen Amte abgesetzt, sondern auch, um immerwährende Buße zu tun, in ein strenges Kloster verstoßen werden.“
Die Verletzung des Beichtgeheimnisses ist offensichtlich in den letzten Jahrzehnten zu einem eigenen, sehr ernsten Problem geworden. Auch hier herrscht Handlungsbedarf, und das nicht nur zur Osterzeit.
Gedanken zur Woche 209, Dr. Matthias Martin
PALMSONNTAG (2024)
Nicht zuletzt in Verfilmungen über das Neue/Zweite Testament hat der Einzug Jesu von Nazarets in Jerusalem am Beginn jener Woche, in der es zu seiner Festnahme und Kreuzigung kommen sollte, seinen festen Platz.
Mitunter wird dabei etwas angedeutet, wie sehr auch mitten in Jerusalem innerjüdische Spannungen virulent waren. Handfeste, bis hin gewalttätige Konflikte waren nichts Neues. Ein starkes Beispiel dafür ist die Politik forcierter Hellenisierung unter der seleukidischen Herrschaft mit der Politik Antiochus/Antiochos IV. Epiphanes als einem brutalen Höhepunkt. Die daraus resultierenden bewaffneten Auseinandersetzungen werden unterschiedlich bis gegensätzlich interpretiert und gegenüber Zuhörern und Lesern dargestellt. Sehr unterschiedliche Standpunkte werden dabei auch aus den Reihen zeitgenössischer jüdischer Menschen vertreten. War für die einen die unter Antiochus/Antiochus IV. zumindest irgendwie eskalierende seleukidische Politik ein insbesondere an den Juden im Sinne eines modernen totalitären Regimes versuchter Genozid, so war es einer anderen Interpretation zufolge in erster Linie ein innerjüdischer Konflikt zwischen zur Hellenisierung neigenden jüdischen Kreisen und ihren konservativen Gegnern. In diesen eigentlich innerjüdischen Konflikt seien dann nichtjüdische hellenistische Kreise mit stark eskalierenden Folgen hineingezogen worden. Sehr unterschiedlich sind auch die Meinungen, wie es zu dieser innerjüdischen Spaltung zwischen hellenistisch gesinnten und ihnen sich widersetzenden jüdischen Kreisen mit all den gewalttätigen Folgen gekommen sei. Beliebt ist in der Überlieferung ausgehend von den beiden ersten Makkabäerbüchern die Auffassung, dass es sich bei dem ganzen Konflikt um einen von der seleukidischen Großmacht provozierten Konflikt gehandelt habe. Dabei hätte die seleukidische Politik in den hellenisierten bzw. hellenisierenden Juden bereitwillige Kollaborateure gefunden. Die sich ihnen widersetzenden jüdischen Menschen seien insbesondere religiös überzeugte Aktivisten des Widerstandes gewesen. Dies gilt einer solchen Interpretation nach für die Gegner der Hellenisierung, welche als gewaltlose Gewissensverweigerer das Martyrium erlitten. Es gilt demnach auch für solche, die sich im bewaffneten Aufstand engagierten. Gerade diese Interpretation verherrlicht sehr den gegen die seleukidische Großmacht und die mit ihr verbundene Hellenisierung gerichteten Widerstand. Umso negativer kommen da die prohellenistischen, die seleukidenfreundlichen Akteure aus dem damaligen gewissermaßen Judentum weg. Da kann es bis heute zu einer völligen Verdammung kommen.
Mitunter wird dabei jenseits theologischer Einzelfragen der Gedanke einer Bewahrung nationaler Identität im Kampf gegen eine vorhandene Großmacht und die mit ihr verbundene Assimilierungspolitik betont. Sowohl bei einer stärker theologisch-religiösen wie bei einer stärker politisch-nationalen Interpretation des letztlich siegreichen Widerstandes lassen sich für spätere Zeiten bis zum heutigen Tage jeweils auch propagandistisch verwertbare Ableitungen, auch emotional einsetzbare Motive bis Stereotype gewinnen.
Die Interpretationen und Darstellungen gehen dabei eben auch im heutigen Judentum auseinander.
Dazu passt eine eher soziologische Interpretation. Demnach hätten sich zunächst eher bessergestellte, geschäfts- oder karriereorientierte Kreise des Judentums der Hellenisierung zugewandt. Ihnen hätten sich im Wesentlichen ländlich, einfachere Bevölkerungsteile widersetzt, die rein praktisch nicht so vom herrschenden Zeitgeist und mit ihm verbundenen sozioökonomischen Interessen erfasst waren. Diese Interpretationsrichtung kann dann zu einer freundlicheren Beurteilung der hellenistischen, seleukidenfreundlichen Kreise des damaligen mehr oder minder ausgebildeten Judentums führen. Solche Kreise werden dann mitunter als die eben kooperationswilligen, einer Weltoffenheit zugetanen Kräfte eher freundlich beurteilt. Es ist aber auch eine eher umgekehrte Interpretation möglich. Demnach wären diese besser gestellten städtischen Kreise einfach diejenigen gewesen, die um geschäftlicher bis politscher Vorteile willen sich den Seleukiden angedient, die nationales bzw. religiöses Erbe verkauft hätten.
Eigens wird mitunter die Frage aufgeworfen, inwieweit die mit Antiochus/Antiochos IV. Epiphanes eskalierenden Konflikte nicht erst zu einer stärkeren Herausbildung von dem führte, was dann als das Judentum bekannt wurde. Wäre die damalige, von wem auch immer mehr oder minder wirkursächlich betriebene Hellenisierungspolitik nicht erst der Anstoß für eine stärkere Ausformulierung jüdischen Gesetzes und die erfolgreiche Betonung von Gesetzesobservanz gewesen?
Innerjüdische Auseinandersetzungen erfüllten dann auf jeden Fall auch die Zeit des menschlich wahrnehmbaren Wirkens Jesu von Nazarets hier auf Erden. Auch hier waren es wieder städtische, wirtschaftlich-gesellschaftlich besser gestellte Kreise, die bereit waren, sich mit der nun herrschenden römischen Großmacht aktiv zu arrangieren. Allerdings betonten offensichtlich auch die kollaborierenden Sadduzäer ihr jüdisches Erbe. Eine tiefgreifende Romanisierung nach Art der vorher mitunter erkennbaren Hellenisierung in seleukidischer Zeit mit Beginn vielleicht schon in der Zeit ptolemäischer Vorherrschaft im Heiligen Land lässt sich hier wohl nicht feststellen. Auf jeden Fall gelang es den Sadduzäern als dem den Tempel kontrollierenden und eben den Römern zusammenarbeitenden Priesteradel, sich in neutestamentlicher Zeit materiellen Wohlstand und gesellschaftlich-politischen Einfluss zu sichern. Archäologische Forschungen haben dies in den letzten Jahren untermauert.
Sehen in neuer Zeit die einen die Sadduzäer als eine theologisch orientierte Richtung mit durchaus ernstzunehmenden Anliegen, so sehen andere eben diese Sadduzäer als Ausgeburt eines gegen die überwiegende Mehrzahl des jüdischen Volkes gerichtete geldgierigen Opportunismus.
Auch hier begegnen sich wieder soziologische bis sehr ökonomische, theologische oder spirituelle wie politische bis betont nationale Interpretationen. Dementsprechend werden dann eine ganze Reihe von Wissenschaften oder Wissenschaftsfeldern berührt oder einbezogen. Natürlich ist davon der so weite Bereich der Geschichtswissenschaft einschließlich der Archäologie betroffen. Gleiches gilt für die Philologie, die Sprachwissenschaft(en). Ihrerseits sind ja Geschichtswissenschaft und Archäologie bis hin zur Numismatik und der gesamte sprachwissenschaftlich-philologische Bereich ständig aufeinander verwiesen. Sprachen haben ihre eigene Geschichte. Zugleich spiegeln ihre Entwicklungen die Geschichte von Staaten, Kulturen und ethnischen Gruppen wider. Bei betreffenden Überlegungen über die angesprochenen Auseinandersetzungen im Altertum kommt man dann nicht zuletzt in wirtschaftswissenschaftliche Gefilde. Nicht umsonst gibt es ja auch Wirtschafts- und Sozialgeschichte.
Im Laufe der Zeit entwickelte sich dann eigens die Katholische Soziallehre. Rechtswissenschaften sind angesprochen, wenn es um die Entwicklung des jüdischen Gesetzes und die Frage seiner Beachtung geht. Auch verfassungsrechtliche Entwicklungen spielen da hinein. Dass die Verbindung römischer Kaisermacht und religiöser Verehrung eine Bedrohung für das Judentum und das sich seinerseits entwickelnde Christentum darstellte, kann man eigens rechtsgeschichtlich betrachten. Immer wieder sind das, was gerne theologische Disziplinen genannt wird und unterschiedliche, eher außerhalb von theologischen Fakultäten angesiedelte Wissenschaften, Studiengänge und Forschungsbereiche miteinander verbunden.
So sind für die einen gerade die beiden ersten Makkabäerbücher spannendes historisches Quellenmaterial. Für andere sind sie in erster Linie Heilige Schrift, die auch heutzutage wichtige Hinweise für den Glauben und richtiges Verhalten liefern. Für manchen sind nicht zuletzt diese Makkabäerbücher Zeugnisse für eine eigene Entwicklung im Bereich alter Sprachen des orientalisch-mediterranen Bereichs.
Dies gilt dann einmal mit diesem und einmal mit jenem Akzent auch für neutestamentliche Schriften.
Nicht zuletzt haben Teile der Bibel immer wieder das künstlerische Schaffen angeregt. Da kann es eben passieren, dass sich jemand für ein Ereignis aus der Bibel gar nicht so sehr aus religiös-spirituellen Gründen, sondern in kunstgeschichtlicher, musikwissenschaftlicher oder ästhetischer Hinsicht interessiert. Das gilt gerade auch bezüglich der Kreuzigung Jesu auf Golgatha. Den Einzug Jesu in Jerusalem ins Bild zu setzen stellt bei einer Verfilmung eine eigene Herausforderung dar. Es stellt sich da eigens die Frage, inwieweit die damaligen innerjüdischen Spannungen und Konflikte dargestellt werden können und dargestellt werden sollen. Kunstgeschichte, Filmwissenschaft bis hin zu Kunstphilosophie und Ästhetik sind hier angesprochen. Dies trifft auch für die Darstellung anderer Szenen aus der biblischen Gesamtüberlieferung zu.
Nicht umsonst stellt die Beziehung der Künste zur Religion im Allgemeinen und der katholischen Kirche im Besonderen ein sehr vielseitiges Feld dar. Auch einzelne Pfarrgemeinden wie letztlich die unterschiedlichen Gläubigen sollten sich eingeladen sehen, sich hier einzubringen.
Natürlich können dabei nicht zuletzt auch Universitäten und Hochschulen einschließlich die im Sinne des Kirchenrechts Katholischen Universitäten und anderen Hochschuleinrichtungen sowie Kirchliche Universitäten und Fakultäten eine wichtige Rolle spielen. Im außeruniversitären Bereich kommen dafür etwa Akademien, Volkshochschulen und einige Vereine und generell Medien bzw. die verschiedenen sozialen Kommunikationsmittel in Frage.
1. Lesung: Jes 50,4-7
2. Lesung: Phil 2,6-11
Evangelium: Mk 14,1-15,47 (oder 15,1-39)
Gedanken zur Woche 209-b, Dr. Matthias Martin
HEILIGE WOCHE/KARWOCHE (2024)
Die HEILIGE WOCHE, auch genannt die KARWOCHE, stellt den Höhepunkt der Fastenzeit und überhaupt einen Höhepunkt, eine besonders intensive Zeit im Kirchenjahr dar.
Die in verschiedenen Sprachen wiederkehrende Bezeichnung eben als HEILIGE WOCHE verdeutlicht dies schon (siehe Gedanken zur Woche 158 – PALMSONNTAG (2023) und allgemeiner Pfarrbrief/Pfarrnachrichten April 2023 - https://www.stein.dsp.at/dl/oKMuJmMJOkkoJqx4nJK/Pfarrbrief_April_2023_pdf ).
Dies verdeutlicht seinerseits, wie gut es im Sinne christlicher Überlieferung und gerade im Sinne katholischer Kirchlichkeit ist, sich mit verschiedenen Sprachen zu beschäftigen. Längst wurde im Rahmen der Europäischen Union/EU ja eigens die Stellung des Baskischen, des Galicischen/Galizischen und des Katalanischen als so etwas wie halboffizielle Sprachen für die laufenden Geschäfte der EU anerkannt. Die volle Anerkennung als offizielle EU-Amtssprachen ist im Falle des Baskischen, des Galicischen/Galizischen und des Katalanischen längst ernsthaft ein Thema.
Genau diesen Status hat längst die ihrerseits mit katholischer Geschichte und Gegenwart so eng verbundene irische Form des Gälischen, kurz das Irische bereits erlangt (siehe Gedanken zur Woche 84-b – ALLERHEILIGEN und ALLERSEELEN – 31. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 65-b – 12. WOCHE Im JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der GEBURT JOHANNES DES TÄUFERS (2021) und Gedanken zur Woche 109 – 2. SONNTAG DER OSTERZEIT und SONNTAG DER GÖTTLICHEN BARMHERZIGKEIT und WEISSER SONNTAG (2022)).
Die Anerkennung des irischen Gälisch, des Irischen konnten auch nicht britische Vertreter und ihre mitunter fanatischen Parteigänger gerade aus dem deutschen Sprachraum verhindern.
Kirchliches Leben und Sprachen lassen sich eben nicht voneinander trennen. Religion und so auch katholische Kirche verwirklicht sich eben stets in einem menschlich-historischen Kontext und nicht einfach in einem luftleeren Raum abstrakter Gedankengänge.
Das eifrige Studium von Sprachen und die aufgeschlossene Beschäftigung mit verschiedenen Kulturen ist umso mehr gerade für Katholikinnen und Katholiken naheliegend. Man sollte sich hierbei auch nicht durch Behauptungen, auch von Kirchenmitarbeitern, irre machen lassen, wonach etwa das Baskische ein spanischer und das Kasachische wie das Georgische jeweils ein russischer Dialekt seien. Da hat die Aussage schon mehr für sich, dass Baskisch und Spanisch sich zueinander verhielten in etwa so wie das Deutsche und (Hoch-)Chinesisch. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass Behauptungen, wie dass das Baskische nur ein Dialekt des Spanischen sei, gerne durch bundesdeutsche Leiter von Priesterseminaren, Generalvikare, Bischöfe unterstützt wurden und wohl oder übel auch noch werden.
Dies verdeutlicht, dass es eben auch innerhalb der offiziellen katholischen Kirchenstrukturen und namentlich innerhalb des betreffenden Klerus zu allem Möglichen deutliche bis überdeutliche Meinungsverschiedenheiten gibt (siehe Gedanken zur Woche 44 – TAUFE DES HERRN (2021) und Gedanken zur Woche 98 – 5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 94 – TAUFE DES HERRN (2022)).
Dabei gab es Meinungsverschiedenheiten in so etwas wie Christentum schon von Anfang an. Ein Blick in das Neue/Zweiten Testament verdeutlicht dies. Man nehme nur diese ganz kurzen neutestamentlichen Schreiben des Zweiten und des Dritten Johannesbriefs und des Judasbriefs zur Hand. Längere Texte wie der Galaterbrief und die beiden zum Neuen/Zweiten Testament gehörenden Korintherbriefe und eine ungekürzte Apostelgeschichte verstärken diesen Eindruck. Der seinerseits nur in Versen zitierte Philemonbrief wie der Jakobusbrief mit seiner betreffenden Kapiteleinteilung weisen insbesondere in Richtung sozialer Spannungen in dem sich erst formierenden ganz jungen Christentum. Nicht zuletzt während der Fastenzeit sind die Katholikinnen und Katholiken überhaupt eingeladen, in der Bibel zu lesen. Dies gilt noch einmal zugespitzt für die KARWOCHE, die HEILIGE WOCHE. Nicht umsonst gibt es auch sonst während des Jahres Aussagen, wonach in den frühen Jahrhunderten der üblichen Zeitrechnungen verschiedene „Judentümer“ und verschiedene „Christentümer“ existiert hätten. Das Lesen gerade neutestamentlicher Schriften wie der Genannten mag solche Aussagen als richtig erscheinen lassen, auf jeden Fall zu weiterer persönlicher Beschäftigung anregen.
So gab es ja seither auch innerhalb dessen, was heutzutage gerne zusammenfassend „Judentum“ genannt wird, deutliche Diskussionen bis gewalttätige Auseinandersetzungen. Die Wiederunterwerfung des Heiligen Landes einschließlich der Zerstörung Jerusalems mit dem dortigen Tempel wurde den Römern sicher durch innerjüdische Konflikte erleichtert.
In neuster Zeit zeigen sich innerjüdische Meinungsverschiedenheiten auch in der Frage, wie man sich gegenüber dem Versuch verhalten solle, mit den Palästinensern eine volle Zweistaatenlösung oder gar eine Dreistaatenlösung zu verwirklichen (siehe allgemein Gedanken zur Woche 199-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)).
Als etwa Papst Franziskus die diplomatische Anerkennung Palästinas durch den Heiligen Stuhl, auch genannt der Apostolische Stuhl, bestätigte, waren die Reaktionen aus dem ja eh so vielfältigen Judentum höchst unterschiedlich, ja kontroversiell. So meinten liberale und progressive Juden, dieser Schritt des Papstes sei höchst lobenswert, und der jeweilige US-Präsident solle dem nacheifern. Andere jüdische Vertreter vertraten den genau entgegengesetzten Standpunkt und bezichtigen Papst Franziskus einer traditionellen Judenfeindlichkeit. Andere jüdische Vertreter bzw. Einrichtungen äußerten sich verärgert, verstiegen sich aber nicht zu derartigen Vorwürfen.
Ähnlich verhielt es sich mit den Meinungsverschiedenheiten innerhalb des irgendwie „Christentum“ genannten und eh schillernd-vielfältigen Bereichs der Weltöffentlichkeit. Sich als „Christen“ ausgebende Kritiker des Papstes aus dem angloamerikanischen Bereich ereiferten sich, der Papst dürfe sich, obwohl als Staatsoberhaupt wie als Verkörperung des Völkerrechtssubjekts eigener Art des Heiligen/Apostolischen Stuhls allgemein anerkannt, nicht im Sinne einer diplomatischen Anerkennung äußern. Betreffende Papstkritiker konnten nicht erklären und versuchten es auch gar nicht, wann dann überhaupt noch ein Staatsoberhaupt sich in diplomatischen Fragen äußern dürfe, umso mehr, da in sehr weiten Bereichen der internationalen Gemeinschaft der jeweilige diplomatische Vertreter des Papstes den Status als Doyen des diplomatischen/Diplomatischen Corps/Korps genießt (siehe Gedanken zur Woche 93 – HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA und WELTFRIEDENSTAG (2022) und Gedanken zur Woche 137-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Man ging bei den gegen die katholische Weltkirche gerichteten Beschimpfungen von betreffender Seite auch nicht darauf ein, dass nicht zuletzt in Staaten, in dem gleich dem Vatikanstaat das religiöse Oberhaupt zugleich das Staatsoberhaupt ist, Palästina längst die volle diplomatische Anerkennung zuerkannt wurde. Auch wurde aus dieser Richtung verschwiegen, dass als das Staatsoberhaupt und Verkörperung eines Völkerrechtssubjektes eigener Art Franziskus, die diplomatische Anerkennung Palästinas bestätigte, längst gut zwei Drittel der Mitglieder der Vereinten Nationen/UN dies getan hatten.
Wie eben schon in neutestamentlichen Zeiten deutlich, so sind auch in neuester Zeit jeweils „Christentum“ und „Judentum“ keine einheitlichen oder gar wirklich homogene Größen.
Umso mehr ist eine nachhaltige Öffentlichkeitsarbeit, eine erfolgreiche Präsenz in den Medien eine dauernde Herausforderung. Dies haben wohl auch schon Teilnehmer des Zweiten Vatikanischen Konzils erkannt.
So wurde in Abschnitt 13 des Konzilsdekrets „Inter mirifica“ über die sozialen Kommunikationsmittel, gewissermaßen über die Medien, festgehalten:
„Alle Glieder der Kirche sollen einmütig und planmäßig darangehen, ohne Aufschub und mit größtem Eifer die Sozialen Kommunikationsmittel in den vielfältigen Arbeiten des Apostolates, wie es Zeit und Umstände erfordern, zu benutzen und schädlichen Unternehmungen zuvorzukommen, besonders in den Gegenden, wo sittlicher oder religiöser Fortschritt erhöhte Anstrengungen erfordern.“
Die enge Beziehung von kirchlicher Verkündigung und Medienwesen wird eigens betont, wie es sich heutzutage auch im Kirchenrecht offiziell niederschlägt, wenn in „Inter mirifica“ fortgefahren wird:
„Die kirchlichen Oberhirten sollen darum auf diesem Gebiet, das mit ihrer Pflicht der Verkündigung so eng verbunden ist, ihrem Auftrag eilends nachkommen. Auch die mit den sozialen Kommunikationsmitteln arbeitenden Laien sollen vor allem durch Erfüllung ihrer jeweiligen Berufsaufgabe mit Sachverstand und in apostolischem Geiste bereitwillig für Christus Zeugnis ablegen.“
Damit wird nicht zuletzt Ausbildung und Berufstätigkeit außerhalb des engeren theologischen Bereichs ausdrücklich gewürdigt. Als eine eigene Ermutigung für Wirken in dem so weiten und tiefen Menschheitsfeld von Kunst und Kultur zusammen mit einer Offenheit für technologische Entwicklungen können die abschließenden Worte dieses Abschnittes 13 von „Inter mirifica“ gesehen werden:
„Sie sollen auch, je nach Möglichkeit, mit ihren technischen, wirtschaftlichen, kulturellen und künstlerischen Kräften die kirchliche Seelsorge unmittelbar unterstützen.“
Vor dem Hintergrund rasender Entwicklungen im Nachrichtenwesen und der ganzen Medienwelt sind solche Worte sehr ernst zu nehmen.
Gedanken zur Woche 208, Dr. Matthias Martin
5. FASTENSONNTAG (Passionssonntag) (2024)
Dass es sich bei der Fastenzeit um eine besondere Zeit im Kirchenjahr handelt, wird für die aufmerksame Zeitgenossin, den aufmerksamen Zeitgenossen immer wieder deutlich. So trägt ja der VIERTE FASTENSONNTAG den besonderen lateinischen Namen LAETARE. Auch ist dieser VIERTE FASTENSONNTAG wie der DRITTE ADVENTSONNTAG einer jener beiden Sonntage im Jahreskreis, an dem bei der liturgischen Kleidung der Priester und Diakone auch das im Vergleich zum Violett hellere Rosa verwendet werden kann (siehe Gedanken zur Woche 88 – 1. ADVENTSONNTAG (2021); Gedanken zur Woche 105 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2022); Gedanken zur Woche 140 – 1 ADVENTSONNTAG (2022) und Gedanken zur Woche 207 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2024)). Der darauffolgende FÜNFTE FASTENSONNTAG trägt eigens den Namen PASSIONSSONNTAG. Auf diesen wiederum folgt der gerade auch in die Volkskultur hin ausstrahlende PALMSONNTAG, welcher der Beginn der religiös so besonders intensiven KARWOCHE, der HEILIGEN WOCHE (siehe Gedanken zur Woche 158 – PALMSONNTAG (2023)) ist.
Bei vielen Menschen ist die Fastenzeit mit guten Vorsätzen verbunden, die durchaus verschieden sein können. Die Länge der Fastenzeit stellt eine besondere Herausforderung dar, was das Einhalten solcher Vorsätze betrifft. Es ist Durchhaltewillen angesagt. Es geht um Beharrlichkeit, darum, bei Schwierigkeiten oder gar direkten Rückschlägen nicht aufzugeben.
Was Menschen während so einer besonderen Zeit wie der Fastenzeit einüben, sich stärker bewusst machen können, gilt grundsätzlich im Leben. Und dies gilt sowohl für einen Einzelnen, wie für eine Familie und auch für größere Gruppen von Menschen. Ja es gilt auch und nicht zuletzt für die Weltkirche. Es war immer wieder eine Art von Ehrenbezeugung, dass vor allem in früheren Zeiten die Redensart verbreitet war „Rom denkt in Jahrhunderten“. Sogar auf die Formulierung konnte man früher häufiger stoßen „Rom denkt in Jahrhunderten und Jahrtausenden.“ Dabei war und ist mit „Rom“ in diesen Sätzen das päpstliche Rom gemeint, nicht der Sitz etwa eines erst seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts dort vorhandenen sogenannten italienischen Staates mit Unterbrechung während des Zweiten Weltkrieges.
Dieses besonders nachhaltige Durchhaltevermögen wird heutzutage der sichtbaren katholischen Kirche weniger zugeschrieben. Rasch verbreitete sich nach Abschluss des Zweiten Vatikanischen Konzils der Eindruck, dass auch so etwas wie das päpstliche Rom, der Vatikan und die katholische Kirche in den verschiedenen Teilen der Welt mit dem Zeitgeist ginge, sich einmal so und alsbald auch wieder anders positioniere. Die unübersehbare Flut an kirchlichen Dokumenten gerade in kirchenrechtlicher Hinsicht (siehe Gedanken zur Woche 33 – 30. SONNTAG IM JAHREESKREIS (2020); Gedanken zur Woche 67-b – 14. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 161-b – 3. OSTERWOCHE (2023)) förderte die Verunsicherung. Diese kann bis hin zu offenem Desinteresse und demonstrativer Geringschätzung bis Verachtung für kirchliche Stellungnahmen gehen.
Dabei sollte ja Verlässlichkeit, sollte ein klarer, nachhaltiger Kurs ein kirchliches Markenzeichen sein.
Dem Selbstverständnis oder Selbstanspruch nach wird dies eben auch in kirchlichen Dokumenten immer wieder deutlich. Gerade im Kirchenrecht wird dies an ausgesprochen. So wird in Richtung der im Unterrichtswesen der Kirche oder im Bildungsbereich im kirchlichen Auftrag tätigenden Personen ein umfassender moralischer Anspruch erhoben. Dies trifft klar in Hinblick auf die Religionslehrerinnen und Religionslehrer zu (siehe Gedanken zur Woche 204 – 1. FASTENSONNTAG (2024). Es gilt auch laut CIC für die an Katholischen Universitäten und diesen gleichgestellten Einrichtungen sowie an Kirchlichen Universitäten und Fakultäten Lehrenden. In der Apostolischen Konstitution „Veritatis gaudium“ etwa werden überhaupt weitgehende Ansprüche an die sittliche Lebensführung der Personen an den Kirchlichen Universitäten und Fakultäten formuliert (siehe Gedanken zur Woche 205-b – 2. FASTENWOCHE (2024)).
In der Apostolischen Konstitution Papst Johannes Pauls II. „Ex corde ecclesiae“ über die Katholischen Universitäten vom 15. August 2020, dem (Hoch-)Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel ( https://www.vatican.va/content/john-paul-ii/de/apost_constitutions/documents/hf_jp-ii_apc_15081990_ex-corde-ecclesiae.html ) wird in Abschnitt 22 gemahnt, dass die Lehrkräfte „Zeugen und Lehrer echt christlichen Lebens zu sein“ hätten. Im anschließenden Abschnitt 23 wird u. a. als Ziel angegeben, das sittliche Bewusstsein bei den Studierenden zu fördern. Von „sittlichen Grundsätzen“ ist in Abschnitt 38 dieser Apostolischen Konstitution in Zusammenhang mit der Universitätsseelsorge die Rede.
Dies lässt sich auch bezüglich der Lehrkräfte an katholischen Schulen feststellen. So lautet Paragraph 2 des CIC-Canon/Kanon 803:
„In der katholischen Schule müssen Unterricht und Erziehung von den Grundsätzen der katholischen Lehre geprägt sein; die Lehrer haben sich durch Rechtgläubigkeit und rechtschaffenen Lebenswandel auszuzeichnen.“
In dieselbe Richtung geht es den grundsätzlichen moralischen Anspruch an das Lehrpersonal betreffend in Canon/Kanon 639 des CCEO:
„Die Lehrer, weil sie in höchstem Maße die Verantwortlichen dafür sind, daß die katholische Schule ihre Ziele und Vorhaben verwirklichen kann, müssen in der Lehre ausgezeichnet sowie durch das Zeugnis ihres Lebens vorbildlich sein und sich besonders mit den Eltern, aber auch mit anderen Schulen gemeinsam bemühen.“
Natürlich sollten sich ranghohe Vertreter der kirchlichen Hierarchie umso mehr selber an solche durchaus hehren Grundsätze gebunden fühlen. So finden sich im Matthäusevangelium die ernsten Worte:
„(Mt 7,2) Denn wie ihr richtet, so werdet ihr gerichtet werden und nach dem Maß, mit dem ihr messt, werdet ihr gemessen werden.“
Es geht dort heftig weiter:
„(Mt 7,3) Warum siehst du den Splitter im Auge deines Bruders, aber den Balken in deinem Auge bemerkst du nicht? (4) Oder wie kannst du zu deinem Bruder sagen: Lass mich den Splitter aus deinem Auge herausziehen! – und siehe, in deinem Auge steckt ein Balken! (5) Du Heuchler! Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du zusehen, den Splitter aus dem Auge deines Bruders herauszuziehen!“
In einer Art Parallelstelle findet sich diese Aussage auch im Lukasevangelium (Lk 6,41-42). Die Mahnung, dass man mit dem Maß gemessen werde, mit dem man selber messe, findet sich wie im Matthäusevangelium auch im Markusevangelium (Mk 4,24) und im Lukasevangelium (Lk 6,38). Diese ernste Zurechtweisung findet sich also bei allen drei Synoptikern! Man kann hier von einer Traditio Triplex/Triplex Traditio sprechen.
Umso mehr wohl sollten sich gerade offizielle Kirchenvertreter hier selber angesprochen fühlen, anstatt einfach mit dem Finger auf andere zu zeigen. Auch die kritischen Worte über sogenannte Schriftgelehrte und Pharisäer im 23. Kapitel des Matthäusevangeliums mögen zu denken geben, wo nach der neuen deutschen Einheitsübersetzung u. a. zu lesen ist:
„(Mt 23,3) Tut und befolgt also alles, was sie euch sagen, aber richtet euch nicht nach ihren Taten; denn sie reden nur, tun es aber nicht. (4) Sie schnüren schwere und unerträgliche Lasten zusammen und legen sie den Menschen auf die Schultern, selber aber wollen sie keinen Finger rühren, um die Lasten zu bewegen.“
Derartiges sollte immer wieder zu denken geben, gerade wenn es um das Verhalten von Kirchenvertretern geht. Da ist auch so etwas wie katholisches Bildungswesen und die Tätigkeit etwa in Zusammenhang mit Religionsunterricht an welchen Schulen auch immer betroffen. Dabei sollten selbstverständlich alle im Unterrichtsbereich, in dem so weiten Feld von Bildung und Erziehung Tätigen bemüht sein, stets gute Vorbilder zu sein. Die enorme Bedeutung von Vorbildern, gerade bei Kindern und Heranwachsenden, sollte außer Streit stehen. Umso mehr sind da etwa Religionslehrer und die an kirchlichen und kirchennahen Bildungseinrichtungen Wirkenden gefordert. Dies gilt gleichzeitig eben auch grundsätzlich für kirchliche Obere, die Vorgesetzten etwa betreffender Lehrkräfte sind.
1. Lesung: Jes 31,31-34 oder Ez 37,12b-14
2. Lesung: Hebr 5,7-9 oder Röm 8,8-11
Evangelium: Joh 12,20-33 oder Joh 11,1-45 (oder 11,3-7.17.20-27.33b-45)
Gedanken zur Woche 208-b, Dr. Matthias Martin
5. FASTENWOCHE (2024)
Die FÜNFTE FASTENWOCHE besitzt im Kirchenjahr eine ganz bemerkenswerte Stellung. Sie verbindet den FÜNFTEN FASTENSONNTAG, auch PASSIONSSONNTAG, mit dem PALMSONNTAG als dem Beginn der HEILIGEN WOCHE, die ja im Deutschen sehr oft KARWOCHE genannt wird.
In diesem Sinne ist die FÜNFTE FASTENWOCHE die letzte „normale“ Woche der Fastenzeit. Die HEILIGE WOCHE oder KARWOCHE, wie die Bezeichnung „Heilige Woche“ schon andeutet, ist ja überhaupt etwas ganz Besonderes, selbst für eine so eigens geprägte Zeit wie eben die Fastenzeit.
Sowohl nach dem nachkonziliaren Kalender für die Feier der Heiligen Messe nach dem Ritus Pauls VI. wie nach dem liturgischen Kalender für die Feier der Heiligen Messe im vorkonziliaren/Vorkonziliaren Ritus (siehe Gedanken zur Woche 114-b – 7. OSTERWOCHE (2022) und Gedanken zur Woche 138-b – 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)) wird in dieser Woche zum einen der Gedenk- bzw. Festtag des heiligen Cyrill/Kyrill von Jerusalem und zum anderen der Festtag bzw. das Hochfest des heiligen Josef gefeiert.
Beide Heilige besitzen eine besonders große, und auch konfessionelle Grenzen überschreitende Bedeutung. Die römisch-katholische Kirche erkennt Cyrill/Kyrill ausdrücklich als Kirchenlehrer an. In der Ostkirche wird er als Kirchenvater verehrt. Besondere Verehrung erfreut er sich eigens in altorientalischen Kirchen und im orthodoxen Christentum. Selbst in dem zusehends aufgesplitterten Anglikanertum oder Anglikanismus wird er offiziell verehrt. Wertschätzung oder so etwas wie Verehrung kann einem auch in so etwas wie offiziellen protestantischen Landeskirchen und bei Angehörigen des besonders vielfältigen Bereichs von Freikirchen begegnen. Egal, wie man die christliche Ökumene zu unterteilen geneigt ist, so ist die Breite der Verehrung oder ausdrücklichen Würdigung für Cyrill/Kyrill von Jerusalem doch ganz bemerkenswert.
Als Theologe des vierten Jahrhunderts mit all den damaligen theologischen Auseinandersetzungen und kirchlichen Spaltungen wie auch politischen und militärischen Kämpfen fordert er direkt heraus, sich mit der Geschichte zu beschäftigen. Der Lebensweg des heiligen Cyrill/Kyrill von Jerusalem verdeutlicht, dass mit der sog. Konstantinischen Wende die Schwierigkeiten mit der römischen Staatsmacht für kirchliche Mitarbeiter, generell für bekennende Christen, keineswegs zu Ende waren. Wenn man sich seine kaiserlichen Kontrahenten betrachtet, so kommt man unwillkürlich in das so breite und tiefe Feld der Allgemeinen Geschichte, mit all den Auseinandersetzungen in der auch einmal das Römische Reich unter sich aufteilenden konstantinischen Dynastie, mit Kriegen und mitunter weitreichenden Niederlagen römischer Kaiser.
Sein Wirken mag eigens zur Beschäftigung mit der Trinitätstheologie und den gerade im vierten Jahrhundert vertretenen unterschiedlichen Positionen anregen. Es wird auch hier deutlich, dass der Arianismus differenzierter zu betrachten ist, als dies gerne getan wird. Denn auch Arius bestritt keineswegs so etwas wie eine Göttlichkeit Christi. Der Streitpunkt mit den Anhängern des Glaubensbekenntnisses von Nicäa war lediglich der, wie diese Göttlichkeit und das Verhältnis zu Gott dem Vater genauer zu verstehen seien. Auch nach Arius war Christus ein göttliches Wesen und nicht irgendein einfach vielleicht moralisch besonders hochsehender oder durch Gott den Vater vorherbestimmter Mensch. Der Lebensweg des heiligen Cyrill/Kyrill bringt damalige theologische Diskussionen etwas nahe. Auch wird durch Cyrill/Kyrill von Jerusalem der Blick auf so etwas wie christliche Sakramententheologie gerichtet.
Die Beschäftigung mit seinem theologischen Erbe führt nicht zuletzt in den Bereich der alten Sprachen und mag damit zu sprachwissenschaftlich-philologischer Beschäftigung anregen. All dies verdeutlicht dann auch bei ganz kurzer Betrachtung wieder einmal, dass sich Theologie nicht von anderen Wissenschaftsbereichen, Disziplinen und Studiengängen trennen lässt (siehe Gedanken zur Woche 202 – 5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 131-b – 26. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 135 – 30. SONTNAG IM JAHRESKREIS (2022)). Man kann auch sagen, dass so betrachtet, Leben und Erbe eines Kirchenlehrers wie eben des heiligen Cyrill/Kyrill von Jerusalem den Weg in Richtung katholischer Bildungsbemühungen weist. Dies erstreckt sich von Schulen, namentlich Allgemeinbildenden Schulen und den Medien oder sozialen Kommunikationsmitteln bis hin zu Katholischen Universitäten und anderen Hochschuleinrichtungen sowie den davon nicht zuletzt im Sinne des Kirchenrechts samt des öffentlichen/Öffentlichen Religionsrechts zu unterscheidenden Kirchlichen Universitäten und Fakultäten.
Das Hochfest für den heiligen Josef demgegenüber mag als gute Warnung vor jeder Art von akademischem Hochmut, namentlich vor so etwas wie theologischer Arroganz dienen. Sein Wirken im handwerklichen Bereich weist in Richtung der Bedeutung von Berufsschulen und technischen Schulen und damit von Schulen außerhalb eines gymnasialen Bereichs (siehe Gedanken zur Woche 203 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER KRANKEN (2024); Gedanken zur Woche 206-b – 3. FASTENWOCHE (2024) und allgemein Gedanken zur Woche 207 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2024)). Passend dazu werden etwa in der Einleitung der Erklärung „Gravissimum educationis“ betont freundlich die „staunenswerten Fortschritte der Technik und wissenschaftlichen Forschung“ angesprochen. Für eine bewusste Würdigung von handwerklich-technischer Tätigkeit und damit einer erst einmal dorthin führenden Ausbildung findet man in der christlichen Überlieferung also eigene Anregungen. Eigens verdient die Geschichte kirchlichen Wirkens im Bereich von berufsbildenden Schulen und dergleichen Beachtung.
Im Weiteren wird in „Gravissimum educationis“ das generelle Interesse der Kirche an den verschiedenen möglichen Schularten betont, wenn es in Abschnitt 8 heißt:
„Deshalb verkündet die Heilige Synode von neuem das in zahlreichen Äußerungen des kirchlichen Lehramtes bereits niedergelegte Recht der Kirche, Schulen jeder Art und jeder Rangstufe frei zu gründen und zu leiten. Dabei erinnert sie daran, dass die Ausübung solchen Rechts auch der Gewissensfreiheit, dem Schutz des elterlichen Rechts und dem kulturellen Fortschritt selbst höchst zuträglich ist.“
Ohne Einschränkung auf einen bestimmten Zweig werden schon zu Beginn von Abschnitt 5 dieser Erklärung Schulen bzw. die grundsätzliche Einrichtung der Schule gewürdigt und alle Arten von Standesdünkel zurückgewiesen:
„Unter allen Erziehungsmitteln hat die Schule eine ganz besondere Bedeutung, weil sie kraft ihrer Mission die geistigen Fähigkeiten in beharrlicher Mühe heranbildet, das rechte Urteilsvermögen entwickelt, in das von den vergangenen Generationen erworbene kulturelle Erbe einführt, den Sinn für die Werte erschließt und auf das Berufsleben vorbereitet. Zudem stiftet sie zwischen den Schülern verschiedener Anlagen und verschiedenen Standes ein freundschaftliches Zusammenleben und schafft so die Grundlage für ein gegenseitiges Verständnis.“
Interessanterweise wurde das Leben des heiligen Josefs in den letzten Jahrzehnten auch aus der Richtung von Archäologie und Altertumsgeschichte bzw. Altertumswissenschaften in den Blick genommen. Ganz offensichtlich kam es hier zu einer Bestätigung biblischer bis allgemeiner christlicher Überlieferung. Dazu gehörte dann auch mitunter so etwas wie eine zumindest kleine sozialgeschichtliche Diskussion, ob denn nun der heilige Josef ein Kleinunternehmer seiner Zeit gewesen oder anders einzustufen sei.
Auf jeden Fall sollen sich Menschen aus den verschiedenen Berufsgruppen oder Ständen in der Kirche zuhause fühlen können. Gerade in Verbindung mit der Verehrung des heiligen Josef haben dies etwa Päpste gerade im 19. und 20. Jahrhundert verdeutlicht. Mit der Erklärung des heiligen Josefs zum Schutzpatron der Menschen, die gegen den Kommunismus kämpfen, setzte Papst Pius XI. dazu einen eigenen ökumenischen, ja interreligiösen und natürlich internationalen, ja globalen Akzent. Fortgeführt wurde dies in akzentuierter Weise durch Papst Pius XII. und gerade auch durch Papst Johannes XXIII. Deren dahingehende theologische wie im Besonderen kirchenrechtlichen Aussagen waren eindeutig und laden auch heute noch wieder zu persönlicher Beschäftigung ein.
Gedanken zur Woche 207, Dr. Matthias Martin
4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2024)
Der VIERTEN FASTENSONNTAG besitzt schon in eher äußerlicher Hinsicht, von einem eher allgemeinen kulturellen Standpunkt aus, eine Sonderstellung. Dies betrifft sowohl den verbalen wie den nonverbalen Bereich.
Zum einen ist er mit dem DRITTEN ADVENTSONNTAG einer der beiden Tage im Jahr, an dem Priester und Diakone das freundlichere Rosa, mitunter auch genannt Pink, tragen können. Zum anderen trägt er mit der heute noch etwas lebendigen Bezeichnung LAETARE einen eigenen lateinischen Namen (siehe Gedanken zur Woche 156 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2023)). Auch diese Besonderheit teilt sich der VIERTE FASTENSONNTAG mit dem DRITTEN ADVENTSONNTAG. Denn auch dieser besitzt ja einen eigenen lateinischen Namen. Er wird eben auch GAUDETE genannt (siehe zu den doppelten besonderen Gemeinsamkeiten Gedanken zur Woche 88 – 1. ADVENTSONNTAG (2021); Gedanken zur Woche 105 – 4. FASTENSONNTAG (LAETARE) (2022); Gedanken zur Woche 140 – 1. ADVENTSONNTAG (2022) und eigens zum DRITTEN ADVENTSONNTAG GAUDETE siehe Gedanken zur Woche 142 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2022)).
Dabei stehen beide lateinischen Bezeichnungen für Freude, die man gerade an diesem Sonntag im Kirchenjahr empfinden möge, dafür, sich an diesem Sonntag besonders zu freuen (siehe Gedanken zur Woche 88 – 1. ADVENTSONNTAG (2021) und Gedanken zur Woche 90 - 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2021)).
Allein schon diese doppelte Sonderstellung des Fastensonntags LAETARE mag eine Anregung sein, sich mit kulturellen bis tiefer wissenschaftlichen Angelegenheiten zu beschäftigen.
Da ist natürlich diese besondere kirchliche Farbgebung. Sie mag die Aufmerksamkeit auf den Bereich der nonverbalen Kommunikation, auf die Welt von Farben, Formen und Symbolen richten. Gerade das Interesse an der Entwicklung von Textilien mag da angeregt werden. Das Wirken von Modeschöpferinnen und Modeschöpfern, von Schneiderinnen und Schneidern wie auch Herstellerinnen und Herstellern von zu verarbeitenden Stoffen fand ja gerade im religiösen Leben immer wieder Anregungen und Betätigungsmöglichkeiten. Dies gilt nicht zuletzt in Hinblick auf die katholische Weltkirche. Textiles Gestalten und Religionen sind immer wieder ganz bemerkenswert miteinander verbunden und dies gilt nicht zuletzt in Hinblick auf einen bewusst traditionellen Katholizismus.
Nonverbale Ausdrucksformen besitzen dabei den Vorteil, dass sie eben über das hinweg wirken können, was gerne sprachliche Grenzen und dergleichen genannt wird. Die mitunter feststellbaren Tendenzen, Verkehrsschilder und die auf ihnen verwendeten Farben länderübergreifend zu vereinheitlichen, bestätigt dies. Von ganz verschiedener Seite, gewissermaßen von Freund und Feind, wurde wiederholt festgestellt, dass die auch und gerade im nonverbalen Bereich verwirklichte große Einheitlichkeit in der Tridentinischen Messe, der Messe des heiligen Pius V., der Messe Don Camillos oder wie man sie immer nennen mag (siehe Gedanken zur Woche 77-b – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 82-b – 29. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 114-b – 7. OSTERWOCHE (2022) und Gedanken zur Woche 138-b – 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)), ein großer Vorteil für die katholische Kirche war, solange, diese Liturgieform die allgemein vorherrschende war. Umso mehr kann eben betreffende liturgische Farbgebung anregen, sich mit nonverbaler Kommunikation, mit nonverbalen Ausdrucksformen bewusst zu beschäftigen.
Dann ist natürlich auch die lateinische Bezeichnung für den VIERTEN ADVENTSONNTAG von eigenem Interesse. Mit dem Begriff LAETARE wird eben die Aufmerksamkeit auf den Bereich der Worte, auf die verbale Kommunikation gerichtet. Natürlich bediente und bedient sich die Kirche auch dieses Bereichs, sowohl in gesprochener wie in geschriebener einschließlich etwa digitaler Weise.
Zu einer Offenheit bezüglich der einzusetzenden Mittel und Wege ermutigt, ja mahnt nicht zuletzt der CIC von 1983. Dort kann man in Canon/Kanon 761 nachlesen:
„Bei der Verkündigung der christlichen Lehre sollen die verschiedenen zur Verfügung stehenden Mittel angewendet werden, besonders die Predigt und die katechetische Unterweisung, die ja immer den ersten Platz einnehmen; aber auch die Darlegung der Lehre in Schulen und Akademien, auf Konferenzen und Versammlungen jedweder Art wie auch ihre Verbreitung durch öffentliche Erklärungen der rechtmäßigen Autorität zu bestimmten Anlässen in der Presse und in anderen sozialen Kommunikationsmitteln.“
Gerade das Bildungswesen und die Medien sind hier in einer umfassenden Bandbreite grundsätzlich angesprochen. Die mag die Aufmerksamkeit allgemein lenken auf das Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils „Inter mirifica“ über die sozialen Kommunikationsmittel und die Erklärung „Gravissimum educationis“ über die christliche Erziehung. Darüber hinaus kann das Dekret „Optatam totius“ über die Priesterausbildung in den Sinn kommen, vor allem wenn man ihm eine Bedeutung für die Ausbildung von Theologinnen und Theologen in einem weiteren Sinne über die eigentliche Priesterausbildung hinaus zubilligt. Dazu werden einschlägige Fragen von Bildung und Erziehung auch im Dekret „Perfectae caritatis“ über das Ordensleben und im Dekret „Apostolicam actuositatem“ über das Laienapostolat angesprochen.
Der Zusammenhang von Bildung-Erziehung und den Medien, der Medienwelt wird auch an anderen Stellen des CIC für die Lateinische Kirche angesprochen.
So lautet Paragraph 1 des dortigen Canon/Kanon 804:
„Der kirchlichen Autorität unterstehen der katholische Religionsunterricht und die katholische religiöse Erziehung, die in den Schulen jeglicher Art vermittelt oder in den verschiedenen sozialen Kommunikationsmitteln geleistet werden; Aufgabe der Bischofskonferenz ist es, für dieses Tätigkeitsfeld allgemeine Normen zu erlassen, und Aufgabe des Diözesanbischofs ist es, diesen Bereich zu regeln und zu überwachen.“
Das kirchliche Interesse an Schulen aller Art ohne Beschränkung auf einen bestimmten Schultypus wird also auch wieder angesprochen (siehe Gedanken zur Woche 203 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER KRANKEN (2024) und Gedanken zur Woche 206-b – 3. FASTENWOCHE (2024)).
In Hinblick auf den Zusammenhang des Engagements im Gesamtbereich von Bildung und Erziehung und den sozialen Kommunikationsmitteln verdient eigens der CIC-Canon/Kanon 822 Beachtung. Dabei ist natürlich auch hier wieder vor Machtphantasien und Geltungsbedürfnis von Klerikern und anderen Kirchenmitarbeitern zu warnen. So lautet Paragraph 1 dieses Canon/Kanons 822:
„Die Hirten der Kirche sollen bemüht sein, bei der Erfüllung ihrer Aufgabe durch Wahrnehmung des eigenen Rechts der Kirche die sozialen Kommunikationsmittel anzuwenden.“
Dabei sind Gläubige ganz generell aufgerufen, sich in guter Weise einzubringen, wie in Paragraph 2 desselben Canons/Kanons angesprochen wird:
„Denselben Hirten obliegt die Sorge, die Gläubigen dahingehend zu belehren, dass sie zur Mitarbeit verpflichtet sind, damit der Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel von menschlichem und christlichem Geist belebt wird.“
Der Gedanke einer betreffenden Zusammenarbeit von Klerikern und Laien einschließlich Ordensleuten ganz im Sinne eines gemeinsamen Wirkens und der Betonung der Wichtigkeit der Medienarbeit wird dann in Paragraph 3 vertieft:
„Alle Gläubigen, besonders die in irgendeiner Weise an der Gestaltung dieser Mittel oder ihren Gebrauch teilhaben, müssen darum besorgt sein, Hilfe für das pastorale Handeln zu leisten, sodass die Kirche auch mit diesen Mitteln ihre Aufgabe wirksam ausübt.“
Eine Beschränkung auf bestimmte Medien, etwa schon länger am Markt befindliche Zeitungen und Zeitschriften und öffentlich-rechtliche Rundfunk- und Fernsehkanäle mit deren Präsenz im Internet wird ganz klar vermieden. Dies verdient gerade auch vor dem Hintergrund der wachsenden Bedeutung mehr oder minder neuer Medien und Anbieter jeweils Beachtung!
Diese Grundrichtung wird auch in Canon/Kanon 651 für die katholischen Ostkirchen gewiesen:
„§ 1. Um die Aufgabe wahrzunehmen, das Evangelium überall auf der Welt zu verkündigen, muß die Kirche die geeigneten Mittel heranziehen; und deshalb muß für sie überall das Recht in Anspruch genommen werden, die sozialen Kommunikationsmittel anzuwenden und im Besonderen Schriften frei herauszugeben.
§ 2. Alle Christgläubigen sollen für ihren Teil bei dieser großen Sendung der Kirche zusammenarbeiten und die Vorhaben dieses Apostolates unterstützen und fördern; darüber sollen vor allem diejenigen, die in der Herstellung und Verbreitung von Kommunikation erfahren sind, für die pastorale Tätigkeit der Bischöfe sorgfältige Hilfe und Unterstützung bieten und sich mit allem Eifer Darum bemühen, daß der Gebrauch dieser Mittel mit dem Geist Christi erfüllt wird.“
1. Lesung: 2 Chr 36,14-16.19-23 oder 1 Sam 16,1b.6-7.10-13b
2. Lesung: Eph 2,4-10 oder Eph 5,8-14
Evangelium: Joh 3,14-21 oder Joh 9,1-41 (oder 9,1-6-9.13-17.34-38)
Gedanken zur Woche 207-b, Dr. Matthias Martin
4. FASTENWOCHE (2024)
Es passt zur vorgerückten Fastenzeit, dass gerade in jüngster Zeit in Hinblick auf den Konsum von Alkohol und Nikotin kritische bis eindringlich warnende Stellungnahmen zu lesen und auch bei persönlichen Begegnungen zu hören waren.
Gerade in der Fastenzeit als der vorösterlichen Buß- und Besinnungszeit sollen ja Christinnen und Christen mehr denn je gegen eigene Schwächen, gegen Laster, schlechte Neigungen, generell gegen Sünden im eigenen Leben ankämpfen. Bei jeder Heiligen Messe ist das Schuldbekenntnis zu sprechen. Sowohl in der Tridentinischen als auch in der Nachkonziliaren Liturgie bis in den traditionellen Beerdigungsritus für einen verstorbenen Papst hinein stellt das Bewusstsein menschlicher Fehlerhaftigkeit, allgemeiner Unzulänglichkeiten bei den Menschen einen eigenen wichtigen Punkt dar.
Dass etwa hoher Alkoholkonsum wie generell das Rauchen in vielfacher Weise Übel sind, steht nüchtern betrachtet außer Frage. Das mag beim Voranschreiten durch die Fastenzeit bei einem ehrlichen Ankämpfen gegen die eigenen Schwächen und schlechten Verhaltensweisen mancher und manchem erst dieser Tage stärker bewusst geworden sein. Es ist da eigens bemerkenswert, wenn dann auch ganz offen sehr negative Worte zum Alkoholkonsum aus dem zum jetzigen Freistaat Bayern gehörenden Frankenland öffentlich gemacht wurden. Gerade dieses gewissermaßen bayerische Frankenland ist ja nicht zuletzt für Alkoholproduktion bekannt. Da gibt es laut einer mehr oder minder volkstümlichen Einteilung einerseits das sog. „Weinfranken“ und andererseits das sog. „Bierfranken“. Diese beiden zusammengesetzten Substantive leiten sich von dem mehr oder minder ausgeprägten Schwerpunkt in der Produktion alkoholischer Getränke her, der sich in einer Gegend zeigt. Natürlich sind hier keine klaren geografischen Grenzen zu ziehen, ist auch hier vor lokalpatriotischer oder regionalistischer Schwarz-Weiß-Malerei zu warnen. So kann es etwa in der Gemarkung einer einzelnen Kleinstadt Unterfrankens sowohl eine Weinlage als auch gleichzeitig eine mittelständische Brauerei geben.
In Bereich von Bildung und Erziehung ist die Problematik von Volksdrogen von Alkohol und Nikotin bis hin zu Gefahren des Internets oft längst erkannt worden. Dies ließ sich erfreulicherweise schon vor Jahren auch bezüglich des katholischen Religionsunterrichts zumindest in Österreich feststellen. Natürlich sind religionspädagogische Bemühungen und dergleichen nicht isoliert zu sehen. Einerseits soll der Religionsunterricht den an ihm teilnehmenden Schülerinnen und Schülern nicht nur in so etwas wie Glaubensdingen, sondern ganz allgemein in moralischer und geistiger Hinsicht zu einer guten Entwicklung helfen. Ganzheitliche Förderung sollte das Ziel sein. Andererseits geschieht Religionsunterricht nicht isoliert als in so etwas wie einer Monade. Vielmehr ist Religionsunterricht untrennbar verwoben mit den gesellschaftlichen und auch allgemeineren kirchlichen Entwicklungen. Der Anstieg der Abmeldezahlen vom Religionsunterricht fügt sich ein in das Bild des weitgehenden Verschwindens von Volkskirche. Nicht umsonst wurde ja längst bis in den bischöflichen Bereich hinein vom Ende der Volkskirche gesprochen, und auch mancher Kardinal fand schon deutliche Worte.
Dabei ist bemerkenswert, dass religiöse Überlieferungen oder Konfessionen, welche dem Alkohol- und Nikotinkonsum kritisch bis je nachdem völlig ablehnend gegenüberstehen, immer wieder eine bemerkenswerte religionssoziologische Stabilität bis ein deutliches oder gar rapides Wachstum aufweisen. Dies gilt ganz generell bei aller dort vorhandenen Vielfalt und Ausdifferenzierungen für die Weltreligion des Islams. Dann ist derartiges immer wieder bei allen Unterschieden und natürlich auch Schwächen in verschiedenen Bereichen und Einzelfällen eben auch im evangelikalen bis pfingstkirchlichen Bereich zu beobachten. Gerade auch hier ist natürlich nichts über einen Kamm zu scheren, ist vor einer generalisierenden Schwarz-Weiß-Malerei zu warnen. Aber es ist doch bemerkenswert, wie kritisch bis völlig ablehnend oft in pfingstkirchlichen und auch baptistischen Gemeinschaften Stellung gegenüber Alkoholkonsum und Rauchen bezogen wird.
Rein empirisch betrachtet sind etwa pfingstkirchliche Gemeinschaften, die differenziert zu betrachtenden Pfingstkirchen mit solch einer Ausrichtung nicht schlecht gefahren. Schon vor Jahrzehnten wurde eine Verpfingstlerung, eine Pentecostalisierung/Pentekostalisierung Lateinamerikas festgestellt (siehe Gedanken zur Woche 45-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 56-b – OSTEROKTAV einschließlich OSTERMONTAG (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 67-b – 14. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Expandierende pfingstkirchliche bzw. evangelikale Gemeinschaften haben gerne das Image, in moralischen Fragen strikte Positionen zu vertreten.
Dabei beschränkt sich das Wachstum von pfingstkirchlichen und irgendwie in diese Richtung gehenden Gemeinschaften keineswegs auf Lateinamerika. Längst wurde begonnen, in einem globalen Zusammenhang von einer „Pentecostalisierung des Christentums“ zu sprechen. Sittenstrenge Pfingstler und Baptisten trotzten einst den so brutalen Verfolgungen im damaligen Ostblock und überhaupt in kommunistisch beherrschten Ländern und Gebieten.
Umso mehr gewinnt die oftmals kritische bis völlig ablehnende Haltung von Pfingstlern und im engeren Sinne Evangelikalen gegenüber Alkoholkonsum und Rauchen auch in ökumenischer Hinsicht an Bedeutung. Während sich etwa die anglikanische Staatskirche von England und ihre Tochtergemeinschaften in den anderen Teilen des Vereinigten Königreiches wie in Kanada, Australien und Neuseeland im Auflösungsprozess befinden und die einst so wohlhabenden und einflussreichen Mainline Churches in den USA ähnlich wie traditionelle lutherische Staatskirchen in Skandinavien und eben auch nicht selten römisch-katholische Ortskirchen zumindest heftig schrumpfen, erleben Pfingstkirchen und evangelikale Gemeinschaften sehr oft ein stürmische Wachstum. Sofern in Lateinamerika halbwegs freie Wahlen stattfinden, kommt ihnen dort inzwischen eine wahrnehmbare bis außerordentliche starke Bedeutung zu. Gerade auch auf dem afrikanischen Kontinent lässt sich derartiges beobachten. In dem von blutiger Gewalt erschütterten Nigeria wird pfingstkirchlichen Gemeinschaften nachgesagt bis von interessierter Seite vorgeworfen, islamistischen Umtrieben besonders furchtlost entgegenzutreten.
Längst hat zahlenmäßig pfingstkirchliches Christentum bei allen internen Meinungsunterschiedenheiten und Spaltungen so etwas wie landeskirchlichen Protestantismus weit hinter sich gelassen. Auch vor dem orthodoxen Christentum konnte man sich offensichtlich zahlenmäßig längst positionieren. Dies kann nicht zuletzt als Denkanstoß für katholische Kirchenvertreterinnen und Kirchenvertreter oder kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgegriffen werden, gegenüber Nikotin- und Alkoholkonsum eine kritischere Haltung einzunehmen.
Zum Thema christlicher Lebensstil gibt es natürlich auch so etwas wie altbewährte eigene katholische Vorbilder. In der diesjährigen Vierten Fastenwoche mag man da anhand des jetzt meist verwendeten liturgischen Kalenders gerade an die heilige Mathilde und den heiligen Klemens Maria Hofbauer denken.
Beide ergingen sich in ihrer je eigenen Zeit nicht in persönliche Vergnügungen. Sowohl die heilige Mathilde als auch der heilige Klemens Maria Hofbauer haben sich um treue christliche Pflichterfüllung bemüht. Mathilde verwirklichte dies als Ehefrau König Heinrichs I., Mutter Ottos des Großen und des heiligen Bruno/Brun, manchmal „von Köln“ genannt, und als Königin (siehe Gedanken zur Woche 8-b – 4. OSTERWOCHE (2020); Gedanken zur Woche 89 – 2. ADVENTSONNTAG (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 70-b – 17. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 155-b – 3. FASTENWOCHE (2023)).
Der heilige Klemens Marie Hofbauer verwirklichte sein christliches Streben als Ordensmann im Rahmen der durch ihn weit verbreiteten Redemptoristen (siehe allgemein ebd.).
Beide Heilige sind dabei untrennbar mit der politischen Geschichte verbunden. Bei der heiligen Mathilde ist dies besonders augenfällig. Aber auch beim heiligen Klemens Maria Hofbauer sollte der geschichtliche Hintergrund, das historische größere Ganze nicht völlig aus den Augen verloren werden. Sein mutiges Wirken ist nicht von der Auseinandersetzung mit der durch Napoleon so brutal auch gegen den päpstlichen Kirchenstaat und die Person des Papstes vorangetriebenen französische Expansionspolitik zu trennen. Seinem Wirken kam natürlich die endgültige Niederlage Napoleons sehr zu statten. Von großem Vorteil war für Klemens Maria Hofbauer, dass er Wien zum Zentrum seines Wirkens machen konnte. Dort fand bekanntlich der Wiener Kongress statt. Als Teil der Wiener Kongressakte, auch Schlussakte des Wiener Kongresses oder Wiener Schlussakte genannt, wurde die Deutsche Bundesakte erarbeitet und unterzeichnet. Der österreichische Kaiser stand an der Spitze der deutschen Bundesfürsten und hatte die Präsidentschaft im Deutschen Bunde inne (siehe Gedanken zur Woche 81-b – 28. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Von den in der Bundesversammlung vertretenen Bundesstaaten wurde Österreich noch vor Preußen ausdrücklich an erster Stelle genannt. Der Kaiserstadt Wien, in welcher der heilige Klemens Maria Hofbauer wirkte, kam umso größere Bedeutung zu. Tatsächlich war die bis zum Deutschen Krieg von 1866 dauernde Zeit des Deutschen Bundes insgesamt eine Zeit des Aufschwungs für die Kirche, offenkundig nicht zuletzt im Gebiet des Deutschen Bundes mit seinen Mitgliedsstaaten. Konkordate und andere Vereinbarungen konnten mit Mitgliedsstaaten geschlossen werden. Das kirchliche Leben erfuhr einen spürbaren Aufschwung. Dies gilt sowohl für die religiöse Praxis im Allgemeinen wie für Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften im Besonderen. Der heilige Klemens Maria Hofbauer hatte genau darauf hingearbeitet.
Gedanken zur Woche 206, Dr. Matthias Martin
3. FASTENSONNTAG (2024)
Wenn wir in der Fastenzeit voranschreiten, mögen mir bei der Umsetzung guter Vorsätze immer wieder Rückschläge erleiden. Dies kann uns natürlich auch sonst während des Jahres passieren. Wenn man aber die Fastenzeit als eine vorösterliche Zeit der Buße und Besinnung, als eine Zeit für innere Erneuerung und Abkehr von schlechten Verhaltensweisen und Gewohnheiten ernst nimmt, mag man sich der persönlichen Unzulänglichkeiten, der eigenen Sünden, Verfehlungen und Unterlassungen besonders bewusst werden.
Wir sollen uns eben nicht überheben und uns schon gar nicht besser fühlen als andere Menschen. Dies gilt sowohl für den Einzelnen bzw. die Einzelne wie für eine Gruppe von Personen und auch für die oft als Kirche bezeichnete Gemeinschaft von Glaubenden, von mehr oder minder eifrigen Gefolgsleuten einer bestimmten Konfession etwa, beispielsweise der römisch-katholischen Kirche. Es mag dazu auch die Redensart in den Sinn kommen, dass, wenn man mit dem Finger auf andere zeigt, man mit drei Finger auf sich selber zurückzeigt. Die nicht zuletzt in sogenannten kirchlichen Kreisen oder offiziellen kirchlichen Kreisen offensichtlich gerne geübte Taktik, mit Vorwürfen gegen andere, möglichst eher wehrlose Menschen oder Personengruppen von eigenem Fehlverhalten bzw. Missständen in den eigenen Reihen abzulenken, verfängt offensichtlich gerade in westlichen Ländern und Regionen eh immer weniger. Meinungsumfragen und dergleichen, über die im Einzelnen im guten Sinne kritisch zu diskutieren ist, weisen in diese Richtung. Erst recht machen die tiefgreifenden Einbrüche bei den Gottesdienstbesucherzahlen, den Priester- und Ordensberufungen wie der rapide Rückgang bis Auflösungsprozess bei nicht wenigen Laienverbänden deutlich, dass die kirchliche Entwicklung in den letzten Jahren gar nicht erfreulich war. Die Feststellungen und beizeiten formulierten Warnungen von prominenten Theologen wie Joseph Ratzinger und Georg May sind fortwährend bestätigt worden (siehe Gedanken zur Woche 63-b – 10. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST HEILIGSTES HERZ JESU (2021); Gedanken zur Woche 78 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 93 – HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA und WELTFRIEDENSTAG (2022); Gedanken zur Woche 172-b – 14. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und allgemeiner Gedanken zur Woche 118 – 13. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Gerade in den Bereichen des sexuellen Missbrauchs wie des Umgangs mit kirchlichem Vermögen sind offensichtlich schwere Missstände, ja mitunter skandalöse Zustände eingerissen. Die Änderung des Kirchenrechts sucht dem zugegebenermaßen Rechnung zu tragen. Das ist die deutliche, ja dramatische Widerlegung der nachkonziliaren Aufbruchsstimmung und der Meinung, man müsse es mit überlieferten Rechts- und Moralvorstellungen nun nicht mehr so genau nehmen, und dann werde es schon gut werden und nett laufen in der Kirche. Die Notwendigkeit klarer rechtlicher Regelungen und natürlich deren glaubwürdiger Umsetzung ist in drastischer Weise deutlich geworden.
Die umfassende Änderung des kirchlichen Strafrechts allein schon im eigentlichen CIC für die Lateinische Kirche bestätigt dies. Bestätigt wird dies auffallenderweise auch durch das Geleitwort des Vorsitzenden der bundesdeutschen Bischofskonferenz Georg Bätzing vom Oktober 2021 zur betreffenden neuen Auflage der lateinisch-deutschen Ausgabe des CIC. Dort kann man nachlesen:
„Die vorliegende 10. Auflage der lateinisch-deutschen Ausgabe des CIC berücksichtigt alle seit der letzten Auflage erfolgten Anpassungen des Gesetzestextes, insbesondere das revidierte Buch VI des CIC über die Strafbestimmungen in der Kirche.“
Die tiefgreifende Neugestaltung eben dieses Buches des CIC über das Strafrecht lässt sich also nicht leugnen, auch wenn offensichtlich gerne versucht wird, diese umfassende Änderung irgendwie kleinzureden oder überhaupt tot zu schweigen.
Wie andere Gemeinschaften hier auf Erden braucht eben auch die Kirche rechtliche Bestimmungen und muss auch hier gegen Fehlverhalten bis hin zu kriminellen Handlungen vorgegangen werden. Die in den verschiedenen christlichen Konfessionen immer wieder betonte Hinneigung des Menschen zum Bösen bestätigt dies. Sich ehrlich innerkirchlichen Missständen zu stellen und etwas gegen Täter zu unternehmen, fördert von daher auch die ökumenische Glaubwürdigkeit. Natürlich geht es ja überhaupt um die Glaubwürdigkeit der (römisch-)katholischen Kirche sowohl gegenüber Menschen, die sich ihr selber zuzählen wie gegenüber ihrer sichtbaren Gemeinschaft distanziert lebenden Menschen, Personengruppen und Organisationen.
Nicht umsonst gilt als so etwas wie ein Wesenselement von Hochkulturen, über geschriebene Gesetzestexte zu verfügen. Dazu gibt es bemerkenswerte Beobachtungen in Hinblick auf Kulturen oder Hochkulturen des Alten Orients. Der nach dem betreffenden babylonischen König benannte Codex/Kodex Hammurabi gewann einen länderübergreifenden legendären Ruf. Die Hethiter entwickelten eine eigene bemerkenswerte rechtliche Überlieferung. Der Kodex der Nesilim ist hierbei wohl besonders zu nennen. Auch die anderen Hochkulturen des Alten Orients hinterließen ihr eigenes juristisch-gesetzliches Erbe. Seit dem 19. Jahrhundert ist davon nach und nach wieder einiges entdeckt und dem kollektiven Vergessen entrissen worden. Einhergehen betreffende Forschungen mit archäologischer Tätigkeit und der intensiven Beschäftigung mit betreffenden alten Sprachen. Fortwährend war demgegenüber zumindest Bemerkenswertes aus der hebräisch-israelitisch-jüdischen Überlieferung zur Verfügung gestanden. Die Fünf Bücher Mose, der Pentateuch, werden in dieser Überlieferung bezeichnenderweise „das Gesetz“ genannt. Auf die Thora/Tora/Torah folgten weitere Schriften dessen, was bei allen Unterschieden in den jeweiligen Ausgaben längst das Alte Testament und seltener das Erste Testament genannt wird. Besondere Bedeutung für die weitere Entwicklung kam der Mischna zu. Später wurde dann gerade auf Grundlage dieser der Talmud in seiner Babylonischen wie in seiner Jerusalemer Ausgabe erarbeitet. Im Judentum zeigt sich eine bemerkenswerte starke rechtliche Orientierung, verbunden mit einer lebendigen Debattenkultur. Dies half diesem, den Untergang jüdischer Eigenstaatlichkeit und die mehrere Jahrhunderte andauernde Diaspora zu überleben.
Bei dem, was manche antikes „griechisches“ Recht nennen, ist zu bedenken, dass es ein Griechenland als politisch-nationale Größe im Altertum nicht gab. Stattdessen hatte man es mit in die Hunderte gehenden Stadtstaaten und dergleichen zu tun. Mitunter gab es wohl in irgendwie als „griechisch“ zu bezeichnenden Gefilden bis zu mehr als tausend voneinander zu unterscheidende politische Einzelgebilde, gerne zusammenfassend als „Stadtstaaten“ bezeichnet. Einen besonderen Ruf erlangte die spartanische Verfassung, wie sie nach einer längeren Entwicklung ihre gewissermaßen klassische Form erlangte (siehe allgemein Gedanken zur Woche 186 – 28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Noch Väter der bis heute ja mit einigen Ergänzungen geltenden US-Verfassung sollen mit Interesse eben diese spartanische Verfassung mit ihrem System innerstaatlicher Machtaufteilung und Kontrollen betrachtet haben.
Besondere Bekanntheit erlangte das römische Zwölftafelgesetz. Diese damit zumindest teilweise erzielte Verschriftlichung von Recht geschah auf Drängen und im Interesse einfacherer Bevölkerungskreise. Diese sollten damit gegen die Willkür besonders begüterter und gesellschaftlich höherstehender Kreise geschützt werden. Die Schaffung von Gesetzessammlungen hatte im Laufe der Geschichte immer wieder das Ziel, solcher Willkür Schranken zu setzen und gerade den Schwachen in einer Gesellschaft einen gewissen Schutz zu bieten. Besonders ausgeprägt war dies beizeiten in der hebräisch-jüdischen Rechtstradition.
Die Berücksichtigung der kulturellen Überlieferungen und aktuellen Anliegen indigener Völker in verschiedenen Teilen der Welt während der letzten Jahrzehnte zeigt sich gerade in der dann jeweils feststellbaren Berücksichtigung ihrer rechtlich-juristischen Überlieferungen wie etwa in verfassungsrechtlichen Festlegungen zugunsten von Autonomie und Schutz der jeweiligen Menschen mit ihrer Kultur. Ganz Interessantes lässt sich dazu etwa in Lateinamerika wie auch in Neuseeland beobachten.
So sollte ja auch katholisches Kirchenrecht bedrohte Menschen schützen und Missbrauch aller Art nach Möglichkeit verhindern oder doch zumindest eindämmen. Täterfreundlichkeit und Täter-Opfer-Umkehr sollten da nicht das Ziel sein! Fehlentwicklungen in den letzten Jahrzehnten stellten da ein drückendes und verheerendes Problem dar.
Ganz generell bieten Religionen und Konfessionen eine Fülle und Vielfalt rechtlicher Überlieferungen und auf Problemlösung hin orientierter Strukturen. Da kann in bestimmten Fällen eher verschriftlichtes Recht im Mittelpunkt stehen, während in anderen das Gewohnheitsrecht eine besonders starke Stellung verteidigt hat. Sowohl etwas wie Naturrecht wie Inhalte, die auf eine positive, mehr oder minder direkte Offenbarung zurückgeführt werden, können jeweils besonders prägend sein. Auch das Verhältnis zu weltlichen Einrichtungen einschließlich staatlicher Gesetzgebung und Rechtsprechung kann recht unterschiedlich ausgeprägt sein. Verschiedene religiöse Überlieferungen können sich nicht zuletzt in rechtlicher Hinsicht irgendwie gegenseitig beeinflusst haben. Auch kann eine Religion bzw. Konfession Anregungen aus dem seinerseits so weiten Feld der Philosophie aufgenommen und verarbeitet haben.
Auf jeden Fall sind rechtliche Normen, ist so etwas wie Rechtsdenken und eine damit verbundene Überlieferung immer wieder unverzichtbar. Das sollte nicht leichtfertig beiseite geschoben oder mutwillig verleugnet werden.
1. Lesung: Ex 20,1-17 (oder 20,1-3.7-8.12-17) oder Ex 17,3-7
2. Lesung: 1 Kor 1,22-25 oder Röm 5,1-2.5-8
Evangelium: Joh 2,13-25 oder Joh 4,5-42 (oder 4,5-15.19b-26.39a.40-42)
Gedanken zur Woche 206-b, Dr. Matthias Martin
3. FASTENWOCHE (2024)
In der Fastenzeit können wir uns im Besonderen die eher unangenehmen bis mehr oder minder schlechten Seiten des menschlichen Lebens bewusst machen.
Es gehört ja auch zum Grundgebot der Wahrhaftigkeit, zu so etwas wie intellektueller Redlichkeit, dass man sich auch der unangenehmen Tatsachen stellt. Man kann ja erst Missstände angehen und an einer sie betreffenden Besserung zu arbeiten beginnen, wenn man sich der Situation wirklich gestellt hat und diese versucht, möglichst so wahrzunehmen, wie sie sich ohne Vertuschung und Beschönigung tatsächlich darstellt. Nur wer ein System kennt, kann an dessen echter Reform mit Aussicht auf Erfolg arbeiten. Nur wer betreffende Schwächen bis Bösartigkeiten wahrgenommen hat, kann diese auch wirklich angehen. Dazu mag ein Blick in die Geschichte sehr rasch verdeutlichen, dass der Weg einzelner Menschen wie der Kirche nicht immer einfach war und ist.
Dies geschieht bereits, wenn man auch nur eher überblickshaft nach dem bei uns üblichen liturgischen Kalender Heilige in den Blick nimmt, deren in der Dritten Fastenwoche in diesem Jahr besonders gedacht wird.
So starben die heilige Perpetua und die heilige Felizitas als Opfer römischer Christenverfolgungen (siehe allgemein Gedanken zur Woche 104-b - 3. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST VERKÜNDIGUNG DES HERRN (2022)). Beide fanden wie andere frühchristliche Märtyrerinnen Eingang in die ungekürzte Fassung des Römischen Messkanons, inzwischen auch gerne das Erste/I. Hochgebet genannt (siehe Gedanken zur Woche 102-b – 1. FASTENWOCHE (2022)).
Die hervorgehobene Stellung solcher Frauen in der überlieferten Liturgie mag Männern in der Kirche Anstoß und Mahnung sein, Frauen egal welchen Alters mit Respekt und Wertschätzung zu begegnen. Abfällige, zotige Bemerkungen gegen sie sind eben nicht „halt lustig“, egal ob sie von einem ehramtlichen Mitarbeiter in einer Pfarrgemeinde, einem Bischof oder von wem auch immer gemacht werden. Kirchliche Amtsträger sollten es nicht nur als ein Recht, sondern sogar als ihre Pflicht ansehen, gegen solches Fehlverhalten im Rahmen ihrer Möglichkeiten einzuschreiten. Erst recht sollte gegen Frauen gerichtetes übergriffiges Verhalten nicht auch noch mit einer innerkirchlichen Beförderung etwa zum Bezirksdekan beantwortet, um nicht zu sagen belohnt werden. Dies gilt erst recht dann, wenn der im betreffenden Falle verantwortliche Ortsordinarius auch noch Vorsitzender einer scheinbar ziemlich wichtigen Bischofskonferenz ist (siehe Gedanken zur Woche 157 – 5. FASTENSONNTAG (2023)).
Einst haben Frauen wie die heilige Perpetua und die heilige Felizitas unter rein menschlich gesehen schlimmen Umständen der Kirche und überhaupt Menschen guten Willens den Weg gewiesen. Sie ließen sich davon weder durch die menschenvernichtende Macht des Römischen Reiches noch etwa durch den Verrat christlicher Abtrünniger, nicht zuletzt auch so manches männlichen Amtsträgers abbringen. So leuchtet ihr Vorbild umso mehr durch die Jahrhunderte, mag dies Kirchenvertretern, welchen es mehr um ein Arrangement mit der weltlichen Macht und die Zurückdrängung traditioneller Liturgie ist, missfallen oder nicht. Dies gilt auch für das Erbe der heiligen Franziska von Rom. Gestorben im Jahre 1440 hatte diese bereits vorbildlich als Ehefrau und Mutter gewirkt. Gerade als Gründerin einer Oblatengemeinschaft im Dienste der Nächstenliebe ging sie in die Geschichte ein, als die früheren römischen Christenverfolgungen für sehr viele Menschen längst nur noch ferne Erinnerungen waren oder nicht einmal mehr in dieser Form präsent waren.
Es ist doch bemerkenswert, dass die Gedenktage dieser heiligen Frauen den inzwischen eingeführten Internationalen Frauentag am 8. März gewissermaßen einrahmen. So wird nach dem traditionellen liturgischen Kalender der heiligen Perpetua und ihrer Mitmärtyrerin Felizitas eigens am 6. März gedacht. Nach dem jetzt meist verwendeten nachkonziliaren liturgischen Kalender ist ihr Gedenktag der 7. März. Sowohl nach dem vorkonziliaren wie nach dem nachkonziliaren liturgischen Kalender liegt der Gedenktag der heiligen Franziska von Rom auf dem 9. März.
Es gab offensichtlich Zeiten, in denen gerade Frauen in der Kirche und durch die Kirche Zeichen setzen konnten.
Zugleich verdeutlichen der Lebensweg etwa der heiligen Perpetua und der heiligen Felizitas auf der einen und der heiligen Franziska von Rom auf der anderen Seite, wie unterschiedlich das Verhältnis von Kirche und Staat sein kann. Perpetua und Felizitas wurden eben Opfer einer offen antichristlichen Staatsmacht, die auch vor dem massenweisen Abschlachten nichtchristlicher Menschen nicht zurückschreckte (siehe Gedanken zur Woche 102-b - 1. FASTENWOCHE (2022); Gedanken zur Woche 111-b – 4. OSTERWOCHE (2022); Gedanken zur Woche 130 – 25. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 189 – 31. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023).
Demgegenüber konnte die heilige Franziska in einem zum durchaus etwas heterogenen Kirchenstaat gehörenden Rom wirken. Zwar leisteten sich auch damals Kirchenvertreter manches nicht zu beschönigende oder zu vertuschende Fehlverhalten. Es gab hässliche innerkirchliche Auseinandersetzungen, aber eine Christenverfolgung gab es da eben nicht. Auch ethnische Vernichtungsfeldzüge wie einst nicht zuletzt seitens des Römischen Reiches gab es seitens des Kirchenstaates eben nicht.
Mit seinem Gedenktag nach der nachkonziliaren Kalenderordnung ebenfalls am 9. März verdeutlicht der heilige Bruno von Querfurt auf drastische Weise, wie die Gegensätze im Verhältnis von Kirche und weltlicher Macht im Leben eines einzelnen Menschen aufeinanderprallen können. So war er eng mit dem deutschen Herrschergeschlecht der Ottonen, auch genannt das Sächsische Kaiserhaus, verbunden, bevor er in der von diesem unterstützten Ostmission der Märtyrertod starb. Überhaupt förderten die ottonische Dynastie bekanntlich in vielfältiger Weise die Kirche. Dies geschah durch Kloster- und Bistumsgründungen. Die von ottonischen Herrschern berufenen kirchlichen Amtsträger waren durchwegs pflichtbewusste bis heiligmäßige Persönlichkeiten. Nicht umsonst gingen aus dieser Dynastie selber eine Reihe Heiliger hervor, noch bevor in den letzten Jahrzehnten die Zahl der Selig- und Heiligsprechungen sprunghaft zunahm. Denken wir da nur an die heiligen Kaiserinnen Adelheid und Kunigunde, die heilige Königin Mathilde und den heiligen Kaiser Heinrich II. Auch der Bruder Ottos des Großen, der heilige Bruno, mag da in den Sinn kommen. Dies gilt auch in Hinblick auf die selige Königin Gisela, Schwester des heiligen Kaisers Heinrichs II. Die Frauen unter diesen Vorzeigepersönlichkeiten stehen wiederum für die herausragende Bedeutung, welche damals Frauen in Kirche und Reich erlangen konnten. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Ehefrau Ottos II., Theophanu/o, auch wenn dieser zumindest bisher die Heiligsprechung verwehrt blieb (siehe Gedanken zur Woche 91-b - 4. ADVENTWOCHE (2021)). Sicher war es damals für Männer besser, im Umfeld solcher bedeutenden Frauen nicht durch übergriffiges Verhalten einschließlich durch frauenfeindliche Sprüche aufzufallen.
Dabei diente das in ottonischer Zeit harmonische Verhältnis nicht zuletzt dem Bildungswesen. Das Schulwesen begann oft als eine kirchliche Angelegenheit. Da war die Förderung durch KaiseR/Kaiserin und Reich umso wertvoller. Eigens entwickelte sich über die Jahrhunderte eine enge Beziehung von Ordens- und Bildungswesen. Noch im CIC von 1983 wird diesem Umstand eigens in Canon/Kanon 801 Rechnung getragen:
„Ordensinstitute, denen die Erziehungsaufgabe eigens ist, haben diese ihre Aufgabe getreu beizubehalten und sich um die katholische Erziehung auch durch ihre, mit Zustimmung des Diözesanbischofs gegründeten Schulen zu bemühen“.
Dieser Festlegung kommt in Zusammenhang mit dem vorhergehenden CIC-Canon/Kanon 800 umso größere Bedeutung zu:
„§ 1. Die Kirche hat das Recht, Schulen jedweden Wissenszweiges, jedweder Art und Stufe zu gründen und zu leiten.
§ 2. Die Gläubigen haben die katholischen Schulen zu fördern, indem sie nach Kräften zu ihrer Gründung und Erhaltung beitragen.“
Gerade Canon/Kanon 631 Paragraph 2 des CCEO und CIC-Canon/Kanons 802 weisen in dieselbe Richtung (siehe Gedanken zur Woche 203 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER KRANKEN (2024)). Passend dazu lautet eigens Canon/Kanon 635 des CCEO:
„Es kommt insbesondere dem Eparchialbischof zu, dafür zu sorgen, daß es katholische Schulen gibt, vor allem wo es keine anderen Schulen gibt oder diese nicht entsprechend sind, auch berufliche und technische Schulen, soweit sie gemäß den Umständen von Ort und Zeit in besonderer Weise erforderlich sind.“
Hierbei ist insgesamt auch das seinerseits ja durch die Kirche gewürdigte Universitäts- und Hochschulwesen im Blick zu behalten.
Gedanken zur Woche 205, Dr. Matthias Martin
2. FASTENSONNTAG (2024)
Die Fastenzeit soll ja eine besondere Zeit der Buße und Umkehr, von Reue und von dort ausgehender persönlicher Erneuerung sein. Natürlich ist der einzelne Mensch, insbesondere der Christ, die Christin, stets aufgerufen, gegen die eigenen bösen Neigungen, Gewohnheiten und Handlungen anzukämpfen. So gibt es die gute Tradition beim Abendgebet, den zurückliegenden Tag aufrichtig zu bedenken. Das, was jemand Böses getan hat oder an Gutem unterlassen hat, möge er dabei bereuen. Er möge dazu Gott um sein Erbarmen und seine Hilfe anrufen. Verbunden damit kann jeweils ein guter Vorsatz oder auch deren mehrere gefasst werden, was denn in der nächsten Zeit besser gemacht werden sollte. Genauso kann jeder Tagesbeginn für einen guten Neuanfang genutzt werden. So gibt es die Redensart, dass ein guter Mann an jedem Tag sein Leben neu anfängt. Genauso sind die Menschen während des ganzen Jahres eingeladen, das Bußsakrament zu empfangen, anders gesagt zur Beichte zu gehen, das Sakrament der Versöhnung zu feiern. Auch die anderen der sieben Sakramente sind natürlich Sakramente während des ganzen Jahres und zu allen Jahreszeiten. Recht grundsätzlich und mahnend lautet da Canon/Kanon 840 des CIC:
„Die Sakramente des Neuen Bundes sind von Christus dem Herrn eingesetzt und der Kirche anvertraut; als Handlungen Christi und der Kirche sind sie Zeichen und Mittel, durch die der Glaube ausgedrückt und bestärkt, Gott Verehrung erwiesen und die Heiligung der Menschen bewirkt wird; so tragen sie in sehr hohem Maße dazu bei, dass die kirchliche Gemeinschaft herbeigeführt, gestärkt und dargestellt wird; deshalb haben sowohl die geistlichen Amtsträger als auch die übrigen Gläubigen bei ihrer Feier mit höchster Ehrfurcht und der gebotenen Sorgfalt vorzugehen.“
Zu Beginn des anschließenden CIC-Canon/Kanons 841 wird erklärt, dass „die Sakramente für die ganze Kirche dieselben sind und zu dem von Gott anvertrauten Gut gehören“. Dies wird auch zu Beginn des CCEO-Canons/Kanons 669 betont.
Wie im zitierten CIC-Canon/Kanon 840 wird auch in Canon/Kanon 667 des CCEO die generelle theologische Begründung der Sakramente betont und damit insbesondere einem gefährlichen Rechtspositivismus wie pastoraler Leichtfertigkeit und Selbstherrlichkeit Paroli geboten:
„Durch die Sakramente, welche die Kirche spenden muß, damit sie unter sichtbaren Zeichen an den Mysterien Christi Anteil gibt, heiligt unser Herr Jesus Christus die Menschen in der Kraft des Heiligen Geistes, damit sie in besonderer Weise wahre Anbeter Gottes des Vaters werden, und fügt sie ein in sich selbst und in die Kirche, seinen Leib; deshalb müssen alle Christgläubigen, vor allem aber die geweihten Amtsträger, wenn sie diese Sakramente fromm feiern und empfangen, die Vorschriften der Kirche gewissenhaft wahren.“
Ebenso gelten die Wegweisungen, welche etwa die traditionelle katholische Glaubens- und Sittenlehre bietet, während des ganzen Jahres, während aller zwölf Monate des gregorianischen/Gregorianischen Kalenders. Demensprechend bemüht sich die Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau fortwährend um ein umfassendes seelsorgliches und gerade auch sakramentales, um etwas modern zu sprechen, Angebot. Dies betrifft nicht zuletzt das fortgesetzte Beichtangebot in der Pfarrgemeinde. Dazu gehört auch die Herausgabe des Pfarrbriefes, der Betrieb der Start-/Heimseite/Homepage und nicht zuletzt die Fortführung der Artikelreihe „Gedanken zur Woche“.
Wenn wir uns aber vergegenwärtigen, dass Menschen eine gewisse augenfällige Abwechslung wünschen und diese, eine Änderung im täglichen Leben durchaus motivierend für den Versuch eines guten Neuanfangs sein kann, so mögen wir umso mehr der Einteilung des Kirchenjahres in verschiedenen Zeiten und besondere Tage zustimmen. Nicht umsonst gibt es in der christlichen Überlieferung etwa den Spruch (siehe Gedanken zur Woche 69 – 16. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021):
„Wenn Fasten, dann Fasten,
wenn Rebhuhn, dann Rebhuhn“.
Auch mag das Motto in den Sinn kommen „Abwechslung erfreut!“ Hier kommt eben der Fastenzeit als vorösterlichen Bußzeit und dem Advent als der vorweihnachtlichen Bußzeit eben eine besondere Bedeutung in Hinblick auf die Bemühung zu Besinnung, Reue und richtiger Umkehr zu.
Zu Reue und Umkehr ist jede und jeder einzelne aufgerufen. Dieser Ruf letztlich ergeht auch an Gruppen von Menschen, an örtliche wie überörtliche Gemeinschaften. Ja, wenn man die Kirche als so etwas wie eine empirisch hier auf Erden fassbare Gemeinschaft bzw. als juristische Größe anspricht, so gilt dieser Anruf eben auch für die Kirche.
Dabei ist die heutige Situation gerade streng empirisch betrachtet schwierig bis katastrophal. Die enorme kirchenamtliche Papierproduktion seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil konnte dies nicht verhindern. Oftmals wird diese ausufernde Papiererzeugung samt Zunahme von Gremien längst kritisch gesehen (siehe Gedanken zur Woche 33 – 30. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2020) und Gedanken zur Woche 67-b - 14. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)). Tatsächlich sind alle möglichen Dokumente einschließlich den offiziellen Beschlüssen des Zweiten Vatikanischen Konzils auch hauptamtlichen Kirchenmitarbeitern oft völlig unbekannt und werden sehr gerne als eh irrelevant behandelt. Umso leichter kann man dann auch unter verbaler Berufung auf das Zweite Vatikanische Konzil das Gegenteil von dem propagieren, was in dessen Dokumenten tatsächlich nachzulesen ist.
Umso schwieriger wird es dann im kirchlichen Alltag. Dies gilt natürlich nicht zuletzt auch für den so schwerwiegenden Bereich des Missbrauchs bzw. der Missbrauchsbekämpfung. Jüngst sah man sich hierzu im Vatikan zu einer bemerkenswerten Klarstellung gezwungen, die als ein Eingeständnis tatsächlicher Schwierigkeiten zu sehen ist. Dementsprechend findet sich in der deutschen Ausgabe des L’OSSERVATORE ROMANO (Nummer 6 2024 (54. Jahrgang – 9. Februar 2024) Seite 4) die Mitteilung:
„Dikasterium für die Glaubenslehre
nicht für alle Missbrauchsfälle zuständig
Vatikanstadt. Die Sektion für die Disziplin des Dikasteriums für die Glaubenslehre ist weiterhin nur für die Fälle des sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen und an Menschen mit geistiger Behinderung zuständig. Dies teilte die Behörde in einer kurzen Erklärung mit.
Fälle, in denen sonstige >schutzbedürftige Personen< Opfer sexueller Übergriffe durch Geistliche wurden, fallen in die Zuständigkeit anderer vatikanischer Behörden. Dazu zählen – je nach Beschuldigtem – die Dikasterien für Bischöfe, für Kleriker, für die Missionsgebiete oder für Ordensleute. Mit der am 30. Januar veröffentlichten Klarstellung reagiert die Behörde auf Missverständnisse, die sich aufgrund einer erweiterten Definition des Begriffs >schutzbedürftige Person< ergeben hatten. In dem vorherigen Apostolischen Schreiben von 2019, das 2023 durch das neue Motu proprio „Vos estis lux mundi“ (Ihr seid das Licht der Welt) aufgehoben wurde, hatte Papst Franziskus den Begriff weiter gefasst.
Als schutzbedürftige Erwachsene gelten seitdem alle Personen >im Zustand von Krankheit, von physischer oder psychischer Beeinträchtigung oder von Freiheitsentzug, wodurch faktisch, auch gelegentlich, ihre Fähigkeit zu verstehen und zu wollen eingeschränkt ist, zumindest aber die Fähigkeit, der Schädigung Widerstand zu leisten<.“
Dabei steht natürlich weiterhin allen Gläubigen grundsätzlich das Recht zu, ihre Wünsche und Anregungen, wie auch ihre Verärgerung und Beschwerden bei kirchlichen Stellen, namentlich bei den offiziellen Hirten einzubringen. Sie sollen sich nicht einschüchtern oder irgendwie abwimmeln lassen, nicht von geweihten Amtsträgern und nicht durch Kirchliche Angestellte oder Verbands- und Vereinsfunktionäre. Dieses Grundrecht ist auch kein Gnadenakt einer Bischofskonferenz, eines Ordinariates oder irgendeines mehr oder minder kirchlichen Laiengremiums, für den man sich auch noch zu bedanken hätte. Dazu hat grundsätzlich der weltliche Rechtsweg samt Einschaltung öffentlich-rechtlicher Verwaltungs- und Hilfseinrichtungen offen zu stehen.
1. Lesung: Gen 22,1-2.9a.10-13.15-18
2. Lesung: Röm 8,31-b-34
Evangelium: Mk 9,2-10
Gedanken zur Woche 205-b, Dr. Matthias Martin
2. FASTENWOCHE (2024)
Während der Zweiten Fastenwoche mögen viele Menschen, die sich für diese Fastenzeit etwas Besonderes vorgenommen haben, etwa auf Alkoholkonsum oder das Rauchen auf Dauer oder für die Zeitspanne dieser Fastenzeit zu verzichten oder in anderer Weise die eigene Lebensführung zu verbessern, innehalten. Sie mögen darüber nachdenken, inwieweit es ihnen gelungen ist, die guten Vorsätze tatsächlich umzusetzen. Bei den offenkundigen menschlichen Schwächen ist es ja alles andere als selbstverständlich, dass gute Vorsätze jeweils verwirklicht werden und dieses dann vielleicht auch noch reibungslos geschieht. Das Ankämpfen gegen den Genuss solch verbreiteter Volksdrogen wie eben Alkohol und Nikotin kann als eine Sisyphusarbeit erscheinen. Dies gilt aber auch ganz allgemein bei Bemühungen, etwas in der menschlichen Gemeinschaft zu verbessern oder etwa Missverständnisse bis völlig falsche Orientierungen im mehr innerkirchlichen Bereich zumindest zurückzudrängen (siehe allgemein Gedanken zur Woche 183-b – 25. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 177-b – 19. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL (2023)).
Davon sollen sich Menschen guten Willens nicht entmutigen lassen. Auf unserem Lebensweg sollen wir uns nach Kräften für die Verwirklichung des Guten und die Meidung oder Zurückdrängung des Bösen einsetzen.
So ist die Kirche eingeladen, sich ganz generell in die Verbreitung von echtem Wissen einzubringen und ihrerseits Wissenschaft, Bildung und allgemein Kultur zu fördern.
Eigene Bedeutung kommt hierbei Katholischen Universitäten und anderen katholischen Hochschuleinrichtungen zu (siehe Gedanken zur Woche 201-b – 4. WOCHE IM JAHRESKREIS mit FEST von DARSTELLUNG DES HERRN (2024)). Dazu kommt der davon sich einerseits unterscheidende, aber in der praktischen Verwirklichung immer wieder überschneidende Gesamtbereich der Kirchlichen Universitäten und Fakultäten (siehe Gedanken zur Woche Gedanken zur Woche 202 – 5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)).
Die Förderung von Kunst, Bildung und Wissenschaft entspricht damit dem Anliegen beispielsweise des Fünften Laterankonzils, des Konzils von Trient und des Ersten Vatikanischen Konzils. In Hinblick auf das textlich besonders umfangreiche Zweite Vatikanische Konzil können hierzu besonders das Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel „Inter mirifica“, die Erklärung über die christliche Erziehung „Gravissimum educationis“ und das Priesterausbildungsdekret „Optatam totius“ in den Sinn kommen. Einzelne Aussagen finden sich etwa im Dekret über das Laienapostolat „Apostolicam actuositatem“ und in der pastoralen Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“.
Passend zur Fastenzeit als Zeit des Bemühens um innerliche, um geistig-moralische Erneuerung wird dabei auch im katholischen Kirchenrecht nicht zuletzt der Zusammenhang zwischen dem katholischen Universitätswesen und einer glaubwürdigen sittlichen Lebensführung betont. So lautet Paragraph 1 von Canon/Kanon 810 des CICs von 1983:
„Aufgabe der nach den Stauten zuständigen Autorität ist es, dafür zu sorgen, dass in katholischen Universitäten Dozenten berufen werden, die sich, außer durch wissenschaftliche und pädagogische Eignung, durch Rechtgläubigkeit und untadeliges Leben auszeichnen, und dass sie unter Einhaltung des in den Statuten festgelegten Verfahrens aus ihrem Amt abberufen werden, wenn die geforderten Voraussetzungen nicht mehr gegen sind.“
Wenn man grundsätzlich davon ausgeht, dass die katholische Lehre gerade im Sinne von Sittenlehre richtiges Verhalten mit dem Tun von Gutem und Meiden von Bösen fordert, so wird der Grundsatz, dass gutes Verhalten auch in katholischen Universitäten und anderen Hochschuleinrichtungen zu beherzigen ist, noch durch Paragraph 2 dieses CIC-Canons/Kanon 810 eingeschärft:
„Die Bischofskonferenzen und die beteiligten Diözesanbischöfe haben die Pflicht und das Recht, darüber zu wachen, dass in diesen Universitäten die Grundsätze der katholischen Lehre getreu beachtet werden.“
Grundsätzlich gilt dies auch für die Kirchlichen Universitäten und Fakultäten. So wird in Canon/Kanon 818 des CICs von 1983 festgehalten:
„Die Vorschriften der cann. 810, 812 und 813 für die katholischen Universitäten gelten auch für die kirchlichen Universitäten und Fakultäten.“
Im CCEO für die Katholischen Ostkirchen wird in Canon/Kanon 644 eigens der Zusammenhang von Unterrichtstätigkeit an Katholischen Universitäten und der persönlichen Lebensführung von Angehörigen des Lehrpersonals auf eigene Weise angeschnitten.
Eine sittliche Lebensführung im Sinne von so etwas wie traditioneller katholischer Überlieferung wird ja sowohl im CIC als auch im CCEO auch in Hinblick auf die eingefordert, die an Schulen Religionsunterricht erteilen (siehe Gedanken zur Woche 204 – 1. FASTENSONNTAG (2024)).
Bezüglich der Verbindung gelebter moralischer Normen und einem kirchlichen oder kirchlich orientierten Lehrbetrieb ist auch ein Blick in die Apostolische Konstitution von Papst Franziskus „Veritatis gaudium“ über die kirchlichen/Kirchlichen Universitäten und Fakultäten vom 27. Dezember 2017 ( https://www.vatican.va/content/francesco/de/apost_constitutions/documents/papa-francesco_costituzione-ap_20171208_veritatis-gaudium.html ) von Interesse.
Dort heißt es eigens in Artikel 31:
„Die kirchlichen Fakultäten stehen allen Klerikern und Laien offen, die durch ihre sittliche Lebensführung und abgeschlossene Vorstudien für die Aufnahme in die Fakultät geeignet sind. Beides muss durch ein entsprechendes Zeugnis nachgewiesen werden.“
In den Ausführungsbestimmungen, den Ordinationes der damaligen vatikanischen Kongregation für das Katholische Bildungswesen zur richtigen Anwendung der Apostolischen Konstitution „Veritatis gaudium“ wird im dortigen Artikel 26 Paragraph 1 eigens festgehalten ( https://www.kathpedia.com/index.php?title=Zur_Anwendung_der_Apostolischen_Konstitution_Veritatis_gaudium#Ausf.C3.BChrungsbestimmungen_vom_27._Dezember_2017):
„Das in Art. 31 vorgeschriebene Zeugnis:
1. wird, was die moralische Lebensführung betrifft, für die Kleriker, Seminaristen und Ordensleute von ihrem Ordinarius oder Hierarchen, von ihrem Oberen oder seinem Beauftragten, für die Übrigen von einer kirchlichen Stelle ausgestellt; …“.
Zugleich wird immerhin ein Versuch unternommen, die Studierenden gegen Willkür zu schützen. So lautet Artikel 29 dieser Ausführungsbestimmungen:
„Die Normen für die Suspendierung eines Studenten oder seinen Ausschluss aus der Fakultät sollen seinem Recht, sich zu verteidigen, Rechnung tragen.“
Tatsächlich droht ja überall, wo es so etwas wie Autoritätsverhältnisse gibt, wo in schon rein praktischer Hinsicht hierarchische Gegebenheiten vorliegen, Missbrauch dieser Autorität, ein Missbrauch einer betreffenden Position.
Dies zeigt sich gerade, aber natürlich nicht nur, in sexueller Hinsicht.
In den letzten Jahren ist hier gerade auch im Film- und Fernsehwesen ja einiges ans Licht gekommen. Die Bewegung „Me too“ hat hier zumindest schon etwas angestoßen. Schon vorher war diesbezüglich einiges ins Rollen gekommen in so unterschiedlichen Bereichen wie dem US-Strafvollzug und den davon dann auch finanziell besonders betroffenen US-Pfadfindern. Inzwischen hat diese Welle von Aufdeckung längst auch den US-Frauenfußball wie das Sportwesen in anderen Ländern erfasst. Gerade die sexuelle Ausbeutung von Ordensfrauen, von weiblichen Mitgliedern von Ordens- und ordensähnlicher Gemeinschaften durch (natürlich) männliche Kleriker ist ein eigener wie auch furchtbarer Bereich. Es bleibt abzuwarten, was bezüglich des (möglichen) Missbrauches von Autoritätsverhältnissen durch männliche Vorgesetzte gegenüber Seminaristen und Novizen etwa noch von der römischen Kirchenleitung unternommen wird, bzw. was irgendwie doch ans Licht kommt und vielleicht glaubwürdig geahndet wird.
Gerade in solchen Verhältnissen ist ja eine untergebene Person einem Vorgesetzten oft massiv bis völlig schutzlos ausgeliefert. Einer jungen Schauspielerin, einem jungen Schauspieler, einer Nachwuchssportlerin, einem Nachwuchssportler kann leicht die völlige Zerstörung ihrer bzw. seiner Möglichkeiten, ja überhaupt der Lebensaussichten angedroht werden, wenn sie bzw. er nicht willig ist. Einen in sexueller Hinsicht unwilligen Seminaristen oder Novizen kann wohl auch heute noch einigermaßen handfest eine Diskreditierung in der weltweiten Kirche angedroht werden. Natürlich werden dann passende Vorwürfe vor- und untergeschoben, etwa mangelndes pastorales Einfühlungsvermögen bis hin zu unterstellten Sympathien für die in weiten Teilen der offiziellen Hierarchie bekämpften katholisch-traditionalistischen Positionen. Da haben Vorgesetzte schnell eine Killerphrase an der Hand, wenn derjenige, diejenige, welche hierarchisch sich in der schwächeren Position befindet, eben nicht willig ist. Derartiges ist ganz offenkundig ein weit verbreitetes Problem. Die Kontrolle von Macht und ihrem möglichen Missbrauch ist gerade im kirchlichen Bereich eine dringende Notwendigkeit. Weitergehende intensive Ermittlungen legen sich ehrlicherweise gerade hier wirklich nahe. Kirchenvertreterinnen und Kirchenvertreter sollten doch erst einmal vor der eigenen Türe kehren, anstatt mit dem Finger auf andere zu zeigen bzw. etwa durch gesellschaftliche Trittbrettfahreraktionen von Missständen im eigenen Bereich abzulenken.
Gedanken zur Woche 204, Dr. Matthias Martin
1. FASTENSONNTAG (2024)
Der Beginn der Fastenzeit, der natürlich besonders durch den Fasttag von ASCHERMITTWOCH und dazu auch durch den ERSTEN FASTENSONNTAG gekennzeichnet ist, sollte genutzt werden, von schlechten Neigungen und Verhaltensweisen Abstand zu gewinnen. Wohl gerade viele Katholikinnen und Katholiken machen sich hierzu gute Vorsätze. Die besten Vorhaben aber helfen nichts, wenn sie nicht mit Beharrlichkeit in die Tat umgesetzt werden. Da ist dann eben Selbstdisziplin gefordert.
Nach traditioneller christlicher Auffassung, wie sie zumindest mehr oder minder von den meisten sich christlich nennenden Gemeinschaften offiziell geteilt wird, sind in Jesus Christus göttliche und menschliche Natur miteinander vereint. Sowohl die menschliche als auch die göttliche Natur sind dahingehend miteinander verbunden, aber eben nicht aufgelöst, ja auch nicht miteinander vermischt. Das im Jahre 451 n. Chr. tagende Konzil von Chalcedon formulierte, dass
„ein und derselbe ist Christus, der einziggeborene Sohn und Herr, der in zwei Naturen unvermischt, unveränderlich, ungetrennt und unteilbar erkannt wird, wobei nirgends wegen der Einung der Unterschied der Naturen aufgehoben ist, vielmehr die Eigentümlichkeit jeder der beiden Naturen gewahrt bleibt und sich in einer Person und einer Hypostase vereinigt; der einziggeborene Sohn, Gott, das Wort, der Herr Jesus Christus, ist nicht in zwei Personen geteilt oder getrennt, sondern ein und derselbe, wie es früher die Propheten über ihn und Jesus Christus selbst es uns gelehrt und das Bekenntnis der Väter es uns überliefert hat.“
Nach seiner menschlichen Natur empfand demnach Jesus von Nazaret also auch etwa Hunger und Durst. Gerade vom neutestamentlichen Hebräerbrief her wurde die Formulierung entwickelt, dass Jesus den Menschen in allem gleich wurde, außer der Sünde. Umso interessanter ist, dass er sich vor Beginn seiner öffentlichen Tätigkeit einem vierzigtägigen Fasten unterzog. In dem ja insgesamt wesentlich kürzeren Markusevangelium ist dies knapper (Mk 1,12-13) als in den beiden synoptischen Großevangelien oder Seitenreferenten nach Matthäus und Lukas formuliert (Mt 4,1-11 und Lk 4,1,13). Dementsprechend liegt hier einiges vor, was sowohl im Matthäus- als auch im Lukasevangelium zu finden ist, also so etwas wie Traditio Duplex/Duplex Traditio darstellt. Die Zeit von vierzig Tagen Jesu in der Wüste wird demgegenüber in allen drei synoptischen Evangelien erwähnt, wird uns also in einer Traditio Triplex/Triplex Traditio geboten.
Egal, ob man nun lieber im Einzelnen der dortigen Anordnung des Stoffes von der dreifachen Versuchung Jesu nach Matthäus oder Lukas folgt, so steht Jesus von Nazaret auf jeden Fall als großes Vorbild an Selbstdisziplin vor Augen. Weder durch die Dauer der vierzig Tage noch durch die besonderen Versuchungen durch den Teufel ließ er sich von seinem gerade Weg abbringen.
Dies kann eine zusätzliche Anregung, ein eigener Ansporn sein, gemachte gute Vorsätze etwa in der Fastenzeit auch umzusetzen und sich davon nicht abbringen zu lassen.
Wenn man nun berufstätig ist, lässt sich ein strenges Fasten als solches ja nicht so einfach durchführen. Die Fastenzeit kann aber dazu genutzt werden, etwa bestimmte Konsumverhaltensweisen auszusetzen. Dies ist gerade bezüglich Drogen aller Art und eben besonders Volksdrogen wie Alkohol und Nikotin doch sehr bedenkenswert.
Die in der offiziellen römisch-katholischen Kirche insbesondere seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) durchgeführten Lockerungen bis Abschaffungen bei den Fast- und Abstinenzregelungen könnten als Anregungen aufgegriffen werden, sich auf ganz bestimmte Bereiche des Konsumverhaltens in Hinblick eben auf Verzicht, ja auf nachhaltige Entwöhnung zu konzentrieren. Das betrifft dann eben gerade den Bereich von mehr oder minder legalen Volksdrogen wie Alkohol und Nikotin. Nicht umsonst findet sich in manchen Lehrplänen auch für den katholischen Religionsunterricht schon seit Jahren die Problematik von verschiedenartigen Süchten, von Abhängigkeiten. Da spielen eben gerade solche Volksdrogen ihre Rolle und sollten etwa im Unterricht dementsprechend thematisiert werden. Schon vor Jahrzehnten war es im Gebiet der jetzigen Europäischen Union bei politische Verantwortung tragenden Parteien gewissermaßen von links bis rechts insbesondere unstrittig, dass das Rauchen nach Möglichkeit eingeschränkt und Menschen gegen das durch irgendwelche Zeitgenossen aufgezwungene Passivrauchen mit all seinen üblen Folgen beschützt werden müssen. Gar manches ist seitdem geschehen etwa in Hinblick auf die Bemühung, das Rauchen aus Gaststätten und dergleichen zu verbannen. Wie schon angeschnitten, handelt es sich hierbei um ein Grundanliegen, welches Partei-, Staats- und Konfessions- bis Religionsgrenzen überschreitet.
Gerade Lehrkräfte sind hier aufgerufen, nicht nur in einer notwendigerweise oft eher theoretisierenden Weise die Gefahren von Süchten und das eben gerade in Hinblick auf betreffende, mehr oder minder noch legale Volksdrogen anzusprechen. Gerade der Beginn der auch über einen engeren konfessionell-kirchlichen Bereich hinaus sehr oft mit Interesse betrachteten Fastenzeit mag da ein guter Anlass sein, dass sich Lehrkräfte aller möglichen Schattierungen und Einzelberufsfeldern mehr denn je von Alkohol- und Nikotinkonsum auch und gerade im eigenen Lebensvollzug distanzieren. Dies gilt grundsätzlich auch für alle die Menschen, welche im kirchlichen Bereich tätig sind. Auch wenn es bei der Umsetzung immer wieder hapert, ja zu katastrophalem Fehlverhalten kommt, so sollten doch gerade Personen, welche als so etwas wie das sichtbare Bild von Kirche wahrgenommen werden, mit gutem Beispiel vorangehen.
Ich erinnere mich, wie ich während meiner die zukünftigen Lehrkräfte mit ihren verschiedenen Unterrichtsfächern umfassenden Lehrerausbildung in Innsbruck nüchtern und respektvoll angesprochen wurde, dass in ihrem beruflichen Alltag Religionslehrerinnen und Religionslehrer besonders gefordert sind. Der betreffende Dozent bedankte sich ausdrücklich für meinen Hinweis, dass man ganz spontan an einen Religionslehrer in Hinblick auf sein Leben im Alltag andere Erwartungen stellt als etwa an einen Mathematiklehrer. Ich hatte gemeint, dass für junge Menschen, für Schülerinnen und Schüler, zehn plus zehn immer zwanzig ergibt, egal wie das persönliche Lebensstil eines Mathematiklehrers aussieht. Bei einem Religionslehrer könne seine fachliche oder wie auch immer zu bezeichnende Glaubwürdigkeit zerstört werden durch ein, einschlägigen Moralvorstellungen widersprechendes, Verhalten dieser Lehrkraft.
Dies wird auch generell im Kirchenrecht berücksichtigt. Sowohl im CIC für die Lateinische Kirche als auch im CCEO für die Katholischen Ostkirchen/katholischen orientalischen Kirche wird dies deutlich. Jeweils wird grundsätzlich die Frage des persönlichen Lebenszeugnisses von Lehrkräften angesprochen. Dabei wird der Blick gerade auf Religionslehrer und Religionslehrerinnen gerichtet.
So lautet Paragraph 2 von Canon/Kanon 804 des CIC von 1983:
„Der Ortsordinarius hat darum bemüht zu sein, dass sich diejenigen, die zu Religionslehrern in den Schulen, auch den nichtkatholischen, bestellt werden sollen, durch Rechtgläubigkeit, durch das Zeugnis christlichen Lebens und durch pädagogisches Geschick auszeichnen.“
Unmittelbar im Anschluss daran ist in Canon/Kanon 805 zu lesen:
„Der Ortsordinarius hat für seine Diözese das Recht, die Religionslehrer zu ernennen beziehungsweise zu approbieren und sie, wenn es aus religiösen oder sittlichen Gründen erforderlich ist, abzuberufen beziehungsweise ihre Abberufung zu fordern.“
Gerade mit Paragraph 2 von Canon/Kanon 636 wird im CCEO in dieselbe Richtung gewiesen:
„Dem Eparchialbischof kommt auch zu, die katholischen Religionslehrer zu ernennen und sie, wenn es ein Grund des Glaubens oder der Sitten verlangt, abzusetzen bzw. zu fordern, daß sie abgesetzt werden.“
Um so mehr mögen gerade katholische Lehrkräfte und da nicht zuletzt Religionslehrinnen und Religionslehrer eifrig bestrebt sein, gute und anspornende Vorbilder zu sein. Die Fastenzeit mag dazu eine eigene Auffrischung bieten. Gute Vorbilder sollten natürlich alle kirchlichen Mitarbeiter und dergleichen sein, und das nicht nur zur Fastenzeit.
1. Lesung: Gen 9,8-15
2. Lesung: 1 Petr 3,18-22
Evangelium: Mk 1,12-15
Gedanken zur Woche 204-b, Dr. Matthias Martin
1. FASTENWOCHE (2024)
Das Voranschreiten der Ersten Fastenwoche kann für Menschen guten Willens eine Herausforderung darstellen. Viele machen sich ja in der einen oder anderen Weise Fastenvorsätze. Rasch stellt sich dann die Frage, ob man diese Pläne auch tatsächlich verwirklicht oder sie alsbald fallen lässt. Beharrlichkeit ist da eben gefordert. Die Heiligen, deren nach dem üblichen liturgischen Kalender in diesem Jahr 2024 während der Ersten Fastenwoche besonders gedacht wird, mögen da einen besonderen Ansporn vermitteln, gegen alle Widrigkeiten an eigenen guten Vorsätzen eben nicht zuletzt in der Fastenzeit festzuhalten. Hinzu kommt das Fest von der KATHEDRA PETRI, dem Stuhle Petri. Dieses verdeutlicht auf eigene Weise die Nachhaltigkeit der christlichen Botschaft, die Überlebensfähigkeit kirchlichen Wirkens. Der bis in Filmproduktionen hinein gehenden Überlieferung zufolge starben der heilige Petrus wie auch der heilige Paulus und weitere Christen während der Verfolgung unter dem besonders berüchtigten römischen Kaiser Nero den Märtyrertod. Dabei war diese auch von nichtchristlicher Seite bezeugte Verfolgung erst ein Vorspann späterer und mitunter wesentlich systematischerer Christenverfolgungen im Römischen Reich und anschließender bewusster Unterdrückung der Anhänger des Glaubensbekenntnisses von Nicäa durch den römischen Staat. Das Christentum aber und gerade seine sich im Glaubensbekenntnis von Nicäa ausdrückende Richtung konnten nicht vernichtet werden. Man muss kein religionswissenschaftlicher, historischer oder theologischer Experte sein, um zu wissen, dass das Christentum längst eine Weltreligion ist, während das Römische Reich unterging.
Weniger bekannt ist der Umstand, dass es sich beim Apostolischen Stuhl, auch genannt Heiliger Stuhl, um ein Völkerrechtssubjekt eigener Art, ein Völkerrechtssubjekt sui generis handelt. Scheinbar etwas bekannter ist die Stellung des Papstes als Oberhauptes des Vatikanstaates (siehe Gedanken zur Woche 179 – 21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Hinzu kommen als eigene Größen in der Internationalen Gemeinschaft mit besonderer katholischer Prägung gerade der Souveräne -Malteser-Ritter-Orden, kurz Malteserorden, und der Campo Santo Teutonico (siehe Gedanken zur Woche 93 – HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA und WELTFRIEDENSTAG (2022) und Gedanken zur Woche 137-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Über ganz eigene Beziehungen zur katholischen Weltkirche und nicht zuletzt zum Apostolischen/Heiligen Stuhl verfügt der Staat von Andorra (siehe Gedanken zur Woche 142 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2022) und Gedanken zur Woche 195 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2023))
Diese Überlebensfähigkeit des Christentums und gerade der katholischen Kirche unterstreichen in derselben liturgischen Woche auch die Gedenk- oder Festtage des heiligen Polykarp und des heiligen Matthias. Beide starben nach ganz alten Überlieferungen ihrerseits in der Frühzeit des Christentums den Märtyrertod. In seiner Zeit wirkte allen Schwierigkeiten zum Trotz der heilige Petrus Damianus unter Betonung eines guten Verhältnisses zum Ersten Deutschen Reich, dem Heiligen Römischen Reich deutscher Nation, und dessen Kaiser für die Erneuerung der Kirche.
Die Beharrlichkeit kirchlichen Wirkens mahnt das Kirchenrecht eben nicht zuletzt in Hinblick auf den universitären Bereich, auf Fakultäten, Hochschulen und Universitäten an.
So wird in Canon/Kanon 813 des CIC von 1983 gemahnt:
„Der Diözesanbischof hat eine nachhaltige Hirtensorge für die Studenten zu unterhalten, auch durch Errichtung einer Pfarrei oder wenigstens durch auf Dauer dazu bestellte Priester, und er hat dafür zu sorgen, dass bei den Universitäten, auch den nichtkatholischen, katholische Universitätszentren bestehen, die den Studenten Hilfe, vor allem geistliche, bieten.“
In Canon/Kanon 645 des CCEO für die Katholischen Ostkirchen finden sich in Zusammenhang mit den Katholischen Universitäten (siehe die Canones/Kanones 640-645) die Worte:
„Es kommt den Hierarchen zu, nach erfolgter Beratung dafür Vorsorge zu treffen, daß es auch bei anderen Universitäten katholische Wohnheime und Universitätszentren gibt, in denen sorgfältig ausgewählte und vorbereitete Christgläubige der universitären Jugend eine ständige geistliche und geistige Unterstützung bieten.“
Wie der zitierte CIC-Canon/Kanon 813 verdeutlicht, können für die Hochschulseelsorge nicht zuletzt sogenannte Personalpfarreien errichtet werden. Die Möglichkeit, diese zu errichten wird in sehr allgemeiner Weise in Canon/Kanon 518 des CIC von 1983 thematisiert:
„Die Pfarrei hat in aller Regel territorial abgrenzt zu sein und alle Gläubigen eines bestimmten Gebietes zu umfassen; wo es jedoch angezeigt ist, sind Personalpfarreien zu errichten, die nach Ritus, Sprache oder Nationalität der Gläubigen eines Gebietes oder auch unter einem anderen Gesichtspunkt bestimmt werden.“
Grundsätzlich existieren für die verschiedenen Riten in der Weltkirche eine Reihe von Kirchen eigenen Rechts, Kirchen sui iuris (siehe allgemein Gedanken zur Woche 129-b – 24. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Kirchen eigenen Rechtes können jenseits der größten unter ihnen, der Lateinischen Kirche, patriarchalen, großerzbischöflichen oder metropolitanen Ranges sein. Eine Kirche eigenen Rechts/sui iuris wird ansonsten eine der anderen oder sonstigen Kirchen eigenen Rechts sein (siehe Gedanken zur Woche 123 – 18. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Nicht zuletzt gab es lange Diözesen deutscher Heimatvertriebener im westlichen Exil wie auch betreffende Ordensstrukturen. Als Exilstrukturen in der katholischen Weltkirche gewannen generell betreffende Priesterseminarien bzw. Kollegien nach dem Zweiten Weltkrieg eigene Bedeutung. Dies gilt auch für die diplomatischen Positionierungen des Vatikans.
Schon vorher hatte es jahrhundertelang Seminare bzw. Kollegien und Ordensstrukturen im Exil gerade für die von englischer und dann britischer Seite unterdrückten irischen, schottischen und englischen bis walisischen Ortskirchen gewirkt. Dabei ist zu betonen, dass die katholische Weltkirche stets die nationale Identität und möglichste Eigenständigkeit auch von Wales verteidigt hat. Der Name der gemeinsamen Bischofskonferenz von England und eben Wales verdeutlicht dies. Auch die Verfolgung der ukrainischen Katholiken über die Jahrhunderte, insbesondere als Folge der russischen Politik, zwang die katholische Kirche im Bereich von Auswanderer- bis Flüchtlingsbetreuung umso mehr, Erfahrungen zu sammeln und eigene Strukturen aufzubauen. Auch fern der alten Heimat bewies und beweist der ukrainische Katholizismus insbesondere in der von Konstantinopel herkommenden Tradition eine bemerkenswerte Vitalität und Überlebensfähigkeit.
Eine eigene Vitalität und Überlebensfähigkeit bewiesen und beweisen auch Studentenverbindungen, die Opfer von Vertreibungen wurden. Dies lässt sich für die Zeit von 1918 an in Zusammenhang mit den von französischer Seite in Elsass-Lothringen begangenen Gewalttätigkeiten einschließlich Vertreibungen wie auch für Vertreibungsfälle aus dem ostmitteleuropäischen bis osteuropäischen Raum feststellen. Überhaupt weisen Studentenverbindungen in all den Stürmen der Zeit immer wieder eine beachtliche Stabilität auf. Katholischen Studentenverbindungen kommt immer wieder im universitären Bereich eine nicht zu unterschätzende Bedeutung auch in pastoraler Hinsicht zu, während sonst so etwas wie Volkskirche längst zu bestehen aufgehört hat. Ein sehr interessantes Phänomen stellen auch die jeweiligen im Amerikanischen fraternities und sororities genannten Gemeinschaften in den USA dar. Gerade hier ist zwischen den unterschiedlichen einzelnen Gemeinschaften deutlich zu unterscheiden. Beileibe nicht alle sind katholisch oder der katholischen Kirche nahe stehend.
Auch katholische Studentenverbindungen bzw. fraternities und sororities stellen Studierenden einschließlich eigenen Mitgliedern mitunter wertvollen Wohnraum zur Verfügung und wirken mit am kulturellen Leben.
Umso mehr sollte man ihre Bedeutung anerkennen.
Gedanken zur Woche 203, Dr. Matthias Martin
6. SONNTAG IM JAHRESKREIS und WELTTAG DER KRANKEN (2024)
Der GEDENKTAG UNSERER LIEBEN FRAU IN LOURDES, auch genannt FEST DER ERSCHEINUNG DER UNBEFLECKTEN JUNGFRAU MARIA, ist ein bedeutender Gedenk- bzw. Festtag im kirchlichen Jahreskreis. Umso naheliegender war es, diesen Gedenk-/Festtag bei der sog. Liturgiereform zu Ende der sechziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts nicht zu verschieben.
Dementsprechend findet dieser Tag sowohl im Volksschott aus dem Jahres 1961 für die Feier der Heiligen Messe im Tridentinischen Ritus, auch genannt etwa die Messe des heiligen Pius V., die Messe Johannes XXIII., die Messe Gregors des Großen bis hin zu Messe Don Camillos wie in der kleinen Ausgabe des derzeit meist in unseren Breiten verwendeten Deutschen Messbuchs für den nachkonziliaren/Nachkonziliaren Ritus, auch genannt Messe Pauls VI. oder die Erneuerte Liturgie (siehe Gedanken zur Woche 138-b – 33. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)) eigene Berücksichtigung.
So kann im Volksschott von 1961 nachlesen:
„Das Fest wird gefeiert zur Erinnerung an die erstmalige Erscheinung Mariä zu Lourdes am 11. Febr 1858. Pius X. schrieb es am 13. Nov 1907 für die ganze Kirche vor.“
Etwas umfangreicher ist die Erläuterung für den Gedenk- bzw. Festtag am 11. Februar sogar in der kleinen Ausgabe des Deutschen Messbuchs für die nachkonziliare Liturgie:
„Vom 11. Februar bis zum 16. Juli 1858 erschien die selige Jungfrau dem Mädchen Bernadette Soubirous achtzehnmal in der Grotte von Massabielle (Lourdes), zu der seither unzählige Gläubige aus der ganzen Welt pilgern. Unter Pius X. wurde 1907 der heutige Gedenktag eingeführt.“
Wie der in Portugal gelegene Wallfahrtsort Fatima ist in den letzten Jahrzehnten auch Lourdes ein festes Reise- oder Pilgerziel für die Päpste geworden (siehe Gedanken zur Woche 48-b – 5. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche HOCHFEST von der AUFNAHME MARIENS IN DEN HIMMEL und 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)). Dabei besitzen sowohl Fatima als auch Lourdes ihre eigene Bedeutung als sehr beliebte Wallfahrtsziele für die Anhängerinnen und Anhänger der verschiedenen Liturgieformen in der katholischen Kirche. Sie stellen damit in besonderer Weise Orte kirchlicher Einheit unter Katholkinnen und Katholiken dar. Dabei natürlich auch die okzitanischen Schreibweisen wie Lorda und Lourde und Bernadeta Sobirós in Zusammenhang mit diesem Gedenk-/Festtag vom 11. Februar Anerkennung und Respekt. Dies gilt ganz im Sinne der von der Kirche immer wieder angemahnten Wertschätzung für Sprachen und Kulturen wie auch für okzitanische Sprache und Kultur in deren ganzer eigener Vielfalt.
Trotzdem wird in diesem Jahre 2024 der GEDENKTAG UNSERER LIEBEN FRAU IN LOURDES/das FEST DER ERSCHEINUNG DER UNBEFLECKTEN JUNGFRAU MARIA durch den jeweiligen Sonntag liturgisch verdrängt. Da wirkt sich wieder die besondere Bedeutung des Sonntags als des zentralen Feiertages der Auferstehung Jesu Christi aus. Dazu kommt, dass am 11. Februar als dem Gedenk-/Festtag UNSERER LIEBEN FRAU IN LOURDES/ERSCHEINUNG DER UNBEFLECKTEN JUNGFRAU MARIA im Sinne eines Schreibens Johannes Pauls II. der WELTTAG DER KRANKEN begangen wird.
Die Fürsorge für die Kranken ist nun ganz generell seit jeher ein ganz wichtiges christliches Anliegen. Man denke hierzu nur an die zahlreichen Erzählungen in den neutestamentlichen Evangelien über Begegnungen Jesu von Nazarets mit Kranken und jeweilige Heilungen. Eigens wird die Fürsorge für Kranke im Gleichnis vom Jüngsten Gericht (Mt 25,31-46, insbesondere die Verse 36 und 43) und im Jakobusbrief (Jak 5,14-15) angemahnt. Schon in früher Zeit wurde die Fürsorge für Kranke offensichtlich so etwas wie ein Markenzeichen christlicher Gemeinden. Nicht wenige Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften in der Kirche sind auf Krankenpflege spezialisiert oder räumen dieser größeren Raum in ihrer Gesamttätigkeit ein. Eigens gehört das Besuchen der Kranken laut christlicher Überlieferung zu den sieben leiblichen Werken der Barmherzigkeit.
Dabei stellt die möglichst gute Ausbildung für Pflegekräfte bzw. für das medizinische Personal eine umfassende und dauernde Herausforderung dar. Dies gilt gerade in unserer Zeit, in der in vielen Ländern der Anteil pflegebedürftiger Menschen an der Bevölkerung steigt. Dazu rufen die Auswirkungen von legalen, halblegalen und illegalen Drogen allein im Gesundheitssektor einschließlich Bemühungen um Entziehungsmaßnahmen und Rehabilitierung eigens Handlungsbedarf hervor.
Es dürfte da selbst manchem, der bisher mit bewusster Geringschätzung Studierenden der Medizin und dem Pflegepersonal gegenüberstand, zu denken geben. Die Reduktion von Ausbildungs- einschließlich universitären Studienplätzen in Hinblick auf Gesundheits- und Pflegeberufe löst keine Probleme, sondern verschärft sie nur oder schafft je nach Region bzw. Land erst noch neue Probleme.
Umso mehr besitzen spezielle oder berufsbildende Schulen auch außerhalb von eher auf etwas wie Allgemeinbildung ausgerichteten Instituten wie auch Studienplätze an Hochschulen und Universitäten für betreffende Tätigkeiten ihre unverzichtbare Bedeutung.
In diesem Sinne sind eben auch die im Sinne des Kirchenrechts so definierten Katholischen Universitäten und anderen Hochschuleinrichtungen (siehe Gedanken zur Woche 201-b – 4. WOCHE IM JAHRESKREIS mit FEST von DARSTELLUNG DES HERRN (2024)) auch in unserer Zeit so wichtig.
Hinzu kommen etwa berufsbildende Schulen in Hinblick auf den gesamten Gesundheits- und Pflegebereich. Da verdient es eigene Beachtung, was in Canon/Kanon 802 des CIC von 1983 festgehalten wird.
In Paragraph 1 dieses CIC-Canons/Kanons 802 wird zunächst allgemein noch einmal nach namentlich Canon/Kanon 796 Paragraph 1 und 2 (siehe Gedanken zur Woche 202-b – 5. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)) die Bedeutung von Schulen verdeutlicht:
„Wenn es keine Schulen gibt, in denen eine Erzziehung in christlichem Geist vermittelt wird, ist es Aufgabe des Diözesanbischofs, dafür zu sorgen, dass solche gegründet werden.“
In Paragraph 2 von Canon/Kanon 802 wird dann eigens Berufsschulen und technische Schulen würdigend thematisiert:
„Wo es sich empfiehlt, soll der Diözesanbischof dafür sorgen, dass auch Berufsschulen und technische Schulen sowie andere von den besonderen Verhältnissen geforderte Schulen gegründet werden.“
Der um sich greifende Fachkräftemangel im Gesundheits- und Pflegebereich gehört durchaus zu solchen angesprochenen „besonderen Verhältnissen“. Dementsprechend verdient die Fortführung bis Intensivierung kirchlichen Engagements im Bereich von Berufsschulen und anderen eher speziellen Bildungseinrichtungen eine klare Befürwortung.
in dieselbe Richtung werden wir grundsätzlich durch den CCEO für die Katholischen Ostkirchen gewiesen. Dort heißt es grundsätzlich in Canon/Kanon 631 Paragraph 2:
„Die Kirche hat das Recht, Schulen jeder Art und jeden Ranges zu errichten und zu leiten.“
Von einer Beschränkung etwa auf den Bereich von Gymnasien oder Gesamtschulen ist nirgends die Rede. Dies entspricht auch der Praxis in betont Inhalte der katholischen Tradition etwa in liturgischer Hinsicht hochhaltenden Gemeinschaften. Das Wirken gerade der Priesterbruderschaft St. Pius X. und mit ihr verbundener Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften sowie Laienorganisationen in Bildung und Erziehung sozusagen vom Kindergarten bis zur Universität verdient eigens Beachtung und mag helfen, Missverständnisse in Hinblick auf das Verhältnis von tatsächlicher katholischer Überlieferung und dem Gesamtbereich von Erziehung, Bildung und Wissenschaft abzubauen.
Auch eine wertschätzende Zusammenarbeit mit privaten Betreibern von Schulen, Hochschulen und Universitäten für Berufe im Gesundheits- und Pflegebereich legt sich hier generell nahe. Vor einer kurzsichtigen Ausgrenzung ist jeweils zu warnen.
1. Lesung: Lev 13,1-2.43ac.44ab.45-46
2. Lesung: 1 Kor 10,31-11,1
Evangelium: Mk 1,40-45
Gedanken zur Woche 203-b, Dr. Matthias Martin
6. WOCHE IM JAHRESKREIS - ASCHERMITTWOCH - TAGE NACH ASCHERMITTWOCH (2024)
Der Beginn der Fastenzeit ist ein guter und ernster Anlass, in sich zu gehen und sich um eine Erneuerung des eigenen Lebensstils zu bemühen. Dies gilt umso mehr, da sich der ASCHERMITTWOCH als Eröffnungstag für die FASTENZEIT, auch genannt ÖSTERLICHE BUSSZEIT, direkt an die Faschingszeit, die Zeit des Karnevals, anschließt. Gerade in dieser mit dem Faschingsdienstag zu Ende gehenden Zeit ist gewissermaßen alles andere als religiöse Innerlichkeit und moralische Ernsthaftigkeit angesagt. Ja, es stellt ein ernsthaftes gesundheitliches Problem dar, dass oftmals gerade im deutschen Sprach- und Kulturraum ziemlich quer durch Alters- und Berufsgruppen die Tendenz vorhanden ist, sich gerade einem heftigen Alkoholkonsum hinzugeben (siehe allgemein Gedanken zur Woche 101-b – 8. WOCHE IM JAHRESKREIS – ASCHERMITTWOCH – TAGE NACH ASCHERMITTWOCH (2022) und Gedanken zur Woche 152-b – 7. WOCHE IM JAHRESKREIS – ASCHERMITTWOCH – TAGE NACH ASCHERMITTWOCH (2023)). Vielen Menschen ist dies zuwider. Nicht wenige aber haben kaum bis gar nicht dem Mut, sich einem solchen sozialen Druck zu widersetzen.
In persönlichen Gesprächen bekomme ich selber immer wieder zu hören, dass Mitmenschen froh sind, wenn die Faschingszeit vorbei ist. Nicht wenige Gesprächspartner zeigen sich genervt bis empört, dass gerade so etwas wie ein Höhepunkt der Faschingszeit, des Karnevals zu alkoholischen Exzessen und damit verbunden auch zu Umweltbelastungen etwa in städtischen Parkanlagen führt. Das Einsammeln und Verwerten des Mülls werden durch solche Ereignisse natürlich erschwert.
Bemerkenswerterweise sind es nicht selten besonders stabile bis wachsende religiöse oder konfessionelle Gemeinschaften, welche ganz generell dem Alkoholkonsum kritisch bis völlig ablehnend gegenüberstehen. Es gibt offensichtlich auch Anleger bis institutionelle Einrichtungen, welche wiederum dem Investieren in Firmen der Alkoholproduktion kritisch bis völlig ablehnend gegenüberstehen.
Dies gilt natürlich erst recht in Hinblick auf Firmen, die Produkte des Tabakkonsums, besonders für das Rauchen, herstellen oder schwerpunktmäßig vertreiben. Die ganze Tabakbranche wird in wirtschaftsethischer Hinsicht immer wieder sehr kritisch betrachtet, um nicht zu sagen abgelehnt.
So nimmt sich manche und mancher zumindest vor, in der Fastenzeit das Rauchen einzuschränken oder für die Dauer der Fastenzeit das Rauchen auszusetzen. Vergleichbare Vorsätze gibt es auch in Hinblick auf den Alkoholkonsum.
Dabei empfiehlt sich eine bewusste und konsequente Kontrolle des eigenen Alkoholkonsums gerade heutzutage mehr denn je vor dem Hintergrund der Fortentwicklung im Medienbereich, gerade bei den Sozialen Medien. Im angetrunkenen Zustand herum zu torkeln oder zu lallen kann leicht etwa mittels allgemein erhältlichem Mobiltelefon, auch genannt Handy, aufgezeichnet werden. Von da ist es dann nur noch ein kleiner Schritt, dass der peinliche Vorfall weite bis sehr weite Verbreitung findet. Manche Politikerkarriere erlitt da schon Schaden bis dahin, dass sie beendet wurde, ehe sie richtig begonnen hatte.
Schon in früheren Zeiten war Alkohol ein beliebtes Mittel, sich einen Menschen gefügig oder ihn etwa erpressbar zu machen. Alkoholkonsum schränkt ja generell die eigene Handlungsfähigkeit beim Konsumenten, der Konsumentin ein. Alkoholkonsum macht die betroffene Person auch anfälliger gegenüber sexuellen Übergriffen. Der sehr problematische Zusammenhang von Alkohol und Straßenverkehr ist bekannt (siehe Gedanken zur Woche 195-b – 3. ADVENTWOCHE (2023)). Der beste Alkoholpegel für eine Fahrzeuglenkerin, einen Fahrzeuglenker ist der von null Promille. Dies gilt grundsätzlich auch für die Arbeit am Computer und generell den Verkehr im Internet wie in Flugverkehr und Schifffahrt.
Dabei stellen solche Volksdrogen wie Alkohol und Nikotin ein Dauerproblem dar. Beim Alkoholkonsum wird dies schon im ersten Buch der Bibel, im Buch Genesis deutlich (siehe Gedanken zur Woche 105-b – 4. FASTENWOCHE (2022); Gedanken zur Woche 152-b – 7. WOCHE IM JAHRESKREIS – ASCHERMITTWOCH – TAGE NACH ASCHERMITTWOCHE (2023) und Gedanken zur Woche 185 – 27. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)) Auch bei noch so gutem Willen lässt sich dies nicht beseitigen (siehe Gedanken zur Woche 195 – 3. ADVENTSONNTAG (GAUDETE) (2023)).
Da ist dann eben der Einzelne, ist die Einzelne um so mehr gefordert, im je eigenen Bereich im Rahmen der eigenen Möglichkeiten, Stärken und Schwächen das Beste zu tun.
Dies gilt gerade für Eltern und Menschen, die an deren Stelle getreten sind. So wird weitreichend in Canon/Kanon 1136 des CIC angemahnt:
„Die Eltern haben die sehr strenge Pflicht und das erstrangige Recht, nach Kräften sowohl für die leibliche, soziale und kulturelle als auch für die sittliche und religiöse Erziehung der Kinder zu sorgen.“
Es geht also auch und gerade bei erzieherischer Tätigkeit um das Vermitteln eines guten Verhaltens im Alltag. Kindern und überhaupt Schutzbefohlenen soll vermittelt werden, stets das Gute nach Möglichkeit zu tun und schlechte Handlungen zu vermeiden. Am besten ist da natürlich, wenn Eltern, Paten und andere im Bereich der Erziehung tätige Menschen selber mit gutem Beispiel vorangehen. Es heißt ja so schön, dass Vorbilder mitreißen. Eltern und Paten sollen auch bei der Distanzierung von Volksdrogen wie Alkohol und Nikotin Vorbilder sein.
Nicht zuletzt die Paten sollen ihrerseits als gute Vorbilder wirken und das ihnen Mögliche für eine gute Entwicklung der ihnen anvertrauten Menschen leisten. Die ernste Bedeutung des Patenamtes verdeutlicht Canon/Kanon 872 des CIC:
„Einem Täufling ist, soweit dies geschehen kann, ein Pate zu geben, dessen Aufgabe ist es, dem erwachsenen Täufling bei der christlichen Initiation beizustehen beziehungsweise das zu taufende Kind zusammen mit den Eltern zur Taufe zu bringen und auch mitzuhelfen, dass der Getaufte ein der Taufe entsprechendes christliches Leben führt und die damit verbundenen Pflichten getreu erfüllt.“
Auch der Firmpate wird eigens im CIC in die Pflicht genommen. So lautet der CIC-Canon/Kanon 892:
„Dem Firmling soll, soweit dies geschehen kann, ein Pate zur Seite stehen, dessen Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass der Gefirmte sich wie ein wahrer Zeuge Christi verhält und die Verpflichtungen, die mit diesem Sakrament verbunden sind, getreu erfüllt.“
Im CCEO verdient in Hinblick auf eine gute umfassende Erziehung, von der eben gute Vorbilder nicht zu trennen, Canon/Kanon 629 wie eben auch Canon/Kanon 795 des CIC eigene Beachtung (siehe Gedanken zur Woche 201 – 4. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)).
Dabei wird auch im CCEO die Bedeutung des Amtes eines Taufpaten, einer Taufpatin verdeutlicht. In CCEO-Canon/Kanon 684 wird festgehalten:
„§ 1. Kraft ältesten Brauchs der Kirchen soll der Täufling mindestens einen Paten haben.
§. 2. Dem Paten kommt kraft der übernommenen Aufgabe zu, dem Täufling, welcher dem Kindesalter entwachsen ist, bei der christlichen Initiation zur Seite zu stehen beziehungsweise das zu taufende Kind zu präsentieren und sich darum zu bemühen, daß der Getaufte ein der Taufe angemessenes christliches Leben führt und die damit zusammenhängenden Pflichten zuverlässig erfüllt.“
Um bezüglich des Patenamtes in den Katholischen Ostkirchen, eben im Bereich des CCEO Missverständnisse zu vermeiden, ist ein Blick auf Canon/Kanon 694 und Canon/Kanon 695 dieses CCEO sehr nützlich. Da wird nämlich rasch deutlich, dass es bei der Salbung mit dem heiligen Myron in den Katholischen Ostkirchen/katholischen orientalischen Ostkirchen gegenüber der Spendung der Firmung in der Lateinischen Kirche in Hinblick auf die zeitliche Verbindung mit dem Empfang der Taufe einen Unterschied gibt. So lautet Canon/Kanon 694 eben des CCEO:
„Kraft der Tradition der orientalischen Kirchen wird die Salbung mit dem heiligen Myron entweder verbunden mit der Taufe oder gesondert vom Priester gespendet.“
In Canon/Kanon 695 des CCEO heißt es anschließend:
„§ 1. Die Salbung mit dem heiligen Myron muß verbunden mit der Taufe gespendet werden, unbeschadet des Falls einer wirklichen Notlage, bei dem jedoch dafür zu sorgen ist, daß sie so bald wie möglich gespendet wird.
§ 2. Wenn die Feier der Salbung mit dem heiligen Myron nicht gemeinsam mit der Taufe stattfindet, ist der Spender verpflichtet, darüber den Pfarrer des Ortes zu benachrichtigen, wo die Taufe gespendet worden ist.“
Gute Vorbilder zu sein nimmt gleichfalls Kirchenvertreter, kirchliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Pflicht. Auch wenn es mühevoll ist, sollen sie sich immer wieder zusammenreißen und sich nicht auf das mehr oder minder häufige Machen schöner Worte beschränken, denen das eigene Verhalten im Fall des Falles widerspricht.
Gedanken zur Woche 202, Dr. Matthias Martin
5. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Dass ein Heiligengedenktag liturgisch durch einen Sonntag als dem kirchlich ersten Tag der Woche verdrängt wird, ist keine Besonderheit. Dies passierte in diesem Kalenderjahr 2024 nach dem heutzutage gerade im deutschen Sprach- und Kulturraum meist verwendeten liturgischem Kalender bereits dem bedeutenden Kirchenlehrer und Philosophen Thomas von Aquin (siehe Gedanken zur Woche 201-b – 4. WOCHE IM JAHRESKREIS mit FEST von DARSTELLUNG DES HERRN (2024)).
Derartiges geschieht nun auch zu Beginn der Fünften Woche im Jahreskreis, am Fünften Sonntag im Jahreskreis. Dieses Mal trifft es gewissermaßen den heiligen Rabanus Maurus. Mit seiner Lebenszeit in etwa von 780 bis zum 04. Februar 856 wurde dieser benediktinische Ordensmann als Theologe so bedeutsam (siehe allgemein Gedanken zur Woche 149-b – 4. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)), dass er der „Lehrer Germaniens“ genannt wurde. Er weist also schon in dieser Hinsicht ganz bemerkenswerte Gemeinsamkeiten mit dem heiligen Thomas von Aquin auf. Dabei sind natürlich die Unterschiede zwischen der benediktinischen Kloster- oder Ordenstradition und einem klassischen Bettelorden wie dem der Dominikaner nicht zu verleugnen. Überhaupt zeichnet sich ja das, was gerne zusammenfassend als das katholische Ordenswesen genannt wird, durch eine große Vielfalt aus.
Nicht zuletzt kam Ordensleuten immer wieder eine große Bedeutung für das Unterrichtswesen, für Wissenschaft und Bildung zu. Eigene Ordens- und ordensähnliche Gemeinschaften sind bzw. waren schwerpunktmäßig in Erziehung und Unterricht tätig.
Dabei besitzt die Theologie vielfältige Berührungspunkte mit allen möglichen wissenschaftlichen Disziplinen, überschneiden sich in einem guten Sinne die verschiedenen Studiengänge und Wissenschaften. Die an einer Theologischen Fakultät gelehrten Fächer, die in Studienordnungen für Theologie angeführten Disziplinen weisen hinaus in die Weite menschlichen Geisteslebens. Ein ganz kurzer Rundgang mag dies verdeutlichen.
Schon der Begriff „Kirchengeschichte“ steht dafür. Kirchengeschichte hat einerseits mit Theologie zu tun, anderseits sollte sie eben keine frömmelnde oder fromme Erbauungsveranstaltung sein, sondern im Sinne von Geschichtswissenschaft betrieben und unterrichtet werden. Kirchengeschichtliche Aktivitäten weisen in Richtung von Sprachkenntnissen, ja eigenen sprachwissenschaftlichen Aktivitäten und nicht zuletzt in den seinerseits so weiten und zugleich tiefgehenden Bereich der Archäologie einschließlich Ur- und Frühgeschichte. Wer sich etwa mit der Geschichte von Konkordaten und anderen direkt die Kirche betreffenden Verträgen und allgemein den Aktivitäten des Heiligen/Apostolischen Stuhls im Laufe der Jahrhunderte beschäftigt, kommt in den Bereich des Völkerrechts wie der Geschichte der Diplomatie, ja der Allgemeinen Geschichte. Der Abschluss von Konkordaten und anderen Verträgen wie die Aufnahme diplomatischer Beziehungen ist gerade im Zwanzigsten Jahrhundert nicht zu trennen von den Erfolgen jeweiliger Unabhängigkeitsbewegungen wie Kolonialreiche betreffenden Rückschlägen (siehe Gedanken zur Woche 95-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 108 – HOCHFEST von OSTERN (2022); Gedanken zur Woche 115-b – PFINGSTMONTAG und 10. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)); Gedanken zur Woche 179 – 21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023); Gedanken zur Woche 190-b - 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023) und allgemein Gedanken zur Woche 200 – 3. SONNTAG IM JAHRESKREIS und SONNTAG DES WORTES GOTTES (2024)). Die Urkundenlehre, auch Diplomatik genannt, begegnet auch hier, wie etwa auch, wenn es um die Geschichte einzelner Klöster oder Bistümer/Diözesen und Kirchenprovinzen geht.
Wie das Wort „Kirchengeschichte“ so ist auch der Begriff „Kirchenrecht“ aus zwei Bestandteilen zusammengesetzt. Davon macht der jeweils erste deutlich, dass es sich um etwas in Zusammenhang mit Kirche handelt. Der zweite Wortbestandteil, einmal eben „Geschichte/-geschichte“ und dann „Recht/-recht“ weist uns in die Richtung einmal der Geschichtswissenschaft und dann der Rechtswissenschaft. Die Beziehungen zwischen Kirchenrecht und Rechtswissenschaft sind so eng, dass lange Stoff aus dem Kirchenrecht verpflichtend zum Jurastudium gehörte. Je nach Universität oder staatlichem Bereich konnte dann das Kirchenrecht innerhalb des Jurastudiums zu einem Wahlfach werden. Mitunter kann auch heutzutage an einer Universität der Titel „Doktor iuris utriusque“, der Doktor beider Rechte, des weltlichen Rechts und des Kirchenrechts erworben werden.
Das Staatskirchenrecht oder auch Öffentliche Religionsrecht ist ganz offensichtlich an der Schnittstelle von weltlichem und kirchlichem Recht angesiedelt. Beschäftigt man sich mit seinen Fragen, so sind historische bis politikwissenschaftliche Kenntnisse sehr zu empfehlen und natürlich betreffende Sprachkenntnisse immer wieder angesagt.
Die Philosophie wird oft als Grundlage oder zumindest so etwas wie eine Hilfswissenschaft für wissenschaftliche Theologie angesehen. Gerade in einem an der katholischen Tradition orientierten Theologiestudium nimmt sie breiten Raum ein. Dabei sind ihrerseits die verschiedenen Einzeldisziplinen der Philosophie zu beachten. Dies erstreckt sich grundsätzlich von Ontologie oder Allgemeine Metaphysik, Erkenntnistheorie, Ethik bis hin zur Philosophischen Gotteslehre samt natürlich generell Philosophiegeschichte. Thomas von Aquin, Augustinus und andere Kirchenpersönlichkeiten haben ihren festen Platz in der Philosophie bzw. in deren Geschichte. Auch hier sind natürlich möglichst umfassende Sprachkenntnisse wieder von großem Vorteil.
Diese sind auch angesagt, wenn man die Bibel in einem mehr oder minder theologischen Sinne betrachten will. Nähert man sich Biblischer Einleitungswissenschaft und Exegese, so stößt man ja auf biblische Texte in alten Sprachen. Kulturelle und generell geschichtliche Kenntnisse fördern sehr das Verständnis von Bibelstellen, ja sind oft sogar richtiggehend notwendig. Die Überlieferung von Bibelausgaben nachzuvollziehen, einstige Ausgaben zu datieren und gegebenenfalls zu rekonstruieren ist immer wieder ganz erheblich eine sprachwissenschaftlich-sprachgeschichtliche Angelegenheit.
Ähnlich stellen sich Herausforderungen in Hinblick auf Liturgie und Liturgiewissenschaft. Der Einfluss etwa des mittalterlichen deutschen Kaisertums auf liturgische Entwicklungen ist eine spannende Angelegenheit. Seinerseits sind Entwicklung und Behauptung des Westgotischen Ritus etwas, das sich von allgemeiner Geschichte nicht trennen lässt.
Missionarische Tätigkeiten und Sprachkenntnisse sind natürlich auf das Engste verbunden. So waren es immer wieder Missionare, die selber nicht nur Übersetzungen der Bibel und anderer religiöser Werke, sondern auch Wörterbücher und Grammatiken schufen.
Für die Tätigkeit in Pfarreien und Klöstern schon länger christianisierter Gebiete sind kunstgeschichtliche einschließlich architektonischer Kenntnisse von Vorteil. Dies ist nach Möglichkeit während eines Theologiestudiums zu bedenken. Dies gilt auch in Hinblick auf Archäologie bis Ur- Frühgeschichte.
Die Begriffe „Religionspädagogik“ und „Religionspsychologie“ bestehen ihrerseits aus zwei Hauptteilen. Auch hier wird die innige Verbindung zwischen Kirche oder Religion und eben einer auch als weltlich zu verstehenden Wissenschaft sehr deutlich.
Nicht umsonst wird längst auf den pädagogischen Kompetenzbereich während einer Theologenausbildung Wert gelegt.
In der Moraltheologie ergeben sich immer wieder starke Berührungspunkte mit der Medizin und deren Einzeldisziplinen. Auch Punkte aus dem juristischen Bereich, aus der Rechtswissenschaft können relevant sein. Gerne wird dazu die Bedeutung von Ethik und anderen philosophischen Disziplinen gerade für die Moraltheologie betont.
Auf sprachliche Herausforderungen wie philosophische Herausforderungen stößt man eigens in der Dogmatik. Auch hier können umfassende historische Kenntnisse sehr gut für das eigene Verständnis sein.
Solche vielfältigen Berührungen und Überschneidungen zwischen Fächern der Theologie und anderen Disziplinen werden auch im Kirchenrecht angesprochen.
So lautet Canon/Kanon 815 des CIC:
„Die Kirche hat kraft ihres Auftrages, die geoffenbarte Wahrheit zu verkündigen, eigene kirchliche Universitäten oder Fakultäten zur Erforschung der theologischen oder der mit diesen verbundenen Wissenschaften und zur wissenschaftlichen Ausbildung der Studenten in diesen Wissenschaften.“
In Canon/Kanon 820 wird die interdisziplinäre und Institutionen übergreifende wissenschaftliche Zusammenarbeit angemahnt. In Canon/Kanon 821 heißt es eigens:
„Bischofskonferenz und Diözesanbischof sollen dafür Sorge tragen, dass nach Möglichkeit Hochschulen für religiöse Wissenschaften gegründet werden, in denen theologische und andere zur christlichen Kultur gehörenden Wissenschaften gelehrt werden.“
Gerade in Canones/Kanones 646 und 648 des CCEO werden wir bezüglich kirchlicher Universitäten und Fakultäten in dieselbe Grundrichtung gewiesen.
1. Lesung: Ijob 7,1-4.6-7
2. Lesung: 1 Kor 9,16-19.22-23
Evangelium: Mk 1,29-39
Gedanken zur Woche 202-b, Dr. Matthias Martin
5. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Wenn in einer einzigen Woche des Kirchenjahres so bedeutender heiliger Frauen wie der heiligen Agatha, der heiligen Josefine Bakhita und der heiligen Scholastika im Besonderen gedacht wird, so darf man dies zum einen als starke Ermutigung und zum anderen als ausdrückliche Herausforderung ansehen.
Es wird deutlich, dass auch Verfolgungen und systematische Diskriminierungen nicht die Kirche, nicht das Christentum zerstören können. Die heilige Agatha starb wohl in der reichsweiten Christenverfolgung des römischen Gewaltherrschers Decius um das Jahr 250 den Tod als Märtyrerin. Das so heimtückische wie brutale Vorgehen des Decius kann heutige Menschen an das Vorgehen totalitärer Machthaber des 20. Jahrhunderts erinnern. Schon sein Umsturz gegen den christenfreundlichen Kaiser Philippus Arabs war ein Lehrstück an Heimtücke. Kaiser Philippus Arabs hatte dem Decius das Truppenkommando übertragen, eine örtliche Revolte niederzuschlagen. Decius missbrauchte das in ihn gesetzte Vertrauen, um sich zum Kaiser ausrufen zu lassen und gegen Philippus Arabs zu marschieren. Dieser wurde das Opfer jenes Decius, in den er sein Vertrauen gesetzt hatte. Bei der von ihm systematisch durchgeführten Christenverfolgung ging es Decius gezielt um die Zerstörung der kirchlichen Strukturen. Offensichtlich ist damals auch die heilige Agatha Opfer der systematischen Verfolgung geworden, die erst endeten, als der brutale Gewaltmensch Decius seinerseits in offener Schlacht gegen die Goten gefallen war. Auch später noch erwiesen die Goten den Christen und namentlich den Anhängern des Glaubensbekenntnisses von Nicäa wertvolle Dienste. So endeten die gegen die Anhänger dieses Bekenntnisses, heute gerne Katholiken oder orthodoxe Christen genannt, gerichteten kaiserlichen Bedrängnisse, als der ihnen übelwollende Kaiser Valens seinerseits in einer Schlacht gegen die Goten getötet worden war (siehe Gedanken zur Woche 127-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)). Später legten die Herrscher des Ostgotenreiches mit Ravenna als Hauptstadt Wert auf gute Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche. Durch sie wurde kein Papst verschleppt und kein Druck auf katholische Kirchenvertreter ausgeübt, irgendwelche zwielichtigen bis eindeutig verwerflichen kirchenpolitischen Maßnahmen durchzuführen oder mitzutragen. Darin unterschieden sich die Ostgoten lobenswert von den Oströmern, vom Byzantinischen Reich, dessen genozidaler Politik sie dann selber zum Opfer fielen (siehe Gedanken zur Woche 73-b – 20. WOCHE IM JAHREKREIS (2021); Gedanken zur Woche 81 – 28. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 106-b – 5. FASTENWOCHE (2022) und zur Unterdrückung des Papsttums Gedanken zur Woche 71-b – 18. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 75-b – 22. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)).
Wie schon die Christenverfolgung unter Decius, zu deren Opfern die heilige Agatha zählt, hat die katholische Kirche auch diese Bedrängnisse überstanden.
Dass Brutalität von außen die Kirche nicht zerstören kann, verdeutlicht auf eigene Weise auch Herkommen und Lebensweg der heiligen Josefine Bakhita, die durch Entführung in jahrelange Sklaverei verschleppt, Christin und Ordensschwester wurde. Die Vernichtung ihres Heimatlandes Darfur durch die Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien konnten dem keinen Abbruch tun.
Auch ließ sich die heilige Scholastika nicht durch die Wirren der Völkerwanderungszeit entmutigen. Die Schwester des Mönchsvaters Benedikt war nach dem, was von ihr überliefert wird, eine mutige und energische Persönlichkeit.
All diese Frauen haben Kirche im besten Sinne verkörpert. Rohe Gewalt etwa konnte sie in diesem Sinne nicht brechen. Damit verwirklichten sie umso mehr ihrerseits das Ideal eines menschenfreundlichen Verhaltens.
Damit stellen sie zugleich auch eine konstruktive Herausforderung für die Kirche dar.
Gewalt gegen Frauen und Missbrauch aller Art gegen sie muss in aller Konsequenz kompromisslos verurteilt werden. Betreffendes Fehlverhalten darf in der Kirche und in ihrem etwaigen Einflussbereich keinen Platz haben. Wie jeder Missbrauch an Minderjährigen klar zu bekämpfen ist, so gilt dies auch für Gewalt gegen Frauen, gegen sie gerichteten Missbrauch unabhängig von Alter, ethnischer und konfessioneller Zugehörigkeit, sozialem Stand und dergleichen. Das demonstrative Wohlwollen für einen an Frauen schuldig gewordenen Übergriffstäter durch den Vorsitzenden der bundesdeutschen Bischofskonferenz (siehe Gedanken zur Woche 157 – 5. FASTENSONNTAG (2023)) ist da offensichtlich nur die Spitze eines furchtbaren Eisberges.
Umso mehr gilt es eben, für einen guten Platz für Frauen und Mädchen in Staat, Kirche und Gesellschaft einzutreten.
Sehr große Bedeutung kommt da dem Gesamtbereich von Erziehung und Bildung zu. Das Schulwesen ist da ein ganz zentrales Wirkungsfeld. Dabei ist nicht zu verleugnen, dass es immer wieder auch in Schulen, Heimen und dergleichen zu sexuellen Übergriffen, zu verschiedenen Formen von Missbrauch kommt. Natürlich darf auch dies nicht vertuscht oder kleingeredet werden, egal um welche Täter es sich jeweils handelt, und wer im jeweiligen Fall die Opfer sind. Der Kampf gegen Missbrauch ist auch und nicht zuletzt in Bildungs- und Erziehungseinrichtungen eine Daueraufgabe für die Staaten, staatsähnlichen Strukturen, zivilgesellschaftlichen und religiösen Gemeinschaften auf den verschiedenen Kontinenten.
Dies stellt nicht zuletzt für die katholische Kirche eine ernste Herausforderung dar. Dabei gibt es hier durchaus gute Anknüpfungspunkte. Nachdem schon in früheren Jahrhunderten Klöster und Frauenorden Träger von Bildungsangeboten für Mädchen und Frauen waren, wird dem Schulwesen auch im aktuellen Kirchenrecht Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei wird jede Diskriminierung von Mädchen und Frauen zurückgewiesen und die Bedeutung des weiblichen Teils bei Elternpaaren nachdrücklich verteidigt.
So wird in Canon/Kanon 796 des CIC von 1983 grundsätzlich festgehalten:
„§ 1. Unter den Mitteln zum Ausbau der Erziehung sollen die Gläubigen die Schulen hochschätzen; sie leisten ja den Eltern bei der Erfüllung ihrer Erziehungsaufgabe eine vorzügliche Hilfe.
§ 2. Mit den Lehrern der Schulen, denen sie ihre Kinder zur Erziehung anvertrauen, sollen die Eltern eng zusammenarbeiten; aber auch die Lehrer sollen bei der Ausführung ihrer Aufgabe eng mit den Eltern zusammenarbeiten; sie haben sie daher bereitwillig anzuhören, sollen Elternvereinigungen oder Elternversammlungen einrichten und hochschätzen.“
Dass Mütter weniger als Väter, Ehefrauen weniger als Ehemänner mitzureden hätten, wird also ganz grundsätzlich und ausnahmslos schon in diesem Canon/Kanon des CIC klar zurückgewiesen. Eine derartige Herabwürdigung von Frauen in schulischen Angelegenheiten sollte als ausgeschlossen betrachtet werden.
Dies gilt nach katholischer Überlieferung ganz generell für das so weite und tiefe Feld der Erziehung. So lautet bereits Canon/Kanon 793 des CIC:
„§ 1. Die Eltern und diejenigen, die ihre Stelle einnehmen, haben die Pflicht und das Recht, ihre Kinder zu erziehen; katholische Eltern haben auch die Pflicht und das Recht, die Mittel und Einrichtungen zu wählen, mit denen sie je nach den örtlichen Verhältnissen besser für die katholische Erziehung ihrer Kinder sorgen können.“
Abgerundet wird dies unter einem erneuten umfassenden gesetzgeberischen Ausschluss der Diskriminierung von Mädchen und Frauen in Paragraph 2 dieses Canons/Kanons 793:
„Die Eltern haben auch das Recht, jene von der weltlichen Gesellschaft zu leistenden Hilfen zu nutzen, die sie für die katholische Erziehung ihrer Kinder benötigen.“
Die Eigenverantwortung und Selbstbestimmung der Eltern und Familien bei gleichzeitiger Zurückweisung geschlechtsbedingter Diskriminierungen in Angelegenheiten der Bildung und Erziehung wird auch im CCEO für die katholischen Ostkirchen betont.
In diesem Sinne lautet Canon/Kanon 627 dieses CCEOs:
„§ 1. Die Sorge, die Kinder zu erziehen, kommt besonders den Eltern zu bzw. denjenigen, die deren Stelle einnehmen; deshalb kommt es ihnen zu, im durch den Glauben erleuchteten und von der gegenseitigen Liebe beseelten Rahmen der christlichen Familie die Kinder zu erziehen vor allem zur Frömmigkeit gegenüber Gott und zur Nächstenliebe.“
Von Willkür, Rechtfertigung von Gewalttätigkeit oder irgendwelcher Formen von Missbrauch in Familie und Schule ist hier ganz und gar nicht die Rede. Dies setzt sich in diesem Canon/Kanon 627 fort:
„§ 2. Wenn die eigenen Kräfte überstiegen werden, für die umfassende Erziehung der Kinder Sorge zu tragen, kommt es den Eltern auch zu, anderen einen Teil der Erziehungsaufgabe anzuvertrauen sowie die notwendigen oder nützlichen Erziehungsmittel zu wählen.
§ 3. Die Eltern müssen bei der Wahl der Erziehungsmittel die angemessene Freiheit haben , deshalb sollen sich die Christgläubigen darum bemühen, dass dieses Recht von der weltlichen Gesellschaft anerkannt und gemäß den Erfordernissen der Gerechtigkeit auch durch angemessene Hilfsmittel gefördert wird.“
In Canon/Kanon 631 des CCEO wird dann in allgemeiner Form die Bedeutung der Schulen und das unter Hervorhebung einer Förderung katholischer Schulen betont.
Gedanken zur Woche 201, Dr. Matthias Martin
4. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Folgt man der Anordnung des Markusevangeliums mit seinem im Vergleich zu den beiden anderen Synoptikern, Matthäus und Lukas, geringeren Umfang, so fällt auf, dass Jesus von Nazaret schon ganz früh in seinem öffentlichen Wirken in lehrender Tätigkeit auftritt.
Wie auch im Lukasevangelium (Lk 4,31-37) erzählt wird, lehrte Jesus in der Synagoge von Kapharnaum/Kafarnaum. Überhaupt wird diesem Ort im Neuen/Zweiten Testament eine ernstzunehmende Bedeutung zuerkannt. Auch in der außerbiblischen Literatur des Altertums hat dieser Ort seinen Platz (siehe Gedanken zur Woche 47 – 4. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)). Bei dem Auftritt Jesu in der dortigen Synagoge werden wir in Richtung einer markinisch-lukanischen Traditio Duplex/Duplex Traditio gewiesen.
Schon an dieser Stelle im Markusevangelium wird betont, dass Jesus von Nazaret nicht einfach wie ein normaler Lehrer, nicht wie einer der gewohnten Schriftgelehrten aufgetreten sei, sondern wie einer, der Vollmacht hat (Mk 1,22 und dazu Lk 4,32 und Mt 7,28-29). Diese ausdrückliche Betonung einer besonderen Vollmacht beim Lehren liegt also bei allen drei Synoptikern vor. Es lässt sich also von so etwas wie einer eingeschränkten Traditio Triplex/Triplex Traditio sprechen. Dabei ist zu beachten, dass auch jedes dieser drei synoptischen Evangelien über Eigenheiten im Stil, in der Wortwahl und im Aufbau verfügt. Demgegenüber stellt das Johannesevangelium inhaltlich wie sprachlich sowieso eine ganz eigene Größe unter den vier als neutestamentlich anerkannten Evangelien dar.
Gerade bei einer strikten Anwendung der Zweiquellentheorie wirft sich bezüglich des Auftritts Jesu in der Synagoge von Kapharnaum/Kafarnaum eigens die Frage auf, wie es zur stärkeren Gemeinsamkeit zwischen dem Markus- und dem Lukasevangelium kam, die bezüglich des Matthäusevangeliums so nicht vorhanden ist. Lagen hier gewisse Hinweise zwar dem jeweiligen Verfasser bzw. Redaktor oder den die redaktionelle Bearbeitung des Markusevangeliums und des Lukasevangeliums besorgenden Angehörigen des sich entwickelnden Christentums Erzählgut vor, das bei der Erstellung des Matthäusevangeliums so nicht zur Verfügung stand? Oder wurde dieses Überlieferungsgut bei der Abfassung des Matthäusevangeliums bewusst ausgelassen? Tatsächlich stellt die Zweiquellentheorie ja nur eine von mehreren Erklärungsversuchen dar, wie es zur Entstehung der heute vorliegenden drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas gekommen sein könnte.
Dabei wurde schon im Christentum der frühen Jahrhunderte Jesus von Nazaret stark als der große Lehrer dargestellt. Frühe Christen wie Justin der Märtyrer, der bezeichnenderweise auch Justin der Philosoph genannt wird, stellten das Christentum als die wahre Philosophie dar. Die frühchristlichen Apologeten bemühten sich oft anhand einer bewusst philosophischen Argumentation, die Richtigkeit des Christentums deutlich zu machen (siehe Gedanken zur Woche 65 – 12. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 89 – 2. ADVENTSONNTAG (2021)). Dabei wurden so unterschiedliche Bereiche wie Erkenntnistheorie und Ethik angesprochen. Auch geschichtlich wurde argumentiert (siehe Gedanken zur Woche 54-b – 5. FASTENWOCHE einschließlich HOCHFEST VERKÜNDIGUNG DES HERRN (2021) und Gedanken zur Woche 170 – 12. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)). Dabei hängen Philosophie und Geschichtswissenschaft oder Geschichtsschreibung vielfältig zusammen. Jeder überlieferte Text, also auch ein philosophischer, stellt ja eine historische Quelle dar. So berühren sich auch Rechtswissenschaft und Geschichte bzw. Geschichtswissenschaft immer wieder aufs engste oder überschneiden sich. Betonte der heilige Papst Pius X. (Amtszeit 1903-1914) generell, wie unverzichtbar Kenntnisse der Philosophie und Geschichte für die Theologie sind, so betonte das Zweite Vatikanische Konzil in seinem Dekret „Optatam totius“ in Abschnitt 15 über die Priesterausbildung eigens die Bedeutung der Philosophiegeschichte:
„ … Die Philosophiegeschichte soll so gelehrt werden, dass die Studenten zu den letzten Prinzipien der verschiedenen Systeme vordringen, den Wahrheitsgehalt festhalten, die Irrtümer aber in ihren Wurzeln erkennen und widerlegen können. …“
In der bildenden Kunst wurde Jesus Christus/Jesus von Nazaret in der Antike gerne als Lehrer oder im Besonderen als philosophischer Lehrer dargestellt.
Dabei war im christlichen Überlieferungsbereich mit seinen verschiedenen Interpretationen, Schwerpunkten und Einzelauffassungen klar, dass Jesus von Nazaret eben nicht irgendein wichtiger Weisheitsverkünder, Lehrer oder Philosophie (gewesen) sei. So wurde auch seitens des Arius und der nach ihm benannten Bewegung des Arianismus mit ihren eigenen Aufzweigungen so etwas wie die göttliche Natur Christi durchaus anerkannt. Es ging in den Diskussionen mit den nizänischen und dann chalcedonensischen Theologen und der von ihnen favorisierten Richtung des Christentums nur darum, ob Christus auf einer Ebene mit Gott dem Vater auf der gleichen Seinsstufe oder auf einer niedrigeren Ebene als in diesem Sinne zweites göttliches Wesen stünde (siehe Gedanken zur Woche 173-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)). Gerade der Prolog des Johannesevangeliums ist in Hinblick auf Jesus Christus von Arianern nicht bestritten worden. Auch von ihnen wurde er, die in diesem wie in jenem Sinne gewissermaßen zweite göttliche Person, als der anerkannt, durch den alles geworden ist, was da ist.
Wirkte schon Jesus von Nazaret als Lehrer und spielten vielerlei manchmal offensichtlich auch recht feinsinnige Argumente in den Diskussionen zwischen nizänischem und arianischen Christentum ihre gewichtige Rolle, so wurde auf Bildung, auf Unterricht und Erziehung auch später im Christentum, namentlich in der katholischen Kirche, Wert gelegt. Der Irrweg des Fideismus, wonach nur der Glaube zu zählen habe, wurde wiederholt zurückgewiesen.
Dies lässt sich noch im Zweiten Vatikanischen Konzil ersehen. Da gibt es zusammen mit dem oben erwähnten Dekret über die Priesterausbildung „Optatam totius“ auch die Erklärung über die christliche Erziehung „Gravissimum educationis“. Gerade auch das Dekret über die sozialen Kommunikationsmittel „Inter mirifica“ enthält starke bildungsorientierte Hinweise. So wird in Abschnitt 10 die Bedeutung von „Erziehern und Fachleuten“ gewürdigt. Im guten Sinne belehrende und künstlerisch wertvolle Filme sollten gefördert werden (siehe Abschnitt 14). In Abschnitt 15 dieses Konzilsdekretes wird gemahnt:
„Um den dargelegten Erfordernissen gerecht zu werden, ist rechtzeitig für die Ausbildung von Geistlichen, Ordensleuten und Laien zu sorgen. Sie müssen genügend Sachkenntnis besitzen, um diese Mittel für das Apostolat zu gebrauchen.
Insbesondere sollen die Laien eine technische, theoretische und charakterliche Ausbildung erhalten. Die Zahl der Schulen, Fakultäten und Institute, auf denen Journalisten, Autoren für Film, Rundfunk und Fernsehen sowie andere interessierte Personen eine umfassende Ausbildung erhalten können, ist zu vermehren. …“
Eigens wird eine sorgfältige Ausbildung für Literatur- und Filmkritiker und dergleichen angemahnt.
Bildung, Unterricht und Erziehung werden gegen eine engführende Eingrenzung etwa in einem fideistischen Sinne auch im CIC für die Lateinische Kirche und im CCEO für die Katholischen Ostkirchen betont.
Große Bedeutung wird dabei den Schulen zuerkannt. So heißt es grundsätzlich in Canon/Kanon 795 des CIC:
„Wahre Erziehung muss die umfassende Bildung der menschlichen Person in Hinordnung auf ihr letztes Ziel und zugleich auf das Gemeinwohl der Gesellschaft anstreben; daher sind die Kinder und die Jugendlichen so zu bilden, dass sie ihre körperlichen, moralischen und geistigen Anlagen harmonisch zu entfalten vermögen, tieferes Verantwortungsbewusstsein und den rechten Gebrauch der Freiheit erwerben und befähigt werden, am sozialen Leben aktiv teilzunehmen.“
In dieselbe Richtung werden wir in Canon/Kanon 629 des CCEO gewiesen:
„Alle Erzieher sollen dafür sorgen, daß auf die umfassende Formung der menschlichen Person geachtet wird, so daß die Jugendlichen durch die harmonische Bildung der physischen, intellektuellen und sittlichen Begabungen in den christlichen Tugenden angeleitet, so geformt werden, daß sie Gott vollkommener kennenlernen und lieben, die menschlichen und sittlichen Werte mit richtigem Gewissen einschätzen und in wahrer Freiheit erfassen und zugleich mit einem gebildeten Sinn für Gerechtigkeit und soziale Verantwortung brüderliche Gemeinschaft mit anderen erlangen.“
Willensfreiheit, das Tun guter Werke und die Bejahung von Vernunft und Bildung werden damit in beiden Kodizes/Codices in grundsätzlicher Weise angesprochen. Dies darf als eigener Ansporn und als eigene Ermutigung für Christinnen und Christen gesehen werden. Dabei kommt gerade im deutschen Sprach- und Kulturraum katholischen Studentenverbindungen ihre eigene gute Bedeutung zu, die nicht unterschätzt werden sollte.
1. Lesung: Dtn 18,15-20
2. Lesung: 1 Kor 7,32-35
Evangelium: Mk 1,21-28
Gedanken zur Woche 201-b, Dr. Matthias Martin
4. WOCHE IM JAHRESKREIS mit FEST von DARSTELLUNG DES HERRN (2024)
Wenn am Beginn einer liturgischen Woche im Jahreskreis ein so prominenter Heiliger und auch Kirchenlehrer wie Thomas von Aquin steht, so darf man das als bemerkenswerte Richtungsweisung aufgreifen. Genau dies ist im Kalenderjahr 2024 der Fall, wenn man den heutzutage meist bei Katholikinnen und Katholiken verwendeten liturgischen Kalender zur Hand nimmt. Dort ist ja der 28. Januar als Gedenktag für den heiligen Thomas von Aquin angegeben. In diesem Jahr 2024 nach dem gregorianischen/Gregorianischen Kalender fällt dieser Tag auf einen Sonntag. Es ist also üblicherweise der Sonntag im Jahreskreis zu feiern. In der kirchlichen Gemeindepraxis wird der Gedenktag des heiligen Thomas von Aquin sozusagen „verdrängt“.
Nun ist ja nach kirchlicher Überlieferung und weiter geltender Ordnung der Sonntag der erste Tag der Woche. Von daher eröffnet im Jahre 2024 der Gedenktag des heiligen Thomas von Aquin gemäß der üblichen nachkonziliaren Einteilung diese Woche, auch wenn es in der Liturgie nicht so in Erscheinung tritt, in der Praxis der Pfarrgemeinden nicht so direkt schlagend wird.
Dabei ist dieser Verwandte des Kaiserhauses der Hohenstaufen und offiziell anerkannte Kirchenlehrer gewissermaßen ein Mann, ein Heiliger für alle Jahreszeiten. Sein geistig-intellektuelles Wirken umspannt die ganze Bandbreite von Philosophie und Theologie. Er gehört wirklich zu den Klassikern des philosophischen Denkens und ist eine dauernde Mahnung gegen Engstirnigkeit, nicht zuletzt in kirchlichen Kreisen. Bezeichnenderweise wird sowohl im CIC von 1983 und wie in mehr als einem Dokument des Zweiten Vatikanischen Konzils ausdrücklich auf ihn verwiesen (siehe Gedanken zur Woche 46-b – 3. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021)), auch wenn dies längst in Vergessenheit geraten zu sein scheint oder aber mutwillig unter den Tisch gekehrt wurde.
Dabei haben etwa seine philosophischen Gottesbeweise manchen aufrichtigen Wahrheitssucher angeregt, sich im guten Sinne kritisch mit geistigen Modetrends, billigen Schlagworten veröffentlichter Meinung und nicht zuletzt der Ideologie totalitärer Regime auseinanderzusetzen. Dies gilt auch für die Aussagen des heiligen Thomas von Aquin bezüglich so etwas wie Soziallehre und Gesellschaftstheorie. Nicht zuletzt für den so spannenden Bereich des interkonfessionellen bis interreligiösen Dialog besitzt Thomas von Aquin seine bleibende Bedeutung, die man nicht unterschätzen sollte.
Für das mehr innerkirchliche katholische Leben ist es gewissermaßen ein Fingerzeig, dass der heilige Thomas von Aquin der Patron von Wissenschaft und Hochschulen und nicht zuletzt der Buchhändler und generell der Wissenschaftler ist.
Das weist schon in die Richtung einer breiten Bildungs- einschließlich Forschungstätigkeit, zu der sich Katholkinnen und Katholiken von einer unverfälschten katholischen Tradition her ermutigt, ja angespornt sehen können. Dazu steht ja Thomas von Aquin keineswegs allein in der katholischen Kirchengeschichte. Denken wir hier nur an den katholischen Priester und Astronomen Nikolaus Kopernikus, an den Kalenderpapst und Förderer von Wissenschaft und Bildung Gregor XIII, an den Mediziner, Naturwissenschaftler, Konvertiten und nachmaligen katholischen Geistlichen Niels Stensen, an den Ordensmann und Naturwissenschaftler Gregor Mendel und an den Priester, Physiker und Astronomen Georges Lemaītre (siehe Gedanken zur Woche 176 – FEST von VERKLÄRUNG DES HERRN (2023)). Auch der sowohl Albert der Große wie Albert der Deutsche und Albertus Magnus genannte Lehrer und Mitbruder im Dominikanerorden des Thomas von Aquin mag spontan in den Sinn kommen. Nicht zuletzt spielten Ordensleute eine nachhaltige Rolle in der Entwicklung der Astronomie. Die Abtei Kremsmünster ist dafür nur ein Beispiel. Gleiches gilt für die Vatikanische Sternwarte, die auch in völkerrechtlicher Hinsicht Beachtung verdient.
So verwundert es umso weniger, dass sowohl das Schulwesen im Allgemeinen als auch Universitäten und Hochschulen im Besonderen im katholischen Kirchenrecht berücksichtigt sind. Dies gilt sowohl für den direkt die Lateinische Kirche betreffenden CIC wie mit Blick auf die Katholischen Ostkirchen für den CCEO.
Dabei wird ausdifferenziert zwischen katholischen Universitäten und kirchlichen Universitäten und Fakultäten.
Bei ersteren handelt es sich um Einrichtungen, die in irgendeiner Weise von der katholischen Kirche getragen werden. Dabei ist zu bedenken, dass diese in Gestalt juristischer Personen im Sinne des Kirchenrechts handelt. Dies besitzt bis in finanzielle Alltagsvorgänge hinein seine ernste Bedeutung. Katholische Universitäten können dabei jeweils ganz verschiedene Fakultäten, Studienzweige und -richtungen aufweisen.
Um was für einen wichtigen Tätigkeitsbereich es sich bei solchen katholischen Universitäten nach kirchlichem Selbstverständnis handelt, wird im CIC von 1983 unterstrichen.
So lautet Canon/Kanon 807:
„Die Kirche hat das Recht, Universitäten zu errichten und zu führen, denn sie tragen bei zur höheren Kultur der Menschen und zur volleren Entfaltung der menschlichen Person wie auch zur Erfüllung des Verkündigungsdienstes der Kirche.“
In Canon/Kanon 809 des geltenden CIC von 1983 wird erklärt:
„Die Bischofskonferenzen haben dafür Sorge zu tragen, dass, soweit möglich und ratsam, in geeigneter Weise in ihrem Gebiet verteilt, Universitäten oder wenigstens Fakultäten bestehen, in denen die verschiedenen Wissenschaften unbeschadet ihrer wissenschaftlichen Autonomie in Forschung und Lehre unter Berücksichtigung der katholischen Lehre gepflegt werden.“
Abgerundet werden die kodikarischen Festlegungen bezüglich katholischer Universitäten im CIC gerade durch Canon/Kanon 814:
„Die Vorschriften über die Universitäten sind in gleicher Weise auf andere Hochschuleinrichtungen anzuwenden.“
In dieselbe Richtung geht der CCEO für die Katholischen Ostkirchen. Auch die dort zu findenden Formulierungen stellen eine klare Abgrenzung gegen jede Art von Fideismus und eine Warnung vor einem freiwilligen Rückzug der Kirche in die Sakristei dar.
So lautet Paragraph 1 des Canons/Kanons 640 eben dieses CCEOs:
„Die katholische Universität geht dem Ziel nach, daß eine öffentliche, dauerhafte und umfassende Präsenz des christlichen Geistes beim Bemühen um die Förderung der gesamten höheren Kultur geschaffen wird; deshalb bildet sie eine Einrichtung für Forschung, Reflexion und Unterweisung höheren Grades, in der durch das Licht des Evangeliums die vielfältige menschliche Erkenntnis erhellt wird.“
In Paragraph 2 dieses Canons/Kanons wird festgehalten, dass „andere Hochschuleinrichtungen oder autonome katholische Fakultäten, die demselben Ziel nachgehen … der katholischen Universität gleichgestellt“ werden. Zugleich wird hier ausdrücklich zwischen katholischen Universitäten und ihnen solchermaßen gleichgestellten Einrichtungen auf der einen Seite und kirchlichen Universitäten und Fakultäten auf der anderen Seite ausdifferenziert.
Ganz grundsätzlich wird ein positives Verhältnis von Kirche und Wissenschaften, von Glauben und Vernunft ganz im Sinne des heiligen Thomas von Aquin und der Hochscholastik wie der dogmatischen Konstitution „Dei Filius“ des Ersten Vatikanischen Konzils gerade in Canon/Kanon 641 formuliert:
„In katholischen Universitäten werden die einzelnen Disziplinen nach ihren eigenen Prinzipien, nach ihrer eigenen Methode und mit einer der wissenschaftlichen Forschung eigenen Freiheit so gepflegt, daß von Tag zu Tag ein tieferes Verständnis dieser Disziplinen erlangt wird und unter genauester Beachtung der neuen Fragen und Forschungen der voranschreitenden Zeit tiefer erkannt wird, wie Glaube und Vernunft zu einer einzigen Wahrheit zusammenwirken, und in der Wissenschaft wirklich herausragende Menschen gebildet werden, die zur Übernahme von schwierigeren Ämtern in der Gesellschaft bereit und Zeugen des Glaubens in der Welt sind.“
Eine Wertschätzung von Bildung und wissenschaftlichem Streben kann man bezeichnenderweise auch in katholischen Kreisen feststellen, welche ganz bewusst an überlieferter Tradition orientiert sind. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. und die mit ihr enger verbundenen Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften sowie Laienorganisationen unterhalten längst auf internationaler Ebene Bildungs- bzw. Erziehungseinrichtungen vom Kindergarten bis zur Universität. Immer wieder erfreuen sich solche Einrichtungen eines besonders guten Rufes.
Gedanken zur Woche 200, Dr. Matthias Martin
3. SONNTAG IM JAHRESKREIS und SONNTAG DES WORTES GOTTES (2024)
Dass eine Artikelreihe ihre 200. Ausgabe begehen kann, ist kein selbstverständliches Ereignis. Geschieht so etwas im kirchlichen Bereich, etwa im Rahmen einer Pfarrgemeinde wie der zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau, so darf dies ganz allgemein als ein Zeichen der Ermutigung und des Ansporns gesehen werden. Es ist eine Ermutigung, dass kirchliches Leben nicht automatisch zerfallen muss, dass es nicht so etwas wie ein Naturgesetz vermeintlichen oder tatsächlichen kirchlichen Niedergangs zu geben braucht. Man kann es als einen Ansporn sehen, sich gerade in durchaus schwierigen Zeiten unter herausfordernden Umständen einzusetzen und vielleicht auch etwas Neues zu starten. So etwas stellte mit ihrem Beginn eben unsere Artikelreihe „Gedanken zur Woche“ dar. Ja, es gelang nicht nur, diese Reihe fortzuführen, sondern ermutigt von verschiedener Seite, von Menschen aus verschiedenen Altersgruppen wurde diese Reihe auf jeweils zwei neue Artikel pro Woche ausgedehnt. Zunächst hatte sie ja mit einem Beitrag pro Woche begonnen, als Ersatz für die während des sogenannten Shutdowns nicht mehr für die Menschen in der gewohnten Weise zugängliche Sonntagspredigt (siehe Gedanken zur Woche 100 – 7. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022)).
Derzeit gilt es gerade, die Herausforderungen zu meistern, welche mit der Umstellung der Homepage/Startseite der Pfarrgemeinde verbunden sind. Offensichtlich sind mit dieser Umstellung und dem damit verbundenen gewissermaßen Neustart tatsächlich gewisse Verbesserungen verbunden. Umso mehr darf gehofft werden, dass die „Kinderkrankheiten“ bei dieser Umstellung und dem Neustart nach und nach gut bewältigt werden.
Inzwischen lassen sich auch über diese neue Homepage/Startseite die seit Dezember 2020 elfmal im Jahr erschienenen Pfarrbriefe von Sankt Nikolaus in Stein an der Donau gut abrufen.
Wie schon früher betont, wurden diese Initiativen bewusst im Sinne des Dekretes des Zweiten Vatikanischen Konzils (Tagungszeit 1962-1965) „Inter mirifica“ über die sozialen Kommunikationsmittel, manchmal auch genannt Dekret über die Massenmedien, und eben im Sinne des heiligen Papstes Pius X. (Amtszeit 1903-1914) gestartet. Dabei hatte schon vor der Tätigkeit dieses mutigen Papstes während des 19. Jahrhunderts ein enormer Aufbruch katholischen Pressewesens wie auch ganz bemerkenswerte Entwicklung im großen Bereich von Verlags- und Buchwesen stattgefunden.
Auch das katholische Vereins- und Verbandswesen startete damals ziemlich neu. Dies gilt nicht zuletzt für die von den Päpsten dann ausdrücklich gewürdigten und aktiv unterstützten katholischen Studentenverbindungen und deren Verbände.
So war es umso erfreulicher, dass jüngst nach einigen Jahren Pause die hiesige katholische und zum Mittelschüler-Kartell-Verband, abgekürzt MKV, gehörende Studenten- oder Mittelschulverbindung CHREMISA mit ihrer Bude in der Steiner Landstraße reaktiviert werden konnte. Als ein ermutigendes Zeichen für katholisches Leben über den Bereich von Studentenverbindungen hinaus verfügt sie inzwischen wieder über aktive Schüler, die bereit sind, im Sinne der vier Prinzipien Religio (Religion), Patria (Vaterland), Scientia (Wissenschaft) und Amicitia (Freundschaft) katholisches Verbindungsleben zu gestalten. Solche Verbindungen stellen gewissermaßen besonders stabile Inseln kirchlichen Lebens im Allgemeinen dar. So dürfen wir auf eine gute Entwicklung der im Pfarrgebiet von Sankt Nikolaus in Stein an der Donau beheimateten CHREMISA hoffen. Eine solche gute Zukunft wird ein wichtiger Gewinn für das pfarrliche wie das weitere gesellschaftliche Leben sein.
Gleichfalls dürfen wir auf eine gute Zukunft nicht zuletzt unserer pfarrlichen Öffentlichkeitsarbeit hoffen. Das Recht, seine Meinung frei äußern zu dürfen, hat jüngst erst wieder der amtierende Papst Franziskus unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Papst Pius XII. (Amtszeit 1939-1958) in seiner Ansprache an das beim Heiligen/Apostolischen Stuhl akkreditierte diplomatische Korps (Jeder Krieg ist eine entsetzliche Tragödie. Ansprache von Papst Franziskus am 8. Januar. L’OSSERVATORE ROMANO (Nummer 2 2024 (54. Jahrgang – 12. Januar 2024)) Seite 9) angemahnt.
Auch sonst verdiente diese Ansprache (siehe ebd. Seite 7-9) größere Aufmerksamkeit, als ihr wohl zuteil wurde.
Da verdient es gerade vor dem Hintergrund der destruktiven Rolle Frankreichs gegen völkerrechtliche Verträge des Heiligen Stuhls mit den in der Internationalen Gemeinschaft vorhandenen Staaten (siehe Gedanken zur Woche 95-b – 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche 108 – HOCHFEST von OSTERN (2022); Gedanken zur Woche 179 – 21. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023) und Gedanken zur Woche 190-b – 32. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)) eigens Beachtung, dass der Papst in seiner Ansprache auf ein Abkommen mit dem gegenwärtigen Staatswesen von Vietnam und die Entsendung eines Päpstlichen Vertreters in die Hauptstadt dieses UN-Mitgliedslandes hinwies. Dabei darf nicht vergessen werden, dass einst genau dieses Vietnam, Nord wie Süd, eine französische Kolonie war, dessen Weg in die Unabhängigkeit Frankreich nach grausamer kolonialer Ausbeutung mit systematischer Brutalität einschließlich großangelegten Massakern an der Zivilbevölkerung zu stoppen versuchte. Genau die Beziehung samt entsprechendem Abkommen würdigte nun Papst Franziskus weit vorne in seiner Ansprache an das Diplomatische Korps, ja ziemlich an deren Anfang.
Noch weiter vorne wies er in freundlichen Worten auf die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Sultanat Oman samt Ernennung des ersten Botschafters hin. Das dürfte gerade Anhängern (einstiger) britischer Kolonialherrschaft übel aufgestoßen sein, vorausgesetzt eben, sie haben die päpstliche Ansprache überhaupt wahrgenommen. Sowjetfreundlichen Nostalgikern oder generell Ostalgikern muss die lobende Erwähnung des Zusatzabkommens zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Kasachstan eigens gegen den Strich gehen. Kolumbien hat wohl längst ganz andere Sorgen, als sich Panama wieder unterwerfen zu wollen, während der Papst eigens die schon hundertjährigen diplomatischen Beziehungen zu dieser Republik würdigte. Bemerkenswert auch die ausdrückliche Würdigung der Beziehungen des Heiligen Stuhls mit der Republik Südkorea und dem Staatswesen des Iran. Das Jubiläum der Beziehungen des Heiligen Stuhls mit dem Bundesstaat von Australien dürfte dann wieder jene verärgert haben, welche den weitgehenden Zerfall des einstigen britischen Empires nicht akzeptieren wollen. Ganz offensichtlich ist Papst Franziskus kein Freund französischer Kolonialpolitik und überhaupt der mit dem berüchtigten Sykes-Picot-Abkommen verbundenen Politik, wie seine wertschätzenden Worte über das libanesische Volk, die Republik Libanon und die Bevölkerung Syriens verdeutlichen. Gleichzeitig betonte er in der Ansprache die Bedeutung Israels, das seine Unabhängigkeit von der einstigen britischen Mandatsmacht erst nach erbittertem Widerstand gegen diese im Jahre 1948 erlangte. Ja, Papst Franziskus ging in seiner Zurückweisung solcher früheren Kolonialmächte so weit, auch im Sinne der Palästinenser eine Zwei-Staaten-Lösung anzumahnen. Zur Zurückweisung aller Nostalgien oder Loyalitätsbekundungen und -gefühle bezüglich einstiger britische Herrschaft in den betreffenden Gebieten passen die freundlichen Worte des Papstes über das Königreich Jordanien und über Myanmar und die dortigen Menschen. Genauso verdeutliche er die Unterstützung des Heiligen Stuhls für eine wirkliche Unabhängigkeit der Mongolei und der Ukraine wie auch Aserbaidschans und Armeniens. Generell keine Freude hat der Papst seinen Ausführungen zufolge egal ob an (pro-)französischen, (pro-)belgischen, (pro-)portugiesischen und (pro-)britischen Hegemonialvorstellungen. Die eigene Betonung der Wichtigkeit des von ihm und Spitzenvertretern anderer Konfessionen unternommenen Besuches in der Republik Südsudan verdeutlicht dies.
Die ausdrückliche Erwähnung samt gemeinsamen Fotos mit dem Papst des Botschafters der Republik Zypern beim Heiligen Stuhl, Georgios Poulides, als Dekan des Diplomatischen Korps verdeutlicht, dass der Heilige Stuhl sehr erfreut ist über die vor Jahrzehnten immerhin für den größten Teils Zypern erfolgte Beendigung der britischen Herrschaft und stellt zugleich einen Kontrapunkt gegen weitreichende türkische und protürkische Ambitionen dar.
Auch sonst war diese päpstliche Ansprache wirklich beachtlich, mag dies nun auch bei gewissen Mächten und ihren Handlagern auf Widerwillen stoßen.
Nun ja, das Assyrische Großreich, mit dem der Prophet Jona sich auseinanderzusetzen hatte und wovon die Erste Lesung am 3. Sonntag im Jahreskreis nach der bei uns üblichen Leseordnung handelt, ist bezeichnenderweise längst völlig vergangen. Es wurde regelrecht ausradiert. Am Ende des Buches Tobit wird über den Untergang dieses einstigen Imperiums regelrecht Schadenfreude bekundet (siehe Gedanken zur Woche Gedanken zur Woche 158-b – HEILIGE WOCHE/KARWOCHE (2023)).
1. Lesung: Jona 3,1-5.10
2. Lesung: 1 Kor 7,29-31
Evangelium: Mk 1,14-20
Gedanken zur Woche 200-b, Dr. Matthias Martin
3. WOCHE IM JAHRESKREIS
Dass in der Woche nach dem SONNTAG DES WORTES GOTTES (siehe Gedanken zur Woche 200 – 3. SONNTAG IM JAHRESKREIS und SONNTAG DES WORTES GOTTES (2024)) das Fest der BEKEHRUNG DES HEILIGEN APOSTELS PAULUS und der Gedenktag der als Schüler des Apostels gesehenen heiligen TIMOTHEUS und TITUS gefeiert werden, passt sehr gut zusammen.
Nun stellen ja die sogenannten Paulusbriefe einen großen Teil des Neuen/Zweiten Testaments dar. Nach dem heiligen Timotheus sind eigens zwei neutestamentliche Briefe benannt und nach dem heiligen Titus einer.
Dabei nimmt besonders der Hebräerbrief/Brief an die Hebräer bei den die neutestamentlichen Briefe betreffenden Einteilungsversuchen eine Sonderstellung ein. In der christlichen Überlieferung wird er einigermaßen den demnach insgesamt 14 Paulusbriefen zugezählt. Dabei wird er üblicherweise nach dem Philemonbrief/Brief an Philemon ganz ans Ende dieser mehr oder in christlicher Überlieferung dem Apostel Paulus zugeschriebenen Briefe gestellt. Dieser Hebräerbrief nimmt damit schon optisch eine Randstellung bezüglich eines gerne über Jahrhunderte hinweg angenommenen Corpus Paulinum ein.
Tatsächlich wird heutzutage in akademischen bzw. theologischen Kreisen sehr gerne eine von Paulus unabhängige Entstehung eben dieses Hebräerbriefes angenommen. Verschiedene Persönlichkeiten und Personengruppen aus der Zeit des Urchristentums oder einer zumindest noch sehr frühen Phase des Christentums wurden bereits als mutmaßliche Verfasser oder Verfasserinnen genannt. Ja auch so manche Frau aus der Frühzeit des Christentums wurden bereits als Verfasserin des schon bezüglich seiner Entstehung so kontroversiell diskutierten Hebräerbriefes genannt. So kann die Meinung begegnen, der Name dieser tatsächlichen Verfasserin sei schon sehr früh hintangestellt worden, um die Akzeptanz des Hebräerbriefes in dem sich entwickelnden Christentum nicht zu gefährden. In diesem Zusammenhang mag der Leserin, dem Leser auch die in den letzten Jahrzehnten immer wieder zumindest im Westen gerne geäußerte Theorie in den Sinn kommen, wonach in den ersten Jahrhunderten ab dem Wirken des historischen Jesus in der Entwicklung des Christentums eine bewusste Verdrängung und gewissermaßen Unterschlagung von Frauen stattgefunden habe.
Demgegenüber ist da die Verschwörungstheorie, wonach eine die ursprüngliche Verkündigung Jesu von Nazarets verfälschende judaisierende Verschwörung schon seit ganz frühen Tagen etwa mit den Aposteln Platz gegriffen habe, ihrerseits noch älter. Spätestens mit Marcion/Markion ist diese Art von Verschwörungstheorie greifbar (siehe Gedanken zur Woche 99 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022); Gedanken zur Woche Gedanken zur Woche 143-b – 4. ADVENTWOCHE (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 126-b – 21. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022).
Dementsprechend ist die Rolle des Paulus umstritten. Im Rahmen andijudaistischer Positionen bis hin zu marcionitischer/markionitischer Verschwörungstheorie kommt ihm eine sehr positive Rolle zu. Er habe mutig und konsequent das von ihm vertretene Christentum vom Judentum entfernt. Umgekehrt wird dieser angenommene Vorgang einer durch Paulus vorangetriebenen Entfremdung des sich bildendenden Christentums vom Judentum auch kritisch gesehen bis ausdrücklich verurteilt. Dies kann bis zu dem Vorwurf gehen, Paulus habe den Weg für einen sich dann furchtbar entwickelnden christlichen Antijudaismus gebahnt. Es gibt aber die nicht zuletzt von jüdischer Seite vertretene und ziemlich entgegengesetzte Meinung, Paulus sei zeit seines Lebens immer ein treuer Mann des Judentums geblieben. In diesem Sinne habe er die Völker der Welt außerhalb des Judentums, die Heidenvölker, nur möglichst rasch in das Judentum hineinführen wollen. Alle theologischen Neuinterpretationen und namentlich Relativierungen bezüglich der Beachtung des überlieferten jüdischen Gesetzes hätte diesem Zweck der sehr rapiden Ausdehnung des Judentums dienen sollen.
Bis an katholische theologische Fakultäten kann auch die Meinung begegnen, der Sturz des später Paulus genannten Saulus bei Damaskus von seinem Reittier habe diesen mental irgendwie beschädigt und zu eigenwilligen bis wirren Ideen bei ihm geführt. Erst recht werden die mehr oder minder als Paulusbriefe bezeichneten Schriften des üblichen Neuen/Zweiten Testaments ganz unterschiedlich bis entgegengesetzt interpretiert. Ausdruck dessen sind ja allein schon die sehr weitreichenden und grundsätzlichen Auslegungen bezüglich der angenommenen Stellung des Paulus zum Judentum. In einem so brisanten wie weiten Bereich etwa wie der Diskussion um Homosexualität müssen die meist irgendwie mit Paulus in Verbindung gebrachten neutestamentlichen Briefe für ganz unterschiedliche bis entgegengesetzte Positionen herhalten. Dies war schon in früheren Jahrhunderten beispielsweise auch in der so grundsätzlichen Diskussion über eine bzw. die Lehre von der Allerheiligsten Dreifaltigkeit der Fall.
Auf jeden Fall wird in der Apostelgeschichte des Neuen/Zweiten Testaments eigens die Bekehrung des Paulus, dieses Damaskusereignis behandelt. Dies geschieht dazu an mehr als einer Stelle (Apg 9,1-22 und 22,3-16 bzw. 22,1-21, siehe auch 1 Kor 15,8-9 und Gal 1,11-17).
Dem Wirken des Paulus war offensichtlich ein durchschlagender, ja weltgeschichtlicher Erfolg beschieden. Er wird bis zum heutigen Tag sogar der „Völkerapostel“ genannt.
Zu den Paulusbriefen des Neuen/Zweiten Testaments werden nach der überlieferten Anordnung auch die beiden Timotheusbriefe und der Titusbrief gezählt. Dabei werden längst genau diese drei Briefe gerade im deutschen Sprachraum als Gruppe der „Papstoralbriefe“ bzeichnet. Meist wird ihnen eine späte Entstehungszeit zugeschrieben, die erst nach dem Tod des heiligen Paulus läge. Verbunden damit ist die in Theologenkreisen sehr weit verbreitete Einstufung als pseudoepigraphische, also als nicht von Paulus selber verfasste Schriften.
Dabei ist zu bedenken, dass gerade bei mehr oder minder als Paulusbriefe bezeichneten Schriften des Neuen/Zweiten Testaments die Datierungen bezüglich ihrer Entstehung und die Meinungen bezüglich jeweiliger Autorenschaft mitunter weit auseinandergehen.
Dabei ist die Grundtendenz bei diesen drei Briefen, den zwei nach Timotheus und dem einen nach Titus benannten, dass es hier um die praktische Bewährung der Gläubigen im Alltag geht. Ihre Gemeinden sollen für einen langen Zeitraum alltagstauglich sein. Von einer baldigen Wiederkehr Christi oder einem sonst wie stattfindendem baldigen Weltende wird ganz offensichtlich nicht ausgegangen. Dies zeigt sich beispielsweise in der Aufmerksamkeit, welche eigens dem als Dauereinrichtung angesehenen Witwenstand im Ersten Timotheusbrief gewidmet wird (siehe Gedanken zur Woche 151-b – 6. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023)).
Für heutige Diskussionen besonders in einem sich noch irgendwie als „christlich“ definierendem Milieu zum Thema sexueller Missbrauch im Allgemeinen und sexueller Missbrauch durch kirchliche Mitarbeiter ist gerade eine Passage im Ersten Timotheusbrief interessant:
„(1 Tim 1,8) Wir wissen aber: Das Gesetz ist gut, wenn es jemand im Sinne des Gesetzes anwendet (9) und bedenkt, dass das Gesetz nicht für den Gerechten bestimmt ist, sondern für Gesetzlose und Ungehorsame, für Gottlose und Sünder, für Menschen ohne Glauben und Ehrfurcht, für solche, die Vater oder Mutter töten, für Mörder, (10) Unzüchtige, Knabenschänder, Menschenhändler, für Leute, die lügen und Meineide schören und all das tun, was gegen die gesunde Lehre verstößt, (11) gemäß dem Evangelium von der Herrlichkeit des seligen Gottes, das mir anvertraut ist.“
Man beachte, dass hier Mörder einschließlich sogar die, welche Vater oder Mutter töten, und Knabenschänder und generell „Unzüchtige“ in einem Atemzug genannt werden. Sexueller Missbrauch, sexuelle Übergriffigkeit wird also als besonders schweres Vergehen und nicht als eine Bagatelle oder als ein Kavaliersdelikt eingestuft. Es wird hier ein derartiges Vergehen bei so etwas wie Kirchenmitarbeitern nicht damit kleingeredet oder gar offensiv verteidigt, solche Täter täten doch auch Gutes oder ein solcher Täter sei sowieso ein „ganz ein lieber Mitbruder“, oder man verstünde sich persönlich so gut mit ihm.
Auch die hier ausgesprochene ausdrückliche Verurteilung der „Menschenhändler“ ist sehr beachtlich. Sexueller Missbrauch und überhaupt das Ausleben sexueller Ambitionen war und ist mit Menschenhandel verbunden. In den Zeiten des Römischen Reiches diente der furchtbare Skalenhandel nicht zuletzt solchen Gelüsten. In neuester Zeit wird geschätzt, dass mit dem Menschenhandel mehr Geld verdient werde als mit dem Drogen- und dem Waffenhandel. Auch darf der sexuelle Missbrauch an Kriegsgefangenen und Angehörigen unterworfener Völker oder Volksgruppen einst und jetzt samt Verschleppung und Verkauf betroffener Menschen nicht verdrängt werden.
Überhaupt lässt sich diese Stelle im Ersten Timotheusbrief als eine Verurteilung von Sklavenhandel oder Menschenhandel jeder Art ansehen. Daraus ist wieder eine Richtungsweisung für das eigene Leben und Handeln zu gewinnen.
Gedanken zur Woche 199, Dr. Matthias Martin
2. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2024)
Bekanntlich besitzt das Johannesevangelium innerhalb der vier kanonischen Evangelien des Neuen/Zweiten Testaments eine Sonderstellung. Über weite Strecken bietet es Material, welches nur in diesem Evangelium zu finden ist. In diesem Sinne stellt eben das Johannesevangelium im ganz großen Stil etwas ganz Eigenes dar, und es ist nicht selbstverständlich, wenn es in seinem Verlauf Gemeinsamkeiten mit einem der drei synoptischen Evangelien nach Matthäus, Markus und Lukas, vielleicht zweien von diesen oder gar allen drei der synoptischen Evangelien aufweist.
Da ist es dann umso bemerkenswerter, wenn sich eine betreffende Gemeinsamkeit mit synoptischen Stellen des Neuen/Zweiten Testaments bereits kurz nach dem so eigentümlich johanneischen Prolog als der berühmten Einleitung des Johannesevangeliums (Joh 1,1-18) und einer eigenen Passage über das Zeugnis Johannes des Täufers (Joh 1,19-34) findet. Es ist die johanneische Version der Berufung der ersten Jünger durch Jesus von Nazaret.
Beachtung verdient eigens, dass dem Simon, dann genannt Petrus bereits hier in allen vier Evangelien eine besondere Stellung zugewiesen wird (Joh 1,41-42; Mt 4,18-19, Mk 1,16-17; Lk 5,3-5.8). Auf ihn hin und von ihm her entwickelt sich hier in der Darstellung Handlung. Er ist nicht einfach als jemand dargestellt, der eben halt auch da wäre oder einer, der einfach so bei einer Gruppe etwa von Jünger mit dabei wäre. Simon Petrus erscheint insgesamt als eine Persönlichkeit, die bereit ist, umgehend zu handeln, wenn er angesprochen wurde. Der Eindruck verfestigt sich, wenn man dem weiteren Verlauf des Neuen/Zweiten Testaments folgt, namentlich den vier Evangelien und der Apostelgeschichte.
Ganz generell springt gewissermaßen ins Auge, dass zu diesem ganz frühen Zeitpunkt im neutestamentlichen Handlungsablauf und eben nach dem in allen vier Evangelien zu findenden Textmaterial Jesus von Nazaret bereits mit der Personalrekrutierung beginnt, er mit so etwas wie Kaderbildung anfängt. Er verließ sich offensichtlich nicht darauf, dass seine charismatische Ausstrahlung, seine ausstrahlenden Worte und Taten die Menschenmassen einfach so inspirieren würden, sich in einer gewünschten Weise zu verhalten und in ihrer Gesinnung zu orientieren, schon gar nicht in einer verlässlich auf Dauer angelegten Weise. Vielmehr ging es offensichtlich schon sehr früh um die Schaffung eines engeren Gefährten- oder Mitarbeiterkreises, dem als Kader eine eigene auf Dauer angelegte Funktion zukommen sollte. Etwas wie funktionale Ausdifferenzierungen innerhalb der Gesamtheit von Sympathisanten Jesu von Nazarets sind im Verlauf der vier Evangelien schon sehr früh erkennbar (siehe Gedanken zur Woche 45 – 2. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 148 – 3. SONNTAG IM JAHRESKREIS und SONNTAG DES WORTES GOTTES (2023) und allgemein Gedanken zur Woche 99-b – 6. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022)).
Dabei werden eben schon im Neuen/Zweiten Testament immer wieder auch die dunklen Seiten etwa von Aposteln, von Mitgliedern der Urgemeinde von Jerusalem und so weiter angesprochen. Man denke hier an die Zurechtweisung des Petrus durch Jesus, den Verrat des Judas Iskariot an Jesus samt dem Vorwurf, Judas Iskariot habe als Verwalter der Kasse deren Einkünfte veruntreut. Für die nachösterliche Zeit geht es in diesem Sinne weiter, etwa wenn der Betrug des Hananias und seiner Frau Saphira und Probleme bei der Versorgung der Witwen jeweils in der Jerusalemer Urgemeinde erzählt werden. Auch heftige interne Auseinandersetzungen in der neutestamentlichen Zeit werden wiederholt offen angesprochen (siehe Gedanken zur Woche 58-b – 5. OSTERWOCHE (2021); Gedanken zur Woche 82 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021); Gedanken zur Woche 85 – 32. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 151 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)).
Probleme mit dem eigenen Personal gab es also schon von Anfang an in der Christenheit. Bemerkenswert ist dabei, dass dies im Neuen/Zweiten Testament nicht vertuscht oder schöngeredet wurde. Man kann hier von einer mitunter brutalen Offenheit sprechen. Dabei lässt sich eine solche Ausrichtung bereits im Alten/Ersten Testament erkennen, ist also ihrerseits wieder kein Grund, das Alte/Erste und das Neue/Zweite Testament auseinanderzureißen.
Bemerkenswerterweise fängt die Thematisierung des Fehlverhaltens von so etwas wie religiösem Personal bis hin zu dem von religiösem Spitzenpersonal schon in den Fünf Büchern Mose, der Thora/Tora/Torah an und zieht sich dann durch die Schriften dessen durch, was auf Deutsch parallel zu anderen Sprachen meist das Alte und seltener das Erste Testament genannt wird (siehe Gedanken zur Woche 82 – 29. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)). Hierzu wird man vielfältig fündig, sowohl in geschichtlichen wie in prophetischen Schriften eben des Alten/Ersten Testaments.
Die Funktionsfähigkeit des Klerus spielte, wie gerade erklärtermaßen nicht konfessionell festgelegte Autoren betonen, eine sehr wichtige bis zentrale Rolle für die Entwicklung und Festigung des Christentums. Auf der anderen Seite aber stellte eben das Fehlverhalten kirchlichen Personals einschließlich des Klerus eine dauernde Herausforderung dar. In grundsätzlicher theologischer Hinsicht mögen hierzu Begriffe einfallen wie „Erbsünde“, „Schwächung der menschlichen Natur“, „Fall des Menschen“ und „gefallene menschliche Natur“. Auch ein Sprichwort wie „Wo Menschen sind, da menschelt es!“ kann in den Sinn kommen. Passenderweise wird dieser Spruch dem katholischen Ordensgründer und Kirchenlehrer Franz von Sales zugeschrieben.
So führt sich die Auseinandersetzung mit menschlichen Unzulänglichkeiten bis hin zu ausgemachter Bosheit bei Kirchenmitgliedern oder Konfessionsgenossen und gerade bei so etwas wie kirchlich-religiösem Kaderpersonal fort durch die Jahrhunderte. Synoden und Konzilien, Kirchenlehrer und Päpste schlugen sich damit herum.
Dass die (römisch-)katholische Kirche in unseren Tagen ein sehr ernstes Kaderproblem hat, ist längst nicht mehr die Minderheitenposition einiger katholischer Traditionalisten, die man über Jahrzehnte glaubte diskret bis brutal zum Schweigen bringen zu können.
So räumte offiziell schon Papst Johannes Paul II. ein schwerwiegendes Missbrauchsproblem in der Kirche ein. Intensiver wohl äußerten sich dann die beiden nächsten Päpste, Benedikt XVI. und Franziskus. Sprach Benedikt XVI. offen die seit Ende der fünfziger und den sechziger Jahren in kirchlichen Strukturen weit verbreitete Sympathie für die Täter an, so änderte Papst Franziskus inzwischen das gesamte Strafrecht des CIC in Richtung Verschärfung. Wie in Hinblick auf den CCEO wurde auch hier dazu u. a. die Regelung für die Neugründung von Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften verschärft. Überhaupt verdient natürlich auch die Entwicklung des Kirchenrechts für die Katholischen Ostkirchen, die katholischen orientalischen Kirchen, wie sie sich im CCEO und darüber hinaus äußert, fortdauernde Beachtung.
Beachtung verdient natürlich auch das Apostolische Schreiben in Form eines „Motu proprio“ von Papst Franziskus „Vos estis lux mundi“. Mit Datum vom 25. März 2023 liegt dies nun in seiner aktualisierten Fassung vor ( https://www.vatican.va/content/francesco/de/motu_proprio/documents/20230325-motu-proprio-vos-estis-lux-mundi-aggiornato.html ). Hier werden Normen zur Verhütung und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs in der Kirche vorgestellt, für die offizielle Geltung behauptet wird. Dabei werden schon in der Einleitung zumindest deutlich klingende Worte gewählt:
„Unser Herr Jesus Christus ruft jeden Gläubigen, ein leuchtendes Vorbild an Tugend, Integrität und Heiligkeit zu sein. Wir alle sind nämlich berufen, in unserem Leben und insbesondere in unserer Beziehung zum Nächsten konkretes Zeugnis für den Glauben an Christus zu geben.“
Dass namentlich sexueller Missbrauch dem völlig widerspricht, wird von Papst Franziskus ausdrücklich bestätigt und nicht etwa damit entschuldigt, dass klerikale Missbrauchstäter doch ganz liebe Mitbrüder wären und überhaupt Missbrauchstäter doch nicht nur Schlechtes, sondern eben auch viel Gutes getan hätten etc. So heißt es im Weiteren von „Vos estis lux mundi“:
„Die Verbrechen sexuellen Missbrauchs beleidigen unseren Herrn, verursachen physische, psychische und spirituelle Schäden bei den Opfern und verletzen die Gemeinschaft der Gläubigen.“
1. Lesung: 1 Sam 3,3b-10.19
2. Lesung: 1 Kor 6,13c-15a.17-20
Evangelium: Joh 1,35-42
Gedanken zur Woche 199-b, Dr. Matthias Martin
2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Heilige der frühen christlichen Jahrhunderte wie der heilige Antonius, der heilige Fabian und der heilige Sebastian, sind jeweils auf ihre Weise und mit den ihnen eigenen Akzenten auch für die heutige Zeit noch bemerkenswerte Vorbilder. Dabei ist es ein eigenes ins Auge springendes Faktum, wie sehr Antonius, auch genannt „der Große“ und der gleich dem heiligen Fabian als Märtyrer gestorbene heilige Sebastian die bildende Kunst angeregt haben. In ganz unterschiedlichen Kunststilen und bei unterschiedlichen Arten der künstlerischen Darstellung können uns gerade der heilige Mönchsvater Antonius und der heilige Sebastian begegnen. Auch in der Literaturgeschichte haben gerade diese beiden ihren jeweiligen Platz (siehe allgemein Gedanken zur Woche 95-b - 2. WOCHE IM JAHRESKREIS (2022) und Gedanken zur Woche 162-b – 4. OSTERWOCHE (2023)). Dabei verdient auch die Stellung des heiligen Fabian/Fabianus nicht zuletzt in der Kunstgeschichte Beachtung, auch wenn sie wohl nicht so stark ist wie eben die des heiligen Antonius des Großen und des heiligen Sebastian.
Heilige, die als Märtyrer anerkannt sind wie der heilige Sebastian und der heilige Fabian/Fabianus und ein Heiliger wie Mönchsvater Antonius, der der Überlieferung zufolge zunächst die offene römische Christenverfolgung und dann die durch ein arianisch orientiertes Kaisertum den Anhängern des Glaubensbekenntnisses von Nicäa zugefügten Bedrängnisse durchstand, können für heute lebende Christinnen und Christen Ermutigung bieten, treu zur eigenen Überzeugung zu stehen und sich nicht korrumpieren zu lassen. Längst weht der Kirche ja auch in westlichen Ländern auf breiter Front der Wind ins Gesicht. Dabei ist nach unbestrittener Meinung von Historikern und anderen Menschen spätestens seit dem 16. Jahrhundert in England und von ihm stärker beeinflussten Gebieten Antikatholizismus so etwas wie ein gesellschaftlich-staatliches Grundprinzip. Auch in Frankreich und von ihm kontrollierten Gebieten sind die Bedrängnisse für die katholische Kirche alles andere als neu. Der die Kirche als Versorgungseinrichtung und Hilfstruppe für die staatliche Politik und die Wünsche führender Kreis missbrauchende Gallikanismus hat hier sehr nachhaltig Verheerungen angerichtet.
Das Wirken in diesem gallikanischen Sinne ging bei offiziell katholischen Geistlichen und Laien oft mit einer moralischen und mehr oder minder theologischen Verwilderung einher.
Dabei ist der Kampf gegen das Fehlverhalten von wie auch immer als Kirchenvertreter anzusehenden Menschen gerade heutzutage ein sehr ernstes Gebot der Stunde.
Papst Franziskus betont dies immer wieder, und schon Johannes Paul II. versicherte, dass es beim (sexuellen) Missbrauch null Toleranz in der Kirche zu geben habe.
Im Apostolischen Schreiben in Form eines „Motu proprio“ von Papst Franziskus „Vos estis lux mundi“ betont er in der aktualisierten Fassung vom 25. März 2023, dass der Kampf gegen (sexuellen) Missbrauch eine ernste Verpflichtung für Papst und Bischöfe ist. Bemerkenswerterweise bezieht sich dabei Papst Franziskus ausdrücklich auf das Zweite Vatikanische Konzil. Dabei beriefen sich über Jahrzehnte Missbrauchstäter und ihre Unterstützer oder Sympathisanten ihrerseits gerade auf dieses Konzil. Wie so oft konnte man es in der einen oder anderen Weise, bei dieser und jener Gelegenheit vernehmen, eine möglichst täterfreundliche Haltung entspräche dem „Geist des Konzils“, und ein ernsthaftes Vorgehen gegen Missbrauchstäter sei ein Verstoß gegen die Intentionen des Zweiten Vatikanischen Konzils. Man musste sich über Jahrzehnte nicht anstrengen, um wiederholt den Vorwurf zu vernehmen, wer ein Vorgehen gegen Missbrauchstäter fordere oder irgendwie unterstütze, sei selber nicht für ein Amt in der Kirche geeignet oder überhaupt ein besonders schlimmer Nationalsozialist, eben ein übler Nazi.
Inzwischen mussten Missbrauchstäter, ihre Freunde und Förderer etwas vorsichtiger werden. Wenn man sich aber nur kurz die Machenschaften von Kirchenmännern wie Jan Alfrink, Karl Lehmann, Joachim Meisner und die Vorgänge im Bereich gerade neuer Ordens- und ordensähnlicher Gemeinschaften vergegenwärtigt (siehe Gedanken zur Woche 64-b – 11. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und allgemein Gedanken zur Woche 67-b – 14. WOCHE IM JAHRESKREIS (2021) und Gedanken zur Woche 93 – HOCHFEST DER GOTTESGEBÄERIN MARIA und WLETFRIEDENSTAG (2022)), so kommt man rasch zu dem unangenehmen Schluss, dass sich sehr leistungsfähige Missbrauchsstrukturen im großen Umfang in der Kirche breit gemacht haben. Sogenannte Untersuchungsberichte haben längst diese Schlussfolgerung zum wiederholten Male bestätigt.
Es ist ja allein schon sehr naiv zu glauben, Täter und Förderer von Missbrauch im Allgemeinen von und sexuellem Missbrauch im Besonderen in kirchlichen Ämtern bis in den Rang von Bischöfen und Kardinälen hinauf hätten nicht alles in ihrer Macht Stehende getan, um möglichst täterfreundliche Gegebenheiten innerhalb der Kirche und deren gesellschaftlichem Umfeld zu verwirklichen und zu sichern. Welche Kriterien da auch die Personalpolitik in Diözesen/Bistümern, Ordens- und ordensähnlichen Gemeinschaften bis hin zu Bischofskonferenzen bestimmten, lässt sich unschwer denken.
Umso klarer ist, dass es natürlich mit irgendwelchen Worten in kirchlichen Dokumenten und irgendwelchen Erklärungen in Staat, Kirche und Gesellschaft keineswegs getan ist.
Immerhin aber ist ein päpstliches Dokument wie eben „Vos estis lux mundi“ ein Anknüpfungspunkt. Es ist vielleicht wirklich ein guter Schritt zur Aufarbeitung und Bekämpfung innerkirchlicher Missstände. Worten müssen aber klare Taten folgen, etwa in Hinblick auf Personalpolitik insbesondere seit den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts.
Da ist zu beachten, dass in „Vos estis lux mundi“ nicht nur Bischöfe, sondern auch Obere von Instituten des geweihten Lebens und des apostolischen Lebens sowie führende Laienfunktionäre ins Visier genommen wurden.
So heißt es in Artikel 1 der Allgemeinen Bestimmungen des Motu proprio:
„Die vorliegenden Normen finden Anwendung im Fall von Meldungen in Bezug auf Kleriker oder auf Angehörige von Instituten des geweihten Lebens oder Gesellschaften des apostolischen Lebens und auf die Vorsitzenden der vom Apostolischen Stuhl anerkannten oder errichteten internationalen Vereine von Gläubigen“.
Eigens wird das unsägliche Problem des pornografischen Materials mit Minderjährigen und besonders verletzlichen Erwachsenen als Missbrauchsobjekten angesprochen.
Dass Missbrauchsfälle gemeldet werden sollen, wird umfangreich dargelegt. Ausdrücklich werden Menschen, die eine betreffende Meldung machen, unter kirchlichen Schutz gestellt und gegen sie gerichtete „Beeinträchtigungen, Vergeltung oder Diskriminierungen“ untersagt. Ein Schweigegebot gegen diejenigen, welche eine Meldung erstatten, mutmaßlich durch Missbrauch geschädigte Menschen und Zeugen wird ausdrücklich zurückgewiesen (siehe Titel 1 - Allgemeine Bestimmungen, Artikel 4).
Dazu werden auch eine vorhandene Personalprälatur und öffentliche klerikale Vereine mit der Befugnis zur Inkardination als von den Bestimmungen des Dokuments grundsätzlich für betroffen erklärt (siehe Titel 2 - Bestimmungen hinsichtlich der Bischöfe und Gleichgestellten, Artikel 6). Ebenso wird klargestellt, dass auch die Katholischen Ostkirchen unter diesen Regelungen stehen (siehe Titel 2 – Bestimmungen hinsichtlich der Bischöfe und Gleichgestellten, Artikel 9).
Eigens wird die Einhaltung staatlicher Regelungen angemahnt (siehe Titel 2 – Bestimmungen hinsichtlich der Bischöfe und Gleichgestellten, Artikel 20):
„Die vorliegenden Normen finden Anwendung, ohne die jeweils von den staatlichen Gesetzen festgelegten Rechte und Pflichten zu beeinträchtigen, insbesondere diejenigen in Bezug auf allfällige Meldepflichten an die zuständigen zivilen Behörden.“
Bisher in kirchlichen Kreisen so beliebte Ausreden werden damit noch einmal eigens zurückgewiesen.
Dabei stellt sich natürlich die Frage, welche Gesetze, Verordnungen und Rechtssprechungsergebnisse welcher Staatswesen hier anzuerkennen sind. Weiterhin kann man sich in der Internationalen Gemeinschaft nicht annährend einigen, wie viele Staaten es überhaupt gibt. Hinzukommen zahlreiche „normale“ Territorialdispute. Erst in jüngster Zeit richtete sich wieder verstärkt weltweite Aufmerksamkeit auf die durch China bedrohte Republik Taiwan. Auch der De-Facto-Staat von Somaliland fand wieder vielfältiges Interesse. Schon vor Jahren wurde eine mögliche Lösung des Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern durch die Anerkennung dreier Staaten angedacht (Israel, Westjordanland und ein Gazastaat) Hierzu gab es bereits die Formulierung „Drei Staaten für zwei Völker“. Eigens machte die internationale Anerkennung für die Inselsaaten von Niue und den Cook Inseln bemerkenswerte Fortschritte.
Auch hier gilt wieder, dass sich kirchliches Wirken immer unter konkreten Zeitumständen verwirklicht und nicht im luftleeren Raum zu bewältigen ist.
Gedanken zur Woche 198, Dr. Matthias Martin
TAUFE DES HERRN (2024)
Die Taufe ist nach christlichem Verständnis immer ein Neuanfang. Dies betrifft sowohl das getaufte Individuum, wie seine Familie und nicht zuletzt die jeweilige religiös-konfessionelle Gemeinschaft, in der die Taufe vorgenommen wird bzw. in welche die betreffende Person durch den jeweiligen Taufakt aufgenommen wird.
Diese Bedeutung von Taufe gilt unabhängig von theologischen (Einzel-) Positionen, welche eine betreffende konfessionelle Gemeinschaft, die zu taufende Person oder etwa seine Familie jeweils vertreten. So befürworten und praktizieren die meisten sich christlich nennenden Gemeinschaften oder Denominationen die Taufe von Kleinkindern. Manchmal wird diesbezüglich auch etwa von Baby-Taufe gesprochen. Mit dem Ausbruch des vielschichtigen und in sich sehr kontroversiellen Vorgangs der sogenannten „Reformation“ bildete sich alsbald eine Bewegung heraus, welche diese Art der Taufe nicht nur kritisierte, sondern grundsätzlich ablehnte. Als Entstehungsort dieser sich alsbald ihrerseits aufspaltenden Täuferbewegung oder wie man sie auch immer nennen will, gilt gemeinhin Zürich. Es war dann sehr rasch der auch sonst systematische Gewalt gegen Andersdenkende befürwortende und im größtmöglichen Stil anwendende Reformator Ulrich Zwingli, der die brutale Verfolgung der sogenannte Wiedertäufer vorantrieb (siehe Gedanken zur Woche 146 – TAUFE DES HERRN (2023) und Gedanken zur Woche 164 – 6. SONNTAG DER OSTERZEIT (2023)). Dabei gelten diese seine Opfer ihrerseits als Teil der ebenso schillernd-vielfältigen „REOFRMATION“ genannten Bewegung. Gemeinschaften, die aus dieser die Taufe von Kleinkindern ablehnenden Richtung hervorgegangen sind, haben sich selber wiederholt gespalten und tun dies weiterhin. Dabei werden sie sehr oft trotz allem gerade im deutschen Sprachraum als protestantisch bezeichnet bzw. dem Phänomen des Protestantismus zugerechnet. Auf jeden Fall besitzt die Taufe für alle diese Gruppierungen oder Denominationen eine zentrale Bedeutung.
Dies gilt eben auch für die konfessionellen Gemeinschaften, welche die Taufe von Kleinkindern befürworten und praktizieren. Da ist dann auch nicht so relevant, welcher konfessionellen Hauptrichtung des Christentums eine betreffende Kirche, Konfession, Sekte oder ein Gemeindeverband zugerechnet wird.
Taufe ist sehr wichtig auch für jene Gemeinschaften mit Taufspendung egal für Menschen aus welcher Altersgruppe, welche die Taufe mit der trinitarischen Formel ablehnen, sondern etwa nur auf den Namen Jesu taufen und ihrerseits üblicherweise als „Protestanten“ bezeichnet werden (siehe Gedanken zur Woche 143 – 4. ADVENTSONNTAG (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 146 – TAUFE DES HERRN (2023) und Gedanken zur Woche 177-b – 19. WOCHE IM JAHRESKREIS einschließlich HOCHFEST von der AUFNAME MARIENS IN DEN HIMMEL (2023)).
Als Christ, als Christin soll man ja Jesus von Nazaret nachfolgen. Das in einem positiven Sinne vielleicht wichtigste Buch in der christlichen Überlieferung nach der Bibel trägt bezeichnenderweise den Titel „Die Nachfolge Christi“ oder auch „Von der Nachfolge Christi“. Es gibt auch die Empfehlung, so etwas wie eine überlieferte Grundsatzempfehlung, dass sich der einzelne Christ, die einzelne Christin wie eine betreffende Gemeinschaft jeweils fragen solle, wie sich Jesus im betreffenden Fall verhalten hätte. Dabei sollte man sich auch bei solch einer Empfehlung vor Engherzigkeit und Fanatismus hüten. Natürlich können auch die Worte eines Kirchenliedes in Sinne kommen, die da lauten: „‘Mir nach‘, spricht Christus unser Held, ‚mir nach, ihr Christen alle!“.
Jesus von Nazaret hat sich nun nach dem Zeugnis des Neuen/Zweiten Testaments selber dem Vorgang des Getauftwerdens unterzogen. Mit je etwas Sondergut wird davon in jedem der drei Synoptiker berichtet (Mt 3,13-17; Mk 1,9-11; Lk 3,21-22). In allen drei synoptischen Evangelien wird dabei ausdrücklich auf das alttestamentliche Buch der Psalmen wie auf das ebenfalls alttestamentliche Buch Jesaja Bezug genommen. Das Fest TAUFE DES HERRN rückt diese Taufe Jesu von Nazarets durch den „der Täufer“ genannten Johannes in den Blickpunkt.
Dazu kann man in der kleinen Ausgabe des zurzeit allgemein verwendeten deutschen Messbuchs lesen:
„Wenn Erscheinung des Herrn auf Sonntag, den 7. oder 8. Januar, verlegt wird, wird Taufe des Herrn am darauffolgenden Montag gefeiert …‘“.
Wo das Hochfest von der ERSCHEINUNG DES HERRN ein staatlich anerkannter Feiertag ist, wird das Fest TAUFE DES HERRN am darauffolgenden Sonntag gefeiert. In diesem Jahr fällt der 6. Januar als Tag des Hochfestes ERSCHEINUNG DES HERRN, ja auch EPIPHANIE genannt, auf einen Samstag. Wenn es ein im öffentlichen Leben anerkannter Feiertag bzw. arbeitsfreier Tag ist, kann dann unmittelbar mit dem Sonntag auf dem 7. Januar am nächsten Tag eben das Fest (von der) TAUFE DES HERRN gefeiert werden. Im Tridentinischen Ritus für die Feier der Heiligen Messe, u. a. auch genannt die Messe des heiligen Pius V., die Messe Johannes XXIII. oder etwa die Messe Don Camillos, ist der 13. Januar als Festtag von TAUFE DES HERRN vorgesehen. Im Volksschott von 1961 kann man gerade im Sinne einer weiterführenden theologischen Interpretation nachlesen:
„13. Januar. Fest vom Gedächtnis der Taufe unseres Herrn Jesus Christus.
Die heutige Messe ist beherrscht vom Evangelium, in dem das zweite Geheimnis des Festes Erscheinung: die Taufe Jesu im Jordan, dargestellt wird. Weil der göttliche Heiland Vertreter des gefallenen Menschengeschlechtes sein wollte, läßt er sich die Bußtaufe erteilen. Er verlieh dem Wasser durch die Berührung mit seinem gottmenschlichen Leibe die Taufkraft, d. h. die Kraft, die Seelen zu reinigen und sie in das auserwählte Gottesvolk einzugliedern. Zum Lohne für die freiwillige Erniedrigung wird der Heiland vom Hl. Geiste in Gestalt der Taufe und vom himmlischen Vater verherrlicht.“
Ganz im Sinne des Bibelverständnisses der (römisch-)katholischen Kirche wie auch zahlreicher anderer konfessioneller Gemeinschaften wird hier der trinitarische Glauben betont. Dies liegt auf einer Linie mit den Glaubensbekenntnissen etwa von Nicäa und dessen Erweiterung auf dem Konzil von Konstantinopel im Jahre 381. Auch das Apostolische Glaubensbekenntnis und das Athanasische Glaubensbekenntnis können hier genannt werden.
Mag das Fest (von der) TAUFE DES HERRN oder eben FEST VOM GEDÄCHTNIS DER TAUFE UNSERES HERRN JESUS CHRISTUS dazu anregen, sich mit solch frühen und über einzelne konfessionelle Gemeinschaften hinweg verwendeten Glaubensbekenntnissen zu beschäftigen, so mag ein solches Fest im Kirchenjahr auch das Interesse an der Entwicklung kirchlicher Liturgie fördern.
Zugleich mögen das Hochfest oder Fest I. Klasse (von der) ERSCHEINUNG DES HERRN/EPIPHANIE und das Fest bzw. Fest II. Klasse (von der) TAUFE DES HERRN ermutigen, sich für eine staatliche bzw. tarifrechtliche Anerkennung des Hochfestes/Festes I. Klasse vom 6. Januar einzusetzen.
Überhaupt soll der Empfang der Taufe nicht in einem magisch-kultischen Sinne missverstanden werden. Durch die Taufe in die christliche Gemeinschaft, in die Kirche aufgenommen zu werden, ist auch ein Auftrag. Der Empfang der Taufe soll auch heutzutage der Beginn eines christlichen Lebens sein, in welchem der Einzelne beharrlich danach strebt, Gutes zu tun und Böses zu unterlassen. Anders gesagt lässt sich formulieren, dass der Getaufte berufen ist, im Rahmen seiner Möglichkeiten in Jesus Christus und in der Gemeinschaft des Heiligen Geistes den Willen des himmlischen Vaters zu erfüllen. Das Fest TAUFE DES HERRN verbunden mit dem ja vorher zu feiernden (Hoch-)Fest ERSCHEINUNG DES HERRN kann dies ins Bewusstseins rücken. Natürlich gibt es darüber hinaus zahlreiche andere gute Anregungen. So verdient der bei einigen Menschen in westlichen Ländern praktizierte trockene Januar Beachtung. Erst recht nach den ja oft alkoholreich begangenen Tagen des Dezembers zumindest einen Monat auf Alkoholkonsum zu verzichten, ist schon bemerkenswert. Gerade Kirchenmitarbeiterinnen und Kirchenmitarbeiter sollten beim Alkoholkonsum sowieso zurückhaltend sein. Die Einrichtung des trockenen Januars ist auf jeden Fall eine bemerkenswerte Übung, die sowohl innerhalb wie außerhalb des engeren kirchlichen Bereichs Beachtung und Nachahmung verdient.
1. Lesung: Jes 42,5a.1-4.6-7 oder Jes 55,1-11
2. Lesung: Apg 10,34-38 oder 1 Joh 5,1-9
Evangelium: Mk 1,7-11
Gedanken zur Woche 198-b, Dr. Matthias Martin
1. WOCHE IM JAHRESKREIS (2024)
Das Leben und Wirken des heiligen Severin kann auch Menschen in unserer Zeit begegnen und mit Interesse erfüllen, welche weder am kirchlichen Leben teilnehmen, noch ein Interesse an der Glaubenslehre der katholischen Kirche haben.
Tatsächlich kann man auf den Lebensweg des heiligen Severin stoßen, wenn man sich etwa mit der Landesgeschichte der heutigen Bundesländer Bayern, Ober- und Niederösterreich beschäftigt. Auch wer sich über solche regionalen Einteilungen hinweg für Ur- und Frühgeschichte, auch genannt Vor- und Frühgeschichte und nicht zuletzt dabei für ur-/vor- und frühgeschichtliche Archäologie oder wie man es jeweils bezeichnen mag, interessiert, kann alsbald auf den heiligen Severin und seine unmittelbaren Auswirkungen stoßen.
Sein Leben ist tatsächlich auf das Engste mit der Endphase dessen verbunden, was gerne das Weströmische Reich genannt wird. Entlang der Donaulinie hatte sich die Friedenspolitik des traditionell so gerne als wahnsinnig hingestellten und gescholtenen Commodus offensichtlich auf seine Weise bezahlt gemacht. Während sonst allerorten gerade die Grenzen des Weströmischen Reiches überrannt wurden und sich Reichsteile von sich aus verselbständigten, hielt über weite Strecken die römische Donaugrenze. Eben dort konnte der heilige Severin sein Wirken entfalten. Diesem für die einheimische Bevölkerung dienten nicht zuletzt Klostergründungen südlich der Donau in den Gebieten der oben erwähnten Bundesländer.
Die Nachhaltigkeit seines Wirkens verdeutlicht, welch große Bedeutung örtlich verankerten Persönlichkeiten in Zeiten wie der so konfliktreichen Epoche der Völkerwanderung zukommen konnte. Das Weströmische Reich unter meist schwächlichen Kaisern zerbröselte allmählich. Das letzte vorübergehend erfolgreiche Aufbäumen römischen Selbstbehauptungswillens im Westen des geteilten Imperiums unter Kaiser Majorian mit seiner Amtszeit von 457 bis 461 war nicht von langer Dauer gewesen. Nach seiner Tötung durch den wichtigen Militär germanischer Herkunft in römischen Diensten, Ricimer, ging es mit dem Weströmischen Reich weiter bergab. Ricimer als Vertreter der Angehörigen des (west-)römischen Heeres mit eigener germanischer Herkunft wurde insbesondere nach der von ihm bewerkstelligten Tötung des Kaisers Majorian so mächtig, dass er ganz erheblich über das Schicksal nomineller weströmischer Kaiser entscheiden konnte. Gerne wird gemeint, eine Reihe solcher offiziell irgendwie noch amtierenden weströmischen Imperatoren wäre lediglich die schwächliche Marionette Ricimers gewesen.
Schon vorher hatten gerade immer wieder ausbrechende bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen, bei denen es insbesondere darum ging, wer Kaiser sein sollte, das Weströmische Reich geschwächt. Mit einem Ricimer wollte sich dann offensichtlich auch kein römischer Bischof oder Papst irgendwelchen Ärger einhandeln, wobei auch der ja sehr lange keineswegs christenfreundliche römische Senat weiterbestand. Möglicherweise haben dann auch Spannungen mit diesem römischen Senat mitbeigetragen zu Sturz und raschem Tod des Kaisers Majorian. Dabei hatte er in seiner doch eher kurzen Amtszeit neben militärischen Aktionen eine Reihe weiterer Aktivitäten entfaltet. Dabei ging es um so unterschiedliche Bereiche wie die Erhaltung historischer Bauwerke, das Münz- oder Währungswesen, die Bekämpfung von Korruption wie die Förderung der Geburtenrate.
Nach dem Tod dieses noch einmal ziemlich energischen Herrschers brachen bisher noch dem weströmischen Staatsverband zuzurechnende Regionen weg, und konnten ansonsten Germanen in betreffenden Gebieten ihre vorher schon einmal auf Kosten der Römer ausgeübte Herrschaft rasch wiederherstellen.
Die großen Reichsreformen des sich allerdings auch als Christenverfolger betätigenden Diocletians und des mitunter „der Große“ genannten Konstantins waren gerade im weströmischen Bereich immer weniger wirksam. Man ist versucht zu sagen, diese Reichsreformen wie Maßnahmen anderer Kaiser waren im weströmischen Bereich zusehends nur noch Erinnerungen aus der Vergangenheit. Dass Konstantin, genannt „der Große“ allein schon die Auseinandersetzungen zwischen seinen Söhnen im Reich nicht hatte ausschließen oder verhindern können, ist für sich allein schon bemerkenswert. Auch seine Annäherung an das Christentum war wohl nicht so erfolgreich, wie er sich das gedacht hatte. Der letzte Angehörige der konstantinischen Dynastie auf dem Kaiserthron, Julian, hatte zum einen noch einmal das ganze Reich unter Kontrolle gebracht. Zum anderen war es eben, der sich noch einmal offen zum Heidentum bekannte und energisch versuchte, dieses wieder durchzusetzen. Dass er dabei dem nach Konstantius II. als dem so rücksichtlosen wie zumindest an der Oberfläche so erfolgreichen Begünstiger des Arianismus vielen siegreich erscheinenden Arianismus erst einmal eines auszuwischen unternahm, sorgte dabei immerhin für eine erhebliche Erleichterung zugunsten der unter sich auch nicht so einigen Anhänger des Glaubensbekenntnisses von Nicäa. Kirchlicherseits kam im pronizänischen/pronicänischen Bereich dabei gerade Athanasius von Alexandrien, auch genannt Athanasius der Große, die zentrale Stellung zu. Auch der heilige Hilarius, mitunter als Hilarius von Poitiers bezeichnet, ist hier zu nennen. Die römischen Bischöfe machten nicht immer eine gute Figur. Das zweifelhafte Verhalten von Papst Liberius (offizielle Amtszeit von 352 bis 366) diente noch im 19. Jahrhundert als Argument gegen die ganz unterschiedlich interpretierte und in ihrer kirchenamtlich vorliegenden Form sehr oft missverstandenen Päpstlichen Unfehlbarkeit. Im 20. Jahrhundert nutzten den zumindest peinlichen Fall des Papstes Liberius insbesondere Anhänger und Sympathisanten des mit dem Papst seiner Zeit im Streit liegenden Erzbischofs Marcel Lefebvre, um dessen Position argumentativ in romkritischer Weise zu unterstützen. Auch die kontroversielle Doppelwahl für den römischen Bischof nach dem Tod des Liberius mit den damit verbundenen blutigen Auseinandersetzungen samt dem Umstand, dass ein heidnischer Vertreter der damals noch in Rom intakten kaiserlich-römischen Staatsmacht Bedeutung gewann, als zu entscheiden war, wer nun rechtmäßiger Bischof sei, war zumindest ganz bemerkenswert (siehe Gedanken zur Woche 177 – 19. SONNTAG IM JAHRESKREIS - Bistum/Diözese St. Pölten: HOCHFEST von ST. HIPPOLYT (2023)).
Mit der Völkerwanderung ging es dabei einst für die Menschen und auch Kirchenvertreter gerade im weströmischen Bereich um das eigene Überleben und bei pflichtbewussten kirchlichen Mitarbeitern um die Sicherung von so etwas wie kirchlichen Grundstrukturen und Grundvollzügen.
In diesem geschichtlichen Kontext gewann dann jemand wie der heilige Severin seine weit über den engeren kirchlich-spirituellen Bereich hinausgehende Bedeutung. Er wurde zum Fürsorger für die örtliche Bevölkerung, zum Organisator von Hilfe für das tägliche Überleben.
Wie schwierig die Zeiten waren, ersieht man auch schon daran, dass man sich in mit dieser Geschichtsepoche befassten Kreisen nicht einigen kann, wer der letzte weströmische Kaiser gewesen sei, oder wann dieses Weströmische Reich endgültig untergegangen sei.
Endete dieses etwa wirklich im Jahre 476 mit der Absetzung des von dem die Oberherrschaft beanspruchenden Kaisers in Konstantinopel schon nicht mehr anerkannten „Kaiserleins“ Romulus Augustulus durch den germanischen Heerführer Odoaker? Oder endete das Weströmische Reich im Jahre 480 mit dem Tod des noch in Dalmatien amtierenden und von dem so etwas wie den kaiserlichen Vorsitz beanspruchenden oströmischen Kaiser als Kaiser für den Westen anerkannten Julius Nepos (siehe Gedanken zur Woche 173-b – 15. WOCHE IM JAHRESKREIS (2023))? Oder bestand in einem Bereich des nördlichen Galliens mit dem heutigen Soissons als Zentrum das Weströmische Reich als Rumpfstaat fort, bis Syagrius als letzter römischer Statthalter oder Regionalherrscher im Jahre 486 n. Chr. von den Franken unter Chlodwig entscheidend besiegt wurde? Dabei dürften sich Reste römischer Truppen und örtlicher Verwaltungsstrukturen noch bis 488 n. Chr. im einstigen Wirkungsbereich des heiligen Severin entlang der Donau gehalten haben. Bei dem durch Odoaker veranlassten endgültigen Abzug der Römer aus diesem Donaugebiet wurde der Leichnam des inzwischen verstorbenen Severin in die Gegend des heutigen Neapels nach Lucullanum überführt.
Reiche und Siedlungsstrukturen von damals sind längst vergangen. Das Andenken an den heiligen Severin und den heiligen Hilarius aber und die von ihnen vertretene katholische Kirche mit einem nizänischen/nicänischen Glaubensbekenntnis sind geblieben.
Gedanken zur Woche 197, Dr. Matthias Martin
FEST DER HEILIGEN FAMILIE (2023)
Mitunter gibt es Tage, die nach dem derzeit gerade im deutschen Sprach- und Kulturraum besonders verbreiteten liturgischen Kalender ein ganz dicht gedrängtes Programm aufweisen.
Dies war zweifelsohne in diesem Jahr 2023 am 24. Dezember der Fall. Da fielen ja der Vierte Adventsonntag und Heiligabend/Heiliger Abend just auf denselben Tag (siehe Gedanken zur Woche 196 – 4. ADVENTSONNTAG und HEILIGER ABEND (2023)). In der Pfarrgemeinde zum Heiligen Nikolaus in Stein an der Donau hatte dies zur Folge, dass drei verschiedene Gottesdienste an genau demselben Tag gefeiert wurden: Vormittag stand mit dem ernsten Violett, auch genannt Lila, der Adventzeit die Heilige Messe für den Vierten Adventsonntag gewissermaßen auf dem Programm; nachmittags fand die KINDERKRIPPENANDACHT, gerne auch Kindermette genannt statt, und in der Nacht wurde schließlich die CHRISTMETTE gefeiert, wobei in beiden letzteren Gottesdiensten das liturgische Weiß der Weihnachtszeit zum Einsatz kam. Jeder dieser Gottesdienste hatte seine ganz eigenen Akzente und verkörpert nicht zuletzt über den engeren religiös-spirituellen Rahmen hinaus etwas von kulturellem Leben, einen Teil lebendigen kulturellen Erbes. Umso mehr stellte und stellt die würdige Gestaltung dieser Gottesdienste eine Herausforderung dar.
In diesem Jahr ergibt sich am 31. Dezember ebenfalls ein sehr dicht gedrängtes Programm. Da wird zum einen der Herrentag des Sonntags gefeiert. Dieser ist ja der ganz ursprüngliche christliche Feiertag, an dem die Auferstehung des Herrn Jesus Christus gefeiert wird. Sowohl der CIC für die Lateinische Kirche wie der CCEO für die Katholischen Ostkirchen/katholischen orientalischen Kirchen/Unierten Kirchen betonen diese herausragende Bedeutung des Sonntags (siehe Gedanken zur Woche 196-b – HOCHFEST von WEIHNACHTEN und WEIHNACHTSOKTAV (2023)). Auch in der weltlichen Gesetzgebung und Rechtsprechung wird die besondere Stellung des Sonntags immer wieder gewürdigt. Ausdrücklich auf die deutsche Verfassung vom 11. August 1919 Bezug nehmend wird der Sonntag im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in dieser Hinsicht verteidigt (siehe Gedanken zur Woche 140-b – 1. ADVENTWOCHE (2022)).
Die Verteidigung des Sonntages wie anderer Feiertage nicht zuletzt in ihrer Bedeutung als Ruhetage für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist fortwährend ein gemeinsames Anliegen von Kirchen und anderen religiösen Gemeinschaften, Arbeitnehmervereinigungen wie den Gewerkschaften und, soweit vorhanden, Arbeiter- oder Arbeits- bzw. Arbeitnehmerkammern.
Nicht zuletzt hat der Sonntag für das Familienleben eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Am Sonntag nimmt man sich Zeit für das familiäre Zusammensein. Man versammelt sich oft eher als während der anderen Tage der Woche zum gemeinsamen Mittagessen, manchmal auch schon zu einem gemeinsamen Frühstück und dann etwa zum gemeinsamen Nachmittagscafé und dergleichen. Immer wieder steht ein gemeinsamer Ausflug von Familienmitgliedern auf dem Programm, der mit einem gemeinsamen Mittagessen in einem Gasthaus verbunden sein kann. Auch der Besuch bei der weiteren Verwandtschaft wird an Sonntagen immer wieder gerne vorgenommen. Vor allem vor dem nicht zu leugnenden Kollaps von Volkskirche gehörte auch der gemeinsame Gottesdienstbesuch zum Sonntagsprogramm bei sehr vielen Familien. Der Zusammenhang von Sonntag und Familienleben ist höchst wertvoll und sollte nach Möglichkeit gepflegt, verteidigt bis fortentwickelt werden. Auch hier berühren sich wieder die Anliegen von Kirchen, Gewerkschaften und anderen Vereinigungen.
Da ist es dann eine gewissermaßen lockende Herausforderung, dass am Sonntag des 31. Dezembers 2023 gleichzeitig das FEST DER HEILIGEN FAMILIE begangen wird. Der Sonntag ist eben ein ganz besonderer Tag für die Familie und ein besonderer Tag der Familie. Es ist bemerkenswert, dass etwa im Direktorium der Diözese, des Bistums St. Pölten 2022/2023 und dem Direktorium für 2023/2024 die Bezeichnung FEST DER HEILIGEN FAMILIE durchgehend in Großbuchstaben und dickgedruckt gewissermaßen die Überschrift für diesen Tag darstellt. Erst darunter ist in normaler Schreibweise, wenn auch dickgedruckt, zu lesen „Sonntag in der Weihnachtsoktav“. Zum 31. Dezember als Gedenktag des heiligen Papstes Silvester I. heißt dann lapidar, dass dieser Gedenktag des heiligen Silvester I. in diesem Jahr entfällt.
Das unterstreicht schon die besondere Bedeutung von Familie im Sinne katholischer Überlieferung wie nach aktuellem katholischem Selbstverständnis. Es ist nicht nur die katholische Kirche, welche die Familie als Keimzelle von Staat und Gesellschaft und eben auch von Kirche hochhält. In der Wertschätzung von Familie begegnen sich Angehörige unterschiedlicher Konfessionen, ja auch unterschiedlicher Religionen. Immer wieder legen religiöse Gemeinschaften Wert darauf, gerade ihre religiöse oder konfessionelle Überlieferung träte besonders nachdrücklich für die Familie ein.
Am ehesten bietet die eigene Familie in Zeiten der Krise bis hin in Zeiten eines gesellschaftlichen Zusammenbruches Halt und Hilfe.
Man sah es beim Fall des Weströmischen Reiches. Bestimmte Familien wirkten auch im politisch-gesellschaftlichen Bereich weiter und besaßen auch für die Kirche eigene Bedeutung über den Fall eben dieses Staatswesens hinaus. Intakte Familien besaßen für das Überleben und Durchstarten von Heimatvertriebenen des 20. Jahrhunderts existentielle Bedeutung, egal ob es sich um Menschen vom indischen Subkontinent, aus den deutschen Ostgebieten, Sudetenland oder Elsass-Lothringen handelte. Kulturelle Überlieferungen und Treue zur eigenen Konfession haben im heutigen Staatsgebiet der USA immer wieder im Rahmen von Familienstrukturen bemerkenswert gegen allen gesellschaftlichen Druck bis offene Gewalt seitens herrschender Kreise überlebt. Man blicke da nur einmal auf die Familiengeschichte mexikanischer Katholikinnen und Katholiken, auf Hutterer und Amische. Im gegenwärtigen französischen Staatsgebiet verdient eigene Beachtung der Zusammenhang von Familienstrukturen und dem Überleben der sog. Kleinen Kirche.
Muslimische Zuwanderer der ersten bis dritten Generation wie traditionsorientierte Katholiken zeigen ihrerseits im französischen Staatsgebiet inmitten der eskalierenden Krise des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens eine bemerkenswerte Robustheit in ihren Familienstrukturen. Der Staat Frankreich ist längst auf Dauersubventionen seitens der Europäischen Union angewiesen. Die oft nur etwas verbrämte Vorherrschaft Frankreichs in ehemaligen Kolonien erlebte gerade im Jahr 2023 einen rapiden bis atemberaubenden Kollaps, wobei hier gerade an die Republiken Mali, Niger, Burkina Faso und die Zentralafrikanische Republik zu denken ist. Die wiederkehrenden gewalttätigen Unruhen in zum französischen Staatverband gehörenden Städten erreichten besonders im Raum Paris eine neue Eskalationsstufe. Familienstrukturen gerade in den angesprochenen Bevölkerungsgruppen sind aber offensichtlich ausgesprochenen intakt und finden zusehends Interesse in weiteren Kreisen.
Ähnlich verhält es sich im Vereinigen Königreich. Die starken Abspaltungstendenzen in Schottland und Irland wie eine enorme Gewalttätigkeit in „britischen“ Städten und Skandale bei Politikern und in Sicherheitskreisen lassen sich nicht leugnen. Britische Herrschaft in Außenposten wie Gibraltar, auf den auch Falklandinseln genannten Malvinen/Malwinen/Malvinas und auf dem Chagos-Archipel steht längst massiv unter Druck. Familienstrukturen gerade bei nicht so großbritisch gesinnten Bevölkerungsgruppen sind aber offensichtlich ganz bemerkenswert intakt. Da mögen einem gerade die Katholikinnen und Katholiken Nordirlands in den Sinn kommen.
Umso mehr kann man in unseren Breiten die Menschen den unschätzbaren Wert von Familie aktiv in Ehren halten. Der 31. Dezember ist ja auch der Tag des Jahresschlusses. Da mag man innehalten und nachdenken, wie man in der zurückliegenden Zeit das Familienleben gepflegt hat oder auch nicht, und was hier noch zu verbessern ist.
1. Lesung: Sir 3,2-6.12-14 oder Gen 15,1-6;21,1-3
2. Lesung: Kol 3,12-21 oder Hebr 11,8.11-12.17-19
Evangelium: Lk 2,22-40 (oder 2,22.39-40)
Gedanken zur Woche 197-b, Dr. Matthias Martin
HOCHFEST DER GOTTESGEBÄRERIN MARIA und WELTFRIEDENSTAG sowie TAGE DER WEIHNACHTSZEIT (2024)
Zu Beginn eines neuen Kalenderjahres wird von vielen die Gelegenheit ergriffen, mehr oder minder gekonnt die sich ihnen stellenden Herausforderungen in den Blick zu nehmen und Überlegungen für die kommende Zeit zu entwickeln, ja gegebenenfalls Pläne für die unmittelbar anstehende Zukunft zu schmieden.
Natürlich ist es leichter, an einer Jahreswende wie auch sonst auf dem eigenen Lebensweg großartige Pläne zu entwickeln und gute Vorsätze zu fassen, als in beharrlicher Weise gute Taten zu verwirklichen oder gar zumindest in subjektiver Hinsicht großartige Visionen zu verwirklichen.
Die Schwäche der menschlichen Natur wird ja von mehr als einer Konfession betont. Mitunter geht dies gerade bei sich christlich nennenden Überlieferungen oder Gemeinschaften so weit, überhaupt von einer generellen Gefallenheit der menschlichen Natur in der einen oder anderen Weise auszugehen. Dabei sollte natürlich alles unterlassen werden, Menschen generell einen Sinn von Eigenverantwortung auszureden, sie dogmatisch oder moralisch von jeder Verantwortung für eigenes Verhalten, namentlich Fehlverhalten, freizusprechen. Schon in einem sehr allgemeinen pädagogischen Sinne, im Sinne von Richtungsweisung ist so etwas wie Willensfreiheit positiv anzusprechen. Die Wahl zwischen Gut und Böse ist als dem Menschen aufgetragene Grundentscheidung zu thematisieren (siehe allgemein Gedanken zur Woche 185 – 27. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)).
Sich für das Gute einzusetzen und das Böse nach Kräften zu meiden ist der von den Schriften des Alten/Ersten und des Neuen/Zweiten Testaments der Bibel aufgegebene Grundauftrag. Sonst machten etwa Aussagen wie die Zehn Gebote, Handlungsaufforderungen oder Mahnungen in den Weisheitsbüchern und die Bergpredigt keinen Sinn.
Dabei ist natürlich auch vor einem übertriebenen Optimismus, einer freudigen Naivität zu warnen. Gerade die Bücher der Bibel zeigen eben auch die dunklen Seiten des Menschseins. Die beginnt schon mit dem Buch Genesis im ersten Buch der Bibel wie überhaupt in der Thora/Tora/Torah, den Fünf Büchern Mose, zu denen eben das Buch Genesis zählt. Die naive Vorstellung von der Bibel mit ihren Einzelschriften vom Buch Genesis am Anfang des Alten/Ersten Testaments bis zur Geheimen Offenbarung am Ende des Neuen/Zweiten Testaments als einer Sammlung netter Geschichtchen und erbaulicher Redensarten muss korrigiert werden. Alles andere führte sonst inhaltlich in eine völlig falsche Richtung. Zugleich öffnet eine solche naive Sicht Tür und Tor für ein Zurechtkürzen der Bibel, ja der Schaffung einer eigenen genehmen Bibel oder Pseudo-Bibel, wie dies in besonders dreister Weise Marcion/Markion (siehe Gedanken zur Woche 143-b – 4. ADVENTWOCHE (2022) und allgemein Gedanken zur Woche 99 – 6. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2022) und Thomas Jefferson unternommen haben (siehe Gedanken zur Woche 178 – 20. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2023)).
Geht man von einer solchermaßen eher realistischen Sicht von menschlicher Existenz aus, so wird dann auch nicht verdrängt, dass es selbst in so wichtigen und grundsätzlich legitimen Einrichtungen wie Familie und religiöser Gemeinschaft eben immer wieder auch Missstände und aktives Fehlverhalten gibt. Wer dies verdrängen will, sollte eine ernstzunehmende Bibelausgabe in die Hand nehmen und von vorne in den Fünf Büchern Mose, im Pentateuch zu lesen anfangen.
Wer etwa auf diese Weise seine Aufmerksamkeit schärft für dunkle Seiten menschlicher Existenz, nimmt dann umso mehr Strukturen des Bösen etwa in Hinblick auf sexuellen Missbrauch, körperliche Gewalt und generell Machtmissbrauch wahr.
Derartig Übles kommt eben auch in der Familie als Keimzelle von Staat und Gesellschaft wie auch als existentieller Grundeinheit religiösen Lebens vor. Kein Gesetzgebungsakt, kein Verfassungsdokument, keine Kirchenversammlung und kein ideologischer Entwurf konnten dies beenden. So ist bei Menschen über konfessionelle und parteipolitische Grenzen hinweg immer wieder unbestritten, dass in Hinblick auf sexuellen Missbrauch die jeweils eigene Familie sogar ein wenn nicht gar der Hauptgefährdungsort ist. Dazu werden immer wieder „brave“ Familienväter enttarnt, sich außerhalb ihrer eigenen Familie in der ein oder anderen Weise ausgetobt zu haben. Der Skandal um einen konservativen britischen Abgeordneten, der während Unterhaussitzungen Pornos anschaute, ist da noch eher als skurril zu belächeln.
Genauso stellen Alkoholismus und Genuss mehr oder minder illegaler Drogen einen dauernden Angriff auf das Familienleben dar. Schon vor Jahrzehnten war unstreitig bewiesen, dass rauchende Eltern ihren Kindern schwersten Schaden zufügen und ihnen allein schon durch den betreffenden Konsum von Nikotinprodukten eine Reihe von Lebensjahren rauben. Dabei ist ja offenkundig, dass sich Kinder gegenüber ihren Eltern in einer wesentlich schwächeren bis völlig wehrlosen Position befinden. Dies gilt nicht zuletzt in Hinblick auf das Rauchen wie zügellosen Alkoholkonsum mit all den jeweiligen negativen Begleiterscheinungen und Folgen. Mit Blick auf sexuellen Missbrauch in der Familie räumte längst selbst der profranzösische europäische Kulturkanal ARTE in Hinblick auf die Zustände im französischen Staatsgebiet Schockierendes ein (siehe Gedanken zur Woche 67 – 14. SONNTAG IM JAHRESKREIS (2021)). Ab und an erwischt es dann in Zusammenhang mit der Entlarvung wegen sexuellem Missbrauch oder häuslicher Gewalt auch den einen oder anderen französischen Politiker, was durchaus auf Verbesserungen im dortigen Rechtssystem schließen lässt. Gleiches lässt sich für die deutlich gestiegene Anzahl von Rücktritten von britischen Politikern in Zusammenhang mit Fehlverhalten im sexuellen Bereich feststellen, egal ob sich dieses im Einzelfall in der eigenen Familie oder an einem Arbeitsplatz ereignet hat.
So unverzichtbar Familie und die Pflege von Familienleben ist, so ist der Kampf auch gegen dortige Missbräuche eine dauernde Herausforderung. Dass es sich dabei um ein so weites wie garstiges Feld handelt, soll nicht bestritten werden. Alles andere würde nur irreführende und kontraproduktive Naivität fördern. Vor so etwas warnen eben schon die ersten Bücher der ganzen Bibel. Hand in Hand müssen natürlich betreffende Bemühungen mit einem beharrlichen Kampf gegen das Fehlverhalten kirchlicher Amtsträger gehen, zölibatärer wie verheirateter. Schon ein in Gegenwart anderer Menschen deutlich alkoholisierter Geistlicher oder anderer Kirchenvertreter bzw. eine betreffende Kirchenvertreterin machen wirklich keinen guten Eindruck. Erst recht gilt dies in Hinblick auf sexuellen Missbrauch. Offensichtlich kommt da nun allmählich ein Teil von dem ans Licht, was lange zielstrebig unter den Teppich gekehrt wurde. Die Bemühungen der in der Labour Party organisierten britischen Sozialdemokratie und der Tories genannten britischen Konservativen, mit dem sexuellen Fehlverhalten eigener Mandatsträger aufzuräumen, ist in mehrfacher Hinsicht ermutigend. Es entkräftet zuerst einmal den Vorwurf, bei der Kritik an Fehlverhalten im sexuellen Bereich bis hin zum sexuellen Missbrauch an Minderjährigen handle es sich doch nur um rechte bis rechtsradikale Propaganda oder, theologischer formuliert, vorkonziliar-traditionalistische Verbohrtheit. Zum anderen liefert betreffendes neueres Vorgehen ein praktisches Muster, wie man in etwa gegen Missbrauch vorgehen könnte. Dies gilt auch für die Verfolgung von Missbrauchsfällen in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft, wie sie aus den USA und Australien berichtet wird. Zudem bleibt zu hoffen, dass betreffende Berichte und Mitteilungen in englisch- bzw. amerikanischsprachigen Medien namentlich auch im deutschen Sprachraum auf Interesse stoßen und zu richtig verstandener eifriger Nachahmung führen. So sehr einschlägige Berichte und Mitteilungen etwa in französisch- und italienischsprachigen Medien ebenfalls Beachtung verdienen, so ist wohl davon auszugehen, dass diese noch schwerer verständlich für die allermeisten Leserinnen und Leser im deutschen Sprachraum sind, als Berichte und Mitteilungen in englisch- bzw. amerikanischsprachigen Medien.
Im beginnenden Jahr 2024 und darüber hinaus mangelt es wahrlich nicht an Herausforderungen, nicht im Kleinen und nicht im Großen, nicht in Staat, Kirche, Gesellschaft samt dem Bereich der Familie.